26.12.2011 um 17:58 Uhr
Geschrieben von Voegi
Jahresrückblick 2011 - Frauen-WM
Solos Solo & Prinz‘ Abschied - Der Rückblick auf die Frauen-WM 2011
Wer dem Jahr 2011 etwas Gutes abgewinnen wollte, musste sich schon der Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft zuwenden, die vom 26. Juni bis zum 17. Juli in Deutschland stattfand. Zumindest dem vollmundigen Versprechen der Organisatoren zu Folge, die das Turnier mit der gleichsam frechen wie mutigen Ankündigung „20elf von seiner schönsten Seite" anpriesen.
Das Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Kanada im mit über 73.000 Zuschauern ausverkauften Berliner Olympiastadion schien diese Erwartungseinhaltung einlösen zu können. Nicht nur die prächtige Kulisse, auch die herausragenden TV-Einschaltquoten von bis zu 18 Millionen in der Spitze nährten die Hoffnungen auf einen großen WM-Hype und eine Neuauflage des Sommermärchens von 2006.
Die deutsche Mannschaft erwischte dabei einen regelrechten Bilderbuchstart und ging bereits nach 10 Minuten durch Kerstin Garefrekes in Führung. Celino Okoyino da Mbabi erhöhte kurz vor dem Pausenpfiff auf 2:0 und beschloss damit eine starke erste Halbzeit, die jedoch auch die beste der Neid-Elf im gesamten Turnier bleiben sollte. Bereits im zweiten Spielabschnitt ließ der Gastgeber deutlich nach und offenbarte erste besorgniserregende Schwächen in Spielaufbau und Defensive.
Am Druck gescheitert
Eben jene Mängel traten in den darauffolgenden Spielen immer deutlicher zu Tage. Auf den knappen 2:1-Auftaktsieg folgte ein alles in allem enttäuschendes 1:0 gegen Nigeria, in dem Simone Laudehr kurz nach dem Seitenwechsel der erlösende Siegtreffer gelang. Die deutsche Mannschaft konnte zu keiner Zeit des Turniers die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen. Zu pomadig, zu unflexibel wirkte das Spiel der Neid-Elf, die mit dem hohen Erwartungsdruck einer WM im eigenen Land offensichtlich nicht zurechtkam.
Zur tragischen Figur geriet dabei die mehrfache Weltfußballerin Birgit Prinz, deren Leistungen im Vorfeld der WM bereits Anlass zu Skepsis gaben. Bundestrainerin Silvia Neid hielt zunächst an Prinz fest, um sie nach ihren schwachen Auftritten im abschließenden Gruppenspiel gegen Frankreich (4:2) auf die Bank zu setzen. Prinz, die im Anschluss an das Turnier ihre Karriere beendete, konnte nicht mehr das Potential abrufen, das sie einst zur besten Stürmerin der Welt gemacht hatte. So bleibt nur ihr bemerkenswerter Auftritt auf einer Pressekonferenz in Erinnerung, als sie durchaus selbstkritisch ihr Leistungstief einräumte und gleichwohl keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung machte.
Nach der zwar punktemäßig erfolgreichen, spielerisch aber absolut enttäuschenden Gruppenphase trafen die Deutschen im Viertelfinale auf das Team von Japan, das mangels körperlicher Robustheit als leichtende Hürde erschien. Doch es sollte anders kommen: 90 Minuten lang biss sich die deutsche Mannschaft an den erbittert kämpfenden Japanerinnen die Zähne aus, ohne zu echten Großchancen zu kommen. Auch in der Verlängerung bot sich den 26.000 Zuschauern in Wolfsburg das gleiche Bild: Deutschland lief an, scheiterte am immer wieder an der eigenen Einfallslosigkeit und dem Fighting Spirit des Gegners. So kam es, wie es kommen musste. Wie aus dem Nichts tauchte die eingewechselte Karina Mayurama vor dem deutschen Kasten auf, düpierte Keeperin Nadine Angerer und schoss zum entscheidenden 1:0 ein.
Die Sensation war perfekt. Deutschland war bereits im Viertelfinale ausgeschieden. Große Ernüchterung kehrte ein, war das Gelingen des Turniers doch unlösbar mit einem deutschen Triumph verknüpft, der nun nicht mehr möglich war. Und in der Tat: So salbungsvoll und wohlmeinend die Beschwörungen der Organisatoren auch ausfiel, so sehr litt das Turnier doch unter dem schlechten Auftreten des deutschen Teams und ihrem frühen Ausscheiden. Die Luft war irgendwie raus.
