31.12.2011 um 12:04 Uhr
Geschrieben von possessionplay
Jahresrückblick 2011: Taktik I
Nun ist schon wieder ein Jahr vergangen und so wie dieser Satz gemeint ist, fühlt es sich auch an: Es ging unglaublich – um nicht zu sagen UNCHLAUBLICH – schnell vorbei. So erinnere ich mich auch noch genau daran, wie der geschätzte Kollege Taktiker hier vor einem Jahr den taktischen Jahresrückblick für 2010 schrieb.
Seine damals geäußerte Message hat sich in dieser Zeitspanne durchaus bestätigt. Dass Taktik im Fußball mehr in die mediale Wahrnehmung geschossen ist, kann man nicht verhehlen, doch es bleibt größtenteils weiterhin auf das Internet beschränkt. Während es hier bei spox in bestimmter Regelmäßigkeit diverse Taktikartikel gibt, während die Zahl der Taktikblogs sich um einige qualitativ hervorragende Kandidaten (spielverlagerung.de, 44², ballverlust.net, Rasen-Schach, DVD-Fussballtrainer) erweiterte, ist der Stellenwert der Taktik gerade im TV weiterhin sehr niedrig. Immerhin unternehmen die Zeitschriften über Kooperationen immer mehr Versuche, diese Facette des Spiels in ihre Berichterstattung mit einzubinden, doch vom Fernsehen kommt wenig bzw. wenig Gutes, wie es auf unrühmliche Weise z.B. das Aktuelle Sportstudio in seiner 3D-Analyse einige Male zeigte (u.a. Mainz 05-Bremen).
Diesmal soll der Fokus allerdings wieder auf dem Sportlichen selbst liegen. Weil ich gelesen habe, dass die Menschen von Ranglisten fasziniert sind und sie lesen wollen, gibt es die taktischen Trends des Jahres im Ranking angeordnet – natürlich auch aus inhaltlichen Gesichtspunkten, weil manche verbreiteter, deutlicher oder interessanter sind als andere. Viel Spaß!
Platz 10: „Abkehr" vom 4-2-3-1
Spätestens nach der WM galt das 4-2-3-1 – schon in den Jahren zuvor ein Standardsystem – als absolute Trendformation. Doch nur 1 Jahr später ist das System mit den 5 Mittelfeldspielern diesen Titel los. Trainer greifen wieder häufiger auf die Raute zurück oder formieren ihr Team in einem kompakten 4-4-2. Das 4-2-3-1 war vielleicht sogar zu „standardhaft" und hat sich eher zum 4-3-3 verschiedenster Variationen weiterentwickelt.
Platz 9: Verbindungssspieler
In einigen Fällen weicht das 4-2-3-1 einem 4-1-4-1, indem – wie z.B. in der holländischen Nationalelf – eine Position vor der Abwehr mit einem offensiven und kreativen Spieler (in diesem Fall van der Vaart) besetzt wird, der sich stark ins Angriffsspiel mit einschaltet. Gleiches gab es in der deutschen Elf mit Toni Kroos, der in diesem Zusammenhang gerne als Verbindungsspieler zitiert wurde. Schalkes Lewis Holtby war zu Saisonbeginn ebenfalls ein Vertreter dieser „neuartigen" Box-to-box-player. Bei einigen kurzweiligen Experimenten wurden diese Ideen sogar auf den (alleinigen) Sechser bezogen – Daniele de Rossi bei der Roma oder Thiago bei Barca wurden in dieser Rolle getestet und stießen bei aufgerücktem Team als Sechser mit vor.
Platz 8: Falsche 6
Auch dies ist eine Entwicklung, die sich schon seit längerer Zeit anbahnte. Trendsetter war Sergio Busquets, der sich im Aufbau zu den breit stehenden IVs fallen lässt und den AVs das Aufrücken ermöglicht. Außerdem erhält er mehr Raum und Zeit zur Ballverteilung, hat das gesamte Spielfeld vor sich, kann den Ball nach vorne tragen, erschwert aus individuellen und geometrischen Gründen das gegnerische Pressing und kann bei gegnerischen Angriffen aus der Tiefe vorrücken und wie ein Wellenbrecher die Attacke abfangen.
