Der FC Bayern hat die Saison 2013/2014 mit dem Pokalsieg zu einem versöhnlichen Ende gebracht. Die Spielzeit war eine ganz besondere, stellte sie doch Jahr eins nach dem historischen Triple und die Debüt-Saison von Pep Guardiola dar. Sie hat eindrucksvoll gezeigt, wie dominant die Bayern auch auf höchstem Niveau durch den Guardiola-Fußball agieren können, aber auch die Defizite aufgezeigt, an denen es anzusetzen gilt. Im Folgenden diskutieren Maxi_FCB und ich zentrale Fragen, die sich im Hinblick auf die Post-WM-Saison aufdrängen, aber auch retrospektiv entstanden sind.
Viel Spaß beim Lesen!
1. Guardiolas Jahr eins: Eine Einschätzung
Maxi_FCB:
Summa summarum war die abgelaufene Saison sicherlich eine sehr, sehr gute. In Noten: Pep Guardiola, 2+.
Dass die Triple-Saison nicht wiederholbar ist, musste einem schon vor der Saison klar sein. Ich bin mir im Übrigen relativ sicher, dass dies auch mit Jupp Heynckes an der Seitenlinie nicht gelungen wäre. Guardiola hat das getan, was man nach einer solch erfolgreichen Saison tun musste: Neue Reize setzen, das Team weiterentwickeln, Stillstand um jeden Preis vermeiden. Der Erfolg gab ihm, mit Ausnahme einiger Spiele, ja auch Recht. Wer 4 Titel einheimst, kann keine so schlechte Arbeit gemacht haben.
Warum also nur 2+? Weil der Katalane sich dennoch einige, zum Teil gravierende, taktische Fehler anlasten lassen muss. Wo er sich in der Hinrunde taktisch noch sehr flexibel zeigte und auf die Gegebenheiten des jeweiligen Gegners einging, war die Versteifung auf Plan A, vor allem gegen Real, in der Rückrunde zum Teil frappierend. Die individuelle Klasse im Kader ist, so abstrus das klingen mag, nicht so hoch, als dass man auch auf internationalem Topniveau dem Gegner ohne Weiteres sein Spiel aufdrücken kann. Real hat die Probleme, die den FC Bayern die ganze Saison über begleiteten, z.B. die Anfälligkeit für Konter, die Abhängigkeit von Einzelaktionen, sowie die zu großen Lücken, falls das eigene Gegenpressing überspielt wird, schonungslos zu Tage befördert. Dass der CL-Triumph wohl nicht zu wiederholen war, zeigt allein schon ein Blick auf die Historie der Champions League. Schmerzhaft war die Art und Weise.
Weil Guardiola aber im wohl wichtigsten Spiel der Saison oben genannte Fehler nicht wiederholte und auf die Stärken des Gegners bisweilen geniale Antworten fand, hat er die Stimmung maßgeblich und völlig zu Recht zu seinen Gunsten gedreht. Ergo: Starke Saison.
Broich:
Es war der vielleicht größte Hype um einen neuen Trainer der Bundesliga-Geschichte. Der medial zum besten Trainer der Welt deklarierte Pep Guardiola zum amtierenden Champions-League-Sieger - eine Konstellation, die die Vormachtstellung des FC Bayern zementieren sollte und sogar das Unmögliche plötzlich möglich erscheinen ließ: Die Titelverteidigung in der Königsklasse. Guardiola wurden mit Götze und Thiago zwei der hoffnungsvollsten jungen Spieler überhaupt an die Seite gestellt, die den Premium-Kader auf das kaum für möglich gehaltene nächsthöhere Level hieven sollten. Der Katalane gewann früh gegen Erzrivalen Mourinho die Klub-WM und sorgte durch taktische Änderungen für Furore. So machte er Lahm zum Sechser - ein Schachzug, der anfangs kritisch beäugt wurde, inzwischen aber fester Bestandteil des bajuwarischen Spielsystems ist. Erstaunlich schnell impfte der Spanier der Mannschaft seine Idee der Ballzirkulation ein und eilte von Sieg zu Sieg. Nach teilweise überragenden Spielen schienen die Bayern unaufhaltsam neuen Rekorden und Titeln entgegen marschieren.
