28.01.2011 um 05:35 Uhr
Geschrieben von funkbarrio
Henrys "Brandt Rhapsodie" 1/3
93 Jahre stand es da und machte seinen Job. Es trotzte den modernen Arenen, Tempeln und Theatern und blieb, was es seit 1913 immer gewesen war: ein Stadion. Das charakteristisch kleine Spielfeld und die ungewöhnlichen Positionen der Videowände deuteten an, dass dieser Ort Ecken und Kanten besaß. Der letzte Tag hatte lange auf sich warten lassen. Doch beim letzten Spiel auf seinem satten Grün, bekam das Stadion mit dem Charme des Kleinen, des Unvollendeten einen Abschiedskuss seiner großen Liebe. Der Spieler, der aus dem baufälligen Stadion das Zuhause von Europas schönstem Fußball des neuen Jahrtausends gemacht hatte, verabschiedete sich angemessen. Mit einem Hattrick und Kniefall sagte Thierry Henry seinem Highbury leise "Adieu".
Das Viertel im Norden Londons hatte den rasanten Aufstieg des französischen Talents zum Weltklassestürmer begleitet. Der kleine Junge aus der Pariser Vorstadt, mit dem Flow in den Füßen und den Beats in den Ohren, verzauberte Highbury sieben Jahre lang und es war wohl wirklich so etwas wie Liebe gewachsen. Henrys Lippenbekenntnisse zu Stadion, Verein und Fans wirkten echt, seine Treueschwüre erst recht. Doch wie so oft sollte die Liebe scheitern. Wie so oft genügte einem der Partner und der Alltag nicht mehr und das ständige Scheitern beim Erreichen der nächsten Beziehungsebene.
Die nächste Ebene, für Henry war es Europas Thron. Eine spanische Schönheit machte seit Jahren schöne Augen und bot sich als Geliebte für den Karrierehöhepunkt an. Doch an diesem Nachmittag schwebte ganz Highbury in naiver Vorfreude, ging es doch kurz darauf ausgerechnet gegen diese spanische "Schlampe" mit den verführerischen Bewegungen, um die vielbeschriebene Ebene. Und Thierry Henry sollte doch endlich zum Master of Ceremony aufsteigen. Nichtahnend, dass der Kniefall nicht nur den Niedergang des alten HIghbury, sondern auch Henrys langsamen, paradoxerweise erfolgreichen, Abstieg einläuten sollte.
"Das Wort "Großartig" ist überbeansprucht, aber in Thierrys Fall ist es absolut wahr!" – Bob Wilson
Zwischen HipHop, Drill und Stade de France
Im Sommer 1998 geht ein Schrei durch ganz Frankreich. Die französischen Rap-Legenden NTM sind mit ihren Hits Ma Benz und Seine-Saint-Denis Style in aller Munde. Zum Abschluss der Tournee soll das Stade de France, in ihrer Heimat Saint-Denis, gefüllt werden, doch Joeystarr schlägt eine Stewardess, wird angezeigt, die Tournee abgebrochen. Thierry Henry ist zu diesem Zeitpunkt 20, hört HipHop, trägt Oberlippenbart und schlägt… ein! Drei Tore während der WM, die Offenbarung auf der linken Außenbahn. Eine Einwechslung im Finale bleibt ihm aufgrund Marcel Desaillys Kamikaze-Aktion zwar verwehrt, doch die Bilder von der Bank gehen um die Welt. Dort versteckt er sich hinter Djorkaeffs Kragen und tröstet seinen weinenden Freund David Trezeguet, der die Anspannung bis zum erlösenden 3:0 nicht mehr aushält.
20 Jahre zuvor wird er in der Pariser Vorstadt Les Ulis geboren. Eine Satellitenstadt, die erst ein halbes Jahr zuvor "gegründet" wurde und das gleiche Schicksal vieler anderer "Banlieues" französischer Großstädte teilen wird. Als günstige Wohnorte für die besser situierte Mittelschicht geplant, sind es vor allem arme Einwanderfamilien die sich ansiedeln. Mangelnde Infrastruktur und Arbeitsplätze, lieblose Stadtplanung und ein generelles Desinteresse der Politik führen zum langsamen Verfall. Für die Jugend gibt es nur wenig Auswege um zu Geld zu kommen: Kriminalität, Musik und der Sport. Henrys Vater Antoine kommt aus der Guadeloupe und hat einen Plan für die Zukunft seines Sohnes. Und der heißt Profi-Fußball. Einen Plan B gibt es nicht, Misserfolg ist ausgeschlossen. Dafür gibt er, verlangt aber auch alles.
Dabei mag der kleine Thierry das Spiel mit dem Ball nicht sonderlich. Seine Liebe zum Spiel ist keine auf den ersten Blick. Er wird von seinem Vater praktisch zwangsverheiratet. Sein Vater verliert seinen Job und ist auch bei guten Leistungen seines talentierten Sohnes nicht zufrieden. Es geht nicht um Spaß und Freude, es geht nicht um Schönheit und Ästhetik. Es geht darum, der Beste zu werden. Sein Leitmotiv ist geboren, auf Erfolgshunger getrimmt, implantiert durch die strenge Hand seines Vaters.