Besonders durch Torsten Finks Ankunft in Hamburg lässt sich diese Rolle auch in der Bundesliga bestaunen, ausgeführt durch Tomas Rincón. Zuvor konnte man schon Schweinsteiger oder Nuri Sahin in einer derartigen Spielweise erkennen.
Platz 7: Revolutionen im Sturm
Mit der zunehmenden Abkehr vom 4-2-3-1 wird auch das Sturmduo im Zentrum wieder häufiger anzutreffen. Damit ist nicht gemeint, dass zwei Stürmer-Systeme in der Mehrheit vertreten sind, aber ihre Präsenz ist verglichen mit den letzten Jahren wieder gewachsen. Unterschied zu früheren Zeiten ist aber, dass die Stürmer viel mehr Defensivarbeit verrichten und ohne Ball entweder effektiv lenken und pressen oder sich mit in den kompakten Verteidigungsverbund zurückziehen.
Auch im Spiel mit Ball sind die Stürmer viel beweglicher geworden, nehmen stärker am Spiel teil und werden auch gerne selbst zu kreativen Geistern und Denkern. Lionel Messi hat in diesem Jahr erneut gezeigt, wie sich ein nomineller Mittelstürmer zurückfallen lässt und dann aus der Tiefe gestaltet und dribbelt – als Falsche 9. Mittlerweile ist diese anspruchsvolle Rolle endgültig im Mainstream angekommen und scheint besonders in der niederländischen Eredivisie das Normalste der Welt zu sein.
Doch man muss keine Falsche 9 sein, um für kreative Impulse zu sorgen, wie beispielsweise der asymmetrische Sturm Manchester Citys um Aguero und Balotelli beweist. Interessant und auffällig an der Falschen 9 sind zwei Dinge. Erstens führt dieses Spiel ohne echten Stürmer dazu, dass die Anzahl der Stürmer wieder zunimmt, da diese aufgrund ihres Torriechers von den Bewegungen der Falschen 9 geschaffene Räume ausgezeichnet nutzen können. So spielen Stürmer entweder hängend (Mike Hanke), im offensiven Mittelfeld (Kagawa und Fábregas als Paradebeispiele der sog. Falschen 10) oder sogar auf dem Flügel und ziehen diagonal nach innen (David Villa, Ezequiel Lavezzi). Zweitens ist an der Falschen 9 interessant, dass sich beispielsweise bei Lionel Messi Tendenzen dazu abzeichnen, dass er als offensiver Mittelfeldspieler noch bzw. konstant tiefer agiert. Die Rolle Alexis´ im Clásico könnte ein Wink für die Zukunft sein – die Stürmer rutschen wieder in den Sturm und erfinden die Falsche 9 neu, aber diesmal in horizontaler statt vertikaler Ausgabe.
Und in der Tat rochieren immer mehr echte Mittelstürmer auf die Flügel und gehen den umgekehrten Weg – Robert Lewandowski oder der in dieser Hinsicht komplett unterschätzte Gomez, auch Pizarro und seine Kollegen bei Werder bedingt durch die Formation. Raum zu schaffen wird dabei generell eine immer wichtigere Aufgabe für die Stürmer, was Gomez, besagter Hanke oder auch Edin Dzeko in unglaublicher Manier und auch auf neuem taktischen Niveau machen – ohne und auch mit Ball, sogar durch Pärchenbildung.
Im Dreier-Sturm des 4-3-3 war in diesem Jahr zunehmend die unterschiedliche Besetzung der Flügelpositionen auffällig, indem ein Außenspieler mit stärkerem Drang zur Mitte spielte, während der andere breiter stand, was teilweise – wie bei Chelsea mit Mata und Sturridge – auch zur Aufgabenverteilung Kreator-Torjäger führte.