Dass die Gazetten nur kurze Zeit später von der Entschlüsselung des Pep-Fußballs berichteten und sein makelloses Ansehen plötzlich erste Kratzer erhielt, zeigt auf eindrucksvolle Weise, die Schwarz-Weiß-Malerei der Medien und des Fußballs im Allgemeinen. Denn einige schwächere Bundesliga-Spiele, ein 0:3 gegen Dortmund und das Ausscheiden im Halbfinale der Championsleague reichten aus, um die bisher makellose Saison in dunklen Farben zu zeichnen. Dass Guardiola nach dem Pokalsieg plötzlich wieder als Gewinner deklariert wurde, gibt der medialen Wechselwirkung einen noch ironischeren Anstrich.
Guardiolas erstes Jahr war sehr gut, er hat sich schnell akklimatisiert und seine Ideen seinem Kader mit der ihm typischen Akribie und Konsequenz vermittelt. 4 Titel und einige Rekorde sprechen Bände - wer dennoch die Art des Ausscheidens gegen Real bemängelt, mag im Ansatz Recht haben, macht es sich aber zu einfach, taktische Entschlüsselung als Grund anzugeben. Denn vor allem ein Real Madrid in überragender Verfassung und das Fehlen der letzten Prozent bei einigen Akteuren führten zum 0:5-Debakel.
2. Dreierkette: Ein Modell mit Zukunft?
Broich:
In der Winterpause lief Bayern im Test gegen Salzburg mit einer Dreierkette auf und scheiterte auf ganzer Linie. Diesbezügliche Pläne schienen fortan lediglich in Guardiolas Kopf zu existieren, für die Realität schien diese Taktik aber zu unausgegoren und auch personell realitätsfern. Bis zum 17. Mai. Jenem Pokalfinale, in dem Guardiola plötzlich mit Dreierkette spielen ließ und nach dem 2:0-Sieg für seine taktische Finesse zelebriert wurde. Martinez absolvierte als zentraler Verteidiger sein bestes Saisonspiel und machte die Idee der drei Innenverteidiger für die Zukunft plötzlich salonfähig. Es scheint verlockend etwaigen Kontern des Gegners mit drei Verteidigern entgegen zu wirken und in der Offensive die Außenverteidiger mitstürmen zu lassen ohne die ständige Angst der Entblößung von Räumen in deren Rücken. Einzig die Besetzung scheint fraglich, denn sowohl Dante, als auch Rafinha sind nicht prädestiniert für dieses System und vor allem für die Außenpositionen fehlt Bayern in der Breite Personal. Ob Bayern die Dreierkette nur ab und zu als Stilmittel einsetzen wird oder Guardiola dauerhaft die dadurch entstehende Mittelfeld-Überzahl anstrebt, bleibt abzuwarten. Spannend wäre es auf jeden Fall. Und das nicht nur für Taktik-Freunde. Denn Zukunft, auch international, hat dieses System ohne Frage. Einzig Transfers würde seine Umsetzung benötigen.
Maxi_FCB:
Ich muss sagen, ich bin seit der EM 2012 ein richtiger Fan der Dreierkette. Italien hat Selbige damals, zum deutschen Leidwesen, exzellent praktiziert.
Auch beim FC Bayern könnte ich mir das gut vorstellen. Zumal das für die Spieler auch keine gravierende Umstellung darstellen würde, praktiziert man die Dreierkette ja schon situativ im Spielaufbau. Da ließ sich meist Lahm oder Thiago zwischen Dante und Boateng fallen, um das Spiel zu eröffnen. Im Triple-Jahr hatte Schweinsteiger diese Aufgabe inne. Zudem wäre sie eine hilfreiche Ergänzung zum guardiolaschen Ballbesitz-Dogma. Weshalb? Weil drei zentrale Innenverteidiger natürlich die Schnittstellen wesentlich verengen können, Pässe in die Tiefe werden den Gegnern deutlich erschwert. Zudem erleichtert sie auch den Spielaufbau und minimiert das Risiko nach eigenem Ballverlust im Aufbau ein wenig, hat man doch eine Absicherung mehr.
Allerdings verlangt die Dreierkette viel von den defensiven Außenbahnspielern. In Berlin wurde es meist so gehändelt, dass einer der beiden die Dreierkette bei gegnerischem Ballbesitz zu einer Viererkette ergänzt. Gleichzeitig wird aber verlangt, offensiv präsent zu sein und sich am Kombinationsspiel zu beteiligen. Guardiola verlangt sogar, dass sie situativ mit einrücken, um Überzahl in Ballnähe zu schaffen. Dann allerdings müssen sie auch konsequent ihre Wege nach hinten machen - eine Herkulesaufgabe.
