16.04.2010 um 15:58 Uhr
Geschrieben von Taktiker
Mannschaftsanalyse FC Bayern (1)
Demnächst sollen in der Taktikecke möglichst viele Mannschaftsanalysen von verschiedenen Teams stehen, geschrieben von jeweiligen Kennern der Mannschaften. Dafür kann sich jeder Interessierte im Forum im passenden Thread melden, ich würde mich freuen wenn möglichst viele mitmachen würden.
Beginnen möchte ich, und zwar mit Deutschlands Verein Nummer 1, dem FC Bayern München. Obwohl kein Fan, hege ich doch einige Sympathien für den FCB, und schaue mir auch quasi jedes Spiel an und kann deswegen die Spielweise auch ganz gut beurteilen, das nur vorneweg.
Disziplin, Ballkontrolle, Ordnung – die Spielphilosophie
Das oberste Ziel der Mannschaft von Louis van Gaal ist Dominanz. Dies spiegelt sich in einem durchschnittlichen Ballbesitz von 60,2% wider. Es wird außerdem viel Wert auf Sicherheit gelegt, statt schneller Konter beruhigen die Verteidiger häufig das Spiel um dann ganz ruhig, sachlich und geplant ihr Angriffsspiel aufzubauen. Dabei ist sowohl der Pass zwischen den Innenverteidiger als auch Rückpässe aus dem Mittelfeld erlaubt und erwünscht, statt langen Bällen wird konsequent nach einem bestimmten Plan aufgebaut, den ich gleich zu erklären versuche.
Die Grundaufstellung ist offiziell entweder ein 4-2-2-2 oder mit Müller neben/hinter Gomez ein 4-2-3-1. Allerdings denke ich, dass, obwohl es nicht geplant ist, das Bayernsystem in der Praxis eher einem 4-2-4 entspricht, denn die beiden Flügelspieler (Ribery und Robben) spielen in Defensive und Offensive meist auf einer Höhe mit den Stürmern. Dabei ist allerdings ein Stürmer als hängende Spitze aufgestellt (meistens Müller). Dieser lässt sich im Spielaufbau phasenweise weit zurückfallen, agiert dann im Spielaufbau als Anspielstation, also quasi als Spielmacher. Wenn der Ball allerdings bei den Außenspielern ist rückt er mit in die Spitze und wird zum zweiten Stürmer, gerade Müller ist eher Spielmacher als Stürmer. Olic ist eher als Stürmer anzusehen und lässt sich nur gelegentlich fallen.
Aufbauspiel
Besonders hervorzuheben ist die Spielphilosophie der Bayern unter van Gaal. Nach dem Ballgewinn geht es zuerst darum den Ball zu sichern, dafür lassen sich die Innenverteidiger weit fallen, auch der Torwart ist immer anspielbereit. Hat die Mannschaft den Ball gesichert und steht nicht unter unmittelbarem Druck des Gegners, werden die Offensivpositionen eingenommen. Die Innenverteidiger stellen sich ungefähr auf den verlängerten Linien des Sechzehners auf, die Außenverteidiger schräg davor. Dann kommen die beiden DM, von denen einer teilweise bis in die Innenverteidigung kommt um den Ball wirklich abzuholen und nach vorne zu tragen.
Zuerst gilt es den Ball zu sichern, dabei sind die Innenverteidiger meistens in Ballbesitz.
Als nächstes Zwischenziel wird die Verlagerung in die Spielhälfte des Gegners in Angriff genommen. Dabei sind sowohl die DM, als auch die generell sehr defensive Ausrichtung der Gegner in der Bundesliga, entscheidend. Häufig muss der FCB gar nichts dafür tun in die Hälfte des Gegners zu gelangen.
Nun geht es um die Vorbereitung des Angriffsspiels. Ausgangspunkt ist meistens Schweinsteiger, er holt den Ball hinten ab, bekommt ihn von van Bommel oder einem AV oder mit dem Rücken zum gegnerischen Tor von den IV zugespielt (am riskantesten). Von Schweinsteiger aus wandert der Ball fast immer nach Außen, häufig auf Robben, oft auch auf Ribery. Wenn diese den Ball haben setzt sich der entsprechende AV in Bewegung und hinterläuft in hohem Tempo, während auch der jeweilige Flügelspieler schon Tempo aufgenommen hat und leicht in die Mitte zieht. Damit bieten sich dem Außenspieler schon 3 Optionen, selber dribbeln, den AV mitnehmen oder direkt einen Stürmer einzusetzen.
