21.11.2010 um 19:56 Uhr
Geschrieben von Voegi
Liga-Lehren XIII
Der Geist von Takahara
Wie heißt der Onkel von Robin Dutt? Hat Michael Kadlec einen Vater? Und existiert das Raum-Zeit-Kontinuum auch in Bremen? Die Antworten in den Liga-Lehren zum Slapstick-Event des Jahres:
Offer
Auch in der Bundesliga macht sich jetzt der neueste Trend bemerkbar: Die eigenen Angestellten in aller Öffentlichkeit ganz gepflegt zur Sau machen. Dieses Phänomen, das man übrigens inzwischen als "schäublen" bezeichnet, erfreut sich (siehe Tuchel und Veh) immer größerer Beliebtheit. Selbst Papa Magath schreckt nicht mehr vor öffentlicher Schelte seiner Schutzbefohlenen zurück. Erstes Offer: German Jones, dessen Zweikampfwerte zuletzt an die einer Nacktschnecke beim Sumo-Ringen erinnerten. Im Gegensatz zu Jones, der seine Tribünenverbannung gewiss mit der ihm eigenen Heiterkeit zur Kenntnis genommen haben dürfte, durfte Ribéry aber zumindest auf der Bank Platz nehmen und bewies nach seiner Einwechslung, dass der Begriff "schäublen" sehr wohl seine Berechtigung hat. In Sachen Tempo, Antritt und Esprit erinnerte Ribérys Auftritt nämlich durchaus an das Leistungsvermögen unseres Finanzministers. Ins Rollen kam der Bayern-Express gleichwohl nicht.
Anmut
Vorsicht: Was nach einem höchst amüsanten und unterhaltsamen Bundesligaspieltag aussah, war in Wirklichkeit ein Slapstick-Rekordversuch für das Guinness-Buch. Oder um es in bittersüßer Pralinendialektik zu formulieren: Für die einen ist es skurrile Fußballkunst, für die anderen ein albernes Bewerbungsfilmchen für Deutschlands lustigstes Home-Video. Denn das was uns die Bundesligaclowns an diesem Spieltag darboten, wirkte eher wie ein wahlloser Zusammenschnitt der peinlichsten "Pleiten, Pech & Pannen"-Ausgaben mit ein bisschen Nonstop Nonsens und Benny-Hill-Show als Rahmenprogramm. Schön anzusehen war es aber irgendwie schon, wie Suboticks und Fummels bei einer gepflegten Partie Doppelbandenbillard verunfallten. Oder wie der hoffnungslose Nostalgiker Jim Wiese in sein nahezu unerschöpfliches Comedy-Repertoire griff und unversehens die Pannen-Olli-Retronummer aus dem Ärmel schüttelte. Der Höhepunkt des Slapstick-Festivals war jedoch Jakub Blaszczykowski vorbehalten, dessen Spontaneinlage aus dem Zyklus "Das Tor ist klein, die Welt ist groß, ach Gott, oh je, was mach ich bloß" zweifelsohne den größten Unterhaltungswert besaß: Unvermittelt lag ihm die Kugel zu Füßen, vor einem Tor leer wie einst die Dortmunder Vereinskasse. Ja, Kuba stand die Welt frei. Eine Vorstellung, bei der Fidel Castro eine feuchte Hose kriegen dürfte. Blaszczykowski bekam jedoch nur kalte Füße. Denn da war er, der Geist von Takahara, hüllte ganz Kuba in ein seichtes Mill-Mantra und ließ ihm den Ball entschweben – weit über das Tor hinaus, in die weiten Fernen dieser Welt. Slapstick kann manchmal eben auch so schön sein.
Erkenntnisse
Apropos Slapstick: Neues von SKY-Chefreporter Reif, dessen – gewiss nicht nüchtern ausgewähltes – Brillengestell die besorgniserregend tief hängenden Schlupflider auch nicht mehr zu kaschieren vermag. Zur 2. Halbzeit des Samstagabendspiels weckte er die anwesende Zuschauerschar im gewohnten Räuspertasten-Ignoremodus zunächst mit einem eher ungespenstischen "Buuuh", um sie dann vollständig zu desillusionieren. Michael Kadlec, so behauptete er unverfroren, sei der Sohn von Miroslav Klose. Was wir allerdings insgeheim schon immer vermutet hatten – wie so manches andere: Robin Dutts Onkel heißt Apu und betreibt einen Supermarkt in den USA. Jakub Blaszczykowski ist der verschollen geglaubte Halbbruder von Stevie Wonder. Bastian Schweinsteiger ist seine eigene Cousine und Thomas Schaaf die Tante von Berti Vogts. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, sei angemerkt, dass Reif seinen Fauxpas umgehend korrigierte, später allerdings feststellte, dass Bayer Leverkusen seine Tore zumeist in der letzten Schlussviertelstunde zu erzielen pflegt. In der initialen Anfangsviertelstunde dagegen seltener.
