„Jung und unverbraucht": Diese Eigenschaften sind nicht die Top-Schlüsselwörter des Jahres 2011 in irgendwelchen Porno-Suchmaschinen, sondern die Anforderungen Nummer eins, die die Scouts im Weltfußball auf ihrem Bogen abhaken. Der Jugendwahn ist ausgebrochen – und nach unten scheint es keine Altersgrenzen mehr zu geben. In einem Alter, in dem unsereins noch von Mutti die Fußballschuhe zugeschnürt bekam, werden die Nachwuchs-Hoffnungen heutzutage schon von den Scouts der renommiertesten Vereine am Spielfeldrand angequatscht. Dabei werden handfeste Angebote unterbreitet. Altersgemäß sind keine von ihnen: Während sich Jungs im Grundschulalter doch eigentlich am meisten über Süßigkeiten oder ein längeres Aufbleiben am Samstagabend freuen würden, winken die Agenten mit hochdotierten Schecks. Die Eltern, die natürlich nur das Beste für ihren Kleinen wollen, unterschreiben mit dem guten Gefühl, ihrem Sohn damit den Weg für eine große Karriere geebnet zu haben.

Ein Blick in die Schlagzeilen der hiesigen Boulevard-Presse offenbart einen kleinen Teil des Ausmaßes, den der Jugendwahn angenommen hat. „Barca holt 11-Jährigen in die Nachwuchs-Akademie" oder „ManU verplichtet 5-Jährigen" sind Extrembeispiele, die hinter die postive Entwicklung der internationalen Talentförderung aber auch ein moralisches Fragezeichen setzen.

Wo das enden wird, ist noch nicht abzusehen. Gerüchteweise hat sich zwischen den Top-Klubs bereits ein Wettbieten entwickelt, bei dem Fußballgrößen wie Ronaldinho und dem weiblichen Pendant Marta bereits Millionen für die Transferrechte eines möglichen Sohnes geboten werden...

Wenn wir auf das Jahr 2011 zurückblicken, sehen wir zahlreiche hochklassige Produkte, die die intensivierte Talentförderung hervorgebracht hat. Die Vereine verjüngen , wo es nur geht und bilden schon im jüngsten Alter aufwendig aus. Im Folgenden mein Rückblick auf die Top-Talente, die im vergangenen Jahr im Spotlight standen.

Neymar


Ein echter Ohrwurm: „Nossa, nossa - assim você me mata…” Das kommt Euch spanisch vor? Es ist portugiesisch um genau zu sein, aber der Inhalt des Songs „Ai Se Eu Te Pego" ist sowieso zweitrangig. Es geht in zwei platten Strophen darum, wie der Sänger eine heiße Braut in der Disko angräbt. Eigentlich ein Sommersong: Ganz locker, leicht und unbeschwert. Warum ich Euch das erzähle? Wenn ein gewisser Neymar da Silva Santos Júnior in der Kabine zu diesem Lied ein Tänzchen hinlegt, wird das dabei entstandene Video auf die Schnelle zehn Millionen Mal geklickt. Neymar ist mit 19 Jahre bereits eine Marke und – wenn man den Brasilianern glauben soll – der neue Pelé. Dieser hält seinen potenziellen Nachfolger sogar schon für den Besten der Welt – schon jetzt wäre er stärker als Messi. Sein Santos-Coach sieht ihn aktuell auf einem Level mit Zidane. Auch wenn ich bei solchen Formulierungen zur Vorsicht raten würde, kann sich die Statistik des dribbelstarken Angreifers in der Tat sehen lassen. In seinen 85 Ligaspielen traf der Schlaks 40 Mal, zudem legte er 25 Treffer auf. Bei seinen 15 Länderspielen überzeugte er ebenfalls. Dabei unterhält er sein Publikum mit Kabinettstückchen und atemberaubenden Tempo-Dribblings. Dazu sein Torriecher - das Paradebeispiel eines modernen Stürmers.

Die großen Vergleiche mit den besten der Welt scheinen den Jungen nicht zu stören. Er gibt sich halt locker, leicht und unbeschwert. InTV-Shows ist er für jeden Spaß zu haben, beim FC Santos gibt er auch gern mal den Kabinen-Clown. Auch die Transfergerüchte im Sommer nahm Neymar scheinbar gelassen. Als die Experten mit dem Wechsel zu den sabbernden Madrilenen oder Katalanen rechneten, verlängerte er beim FC Santos. Mindestens bis zur WM 2014 in Brasilien bleibt das Wunderkind der Heimat erhalten. In einem Werbespot für ein Erfrischungsgetränk sagt Neymar einem Freund am Strand und inmitten hübscher Mädchen: "Wieso soll ich nach Europa wechseln? Hier habe ich alles, Sonne, Freunde, mein Getränk." Sein neues Jahresgehalt von 7,5 Mio. Euro mag sicher auch ein Grund gewesen sein. Fakt ist: Brasilien sieht in Neymar einen kleinen Messias. Ob er vom Volkshelden auch in die Riege der Pelés und Zidanes aufsteigen wird, zeigt sich allerdings erst in den kommenden anderthalb Jahrzehnten.


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Mario Götze


Bitte seht mir nach, dass ich über diesen Spieler nicht ganz so viele Worte verliere. Mit fehlender Wertschätzung hat das nichts zu tun. Ich denke nur, dass ich euch kaum Informationen liefern kann, die Ihr nicht ohnehin schon über Mario Götze (19) auf dem Schirm habt. Nachdem er in der Saison 09/10 auf fünf Liga-Kurzeinsätze kam, folgt wohl das, was man getrost als Durchbruch bezeichnen kann. In der vergangenen Saison sammelte er in 33 Spielen überragende 21 Scorer-Punkte, wurde deutscher Meister und schaffte den Sprung ins Nationalteam, in dem er genauso furios einschlug.

Und nein: Götze war nicht nur zur richtigen Zeit in der richtigen Mannschaft. Er bringt mit Schnelligkeit, Technik, Übersicht und Abschlussstärke ein Komplettpaket mit, das ihn zu einem entscheidenden Teil der Meistermannschaft machte. Er spielte unbekümmert auf und zeigte eine Konstanz, wie sie für einen 18-Jährigen mehr als außergewöhnlich ist.

Nur logisch, dass neben zahlreichen Top-Klubs auch Fußball-Kommentatoren ein besonderes Augenmerk auf ihn legen. Stets wechseln sich bei Götze folgende Sätze im Minutentakt ab: „Das ist sensationell, absolute weltklasse!" – „Man sollte diesen Jungen auch nicht zu früh zu hoch jubeln. Das ist gefährlich." – „Ü-ber-ra-gend gespielt von Götze!" – „Mit den Messi-Vergleichen sollte man so früh doch vorsichtig sein." – „Traumpass von unserem Jahrhundert-Talent!" - etc.

Götze kleinzureden ist überhaupt nicht nötig. Wir werden definitiv noch sehr viel Freude an ihm haben. Dennoch bin ich der Meinung, dass ein gemeinsamer Startelf-Einsatz von Götze und Özil in einem Freundschaftsspiel gegen die Ukraine nicht gleich der Höhepunkt des Fußballjahres ist. Meine Bitte: Auf dem Boden bleiben – und mit Spannung beobachten, wie viel besser dieses Ausnahme-Talent noch werden kann...



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