Solo für Solo
Dabei hatte die WM durchaus mehr zu bieten als die Auftritte der deutschen Mannschaft. Mit der US-Keeperin Hope Solo, die aufgrund ihrer ambivalenten Karriere zu Kultstatus gelangte, brachte sie sogar einen Popstar heraus. Wo immer Hope Solos Name verkündet wurde, brachen Begeisterungsstürme los. Die hübsche Amerikanerin erfreute sich mitunter einer Art von Heldenverehrung, deren Krönung jedoch ausblieb:
Als es im Endspiel zwischen den USA und Japan nach einem dramatischen Spielverlauf beim Stand von 2:2 zum Elfmeterschießen kam, sah alles nach der großen Stunde von Hope Solo aus. Jedes Drehbuch dieser Welt hätte sie wohl jetzt zur Heldin des Abends gemacht. Doch es kam anders. Während Solo nur einen Schuss der Japanerinnen parieren konnte, versagten gleich drei US-Amerikanerinnen die Nerven. Das Spiel endete 3:1. Japan war Weltmeister – glücklich, aber nicht unverdient, doch in jedem Falle eine riesige Überraschung. Wohl niemand hatte die Asiaten vor Turnierstart auf der Rechnung gehabt.
Gimme Hope, Solo.
Mit Homare Sawah, der insgesamt fünf Treffer gelangen, stellten die Japanerinnen nicht nur die Torschützenkönigin der WM, sondern auch die beste Spielerin des Turniers. Die seinerzeit 32jährige Mittelfeldspielerin setzte sich bei der Journalistenwahl mit 28,4% der Stimmen gegen Aby Wambach (17,6%) und Hope Solo (13,3%) durch. Weltfußballerin Marta konnte die WM dagegen nicht nutzen, um sich als unumstrittener Topstar des Frauenfußballs zu profilieren. Im Gegenteil, verlor die brasilianische Stürmerin durch ihr zuweilen egozentrisches Auftreten weiter an Sympathien.
Handspiel für die Ewigkeit
Die Frauen-WM kam aber jedoch – insbesondere in der Vorrunde – oftmals einem Festival der Kuriositäten gleich. Zahlreiche skurrile Aktionen sorgten dabei für ungläubiges Staunen und nachhaltige Erheiterung unter den Zuschauern, denen hier und da eben auch die Abgründe des Frauen-Fußballs dargeboten wurden. Unvergesslich dabei eine Szene aus dem Spiel zwischen Australien und Äquatorial-Guinea:
Ein Schuss der Australierin Leena Khamis prallt gegen den Pfosten des gegnerischen Kastens und von dort vor die Füße von Verteidigerin Bruna, welche den Ball wie selbstverständlich in die Hand nimmt und nach wenigen Sekunden wieder fallen lässt. Das wohl offensichtlichste Handspiel der (Frauen-)Fußballgeschichte bleibt jedoch ungesühnt. Die ungarische Schiedsrichterin Gyoengyi Gaal scheint ihren Augen nicht zu trauen und verzichtet auf den zwingend gebotenen Elfmeterpfiff. Ein Handspiel für die Ewigkeit, das man so bislang noch nicht gesehen hatte.
Was bleibt von dieser WM ist neben allerlei Kuriositäten vor allem die Erkenntnis, dass Deutschland wieder einmal eine großartige Organisation gelungen ist. Die Frauen-WM war ein tolles, wenn auch nicht immer mitreißendes Ereignis, das unter dem frühen Ausscheiden des deutschen Teams gelitten, dafür aber neue Stars geboren hat. Ob der Frauen-Fußball wirklich den erhofften Schritt nach vorne gemacht hat, muss man aus heutiger Sicht jedoch bezweifeln.
Wer dem Jahr 2011 etwas Gutes abgewinnen wollte, musste sich schon der Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft zuwenden, die vom 26. Juni bis zum 17. Juli in Deutschland stattfand. Zumindest dem vollmundigen Versprechen der Organisatoren zu Folge, die das Turnier mit der gleichsam frechen wie mutigen Ankündigung „20elf von seiner schönsten Seite" anpriesen.
Das Eröffnungsspiel zwischen Deutschland und Kanada im mit über 73.000 Zuschauern ausverkauften Berliner Olympiastadion schien diese Erwartungseinhaltung einlösen zu können. Nicht nur die prächtige Kulisse, auch die herausragenden TV-Einschaltquoten von bis zu 18 Millionen in der Spitze nährten die Hoffnungen auf einen großen WM-Hype und eine Neuauflage des Sommermärchens von 2006.