Teil 2
Seine damals geäußerte Message hat sich in dieser Zeitspanne durchaus bestätigt. Dass Taktik im Fußball mehr in die mediale Wahrnehmung geschossen ist, kann man nicht verhehlen, doch es bleibt größtenteils weiterhin auf das Internet beschränkt. Während es hier bei spox in bestimmter Regelmäßigkeit diverse Taktikartikel gibt, während die Zahl der Taktikblogs sich um einige qualitativ hervorragende Kandidaten (spielverlagerung.de, 44², ballverlust.net, Rasen-Schach, DVD-Fussballtrainer) erweiterte, ist der Stellenwert der Taktik gerade im TV weiterhin sehr niedrig. Immerhin unternehmen die Zeitschriften über Kooperationen immer mehr Versuche, diese Facette des Spiels in ihre Berichterstattung mit einzubinden, doch vom Fernsehen kommt wenig bzw. wenig Gutes, wie es auf unrühmliche Weise z.B. das Aktuelle Sportstudio in seiner 3D-Analyse einige Male zeigte (u.a. Mainz 05-Bremen).
Diesmal soll der Fokus allerdings wieder auf dem Sportlichen selbst liegen. Weil ich gelesen habe, dass die Menschen von Ranglisten fasziniert sind und sie lesen wollen, gibt es die taktischen Trends des Jahres im Ranking angeordnet – natürlich auch aus inhaltlichen Gesichtspunkten, weil manche verbreiteter, deutlicher oder interessanter sind als andere. Viel Spaß!
Platz 10: „Abkehr" vom 4-2-3-1
Spätestens nach der WM galt das 4-2-3-1 – schon in den Jahren zuvor ein Standardsystem – als absolute Trendformation. Doch nur 1 Jahr später ist das System mit den 5 Mittelfeldspielern diesen Titel los. Trainer greifen wieder häufiger auf die Raute zurück oder formieren ihr Team in einem kompakten 4-4-2. Das 4-2-3-1 war vielleicht sogar zu „standardhaft" und hat sich eher zum 4-3-3 verschiedenster Variationen weiterentwickelt.
Platz 9: Verbindungssspieler
In einigen Fällen weicht das 4-2-3-1 einem 4-1-4-1, indem – wie z.B. in der holländischen Nationalelf – eine Position vor der Abwehr mit einem offensiven und kreativen Spieler (in diesem Fall van der Vaart) besetzt wird, der sich stark ins Angriffsspiel mit einschaltet. Gleiches gab es in der deutschen Elf mit Toni Kroos, der in diesem Zusammenhang gerne als Verbindungsspieler zitiert wurde. Schalkes Lewis Holtby war zu Saisonbeginn ebenfalls ein Vertreter dieser „neuartigen" Box-to-box-player. Bei einigen kurzweiligen Experimenten wurden diese Ideen sogar auf den (alleinigen) Sechser bezogen – Daniele de Rossi bei der Roma oder Thiago bei Barca wurden in dieser Rolle getestet und stießen bei aufgerücktem Team als Sechser mit vor.
Platz 8: Falsche 6
Auch dies ist eine Entwicklung, die sich schon seit längerer Zeit anbahnte. Trendsetter war Sergio Busquets, der sich im Aufbau zu den breit stehenden IVs fallen lässt und den AVs das Aufrücken ermöglicht. Außerdem erhält er mehr Raum und Zeit zur Ballverteilung, hat das gesamte Spielfeld vor sich, kann den Ball nach vorne tragen, erschwert aus individuellen und geometrischen Gründen das gegnerische Pressing und kann bei gegnerischen Angriffen aus der Tiefe vorrücken und wie ein Wellenbrecher die Attacke abfangen.