Blicke ich auf den aktuellen Kader, glaube ich allerdings weniger daran, dass dieses System Zukunft hat. Mit im Moment lediglich drei gelernten Innenverteidigern, plus Javi und - das werfe ich jetzt einfach mal in den Raum - eventuell noch Schweinsteiger, hat man lediglich 4 bzw. 5 Spieler für 3 Positionen - wohl zu wenig. Vor allem aber sind Spieler, die dieses Pendelspiel auf den Außenbahnen beherrschen, rar gesät. Alaba kann das, keine Frage. Aber Rafinha? Fraglich. Zudem: Juventus sucht seit Jahren nach geeigneten Spielern für diese Positionen. Es ist also nicht ganz einfach.
3. Ausblick: Kleiner Umbruch im Sommer?
Maxi_FCB:
Den wird es wohl geben. Rode und Lewandowski hat man ja schon und, sofern man Kalle Rummenigge glauben darf, "wird man das eine oder andere noch machen". Das lässt natürlich Interpretationsspielraum. Es wird wohl auf einen Innenverteidiger, jüngst las ich gar von zweien, hinauslaufen. Mein Favorit ist der hochgehandelte Mehdi Benatia vom AS Rom. Zwar ist er schon etwas betagter als David Luiz oder Aymeric Laporte, aber in meinen Augen einfach besser. Luiz mag ein sehr guter Fussballer sein, aber es hat schon seine Gründe, weshalb ihn Mourinho ihn lediglich auf der Sechs einsetzt. Laporte habe ich leider noch nie spielen sehen. Benatia ist ein guter Fussballer, umsichtig im Stellungsspiel und ein guter Zweikämpfer. Nicht umsonst steht die Abwehr der Roma mit ihm und Castan meist wie eine Festung. Für ihn spricht zudem der Preis von knapp 20 Millionen Euro, wohingegen die anderen beiden wohl erst jenseits der 30 Millionen erhältlich sind übertrieben, wie ich finde. Bleibt zu hoffen, dass nicht, wie kolportiert, Benatias Wechsel zu den Citizens bereits durch ist.
Falls Lahm dauerhaft ins Mittelfeld wechselt, wird es auch einen Rechtsverteidiger von Format benötigen. Rafinha hat sich zwar als wesentlich besser als sein Ruf entpuppt, aber auf Top-Niveau dürfte es wohl noch ein wenig mehr sein. Namen habe ich leider keine parat, weshalb ich eher zu Lahms Verbleib auf der rechten Seite tendiere. Links wird man allerdings etwas machen müssen. In Juan Bernat und Alberto Moreno werfe ich hier mal zwei Namen in die Runde. Fraglich allerdings, ob sie sich mit der Rolle hinter Alaba abfinden möchten.
Mein größter Wunsch ist allerdings, dass man Augen und Ohren offen hält nach veranlagten offensiven Außenbahnspielern. Ribéry und Robben haben die 30er-Marke bereits passiert, was sich, mal mehr, mal weniger, in quantitativ zunehmender Anfälligkeit für Verletzungen äußert. Falls sich die Option ergibt, ein großes Talent für die Außenbahnen an Land ziehen zu können, sollte man diese zumindest in Erwägung ziehen. Das ist aber glücklicherweise im Moment noch optional.
Broich:
Lewandowski da. Rode da. Mandzukic wohl weg. Dazu Fragezeichen bei van Buyten, Contento und Raeder. Bisher lesen sich die Bayern-Aktivitäten eher mau. Die große Frage ist nun: Bleibt das so? Pep-Biograph Balague legt dar, dass Bayern Guardiola im Sommer jegliche Mittel zur Verfügung stellen wird, die er für die Umstrukturierung des Kaders nach seinen Vorstellungen braucht. Was spannend klingt, ist es auch. Denn wie radikal der Spanier sein kann, ist hinlänglich bekannt.