Die deutsche Mannschaft erwischte dabei einen regelrechten Bilderbuchstart und ging bereits nach 10 Minuten durch Kerstin Garefrekes in Führung. Celino Okoyino da Mbabi erhöhte kurz vor dem Pausenpfiff auf 2:0 und beschloss damit eine starke erste Halbzeit, die jedoch auch die beste der Neid-Elf im gesamten Turnier bleiben sollte. Bereits im zweiten Spielabschnitt ließ der Gastgeber deutlich nach und offenbarte erste besorgniserregende Schwächen in Spielaufbau und Defensive.
Am Druck gescheitert
Eben jene Mängel traten in den darauffolgenden Spielen immer deutlicher zu Tage. Auf den knappen 2:1-Auftaktsieg folgte ein alles in allem enttäuschendes 1:0 gegen Nigeria, in dem Simone Laudehr kurz nach dem Seitenwechsel der erlösende Siegtreffer gelang. Die deutsche Mannschaft konnte zu keiner Zeit des Turniers die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllen. Zu pomadig, zu unflexibel wirkte das Spiel der Neid-Elf, die mit dem hohen Erwartungsdruck einer WM im eigenen Land offensichtlich nicht zurechtkam.
Zur tragischen Figur geriet dabei die mehrfache Weltfußballerin Birgit Prinz, deren Leistungen im Vorfeld der WM bereits Anlass zu Skepsis gaben. Bundestrainerin Silvia Neid hielt zunächst an Prinz fest, um sie nach ihren schwachen Auftritten im abschließenden Gruppenspiel gegen Frankreich (4:2) auf die Bank zu setzen. Prinz, die im Anschluss an das Turnier ihre Karriere beendete, konnte nicht mehr das Potential abrufen, das sie einst zur besten Stürmerin der Welt gemacht hatte. So bleibt nur ihr bemerkenswerter Auftritt auf einer Pressekonferenz in Erinnerung, als sie durchaus selbstkritisch ihr Leistungstief einräumte und gleichwohl keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung machte.
Nach der zwar punktemäßig erfolgreichen, spielerisch aber absolut enttäuschenden Gruppenphase trafen die Deutschen im Viertelfinale auf das Team von Japan, das mangels körperlicher Robustheit als leichtende Hürde erschien. Doch es sollte anders kommen: 90 Minuten lang biss sich die deutsche Mannschaft an den erbittert kämpfenden Japanerinnen die Zähne aus, ohne zu echten Großchancen zu kommen. Auch in der Verlängerung bot sich den 26.000 Zuschauern in Wolfsburg das gleiche Bild: Deutschland lief an, scheiterte am immer wieder an der eigenen Einfallslosigkeit und dem Fighting Spirit des Gegners. So kam es, wie es kommen musste. Wie aus dem Nichts tauchte die eingewechselte Karina Mayurama vor dem deutschen Kasten auf, düpierte Keeperin Nadine Angerer und schoss zum entscheidenden 1:0 ein.
Die Sensation war perfekt. Deutschland war bereits im Viertelfinale ausgeschieden. Große Ernüchterung kehrte ein, war das Gelingen des Turniers doch unlösbar mit einem deutschen Triumph verknüpft, der nun nicht mehr möglich war. Und in der Tat: So salbungsvoll und wohlmeinend die Beschwörungen der Organisatoren auch ausfiel, so sehr litt das Turnier doch unter dem schlechten Auftreten des deutschen Teams und ihrem frühen Ausscheiden. Die Luft war irgendwie raus.
Solo für Solo
Dabei hatte die WM durchaus mehr zu bieten als die Auftritte der deutschen Mannschaft. Mit der US-Keeperin Hope Solo, die aufgrund ihrer ambivalenten Karriere zu Kultstatus gelangte, brachte sie sogar einen Popstar heraus. Wo immer Hope Solos Name verkündet wurde, brachen Begeisterungsstürme los. Die hübsche Amerikanerin erfreute sich mitunter einer Art von Heldenverehrung, deren Krönung jedoch ausblieb:
Als es im Endspiel zwischen den USA und Japan nach einem dramatischen Spielverlauf beim Stand von 2:2 zum Elfmeterschießen kam, sah alles nach der großen Stunde von Hope Solo aus. Jedes Drehbuch dieser Welt hätte sie wohl jetzt zur Heldin des Abends gemacht. Doch es kam anders. Während Solo nur einen Schuss der Japanerinnen parieren konnte, versagten gleich drei US-Amerikanerinnen die Nerven. Das Spiel endete 3:1. Japan war Weltmeister – glücklich, aber nicht unverdient, doch in jedem Falle eine riesige Überraschung. Wohl niemand hatte die Asiaten vor Turnierstart auf der Rechnung gehabt.
