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Taktikecke


Gründer: Taktiker | Mitglieder: 190 | Beiträge: 21
31.12.2011 um 12:03 Uhr
Geschrieben von possessionplay
Jahresrückblick 2011: Taktik II
Platz 6: Pressing-Teams
Natürlich spielt fast jedes Team Pressing, doch gerade in der vergangenen Saison wunderte sich manch einer über die Tabellenlage mit Dortmund an der Spitze und Teams wie Hannover, Mainz oder Freiburg in den oberen Tabellenregionen. Schlüssel zum Erfolg waren ein effektives Pressing – zumeist als Mittelfeldpressing – und schnelles Umschalten samt hoher Laufleistung im Bereich der Ausdauer, der Dynamik und der Intensität.

Mit Plan stellte man die Bundesliga-Tabelle praktisch auf den Kopf. Unter Lucien Favre ist auch Mönchengladbach als ein weiterer, wenn auch abgewandelt agierender Vertreter (dazu später mehr) hinzugekommen. Dabei bedienen sie sich ebenso wie die Kölner einem kompakten 4-4-2.

Platz 5: Inverser AV
Im vergangenen Jahr war es noch eine wenig prominente Randerscheinung, in diesem Jahr schoss diese Rolle in den Fokus. Für viele gilt immer noch Philipp Lahm auf links als Prototyp, doch wird gerne übersehen, dass er – ebenso wie Rafinha aktuell – auch als Rechtsverteidiger unter van Gaal eine recht inverse Rolle einnahm und damit seine Kreativität durchaus andeuten konnte. Invers sollte man aber nicht mit falschfüßig gleichsetzen, denn in Madrid agiert Marcelo neben Lahm als der aktuell wohl weltbeste inverse Außenverteidiger.

In der Defensive ergeben sich zwar gewisse Probleme, da man hinten durch die sehr zentrale Stellung den Raum hinter sich öffnet, doch nach vorne bringt es einige vorteilhafte Effekte: Nutzung des freien Raumes, Gegner muss Defensivverhalten anpassen, dynamisches, spielgestalterisches und kombinierendes Angriffsspiel möglich, Gegenpressing effektiver.

Platz 4: Offensiver IV
Mit dem Aussterben des klassischen Zehners wurden die 6er und 8er zum neuen Spielmacher, doch auch für sie wurde der Raum knapper. Die Außenverteidiger galten lange als Spieler mit dem meisten Raum vor sich, doch durch die Systeme mit einem Stürmer hat sich erneut etwas geändert – ein Innenverteidiger ist (im Aufbau frei) und wird mehr und mehr zum neuen Spielmacher.

Was sich schon lange anbahnt, wurde dieses Jahr durch spielstarke Akteure wie Badstuber (herausragende Diagonalbälle, zudem Vertikalpässe zwischen die Linien), in der IV agierende Mittelfeldspieler (Mascherano, Gustavo, Tymo, Vidal) sowie radikale Beispiele vom Schlage eines Hummels (stark spielgestaltend, gerade zu Saisonbeginn primärer Spielmacher) oder Jan Vertonghen (primär antizipatorisch, viele Vorstöße) in eine neue Dimension gehoben.

Platz 3: Gegenpressing
Der deutsche Meister war auch der Meister des Gegenpressings, welches ein ganz besonderes Werkzeug beim Erreichen dieses Ziels war. Gegenpressing bezeichnet das sofortige Pressen in der Offensive bei einem Ballverlust, um das Leder sofort wieder zu erobern und einen Konter zu vereiteln. Mit der engen Dreierreihe in der Offensive und einem generell starken Pressingsystem wurde dies logischerweise zur Paradedisziplin der Klopp-Truppe.

Immer mehr Teams benutzen dieses Mittel, was gerade für offensiv spielende Teams eminent wichtig ist. Letzte Saison klappte es bei den Bayern bereits gut, diese Spielzeit wurde es weiter entwickelt und gehört nun auch beim Rekordmeister zu einer großen Stärke.

Platz 2: Dreierkette
Nach dem 3:3 im Testspiel in der Ukraine gab es gehörige Diskussionen um Löws Experiment der Dreierkette. Seitdem steht sie stark in der Wahrnehmung und ist trendiger denn je. Viele Teams spielen eine temporäre Dreierkette, indem sie entweder einen AV stark offensiver spielen lassen (oder je nach Ballseite) oder die Variante von Platz 7 verwenden – mit eben jenen Vorteilen.

Als grundsätzliche Variante bietet die Dreierkette fast immer eine ein-fache Besetzung der Außenbahnen durch flexible und ausdauernde Außenspieler an, so dass im Zentrum damit quasi ein wichtiger Mann gewonnen wird. In der Defensive behält man mit drei Spielern allerdings weiterhin die nötige Absicherung, auch und vor allem in der Breite gegen Konterattacken, und kann hier – wie die deutsche Mannschaft – mit einem zusätzlichen spielmachenden Innenverteidiger und dessen Vertikalpässen die Spieleröffnung verbessern.

Jedoch ist klar anzumerken, dass es immer nach den Spielern gehen muss, ob die Dreierkette sinnvoll ist, welche zudem deutlich flexibler interpretiert wird als früher. Obwohl sie mit drei Innenverteidigern eigentlich defensiver" ist als eine Viererkette, kann man die Positionen unterschiedlich besetzen und damit Ausrichtung und Aufgaben passend einstellen. Manchmal eignet sie sich auf die eine Weise gut, manchmal auf die andere, manchmal nicht.

Platz 1: Mikrotaktik
Es ist ein interessanter Begriff, der die kleinen taktischen Details im großen Ganzen beschreibt. Und 2011 war das Jahr der Mikrotaktik, weil sie sich so stark offenbarte wie selten zuvor. Barcelonas Systemspielereien, Anti-Formationen schwächerer Teams, hochkomplexe Systeme wie jenes von Manchester City und solche Teams, die wie Gladbach oder Manchester United etwas ganz eigenes und stark spielermaterialorientiertes machen – sie alle sind der Mikrotaktik zuzuschreiben.

Ebenfalls auffällig, dass immer mehr Teams bei Trainereinstellungen betonen, dass man ein modernes und langfristiges Konzept verfolge – Villas-Boas bei Chelsea, Luis Enrique bei der Roma, Robin Dutt in Leverkusen, seit neuesten Torsten Fink in Hamburg oder eben Favre. Der Schweizer hat bei Gladbach ein System geschaffen, welches flexibel zwischen Konter- und risikolosem Ballbesitzspiel wechseln kann und dessen Geheimnis in der Pärchenbildung Hanke-Reus sowie der tiefen Positionierung der hinteren Mannschaftsteile liegt, während Roberto Mancini bei Manchester City einen asymmetrischen 4-2-2-2/4-2-3-1-Hybriden spielen lässt, mit Doppel-Zehn in Freirollen und genauestens darauf abgestimmten Bewegungen der komplex agierenden Stürmer und der Doppel-6.

Und damit können wir nach diesem Jahr wohl frohlocken, dass taktische Betrachtungen immer interessanter werden, da ihre Bedeutung steigt und steigt, was besonders durch die erhöhte Komplexität der Systeme in zweiter und natürlich die kompetenten und taktisch bestens ausgebildeten Trainer in erster Linie verursacht wird. 2012 wird vielleicht noch interessanter werden als 2011…

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Aufrufe: 9614 | Kommentare: 21 | Bewertungen: 13 | Erstellt:31.12.2011
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