Kursierende Namen sind Luiz, Benatia, Laporte, Koke und Cuardrado. Vor allem die Innenverteidigung liegt im Fokus der Bayern. Mein Favorit diesbezüglich ist Benatia vom AS Rom, der nach einer bockstarken Saison leider nicht nur das Interesse der Bayern geweckt hat. Luiz ist vom Markt und Laporte für den kolportierten Preis zu unerfahren auf Top-Niveau. Wenn Holger Badstuber zu alter Stärke zurückkehrt, hätte Bayern dann vier Top-Innenverteidiger und hätte wenigstens hinten auch Personal, das eine Dreierkette über längere Zeit möglich machen würde.
Im Mittelfeld hängt einiges von Guardiolas Plänen mit Lahm und dem Ausgang der Kroos-Posse ab. Nach längerem Hin und Her, scheint sich für den Moment ein Verbleib des Nationalspielers abzuzeichnen, der bei vorhandenem Personal einen Transfer für das Mittelfeld bei Verbleib aller anderen Akteure, unwahrscheinlich machen würde.
Durch den wahrscheinlichen Contento-Abgang ist ein Außenverteidiger ein Muss. Zwar kann Rode zur Not auch diese Position bekleiden, sollte Alaba aber ausfallen, ist seine Qualität aber nicht ausreichend.
Im Sturm wird Kult-Figur Pizarro noch ein Jahr den launigen Edel-Back-Up geben, ehe ihn der Zahn der Zeit endgültig in den Ruhestand verabschiedet.
4. Taktik: Geht Guardiola den Weg konsequent weiter?
Maxi_FCB:
Nach dem Pokalsieg konsequenter als je zuvor. Alles andere wäre auch nicht sinnvoll, schließlich ist Guardiolas Spielidee richtig. Er wird lediglich Modifikationen vornehmen, sowie an den für seine Spielidee nötigen Basics arbeiten. Ich könnte mir vorstellen, dass er vor allem am Spiel auf engem Raum, an der konsequenten Umsetzung des Gegenpressings sowie des defensiven Umschaltens, aber auch an der Abstimmung der Laufwege im letzten Angriffsdrittel tüfteln wird. Alle drei sind verbesserungswürdig, alle drei unabdingbar für Peps System.
Generell denke ich, dass Guardiola kompromissloser auftreten wird. Wo er bislang aus Respekt manchen Spieler noch unangetastet ließ, wird er den Umbruch nach seinen Ideen wohl rigoroser angehen. Möglich, dass sich dazu auch ein, zwei Transfers gesellen, die man momentan nicht erwartet. In etwa so wie Thiago im vergangenen Sommer. Einen Wunsch hätte ich allerdings: Nach eigenem Ballgewinn schnell umschalten! Diese so seltenen Situationen, in denen der Gegner aus der Reserve gelockt wurde, nicht zugunsten eines erneuten Powerplays aufzugeben. Man verschenkt so zuweilen große Räume.
Bei aller Pep-Mania will ich aber mal eines anmahnen: Es hat den FC Bayern immer ausgezeichnet, dass er größer war als seine Trainer. Man macht einen Fehler, wirft man sich Guardiola bedingungslos hin. Dann zieht er 2016 weiter und hinterlässt einen Kader, der lediglich auf seine Spielidee gemünzt ist und aus welchem echte Identifikationsfiguren ob ihrer Systeminkompatibilität vergrault wurden. Gewiss, ich zeichne ein unrealistisches Schreckensszenario. Aber: Es muss Grenzen geben. Auch für Pep. Ich hoffe, dass man das, vor allem in Anbetracht der Absenz von Uli Hoeneß, nicht vergisst.
Broich:
Ein klares und unerschütterliches Ja. Denn das Fiasko gegen Real lag zu großen Teilen nicht am System, sondern an dessen Umsetzung. Pep wird durch Transfers und einige Fein-Justierungen weiterhin die Umsetzung seiner Idee vom perfekten Spiel anstreben. Dass Mandzukic trotz seiner Leistungen und seiner Immer-100-Prozent-Spielweise jetzt ausgemustert wurde, zeigt wie sehr Guardiola den Fußball in Reinform über Einzelne stellt. Es wird nicht die letzte harte Entscheidung gewesen sein. Ob die Fans seinen Weg mit gehen, wenn es um Spieler geht, die deutlich weiter oben in der Beliebtheitsskala angesiedelt sind als der Kroate, wird sich zeigen.
Fakt ist, dass Guardiola nur so arbeiten kann und will. Ohne Kompromisse und mit einer klaren Unterordnung aller im Verein gegenüber des Ziels, der Idee. Er weiß, dass er an seinen Erfolgen gemessen werden wird. Er weiß auch, dass er mit der vorhandenen Qualität und einer weiteren Aufwertung des Kaders nach seinen Maßstäben Erfolg haben wird. Auf seine Art und nicht anders.