"Henry ist ein bewundernswerter Spieler und seine Technik ist vollkommen. Ich liebe, es ihm zu zuschauen! Ich respektiere ihn sehr, als Mann wie als Fußballer. Er erinnert mich an mich selbst." - Ronaldinho
1990 wird ein Scout des AS Monaco auf den 13jährigen aufmerksam und will ihn sofort und ohne Probetraining unter Vertrag nehmen. Einzige Kondition: ein Trainingslehrgang im legendären französischen Leistungszentrum Clairefontaine. Hier droht seine Karriere zu kippen, lange bevor sie überhaupt startet. Henrys Schulnoten sind zu schlecht, doch aufgrund seines überragenden Talents kommt er zum AS Monaco, bei dem er vier Jahre später einen gewissen Arsène Wenger trifft und Profi wird. Zunächst als linker Außenstürmer, dann als Mittelstürmer. An seiner Seite der ebenso talentierte David Trézéguet. Nachdem sie zusammen die französische Meisterschaft gewinnen und das Halbfinale der Champions League erreichen, werden beide für die Weltmeisterschaft im eigenen Land nominiert. Und wieder wird er zum Außenstürmer.
Der Motor ist gestartet, dreht verheißungsvoll auf, doch das hochschalten macht noch Probleme. Als Weltmeister wechselt Henry in der Winterpause 1999 zu den "Bianconeri" aus Turin. Ein kurzzeitiges Intermezzo, wird er doch ein halbes Jahr später von seinem Mentor Wenger zu den Gunners geholt. Als Nachfolger des extrem talentierten Nicolas Anelka, wird er beim amtierenden englischen Meister zunächst kritisch empfangen. Wenger überredet "Titi" erneut auf Mittelstürmer umzusatteln. Den skeptischen Spieler bittet er um Vertrauen und Henry trifft die beste Entscheidung seiner Karriere: er fügt sich seinem Schicksal.
Hier geht's zu Teil 2
Das Viertel im Norden Londons hatte den rasanten Aufstieg des französischen Talents zum Weltklassestürmer begleitet. Der kleine Junge aus der Pariser Vorstadt, mit dem Flow in den Füßen und den Beats in den Ohren, verzauberte Highbury sieben Jahre lang und es war wohl wirklich so etwas wie Liebe gewachsen. Henrys Lippenbekenntnisse zu Stadion, Verein und Fans wirkten echt, seine Treueschwüre erst recht. Doch wie so oft sollte die Liebe scheitern. Wie so oft genügte einem der Partner und der Alltag nicht mehr und das ständige Scheitern beim Erreichen der nächsten Beziehungsebene.
Die nächste Ebene, für Henry war es Europas Thron. Eine spanische Schönheit machte seit Jahren schöne Augen und bot sich als Geliebte für den Karrierehöhepunkt an. Doch an diesem Nachmittag schwebte ganz Highbury in naiver Vorfreude, ging es doch kurz darauf ausgerechnet gegen diese spanische "Schlampe" mit den verführerischen Bewegungen, um die vielbeschriebene Ebene. Und Thierry Henry sollte doch endlich zum Master of Ceremony aufsteigen. Nichtahnend, dass der Kniefall nicht nur den Niedergang des alten HIghbury, sondern auch Henrys langsamen, paradoxerweise erfolgreichen, Abstieg einläuten sollte.
"Das Wort "Großartig" ist überbeansprucht, aber in Thierrys Fall ist es absolut wahr!" – Bob Wilson
Zwischen HipHop, Drill und Stade de France
Im Sommer 1998 geht ein Schrei durch ganz Frankreich. Die französischen Rap-Legenden NTM sind mit ihren Hits Ma Benz und Seine-Saint-Denis Style in aller Munde. Zum Abschluss der Tournee soll das Stade de France, in ihrer Heimat Saint-Denis, gefüllt werden, doch Joeystarr schlägt eine Stewardess, wird angezeigt, die Tournee abgebrochen. Thierry Henry ist zu diesem Zeitpunkt 20, hört HipHop, trägt Oberlippenbart und schlägt… ein! Drei Tore während der WM, die Offenbarung auf der linken Außenbahn. Eine Einwechslung im Finale bleibt ihm aufgrund Marcel Desaillys Kamikaze-Aktion zwar verwehrt, doch die Bilder von der Bank gehen um die Welt. Dort versteckt er sich hinter Djorkaeffs Kragen und tröstet seinen weinenden Freund David Trezeguet, der die Anspannung bis zum erlösenden 3:0 nicht mehr aushält.