Gimme Hope, Solo.
Mit Homare Sawah, der insgesamt fünf Treffer gelangen, stellten die Japanerinnen nicht nur die Torschützenkönigin der WM, sondern auch die beste Spielerin des Turniers. Die seinerzeit 32jährige Mittelfeldspielerin setzte sich bei der Journalistenwahl mit 28,4% der Stimmen gegen Aby Wambach (17,6%) und Hope Solo (13,3%) durch. Weltfußballerin Marta konnte die WM dagegen nicht nutzen, um sich als unumstrittener Topstar des Frauenfußballs zu profilieren. Im Gegenteil, verlor die brasilianische Stürmerin durch ihr zuweilen egozentrisches Auftreten weiter an Sympathien.
Handspiel für die Ewigkeit
Die Frauen-WM kam aber jedoch – insbesondere in der Vorrunde – oftmals einem Festival der Kuriositäten gleich. Zahlreiche skurrile Aktionen sorgten dabei für ungläubiges Staunen und nachhaltige Erheiterung unter den Zuschauern, denen hier und da eben auch die Abgründe des Frauen-Fußballs dargeboten wurden. Unvergesslich dabei eine Szene aus dem Spiel zwischen Australien und Äquatorial-Guinea:
Ein Schuss der Australierin Leena Khamis prallt gegen den Pfosten des gegnerischen Kastens und von dort vor die Füße von Verteidigerin Bruna, welche den Ball wie selbstverständlich in die Hand nimmt und nach wenigen Sekunden wieder fallen lässt. Das wohl offensichtlichste Handspiel der (Frauen-)Fußballgeschichte bleibt jedoch ungesühnt. Die ungarische Schiedsrichterin Gyoengyi Gaal scheint ihren Augen nicht zu trauen und verzichtet auf den zwingend gebotenen Elfmeterpfiff. Ein Handspiel für die Ewigkeit, das man so bislang noch nicht gesehen hatte.
Was bleibt von dieser WM ist neben allerlei Kuriositäten vor allem die Erkenntnis, dass Deutschland wieder einmal eine großartige Organisation gelungen ist. Die Frauen-WM war ein tolles, wenn auch nicht immer mitreißendes Ereignis, das unter dem frühen Ausscheiden des deutschen Teams gelitten, dafür aber neue Stars geboren hat. Ob der Frauen-Fußball wirklich den erhofften Schritt nach vorne gemacht hat, muss man aus heutiger Sicht jedoch bezweifeln.
Aufrufe: 5286 | Kommentare: 14 | Bewertungen: 10 | Erstellt:26.12.2011
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KOMMENTARE
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27.12.2011 | 12:47 Uhr
-1
Schnumbi :
@ GZ: dann warte bis die üblichen verdächtigen den blog hier entdeckt haben
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27.12.2011 | 12:41 Uhr
-3
Der Frauenfußball kickt mich nach wie vor nicht.
Daher hab ich weder ein Spiel gesehen, noch mich über die Schlagzeilen hinaus mit der WM befasst.
Der Blog liest sich aber sehr gut und vermittelt mir einen Eindruck dessen, was da geschehen ist.
Danke Voegi!
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26.12.2011 | 18:22 Uhr
-3
Schnumbi :
sehr feiner rückblick. der frauenfußball hat sich zwar etabliert aber ob, wie du schon sagtest, er einen sprung nach vorne macht, wird man erst in paar jahren sehen, wenn man sieht was im nachwuchsbereich nachkommt, ob die heim WM die anmeldezahlen beim frauenfußball erhöht hat.
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Dass vieles schon recht gut läuft mag überraschen, gerade auch dann, wenn man sich vor Augen hält wie wenig Geld hier rein gesteckt wird im Vergleich zu den Männern. Kaum eine Fussballerin kann nämlich om Fussball leben, und damit ist es, anders als bei den Männern, eben kein Profisport. Dafür wurde viel erreicht.
Und gleichzeitig hat man damit auch eine mitursächliche Erklärung für die sportlichen Schwächen, die man in vielen Teams beobachten konnte, und auch für die teilweise unwürdigen Schiedsrichterinnenleistungen, welche diesem Anlass nicht gerecht wurden und auch bei zukünftigen Weltmeisterschaften nicht Lega artis bleiben dürfen. Hier ist noch viel zu tun. Und damit wir uns hier keiner Täuschung hingeben - es muss zuerst was investiert werden, bevor man die entsprechende Niveauleistung einfordern kann. Umgekehrt wird es nicht funktionieren.