Noch konsequenter will er das Gegenpressing sehen, deutlich schneller und kreativer die Ballstafetten. Mit Lewandowski hat er jetzt einen Stürmer, der vor allem im Hinblick auf zukünftige Kombinationen mit Thiago ein süßes Versprechen ist und die Statik deutlich auflockern soll.
5. War die Auflösung der Doppelsechs Schweinsteiger/Martinez ein Fehler?
Maxi_FCB:
Ich sage es mal so: Ich trauere ihr noch hinterher. Aus zweierlei Gründen: Einerseits haben beide Spieler immens von der Doppelsechs profitiert. Schweinsteiger hatte jemanden, der salopp gesagt die Drecksarbeit für ihn verrichtete und Martinez jemanden, der mit den von ihm gewonnenen Bällen etwas anzufangen wusste. Beide ergänzten sich perfekt, beide durften auf ihrer Paradeposition spielen. Schweinsteiger tut sich auf einer der beiden offensiven Halbpositionen schwer, weil ihm das Spiel mitten im Getümmel mangels Handlungs- bzw. Bewegungsschnelligkeit nicht sonderlich entgegenkommt. Er braucht den Raum vor sich, dann kann er seine Übersicht, sein Spielverständnis und sein Passspiel optimal zur Geltung bringen. Martinez musste meist zurück in die Innenverteidigung, wo sich seine Schnelligkeitsdefizite letztendlich einfach als zu frappierend entpuppten. Er benötigt eine Absicherung hinter oder, wie in Berlin, zumindest neben sich.
Ihm liegt die Verteidigungsbewegung nach hinten nicht sonderlich. Er ist hingegen ein Meister des Vorwärtsverteidigens, ergo dem gewonnenen Zweikampf mitsamt Ballmitnahme nach vorne, womit man offensive Umschaltaktionen einleiten kann. Das ist ihm auf der Sechs am ehesten möglich.
Andererseits war die Doppelsechs auch der defensiven Stabilität zuträglich, da das Mittelfeld logischerweise weniger leicht zu überspielen war. Was man zudem vergisst: Auch in der letzten Saison lagen die bayerischen Ballbesitzwerte meist weit jenseits der 65%. Will sagen: Ballkontrolle ist auch mit der Doppelsechs möglich. Allerdings hat man so meist weniger Überzahl in Ballnähe, was das Kombinationsspiel, sowie das Gegenpressing erschwert. Eine Möglichkeit wäre es, Schweinsteiger als eine Art Zwischenspieler agieren zu lassen. Fraglich allerdings, ob das in der Praxis umsetzbar ist. Tendenziell gehört die Doppelsechs wohl der Vergangenheit an.
Broich:
Konjunktiv in Reinkultur: Was wäre gewesen, hätte Pep weiter auf das heynckes'sche Erfolgsduo gesetzt? Eine Frage, die zwar Potential in sich birgt, dennoch aber unmöglich beantwortbar ist. Denn in Peps System und taktischen Justierungen stand sie nie zur Debatte. Hinzu kommt, dass beide mit Verletzungen zu kämpfen hatten und alleine deshalb eine mögliche Taktik mit zwei reinen Sechsern unmöglich machten. Kritiker, die die These aufstellen, Bayern wäre mit BS31/Martinez gegen Real nicht ausgeschieden, machen es sich zu einfach. Denn, zu diesem Zeitpunkt war an eine Doppelsechs á la Heynckes nicht im Traum zu denken.
Hätten beide gespielt, dann taktisch gänzlich different als 2013. Fakt ist, dass auch im nächsten Jahr die beiden wohl nur in absoluten Ausnahmefällen eine echte Doppelsechs bilden werden. Spannend beobachten wird sein, ob Guardiola überhaupt beide in der Startformation sieht.
Die zentralen Mittelfeld-Spieler sind in Guardiolas Fußball Herz, Hirn und Seele des Spiels, auch deshalb setzte er auf Lahm. Schweinsteiger fehlt es für das benötigte Repertoire dieser Schlüsselposition ein wenig an Handlungsschnelligkeit auf engstem Raum, Martinez an den strategischen Fähigkeiten eines Thiago.