20 Jahre zuvor wird er in der Pariser Vorstadt Les Ulis geboren. Eine Satellitenstadt, die erst ein halbes Jahr zuvor "gegründet" wurde und das gleiche Schicksal vieler anderer "Banlieues" französischer Großstädte teilen wird. Als günstige Wohnorte für die besser situierte Mittelschicht geplant, sind es vor allem arme Einwanderfamilien die sich ansiedeln. Mangelnde Infrastruktur und Arbeitsplätze, lieblose Stadtplanung und ein generelles Desinteresse der Politik führen zum langsamen Verfall. Für die Jugend gibt es nur wenig Auswege um zu Geld zu kommen: Kriminalität, Musik und der Sport. Henrys Vater Antoine kommt aus der Guadeloupe und hat einen Plan für die Zukunft seines Sohnes. Und der heißt Profi-Fußball. Einen Plan B gibt es nicht, Misserfolg ist ausgeschlossen. Dafür gibt er, verlangt aber auch alles.
Dabei mag der kleine Thierry das Spiel mit dem Ball nicht sonderlich. Seine Liebe zum Spiel ist keine auf den ersten Blick. Er wird von seinem Vater praktisch zwangsverheiratet. Sein Vater verliert seinen Job und ist auch bei guten Leistungen seines talentierten Sohnes nicht zufrieden. Es geht nicht um Spaß und Freude, es geht nicht um Schönheit und Ästhetik. Es geht darum, der Beste zu werden. Sein Leitmotiv ist geboren, auf Erfolgshunger getrimmt, implantiert durch die strenge Hand seines Vaters.
"Henry ist ein bewundernswerter Spieler und seine Technik ist vollkommen. Ich liebe, es ihm zu zuschauen! Ich respektiere ihn sehr, als Mann wie als Fußballer. Er erinnert mich an mich selbst." - Ronaldinho
1990 wird ein Scout des AS Monaco auf den 13jährigen aufmerksam und will ihn sofort und ohne Probetraining unter Vertrag nehmen. Einzige Kondition: ein Trainingslehrgang im legendären französischen Leistungszentrum Clairefontaine. Hier droht seine Karriere zu kippen, lange bevor sie überhaupt startet. Henrys Schulnoten sind zu schlecht, doch aufgrund seines überragenden Talents kommt er zum AS Monaco, bei dem er vier Jahre später einen gewissen Arsène Wenger trifft und Profi wird. Zunächst als linker Außenstürmer, dann als Mittelstürmer. An seiner Seite der ebenso talentierte David Trézéguet. Nachdem sie zusammen die französische Meisterschaft gewinnen und das Halbfinale der Champions League erreichen, werden beide für die Weltmeisterschaft im eigenen Land nominiert. Und wieder wird er zum Außenstürmer.
Der Motor ist gestartet, dreht verheißungsvoll auf, doch das hochschalten macht noch Probleme. Als Weltmeister wechselt Henry in der Winterpause 1999 zu den "Bianconeri" aus Turin. Ein kurzzeitiges Intermezzo, wird er doch ein halbes Jahr später von seinem Mentor Wenger zu den Gunners geholt. Als Nachfolger des extrem talentierten Nicolas Anelka, wird er beim amtierenden englischen Meister zunächst kritisch empfangen. Wenger überredet "Titi" erneut auf Mittelstürmer umzusatteln. Den skeptischen Spieler bittet er um Vertrauen und Henry trifft die beste Entscheidung seiner Karriere: er fügt sich seinem Schicksal.
Hier geht's zu Teil 2
Aufrufe: 20947 | Kommentare: 14 | Bewertungen: 23 | Erstellt:28.01.2011
ø 9.6
KOMMENTARE
Um bewerten und sortieren zu können, loggen Sie sich bitte ein.
29.01.2011 | 10:38 Uhr
0
FranzBeckhambauer : Titiiiiii
Starker Blog! Hab Henry eigentlich immer gemocht. Aber als Bayern 0:4 in Barcelona untergegangen ist, hat Henry dem Butt ins Gesicht getreten und ich glaub mit Absicht. Seit dem mag ich ihn nicht mehr so ;) . Aber respekt vor seiner Technique werd ich immer haben. Thumbs up!
0
28.01.2011 | 19:04 Uhr
0
Shaka : Danke!
Ich habe schon viel über Henry gelesen, aber das war mit Abstand das Beste. Danke!!
0
28.01.2011 | 16:38 Uhr
0
Südbadner : Titi
Wie andere schon geschrieben haben. Henry hat auch mich zum Arsenal-Fan gemacht. Die Eleganz seines Spiels ist nach wie vor einzigartig.Kein Tor so schön wie der Blog es so treffend beschreibt, angeschnitten in die lange Ecke. Wann immer ich FIFA spiele, versuche ich meine Tore genau so zu schießen. Auf dem Platz habe ich einfach nicht die Klasse dafür.
Ganz großer Blog. Vielleicht der Beste den ich je gelesen habe.
0
28.01.2011 | 16:32 Uhr
0
Nicht so ernst nehmen, war nur um das Ende einer "Liebe" menschlich zu machen... Also in dem Fall aus der Sicht Highburys...
0
28.01.2011 | 16:18 Uhr
0
Xavi_6 :
der blog gefällt mir sehr gut, 10 punkte für alle teile.einzig allein dein bild von der spanischen schlampe aka barca verstehe ich nicht ganz.........
0
28.01.2011 | 15:19 Uhr
0
0
28.01.2011 | 15:09 Uhr
0
1
COMMUNITY LOGIN
Statistik