Besonders durch Torsten Finks Ankunft in Hamburg lässt sich diese Rolle auch in der Bundesliga bestaunen, ausgeführt durch Tomas Rincón. Zuvor konnte man schon Schweinsteiger oder Nuri Sahin in einer derartigen Spielweise erkennen.
Platz 7: Revolutionen im Sturm
Mit der zunehmenden Abkehr vom 4-2-3-1 wird auch das Sturmduo im Zentrum wieder häufiger anzutreffen. Damit ist nicht gemeint, dass zwei Stürmer-Systeme in der Mehrheit vertreten sind, aber ihre Präsenz ist verglichen mit den letzten Jahren wieder gewachsen. Unterschied zu früheren Zeiten ist aber, dass die Stürmer viel mehr Defensivarbeit verrichten und ohne Ball entweder effektiv lenken und pressen oder sich mit in den kompakten Verteidigungsverbund zurückziehen.
Auch im Spiel mit Ball sind die Stürmer viel beweglicher geworden, nehmen stärker am Spiel teil und werden auch gerne selbst zu kreativen Geistern und Denkern. Lionel Messi hat in diesem Jahr erneut gezeigt, wie sich ein nomineller Mittelstürmer zurückfallen lässt und dann aus der Tiefe gestaltet und dribbelt – als Falsche 9. Mittlerweile ist diese anspruchsvolle Rolle endgültig im Mainstream angekommen und scheint besonders in der niederländischen Eredivisie das Normalste der Welt zu sein.
Doch man muss keine Falsche 9 sein, um für kreative Impulse zu sorgen, wie beispielsweise der asymmetrische Sturm Manchester Citys um Aguero und Balotelli beweist. Interessant und auffällig an der Falschen 9 sind zwei Dinge. Erstens führt dieses Spiel ohne echten Stürmer dazu, dass die Anzahl der Stürmer wieder zunimmt, da diese aufgrund ihres Torriechers von den Bewegungen der Falschen 9 geschaffene Räume ausgezeichnet nutzen können. So spielen Stürmer entweder hängend (Mike Hanke), im offensiven Mittelfeld (Kagawa und Fábregas als Paradebeispiele der sog. Falschen 10) oder sogar auf dem Flügel und ziehen diagonal nach innen (David Villa, Ezequiel Lavezzi). Zweitens ist an der Falschen 9 interessant, dass sich beispielsweise bei Lionel Messi Tendenzen dazu abzeichnen, dass er als offensiver Mittelfeldspieler noch bzw. konstant tiefer agiert. Die Rolle Alexis´ im Clásico könnte ein Wink für die Zukunft sein – die Stürmer rutschen wieder in den Sturm und erfinden die Falsche 9 neu, aber diesmal in horizontaler statt vertikaler Ausgabe.
Und in der Tat rochieren immer mehr echte Mittelstürmer auf die Flügel und gehen den umgekehrten Weg – Robert Lewandowski oder der in dieser Hinsicht komplett unterschätzte Gomez, auch Pizarro und seine Kollegen bei Werder bedingt durch die Formation. Raum zu schaffen wird dabei generell eine immer wichtigere Aufgabe für die Stürmer, was Gomez, besagter Hanke oder auch Edin Dzeko in unglaublicher Manier und auch auf neuem taktischen Niveau machen – ohne und auch mit Ball, sogar durch Pärchenbildung.
Im Dreier-Sturm des 4-3-3 war in diesem Jahr zunehmend die unterschiedliche Besetzung der Flügelpositionen auffällig, indem ein Außenspieler mit stärkerem Drang zur Mitte spielte, während der andere breiter stand, was teilweise – wie bei Chelsea mit Mata und Sturridge – auch zur Aufgabenverteilung Kreator-Torjäger führte.
Teil 2
Aufrufe: 11104 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 4 | Erstellt:31.12.2011
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KOMMENTARE
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31.12.2011 | 12:08 Uhr
-3
possessionplay :
Am besten unter dem zweiten Teil kommentieren
3
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