Erst auf den Außen wird Risiko gegangen, vorher beherrschen Sicherheitspässe und Seitenwechsel das Bild, bis der Ball beim DM und von dort auf den Außen gelandet ist. Der zweite denkbare Aufbau geht über die Außenverteidiger, die sofort die Linie auf den Flügelspieler spielen, und führt wieder zu den dribbelstarken Außen. Außerdem streuen die IV hin und wieder lange Flachpässe auf die Flügelspieler oder sogar die Stürmer, hin und wieder spielen sie auch einen Diagonalball, auch Schweinsteiger versucht auf diese Weise den Aufbau zu beschleunigen, meistens mit Erfolg.
Eine weitere Besonderheit im Angriff ist die des Spiels der Stürmer. Man sieht kaum einmal einen Pass in die Gasse auf einen Stürmer, vielmehr spielen diese viel mit dem Rücken zum Tor oder im Strafraum. Dort nehmen sie Flanken der Außenverteidiger oder Pässe der Flügelspieler entgegen.
Wenn Robben den Ball hat, bleiben die Stürmer bewusst weg, ziehen so die Abwehrspieler mit und verschaffen ihm so Platz und bessere Chancen für sein Dribbling. Wenn die Verteidiger trotzdem mitgehen ergeben sich häufig Lücken, die allerdings Robben nicht nutzt weil er zu spät oder gar nicht passt.
Grundaufstellung und Personal
Links: Grundausrichtung, Rechts: tatsächliche Positionen, schön zu sehen die offensive Ausrichtung von Robben und Ribery (Quelle: bundesliga.de)
Auch wenn für manche das rechte Bild ungewohnt aussieht, so kann man doch einigermaßen die Grundformation erkennen, in diesem Fall ein klares 4-2-2-2 mit offensiven Außen oder eben 4-2-4. Man sieht die Viererkette mit einem überraschend offensivem Badstuber, etwas defensiver Philipp Lahm, zwei defensive Mittelfeldspieler in etwa auf einer Höhe, zwei Stürmer und zwei extrem offensive Außen, die in der rechten Grafik sogar vor den Stürmern postiert sind.
Der Schwerpunkt der Bayern liegt ganz klar auf Außen, Robben oder Ribery sind bei jedem Angriff entscheidend beteiligt. Die rechte Seite ist deutlich stärker als die linke, ein Robben in Weltklasseform, dahinter ein solider Lahm. Links dagegen ein provisorischer Verteidiger (meist Badstuber, auch schon Contento und Alaba) hinter einem meist schwachen und wirkungslosen Ribery mit vielen Alleingängen.
Butt im Tor ist solide, aber er ist nicht der von van Gaal gewünschte 11. Feldspieler, er wirkt bei Anspielen oft nervös und überhastet, fußballerisch genügt er den Ansprüchen des FC Bayern nicht wirklich. Davor die beiden Verteidiger Demichelis und van Buyten. Van Buyten spielt seine erste Saison als Stammspieler und zeichnet sich durch Zweikampf- und Kopfballstärke aus, auch vorne ist er gefährlich. Demichelis ist von den Anlagen ein klasse Verteidiger, allerdings hat er sehr häufig Abspielfehler und gefährliche Schnitzer in seinen Aktionen, die ihn ein Stück weit unberechenbar machen für seine Mitspieler. Dennoch halte ich ihn im Prinzip für einen sehr fähigen Innenverteidiger.
Die DM, Schweinsteiger und van Bommel, haben beide sehr viele Ballkontakte. Schweinsteiger führt die Ballkontaktstatistik der Liga an (vor Lahm und Badstuber), er ist der Fixpunkt im Bayernspiel, bestimmt Aufbau und Rhythmus.
Kommentare bitte unter Teil 2.
Beginnen möchte ich, und zwar mit Deutschlands Verein Nummer 1, dem FC Bayern München. Obwohl kein Fan, hege ich doch einige Sympathien für den FCB, und schaue mir auch quasi jedes Spiel an und kann deswegen die Spielweise auch ganz gut beurteilen, das nur vorneweg.
