Mit dem Herz eines Löwen

Bayern zeigt ein Herz für die Sechziger, Lakic hat's an der Leber und Eintrachts Tor-Askese geht an die Nieren – die Liga ist gut organisiert:

Imperativ
Scherze über Namen verbieten sich ja bekanntlich. Aber gerade die junge Garde verfügt über eine nominelle Kraft, die einen einfach in den Bann nehmen muss, ob nun Holger Badstümper, Moritz Stolperkrampf oder Stuttgarts neuer Superstürmer Sven Chip & Log. Besonders gut gefällt uns aber Werders Newcomer Florian Trinks, der wohl sympathischste Imperativ der Bundesliga-Geschichte. Ist zumindest ein kleiner Trost für den schmerzhaften Verlust dieser Tage: Alain Junior Ollé Ollé, der stimmungsvolle Personalausweis mit Gute-Laune-Garantie, wechselt vom Breisgau nach Norwegen. Ollé Ollé, adé adé…

Ästhetik
Wer sich ein leises Restempfinden für Ästhetik bewahrt hat, sollte die Bundesliga besser meiden: Frings' Langhans-Matte, Bayerns Abwehrchoreographie, Benaglios Bahnschranken-Parodie – alles optisch absolut inakzeptabel und zartbesaiteten menschlichen Gemütern schlichtweg nicht zumutbar. Aber eben doch nur halb so bedrohlich wie Magaths pseudocooler Sonnenbrillen-Look, irgendwo zwischen einem Blues Brother in der Winterstarre und Udo Lindenberg nach der Schrothkur. Bei den Schalke-Fans ließ Magaths surreale Erscheinung indes eine fast vergessen geglaubte Urangst wieder lebendig werden. Denn es sah doch alles danach aus, als hätte Schalke den gefährlich dünn besetzten Kader mit Edgar Davids noch ein wenig aufgefrischt. Schiri Brych schien das unwirkliche Szenario ähnlich zu deuten und machte kurzerhand einen Platz in Magaths Stammelf frei, indem er Benedikt Höwedes in Schalkes Sitzvolleyball-Abteilung versetzte.

Wunder
Als Opfer eines abgewrackten Bildungssystems mit humanistischer (Sch-)Einbildung tut man sich gemeinhin schwer, die sieben Weltwunder vollständig aufzulisten: Der Koloss von Rhodos, die Pyramiden von Gizeh – und dann ist meist auch wieder Schluss. Dem PISA-Auftrag entsprechend ergänzen wir die Liste um folgende unbegreifliche Weltwunder: Die eiserne Leber von Lattek, das klaffende Loch der Arena zu Veltins, das Phantomauge von Rafati und die wild sprießenden Locken von Dante. Fehlt nur noch Wunder Nummer 7. Aber das kann sich noch etwas hinziehen – bis zum gefallenen Tor von Frankfurt.

Karneval
Wer den Effzeh an den Karnevalstagen empfängt, muss einfach damit rechnen, von der närrischen Wucht seines Gegners überwältigt zu werden. So erinnerte das Offensivspiel des BVB zeitweilig an eine frustrierte Ehefrau, die die jecken Tage zur Konsolidierung des brachliegenden Hormonhausalts nutzen will: Unentwegt versuchten sie ihr Glück, um endlich einen in die Kiste zu kriegen – und am Ende musste man sich doch mit dem Einen zu Hause zufrieden geben. Das Highlight des karnevalistischen Spontanevents in Dortmund setzte allerdings BVB-Sportdirektor Michael Zorc mit einer improvisierten Büttenrede in der Halbzeitpause. Jene wartete zwar nur mit einer Pointe auf – die hatte es dafür aber in sich. Achtung, hier kommt sie – Megabrüller: "Natürlich", so scherzkekste Blötschkopp Zorc, "wollen wir Meister werden!". Tätä!