Comeback
Milky Hanke sieht zwar aus wie ein in der Pubertät gefangenes Dauertestimonial für Kinderschokolade, ist aber, auch wenn wir alle dies lieber verdrängen möchten, nach wie vor Bundesligaspieler. Von Profi wollen wir aus Respekt vor seinen Kollegen lieber nicht sprechen. Mit Martin "Old Spice" Pieckenhagen, verbindet ihn indes nichts. Mal abgesehen davon, dass beide an diesem Spieltag wie Breno aus der Asche auf die Bundesligabühne zurückkehrten. Das war's dann aber auch mit den Gemeinsamkeiten. So schoss Hanke mal wieder ein Tor, während Pieckenhagen lediglich den Mainzer Kasten hütete. Für Pieckenhagen dürfte es nicht das letzte Mal gewesen sein. Bei Mike Hanke gehen wir wie gewohnt vom Gegenteil aus.
Werder-Kontinuum
Die Relativitätstheorie samt Raum-Zeit-Kontinuum dürfte derzeit gewiss leichter nachvollziehbar sein als die Gründe der Werder-Krise. Wohl auch weil beim Raum-Zeit-Kontinuum zumindest etwas zusammenhängt – im Gegensatz zum Werder-Spiel. Ursachenforschung bringt also nichts, belassen wir es daher bei der nüchternen Situationsanalyse: Werders Leistungen offenbaren das Fremdschämpotential von Bauer sucht Frau. Und die Anbiederung beim Gegner ist mitunter so verrucht wie die Annäherung von Charlotte Roche an die Feuchtgebiete unseres Bundespräses. Zur Beschreibung der Gesamtlage muss man jedoch wieder auf Einstein zurückreifen: Zur Zeit ist noch viel Raum nach oben, insgesamt aber ist es relativ zum Kotzen.
Schock
Unerklärlich blieb für den Club auch die 1. Halbzeit gegen den FCK. Nach einer halben Stunde führte Kroatien plötzlich dreizunullic, obwohl es beim FCN zu Hause doch zuletzt quasi wie von selbst lief. Doch diesmal eben nicht. Diesmal war man so geschockt, dass einem die Kehle austrocknete. Da blieb selbst dem auf der Tribüne weilenden Pinolama die Spucke weg.
Und was gab's noch?
Gladbach erleidet einen allaguischen Schock, Maik Franz und Peniel Mlapa geben ihre Verlobung bekannt und Paulo Guerrero avanciert zum (Oliver) Held des Tages. Und unter der Woche gab's ja noch das charmefreie Nullnull in Schweden, gegen das sogar Öh-zils Bambi-Laudatio ein Feuerwerk der Leidenschaft war. Das Ganze war dermaßen narkotisierend, dass selbst Schwedens Carl Gustav beim Rudelgucken im Puff lieber aufs Zimmer gegangen sein soll. Den einzigen Unterhaltungswert zog die Sache denn auch aus den Delling-Netzer-Erben. Beckmann und Scholl, das ewige Rendezvous von Psychologie-Seminar und Pfandfinder-Treff, ist immer gut für Missverständnisse. Siehe die Anmoderation des Süderamerika-Kickchens von Doha: Als der rallige Reinhold seinen Sidekick zwecks Anteaserung fragte, was er sich vom dem Duell erwarte, antwortete dieser ganz quotenkillend-trocken: Im Grunde genommen nix! Aber das ist ja das Schöne: Wer nichts erwartet, der kann auch nicht enttäuscht werden. Steht so ja schon als Präambel in der Vereinssatzung des VfB.
Aufrufe: 13602 | Kommentare: 29 | Bewertungen: 66 | Erstellt:21.11.2010
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KOMMENTARE
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22.11.2010 | 22:50 Uhr
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Eine "Säule von Spox"... hab ich gerade gelesen!
Klasse Voegi!
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22.11.2010 | 21:32 Uhr
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22.11.2010 | 19:48 Uhr
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mamö99 :
Pinolama blieb die Spucke weg. Ach wie herrlich!Sehr, sehr stark. 10er ist zwar zu wenig, muss aber sein
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22.11.2010 | 17:47 Uhr
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chr1st14n : Voegi, ganz ehrlich...
...hör bloss nie mit den LL auf.Wie immer ganz stark und 10p
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22.11.2010 | 15:48 Uhr
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Wels :
10. Danke. "Und unter der Woche gab's ja noch das charmefreie Nullnull in Schweden, gegen das sogar öh-zils Bambi-Laudatio ein Feuerwerk der Leidenschaft war." :)
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22.11.2010 | 14:43 Uhr
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Rolando :
Viel besser als letzte Woche! Wahnsinn....ich musste mehrere Mal das Fenster minimieren, um im Büro nicht zu lachen!
Voegi, Dix pointes!
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22.11.2010 | 14:25 Uhr
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10 Points!
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endlich mal wieder eine ganze reihe richtige lacher drin; hat mir sehr gut gefallen.