Disziplin, Ballkontrolle, Ordnung – die Spielphilosophie
Das oberste Ziel der Mannschaft von Louis van Gaal ist Dominanz. Dies spiegelt sich in einem durchschnittlichen Ballbesitz von 60,2% wider. Es wird außerdem viel Wert auf Sicherheit gelegt, statt schneller Konter beruhigen die Verteidiger häufig das Spiel um dann ganz ruhig, sachlich und geplant ihr Angriffsspiel aufzubauen. Dabei ist sowohl der Pass zwischen den Innenverteidiger als auch Rückpässe aus dem Mittelfeld erlaubt und erwünscht, statt langen Bällen wird konsequent nach einem bestimmten Plan aufgebaut, den ich gleich zu erklären versuche.
Die Grundaufstellung ist offiziell entweder ein 4-2-2-2 oder mit Müller neben/hinter Gomez ein 4-2-3-1. Allerdings denke ich, dass, obwohl es nicht geplant ist, das Bayernsystem in der Praxis eher einem 4-2-4 entspricht, denn die beiden Flügelspieler (Ribery und Robben) spielen in Defensive und Offensive meist auf einer Höhe mit den Stürmern. Dabei ist allerdings ein Stürmer als hängende Spitze aufgestellt (meistens Müller). Dieser lässt sich im Spielaufbau phasenweise weit zurückfallen, agiert dann im Spielaufbau als Anspielstation, also quasi als Spielmacher. Wenn der Ball allerdings bei den Außenspielern ist rückt er mit in die Spitze und wird zum zweiten Stürmer, gerade Müller ist eher Spielmacher als Stürmer. Olic ist eher als Stürmer anzusehen und lässt sich nur gelegentlich fallen.
Aufbauspiel
Besonders hervorzuheben ist die Spielphilosophie der Bayern unter van Gaal. Nach dem Ballgewinn geht es zuerst darum den Ball zu sichern, dafür lassen sich die Innenverteidiger weit fallen, auch der Torwart ist immer anspielbereit. Hat die Mannschaft den Ball gesichert und steht nicht unter unmittelbarem Druck des Gegners, werden die Offensivpositionen eingenommen. Die Innenverteidiger stellen sich ungefähr auf den verlängerten Linien des Sechzehners auf, die Außenverteidiger schräg davor. Dann kommen die beiden DM, von denen einer teilweise bis in die Innenverteidigung kommt um den Ball wirklich abzuholen und nach vorne zu tragen.
Zuerst gilt es den Ball zu sichern, dabei sind die Innenverteidiger meistens in Ballbesitz.
Als nächstes Zwischenziel wird die Verlagerung in die Spielhälfte des Gegners in Angriff genommen. Dabei sind sowohl die DM, als auch die generell sehr defensive Ausrichtung der Gegner in der Bundesliga, entscheidend. Häufig muss der FCB gar nichts dafür tun in die Hälfte des Gegners zu gelangen.
Nun geht es um die Vorbereitung des Angriffsspiels. Ausgangspunkt ist meistens Schweinsteiger, er holt den Ball hinten ab, bekommt ihn von van Bommel oder einem AV oder mit dem Rücken zum gegnerischen Tor von den IV zugespielt (am riskantesten). Von Schweinsteiger aus wandert der Ball fast immer nach Außen, häufig auf Robben, oft auch auf Ribery. Wenn diese den Ball haben setzt sich der entsprechende AV in Bewegung und hinterläuft in hohem Tempo, während auch der jeweilige Flügelspieler schon Tempo aufgenommen hat und leicht in die Mitte zieht. Damit bieten sich dem Außenspieler schon 3 Optionen, selber dribbeln, den AV mitnehmen oder direkt einen Stürmer einzusetzen.
Erst auf den Außen wird Risiko gegangen, vorher beherrschen Sicherheitspässe und Seitenwechsel das Bild, bis der Ball beim DM und von dort auf den Außen gelandet ist. Der zweite denkbare Aufbau geht über die Außenverteidiger, die sofort die Linie auf den Flügelspieler spielen, und führt wieder zu den dribbelstarken Außen. Außerdem streuen die IV hin und wieder lange Flachpässe auf die Flügelspieler oder sogar die Stürmer, hin und wieder spielen sie auch einen Diagonalball, auch Schweinsteiger versucht auf diese Weise den Aufbau zu beschleunigen, meistens mit Erfolg.
