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Liga-Lehren


Gründer: Voegi | Mitglieder: 65 | Beiträge: 1
05.12.2010 um 19:57 Uhr
Geschrieben von Voegi
Liga-Lehren XV


Der Jermaine Jones in dir

Wir warten – aufs Christkind und auf skandalträchtige Enthüllungen aus den Geheimdokumenten der Bundesliga. Bis WikiLeaks endlich in die Gänge kommt, vertrösten wir uns aber mit den üblichen Absurditäten aus unserer Lieblingsliga. In der Hauptrolle diesmal ein Akteur, der gar nicht auf dem Platz stand. Die Liga-Lehren Ausgabe 15:

Winter
Seinen Auftakt nahm dieser Spieltag bekanntlich mit einem winterlichen Abendkick auf St. Pauli. Oder sagen wir es so: Eine Herrenrunde auf Gras mit ein bisschen Schnee und Unmengen Nutten in Sichtweite. Hört sich zwar an wie Abendplanung von Michel Friedman – umschreibt aber eben doch nur die Rahmenbedingungen von Paulilautern. Und wirklich berauschend war's irgendwie auch nicht.

WikiLeagues
Mal unter uns: Diese ganzen vermeintlich so hochbrisanten Dokumente, die uns WikiFreaks da aufgetischt hat, waren doch alles nur kalter Kaffee. Abgedroschene Allgemeinplätze, wie sie sich nicht einmal die Anonymen Analytiker vom Sport 1-Doppelkorn herauszuposaunen trauen würden. Denn dass unser Außenminister eine narzisstische Weichflöte mit loddaresker Profilierungssucht ist, lernt man inzwischen doch schon in der Grundschule. Oettingers Temperament einer lahmen Ente ist uns gleichsam bekannt. Und dass die Vorsitzende vom Berliner Gruselkabinett schon beim Wort "Risiko" eine mehrstündige Panikattacke überfällt, wissen wir wohl auch alle längst. Was soll also die ganze Aufregung?! Wann liefert uns Herr Assange endlich richtig explosives Material mit echtem Zündstoff, z.B. aus der Bundesliga. Was da alles ans Tageslicht kommen könnte: Dortmunds Weihnachtsmann ist ein verwunschener Osterhase. Isaac Vorsah hat Dr. Drees die Ische ausgespannt. Felix Magath ist insgeheim ein großer Bewunderer von Jermaine Jones' Arbeitsmoral. Uli Hoeneß schätzt seinen Cheftrainer für seine subtile Kritikfähigkeit. Christian Tiffert hat bereits einen Vorvertrag beim FC St. Pauli unterschrieben. Papiss Cissé war in seinem früheren Leben badischer Meister im Bandenbillard. Und Ioannis Amanatidis hat einen unangemeldeten Nebenjob bei den Passionsspielen von Oberammergau. Wäre allesamt spannender als die gekabelten Binsenweisenheiten der Diplomatendepeschen.

Oper
Unter der Woche stand also wieder das alljährliche Treffen der talentfreien Hobbypoeten an – in Fachkreisen auch als Bayern-Jahreshauptversammlung bekannt. Zur allgemeinen Enttäuschung verzichtete Rainer Maria Rummenigge jedoch auf Rezitationen seiner bevorzugten Ghostwriterin und bedankte sich lieber prosaisch bei den Bediensteten. Als eine Art kulturelle Kompensation bot SKY für das Bayern-Gastspiel auf Schalke nun eine krude Opern-Kommentierung an. Hätte man sich im Grunde genommen aber auch sparen können. Schließlich wartete das Spiel auch so schon mit einer opernhaften Inszenierung auf (auch ohne Arie van Robben): Eine Tragikomödie in zwei Akten mit Franck Ribéry als launischer Diva und der Bayern-Abwehr als sterbendem Schwan. Nur Mark van Bommels Bewerbung um die Rolle des Fliegenden Holländers überzeugte irgendwie nicht.