6. Haben Schweinsteiger und Müller im Guardiola-System eine Zukunft?
Broich:
Eine äußerst heikle Frage. Denn selbst wenn man sie bejahen würde, scheint es im bajuwarischen Selbstverständnis völlig unmöglich die zwei Identifikationsfiguren überhaupt zu degradieren. Dazu kommt, dass ich persönlich beiden einen enormen Wert bescheinige. Müller hat auch diese Saison oft gescort und trotz oftmaligem Abtauchen seine Vielseitigkeit und seine raumdeuterischen Fähigkeiten eindrucksvoll bewiesen. Er mag vielleicht im direkten Kontrast zu einem Thiago ein wenig unbeholfen im Kombinationsspiel wirken, seine Fähigkeiten sind jedoch so besonders und rar, dass er jeder Mannschaft weiter hilft.
Bei Schweinsteiger ist die Lage schon schwieriger, denn seine Leistungen in wichtigen Spielen waren, um es vorsichtig auszudrücken, bescheiden. Natürlich ist das zu gewissen Teilen seinen Verletzungen geschuldet, dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass Schweinsteiger eine Form wie 2013 oder 2010 nie wieder erreichen wird. Seine Comeback-Qualitäten sind zwar legendär, ob er in einem derart gut besetzten Kader noch die Rolle einnehmen kann, welche die Fans und auch er selbst erwarten, wird eine Kernfrage der nächsten Saison.
Maxi_FCB:
Vor Berlin hätte ich wohl im Brustton der Überzeugung ein "Ja" dahingeschmettert. Nun bleibt es bei einem "Ich hoffe es". Nicht, weil an Schweinsteigers oder Müllers Qualitäten irgendein Zweifel meinerseits bestünde, sondern weil Guardiola nach Berlin wohl gestärkter sein wird als je zuvor. Sein internes Standing könnte stark genug sein, um sich zumindest an einer der beiden Vereinsikonen zu vergreifen.
Dass beide von ihrer Spielanlage wohl nicht hundertprozentig für den Fussball Peps geschnitzt sind, ist kein Geheimnis. Müller fehlt die Technik, sowie die Präzision im Passpiel, Schweinsteiger die Handlungsschnelligkeit auf engstem Raum. Von meinem Traum, dass Guardiola Schweinsteiger als eine Art Busquets II aufbaut, habe ich mich mittlerweile verabschiedet. Der Katalane sieht das wohl anders.
Dass beide allerdings das Bayern-Spiel ungemein bereichern können, steht ebenso außer Frage. Müller als nahezu unverteidigbarer, weil unberechenbarer Irrwisch kann immer wieder für die nötigen Ausbrüche aus der Statik des Ballbesitzfussballs sorgen und einen raumgewinnenden Pass in die Vertikale durch einen aufhebelnden Laufweg ermöglichen. Schweinsteiger wiederum vermag das Spiel mit seiner Übersicht aus der Tiefe zu steuern, vermag seine Erfahrung und Präsenz auf dem Platz einzubringen. Frank Wormuth brachte gar die Idee auf, Schweinsteiger als eine Art Libero bzw. Quaterback in eine etwaige Dreierkette einzubauen. Diese Idee gefällt mir, zumal Schweinsteiger die nötigen Fähigkeiten, etwa Zweikampf- und Kopfballstärke, sowie Spielintelligenz mitbringt. Von hier aus könnte er das Spiel, seinen Fähigkeiten optimal entsprechend, aus der Tiefe, relativ befreit von gegnerischem Druck, steuern. Wäre eventuell mal eine Überlegung wert.
Wie gesagt, es bleibt ein Hoffen und Bangen, ob Guardiola den Wert der beiden Identifikationsfiguren erkennt. Sicher bin ich mir nicht.
7. Wo liegt Lahms Zukunft?
Broich:
Es ist kaum anzunehmen, dass Guardiola mit Lahm als Außenverteidiger plant. Zu dominant und stark spielt der Kapitän inzwischen auf seiner neuen Position. Viele Ballkontakte, eine hohe Passqualität und überragende Spielintelligenz haben Lahm in die Riege der Weltklasse-Sechser katapultiert. Guardiolas intelligentester Spieler überhaupt scheint genau wie Thiago fest verankert in den Plänen fürs Mittelfeld. Mit Lahms Zukunft verknüpft sind erstens die Systemfrage (Dreierkette?) und die Besetzung des rechten Verteidigers. Noch ein Jahr mit Rafinha scheint trotz solider Leistungen des Brasilianers unwahrscheinlich.
