22.09.2010 um 22:53 Uhr
Geschrieben von Voegi
Liga-Lehren V
Rache für Letchkov
Endlich wieder Englische Woche. 17 lange Monate haben wir darauf warten müssen – in etwa so lange wie auf ein Auswärtstor der Bayern. Die Liga-Lehren Part Five mit kleinen Reminiszenzen an das Mutterland des Fußballs, Judo, Geschichtsunterricht, Nummerngirls und einem beispiellosen Racheakt:
Premier League
Da stand er also nun da, der kleine Tuchel, Mainz' niedlicher Trainer mit dem Charme eines zerstreuten Philosophie-Studenten, und blickte ganz selig in die Kameras, als hätte er soeben endlich Hegels Phänomenologie des Geistes in all seinen Details durchdrungen. Dabei hatten seine Mainzer doch gerade nur gegen den Effzeh aus Köln gewonnen, ein Team, dem selbst die Bayern ganz lässig ein lockeres 0:0 abgerungen hatten. Tuchelchen war's egal. Verzückt ob der anmutigen Pracht des eigenen Spiels verbalejakulierte seine Spieler in orgiastische Höhen und beendete den eigenen Euphorieschwall mit dem kühnen Fazit, so doch auch in der Premier League mitspielen zu können. Was bei genauerer Betrachtung aber wohl weniger erfolgsbedingtem Überschwang denn dauerhaftem Unbehagen über die Befindlichkeit der Bundesliga geschuldet war. Denn in einer Liga, in der Hannover 96 um die Meisterschaft spielt und Mainz 05 hartnäckig den Punkteverlust verweigert, da kann man einfach nicht glücklich werden. Also ab in die Premier League. Aber bitte mit Tarnnamen (ist uns ja doch irgendwie peinlich). Wir schlagen vor: Diedienase Fulham, Joke City oder – ganz aufrichtig – Aus Wanderers.
Honey
Ja, wir machen keinen Hehl daraus: Wir verstehen diese Liga nicht mehr und sind somit auch nicht in der Lage, sie dem ausländischen Fußballfreund begreifbar zu machen. In England erledigt das aber eh Raphael Honigstein, der Schalkes Spiel"system" wie folgt zusammenfasste: "There's Neuer on one side, Huntelaar & Raul on the other, with nothing but a stinking mess in between." Heißt so viel wie: Hinten Neuer, vorne Raul und Huntelaar, dazwischen jede Menge Schalke. Und oben drauf ein bisschen Magath, welcher nun endlich die ultimative Erklärung für den Fehlstart gefunden hat: "Wir sind von Dingen abhängig, die wir nicht beeinflussen können, zum Beispiel der Gegner". Na also, da haben wir es doch. Diese verdammten Gegner sind aber auch sowas von störend im Fußball. Nur die Freiburger eben nicht. Die sind tolerant und haben ein Herz für sozial Benachteiligte.
333
333 Issos Keilerei. Ein netter Merkspruch, den die Über-70-Jährigen vielleicht noch aus ihrem Geschichtsunterricht kennen. Da uns historische Schlachten aber in etwa so viel interessieren wie Mark van Bommel ein Fair-Play-Award, adaptieren wir ganz freimütig: 333 – Flaute ist vorbei. Nach 333 Minuten also haben die Bayern endlich mal wieder eingenetzt und am Ende sogar, wie beim letzten Drei-Punkte-Gewinn vor gefühlten zwei Jahren, den Last-Minute-Sieg eingefahren. Um die Schlacht von Hoffenheim aber doch historisch korrekt abzuarbeiten, resümieren wir faktengetreu: Bayerns torlose Serie und Ribérys Außenband – beide rissen am Dienstag um genau 21.17 Uhr in Hoffenheim.
Rache
Das war jedoch nicht die einzige traurige Erkenntnis des Mittwochabends. Bereits von Anpfiff der drei Begegnungen machte eine Nachricht die Runde, die uns als Freunde des gepflegten Fettnäpfchens sehr betrübte: Lothar Matthäus wird in den nächsten vier Wochen leider nicht als Trainer in die Bundesliga zurückkehren. Solange wird er nämlich voraussichtlich als Nationaltrainer in Bulgarien arbeiten. Und an sich sollte man ja aufhören, bei Matthäus die Warum-Frage zu stellen.