Nebenrollen
In Sachen Fremdschämpotential konnte sich die absurde Show-Einlage von Bobadilla und Pinto im Übrigen ohne weiteres mit einem Gedicht von Anette Pfeiffer-Klärle messen lassen. Künstlerisch wertlos, schauspielerisch fragwürdig und sportlich einfach zum Weinen. Foul Bobadillas eigenwillige Interpretation eines ordentlichen Auf-Tritts wirkte jedoch nur halb so peinlich wie Pintos dilettantische Eskimorolle, die zumindest bei medizinischen Laien Zweifel an seinem Fortleben aufkommen ließ. Doch zum Trost sei ihm gesagt: Oft genug war eine schlechte Rolle doch schon der Beginn einer großen Schauspielkarriere.

Nur mal so
Was hat der VfB Stuttgart mit den Zahnprothesen seines Cheftrainers gemeinsam? Beide stecken im Keller fest. Und was ist der Unterschied zwischen Jörg Kachelmann und dem FC Bayern? Jörg Kachelmann hat schon einen neuen Verteidiger – die Bayern suchen noch.

Wach bleiben
Diese ganze Schönrederei bringt ja nichts. Sagen wir es also, wie es ist: Dieser Bundesliga-Spieltag besaß mitunter den Unterhaltungswert eines Arte-Themenabends "Hausfrauen-Origami des Mittelalters". Da musste man als Reporter schon darauf achten, dass der geneigte Zuschauer nicht ins Wachkoma fiel. Bei SKY behilft man sich zu diesem Zweck gewöhnlich mit sinnfreien Kommentierungseinzeilern (sogenannten Warks). Torsten Kunde versuchte es diesmal beispielsweise mit blitzscharfer Logik und bilanzierte tautologisch "Das war die einzige und bislang beste Torchance." Allerdings auch die schlechteste. Und Kai Dittmann bescherte Andrea Barzagli kurzerhand einen neuen Job, als er knochentrocken forderte, dass dieser "die 2. Gelbe Karte dieses Spiels geben" muss. Was uns aber zumindest eines lehrt: Schiedsrichter ist zwar ein ziemlich beschissener Job, aber noch allemal besser, als Angestellter des VfL Wolfsburg zu sein.

Torwandschießen
Es war also herzlich wenig los. Einziges echtes Highlight der 2. Halbzeit am Samstagnachmittag war denn auch das spontane Torwandschießen von Wolfsburg, wie üblich mit eher mäßiger Erfolgsquote. Erst ballerte sich Torsten Frings den inneren Jermaine Jones von der Seele an die Latte. Und wenig später hämmerte Uli Dzeko die Kugel in den Belgrader Nachthimmel von Wolfsburg. Dieter Hoeneß musterte den Stürmer bei seiner Auswechslung gleichwohl mit säuerlichem Frodo-Blick, so als wollte er ihm zur Strafe umgehend eine Vertragsverlängerung anbieten. Für den objektiven Beobachter absolut unverständlich. Immerhin hatte dieser seinen Bruder doch durchaus treffend parodiert. Und auch die abschließende Schimpftirade gegenüber Wolfsburgs Manager gab doch ein hoeneß Bild ab.

Und zum Abschluss…
die wichtigsten Nachrichten aus dem Weltfußball im Schnelldurchlauf: Barca verarbeitet Real zu Schalke und sorgt dafür, dass die einstigen Königlichen nun als die Königsblauen firmieren. Die deutschen Frauen ziehen bei der WM-Vorrundengruppen-Auslosung eine Wild-Card. Und die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 werden auf Ölteppich ausgetragen. Das eine ein schlechter (Abramo-)Witz, das andere schlicht eine Katarstrophe, aber beides doch eine wahrlich bestechende Wahl. Die wohl markerschütterndste Mitteilung für den Weltfußball erreicht uns jedoch aus Köln. Der hiesige 1. FC Köln, nach überkommenem Selbstverständnis ohnehin der einzig wirkliche Weltverein dieses Planeten, hat sich von seinem Manager getrennt. Weil an dessen Arbeit zuletzt ganz leise Kritik laut geworden war. Meier kann nun am eigenen Leib nachempfinden, wie sich der durchschnittliche Anhänger seines einstigen Arbeitgebers gemeinhin zu fühlen pflegt: Hintergangen und an der Nase herumgeführt. Oder wie man in Köln zu sagen pflegt: Overathen und verkauft. Die Welt ist eben schlecht – sogar in Köln.
Aufrufe: 15350 | Kommentare: 32 | Bewertungen: 53 | Erstellt:05.12.2010
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