Ein Blick auf den Markt lässt Lahms Zukunft plötzlich wieder in einem anderen Licht erscheinen. Denn Leute, die auf hohem Niveau rechts hinten spielen können sind rar gesät. Also Lahm wider Guardiolas eigentlichem Willen in der Außenverteidigung? Wir lassen uns überraschen, denn ein Hoijbjerg hat seine Sache außen eigentlich gar nicht schlecht gemacht und Guardiola steht auf Asymmetrie der Außenverteidiger. Da scheint gar nicht unwahrscheinlich, dass beispielsweise ein Benatia den Abidal mimt und außen verteidigt.
Maxi_FCB:
In meinen Augen, entgegen Lahms jüngster Bekundung, rechts. Nicht, weil Lahm das auf der Sechs nicht exzellent gemacht hätte. Es ist schlicht eine Frage der Alternativen. Wie oben geschrieben: Rafinha in allen Ehren, aber er stößt halt auf einem gewissen Niveau an Grenzen. Was in 95% der Spiele auch nicht weiter schlimm ist, nur: Gegen die Ronaldos dieser Welt reicht es einfach nicht. Auf der Sechs hingegen hat man in Schweinsteiger und Martinez zwei hochwertige interne Alternativen. Schlicht auf den Punkt gebracht: Es gibt mehr gute Sechser als Außenverteidiger auch extern.
Sollte man allerdings aus der Versenkung den großen Mister X für die rechte Seite ausgraben, ist eine dauerhafte Versetzung Lahms auf die Sechs diskutabel. Schließlich ist er Martinez und Schweinsteiger in puncto Pressingresistenz und Spiel auf engen Raum, zweier der guardiola'schen essentialia negotii, ein Stück voraus.
Kritik und Meinungen gerne in die Kommentare.
Bildquelle: spox.com
Hab für den Vierschanzentourneeblog seinerzeit knapp 3 Stunden gebraucht, weil man für 4 Mann die Gedankenstriche und Anführungszeichen nachtragen musste, die der BE ja mit Vorliebe verschluckt. Und das dreimal, weil sich der Blogeditor zweimal aufgehangen hat und alle Arbeit für die Katz' war.
Naja, ich denke es ist für genügend Lesestoff für eine ganze Mittagspause gesorgt Sind auf jeden Fall schöne Antworten geworden.
@Maxi: Habs korrigiert. Der gute alte Blogeditor raubt einem manchmal den letzten Nerv!
Sehr gut zu lesen. Sehr gute Fragen und ANtworten.
Zur Frage 8
Fast jeder sagte vor der Saison das man einen Robben nie in den Pep Fußball bringen kann. Zu eindimensional und zuviel Ego.
Nach der Saison muss man sich fragen : Ist Ribery überhaut kompatibel im Pep Fußball.
Ich denke das er im neuen System nicht mehr wirklich der ist, der er unter Jupp war.
Und ich sehe auch nicht das es sich ändern wird wenn Guardiola seinen Fußball mehr durchbringen wird zur neuen Saison.
Und sollte Pep es genauso sehen.....
Ich sage nur Ronaldinho, Etoo, Ibrahimovic etc etc etc
Guardiola ist bekannt für seine Entscheidungen.
Und er macht vor keinen Namen halt.
Bin sehr gespannt auf die neue Saison. Und auf unseren FC Bayern
Meinen Dank an dich Broich, dass du das so aufgezogen hast! Hat Spaß gemacht, gerne wieder.
Eine Bitte hätte ich aber: Schau bitte nochmal in die Orignialvorlage meiner Antworten, der Blogeditor hat fast alle Gedankenstriche, einige Anführungszeichen und einmal sogar ein ganzes Wort ("Ja!" bei Frage 6) verschluckt.
2 große Spox-Blogger treffen sich und reden über den FC Bayern München!
Und wie!!
Verdiente 10 Punkte und hoffentlich ein paar Tage auf der Startseite!!
Eins vorab. Sehr gelungene Runde. Bitte mehr davon.