Missverständnis
Zeitgleich zur Anti-Neuer-Kundgebung fand am Mittwochabend in Sichtweite der Demonstranten übrigens eine Gegenveranstaltung statt. Pokal-Halbfinale oder so etwas. Nähere Details sind uns leider nicht bekannt – mit einer Ausnahme: Einige Teilnehmer der Gegenveranstaltung glaubten offenkundig, die Plakate der Demonstranten seien für sie bestimmt und interpretierten den Wahlspruch als Aufruf zu demütiger Enthaltsamkeit. Ein folgenreiches Missverständnis, gibt's für den FC Bayern deshalb in dieser Saison wahrscheinlich nun: Koan Neuer Titel. Ist aber irgendwie auch koan neuer Gag.

Demo
Beim FC Bayern kamen die Transparente hingegen nicht sonderlich gut an, weshalb man das Gastspiel in Hannover kurz entschlossen in eine wütende Gegendemo uminterpretierte. So zeigte sich Thomas Kraft durchaus solidarisch mit seinem potentiellen Nachfolger, als er in der 62. Minute streikbedingt den Kasten verließ. Und auch Breno ließ keinen Zweifel daran, dass er bei solchen Provokationen Rot sieht. Ja, letztlich war wohl die gesamte taktische Einstellung ein Zeichen des Protestes. Schließlich attestierte Louis van Gaal seiner Mannschaft, "mit einem Löwenherz gespielt zu haben". Und mal ehrlich: Gibt es für Bayern-Fans eine größere Provokation, als wenn die eigene Mannschaft mit dem Selbstverständnis der Sechziger auftritt?

Bayreuth
Und weil auch das hübscheste Provoka-Tief eine ziemlich eklige Krise sein kann, sieht es nun so aus, als würde van Gaal den Klinsmann machen. Womit nun ein Anderer die Gladiolen aus dem Feuer holen muss. Nur wer? Doch wenn wir schon vom Fliegenden Holländer sprechen, bleiben wir gleich in Bayreuth und nehmen einfach einen Alumnus der dortigen Uni. Da der FC Bayern bekanntlich von IMs der CSU unterwandert ist, sollte es doch ein Leichtes sein, KT als Nachfolger des holländischen Feierbiests zu installieren. Aber hatte Präsident Hoeneß über Guttenberg nicht einst gesagt: "So lange ich und der Kalle Rummenigge etwas zu sagen haben, wird der nicht mal Greenkeeper im neuen Stadion."* Wird dann wohl auch nichts mit dem Redenschreiber für Kalle Rummenigge. Und damit können wir Guttenberg nun endgültig abschreiben. Aber das kennt er ja. In dem Sinne: Macht's gut, KT & Louis! Wir danken, danken, danken euch!

Spieler des Spieltags
…ist natürlich nicht Christian Eigler. Vier Buden in einem Spiel hatte Cottbus' Nils Petersen kurz zuvor auch schon hinbekommen. Billig abzukupfern, mag in Franken ja üblich sein, kickt uns aber nicht mehr. Dann schon lieber Srdjan Lakic, der bei seinem improvisierten Zickler-Stand-Up so übellaunig-lustlos wirkte, als sei ihm ein Albert Streit über die Leber gelaufen. Aber der wahre Held des Tages ist natürlich Michael Ballack. Denn wer lieber auf dem Trainingsplatz 1 gegen 0 spielt, als gegen Wolfsburg drei Querpässe zu schieben, ist nun mal ein leuchtendes Beispiel für Prinzipientreue. Und zeigt, dass es eben doch nicht so schlecht bestellt ist – um das ästhetische Empfinden in der Bundesliga.

Das Zitat der Woche
…stammt von Beckmanns neuem Lieblingssidekick, den das hopfige Bukett des biergetauften Milan Sasic zu einem echten Scholl veranlasste: "Ich kenne das – ich arbeite beim Fernsehen: Da riechen alle so!" Womit Mehmet Scholl nicht nur auf suffisante Weise das Töpperwien-Syndrom umschrieben, sondern auch die Ungnade seiner späten Geburt beklagt hätte. Denn hätte sich der Storch etwas beeilt und wäre Scholl schon Mitte der 80er an die Isar gewechselt, wüsste er, dass auch Fußballtrainer den Hauch des Todes verströmen können. Die Spätfolgen können heute nur noch im Fernsehen bewundert werden – jeden Sonntag auf Sport1 als grauer Clown mit roter Nase.