Wir tun's dennoch und wittern einen nationalen Racheakt für Letchkov anno 94. Wenngleich diese Revanche, die den bulgarischen Fußball um Jahre zurückwerfen dürfte, dann doch ein bisschen des Bösen zu viel ist. Aber vielleicht hielt Loddar Sofia ja auch nur für eine heißblütige 19jährige Abiturientin…
Outtakes
Die Bayern haben also nun gewonnen. Und wir müssen uns die ganzen perfiden Boshaftigkeiten verkneifen. Da hätten wir van Gaals Positionsspiel mit einem menschlichen Vexierbild verglichen oder ganz neckische Fragen gestellt, z.B.: Was haben Philipp Lahms Flanken mit einem Buddhisten gemeinsam? Beide fliegen ins Nirwana. Oder was unterscheiden Bayerns Standards von einer Tube Löwensenf? Beide bringen das menschliche Auge zum Weinen, doch aus der Tube kommt gelegentlich etwas raus. Schade, hätte man alles bringen können, mussten wir aber leider aus der aktuellen Ausgabe streichen.
Grobmotorik
Schiedsrichter Dr. Felix Brych vom SV Am Hart München (an dieser Stelle herzliche Grüße an unseren Stammleser R. Töpper, Wien) gehört zweifelsohne zu den Besten seiner Zunft. Jung und erfahren – sowas kennt man ansonsten ja nur vom Berliner Straßenstrich (herzliche Grüße an B. Stromberg, Köln). Die größte Herausforderung seiner Karriere erwartete den jungen Referee aber nun ausgerechnet beim niedlichen Nordderby. Denn als Hannovers Pogatetz Bremens Prödl mit einem ansatzlosen Uchimata auf die Matte senste, stand unser Hobby-Kampfrichter vor dem Dilemma: Entweder den (Fußball-)Regeln entsprechend auf den Punkt zeigen oder einem bewährten Erfahrungssatz folgen: Wenn sich zwei Österreicher in aller Öffentlichkeit an den Kragen gehen, sollte man sich als Deutscher gefälligst raushalten. Brych wählte die falsche Option – er entschied auf Strafstoß, erkannte seinen Irrtum aber noch während des laufenden Spiels und verweigerte Werder nach Stoppelkamps unbeholfener Spontan-Jonglage den fälligen Handelfmeter. Vielleicht war es aber einfach nur Mitleid: Denn wer Stolperkrampf heißt, der muss einfach an einer motorischen Störung leiden.
Bibi
So ein Schlag auf den Hinterkopf bleibt ja zumeist nicht ohne Folgen, zumal wenn einem eine ganze (Tor-)Fabrik auf die Fontanelle stürzt. Kein Wunder also, dass Jessi Kastrop bei der Wiederholung von Pogrebnyaks aberkanntem Tor schleuderträumte, dass jener "von Bibiana Steinhaus zurückgepfiffen" wurde. Die traurige Wirklichkeit sieht aber leider ganz anders aus: Noch hat die Aktion "Bibi in die Bundesliga" nicht gefruchtet, noch steht Bibi an der Seitenlinie, gibt beflissen das Nummerngirl und bezirzt die Trainer. Wieso Dr. Drees von der SV Münster-Sarmsheim (Grüße nach Wien) dem Treffer die Anerkennung versagte, vermochte sie aber wahrscheinlich auch nicht zu erklären. Vielleicht war – wie bei Nürnbergs Führungstreffer – aber einfach ein Schieber am Werk.
Und was gab's sonst?
Eine Tabelle mit Gleichgewichtsstörungen, der BVB im postkoitalen Adrenalinrausch und natürlich passend zur Englischen Woche ein herzlicher Glückwunsch an unseren vernachlässigten Liebling aus Wolfsburg, der doch noch immer so englisch ist wie eine Woche Dauerregen. Wer schafft das sonst schon, innerhalb von fünf Tagen zweimal den HSV zu schlagen…It's a crazy league, isn't it?
Aufrufe: 11925 | Kommentare: 28 | Bewertungen: 46 | Erstellt:22.09.2010
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KOMMENTARE
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23.09.2010 | 10:03 Uhr
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Wie man es von dir gewohnt ist, selbst wenn der Spieltag aus meiner Sicht noch so beschissen war machst du eine großartige Liste daraus.
3
23.09.2010 | 09:28 Uhr
0
Rheodred :
Ganz groß!
Und um mich mals als Döspaddel zu outen:
"Wer schafft das sonst schon, innerhalb von fünf Tagen zweimal den HSV zu schlagen"
Hä?! Wieso 2 Mal?!
0
23.09.2010 | 08:42 Uhr
0
UliFan :
Ganz schön böse teilweise und ganz schön gut ( das aber von oben bis unten)@ LWH
Glückwunsch , wird ab sofort mit einem Keks deiner Wahl belohnt
1
23.09.2010 | 08:09 Uhr
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Erster!
Wollt ich doch auch immer schon mal ...
Hey Voegi!
Wieder mal voegi!
Die LL!
Vielleicht ein bißchen Bayernlastig, aber na ja ...
Sei dir ja gegönnt.
Wenn sie schon mal 3 Punkte am Stück holen ...
6
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