Das hängt ein Stück weit von der WM ab. Ribéry ist, wie schon oft gesagt, ein Wohlfühlspieler. Misslingt ihm die WM in Gänze, wird man ihm das in Frankreich nie verzeihen. Wer glaubt, das sei zu martialisch, irrt. Wird er in Frankreich extrem angefeindet, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich das auch auf seine Leistungen beim FCB auswirkt. Zumal sein Verhältnis zu Guardiola wohl schon bessere Tage erlebte.
Ribéry ist bald 32, eigentlich müsste er mit seiner ganzen Erfahrung über diesen Dingen stehen. Eigentlich. Uneigentlich ist er das Original, das man in München verehrt und im Rest Deutschlands mit Verve verachtet – mit allen Risiken und Nebenwirkungen (Anfälligkeit für Provokationen, Stimmungsschwankungen). Bayern braucht einen bockstarken Ribéry, um nicht ausrechenbar zu werden, braucht die Dribblings des Mannes aus Boulogne sur Mer, die bis zu drei, vier Mann auf sich ziehen, um die daraufhin entstehenden Räume zu nutzen. Eigentlich ist Ribéry unverzichtbar. Einmal mehr: Eigentlich. Sollte nämlich Ribérys Verletzungsanfälligkeit weiter zunehmen und er seine Form möglicherweise nicht wiederfinden, wäre es unprofessionell , machte man sich im Hinblick auf 2015 nicht einige Gedanken. Eden Hazard soll ja nicht mehr glücklich unter Mourinho sein. Träumen ist ja wohl noch erlaubt...
Der Vollständigkeit halber:
8. Ribéry: Bekommt er seine Probleme in den Griff?
Broich
Es war fast schon erschreckend, wie Ribéry nachdem er nur wenige Monate zuvor Europas Fußballer des Jahres geworden war, auf dem Platz auftrat. Selbst gegen Braunschweig, gelang dem Franzosen all das nicht mehr, was ihm sonst so leicht gelingt, wie Anderen die Ballannahme. Einen negativen Höhepunkt erhielt seine Krise gegen Real, als Carvajal zu seinem 180-minütigen Alptraum avancierte. Er wirkt ermüdet, ideenlos und teils überfordert mit den Laufwegen, die Guardiola von seinen Spielern verlangt.
Robben hat gezeigt, wie man als Einzelspieler im neuen Fußball funktionieren kann und spielte seine vielleicht beste Saison für den FCB. Ribéry dagegen braucht ein großes Leistungs-Upgrade, um seinen Status als Starspieler nicht einzubüßen. Noch ist er der Publikumsliebling, dem alles verziehen wird in Bayerns Hauptstadt. Doch auch die Fans wissen, dass Ribéry nicht jünger wird und beim aktuellen FC Bayern auf jeder Position an der Leistungsgrenze gespielt werden muss, um die großen Fortschritte und Erfolge der letzten zwei Jahre zu konservieren und womöglich gar auszubauen. Das tut Ribéry momentan nicht, was schnell geändert werden muss. Ansonsten könnte die Nummer Sieben zum tragischsten Fall der jüngeren Bayern-Vergangenheit werden.
Differenzierter würde ich bei den Transfers rangehen. Ich persönlich denke, dass an allen, in den Medien genannten Namen nicht viel dran ist. Zuviel Spekulation. Man sieht ja bei Luiz wie schnell das geht und schon ist er bei PSG. Interessant dürfte es nach der WM in Brasilien werden.
Contento, Reader, van Buyten und auch Mandzukic werden uns verlassen. Neu sind ja wie erwähnt, Rode, Lewandowski und im Prinzip Badstuber.
Müller und Kroos werden auch bleiben. Die größte Baustelle sehe ich bei Schweinsteiger. Auch wenn es die Bayernfans nicht gerne hören aber ich persönlich denke er wird wechseln. Zumal er auf seiner angestammten Position mit Thiago, Lahm oder Martinez sehr starke Konkurrenz hat.
Für mich fehlt, eigentlich nur noch, ein Innenverteidiger und ein Back-up für Alaba. Wobei den ggf auf Rafinha, siehe Berlin, geben kann. Denn beim Einrücken der AV kann diese Position eigentlich auch ein Rechtsfuß spielen.
Problemfall Ribery? Dies könnte einer werden. Allerdings hoffe ich, dass er in der neuen Saison mal verletzungsfrei bleibt und die alte Form findet, dann haben wir auch wieder viel Spaß an ihm. Wenn nicht wird Pep auch vor dieser Personalie kein Halt machen.