Eine weitere Besonderheit im Angriff ist die des Spiels der Stürmer. Man sieht kaum einmal einen Pass in die Gasse auf einen Stürmer, vielmehr spielen diese viel mit dem Rücken zum Tor oder im Strafraum. Dort nehmen sie Flanken der Außenverteidiger oder Pässe der Flügelspieler entgegen.
Wenn Robben den Ball hat, bleiben die Stürmer bewusst weg, ziehen so die Abwehrspieler mit und verschaffen ihm so Platz und bessere Chancen für sein Dribbling. Wenn die Verteidiger trotzdem mitgehen ergeben sich häufig Lücken, die allerdings Robben nicht nutzt weil er zu spät oder gar nicht passt.
Grundaufstellung und Personal
Links: Grundausrichtung, Rechts: tatsächliche Positionen, schön zu sehen die offensive Ausrichtung von Robben und Ribery (Quelle: bundesliga.de)
Auch wenn für manche das rechte Bild ungewohnt aussieht, so kann man doch einigermaßen die Grundformation erkennen, in diesem Fall ein klares 4-2-2-2 mit offensiven Außen oder eben 4-2-4. Man sieht die Viererkette mit einem überraschend offensivem Badstuber, etwas defensiver Philipp Lahm, zwei defensive Mittelfeldspieler in etwa auf einer Höhe, zwei Stürmer und zwei extrem offensive Außen, die in der rechten Grafik sogar vor den Stürmern postiert sind.
Der Schwerpunkt der Bayern liegt ganz klar auf Außen, Robben oder Ribery sind bei jedem Angriff entscheidend beteiligt. Die rechte Seite ist deutlich stärker als die linke, ein Robben in Weltklasseform, dahinter ein solider Lahm. Links dagegen ein provisorischer Verteidiger (meist Badstuber, auch schon Contento und Alaba) hinter einem meist schwachen und wirkungslosen Ribery mit vielen Alleingängen.
Butt im Tor ist solide, aber er ist nicht der von van Gaal gewünschte 11. Feldspieler, er wirkt bei Anspielen oft nervös und überhastet, fußballerisch genügt er den Ansprüchen des FC Bayern nicht wirklich. Davor die beiden Verteidiger Demichelis und van Buyten. Van Buyten spielt seine erste Saison als Stammspieler und zeichnet sich durch Zweikampf- und Kopfballstärke aus, auch vorne ist er gefährlich. Demichelis ist von den Anlagen ein klasse Verteidiger, allerdings hat er sehr häufig Abspielfehler und gefährliche Schnitzer in seinen Aktionen, die ihn ein Stück weit unberechenbar machen für seine Mitspieler. Dennoch halte ich ihn im Prinzip für einen sehr fähigen Innenverteidiger.
Die DM, Schweinsteiger und van Bommel, haben beide sehr viele Ballkontakte. Schweinsteiger führt die Ballkontaktstatistik der Liga an (vor Lahm und Badstuber), er ist der Fixpunkt im Bayernspiel, bestimmt Aufbau und Rhythmus.
Kommentare bitte unter Teil 2.
Aufrufe: 9593 | Kommentare: 3 | Bewertungen: 15 | Erstellt:16.04.2010
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KOMMENTARE
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16.04.2010 | 16:27 Uhr
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Taktiker :
ismael kannst den Kommentar vllt unter dem zweiten teil wiederholen, dann ist's übersichtlicher...
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16.04.2010 | 16:25 Uhr
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Was ich bei Bayern vermisse, das überbrücken einzelner Position durch Steilpässe. Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll, aber sie spielen sozusagen nur auf einer Linie. Sei es bei der Rückwärtsbewegung oder beim Passpiel.
So lässt man den Gegner unheimlich viel Zeit sich zu stellen. Das kostet 1.Zeit und 2. kaum Raumgwinn. Aber van Gaal muss es wohl besserwissen der Erfolg spricht ja für ihn:-.)
Von Vorteil ist natürlich wenn du die ganze Zeit den Ball hast und eine gewisse Sicherheit in der Mannschaft so entsteht. Aber hebt der Gegner einmal das Tempo an und stört früh wird es problematisch
Das hat man vor allem gegen ManU gesehen. Sie haben aggresiv im Spielaufbau gestört aber Bayern hat das Tempo mitspielen können und ließ sich aus dem Konzept bringen.
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