Die Qualifikation - Ein Rennen auf dem Tron-Bike

Uhren zurück drehen! Mai 2008. Es ist ein Abend wie jeder andere. Feierabend gegen 20:00 Uhr, die Kollegen haben noch ein Getränk zusammen, man plaudert über allerlei und natürlich auch über: "Und was macht ihr noch so heute Abend?". Eigentlich wollt ich zu Freunden, eine Runde Pokern und dann gemütlich nach Hause. Da meinte Marc: "Ich habe für ein WSOP Qualifikationsturnier gemeldet, ich muss los, in 40 Minuten ist "Anpfiff"!".

Ach? Wäre ja mal nen Versuch wert. Kurzerhand habe ich die Planung über den Haufen geworfen und mich an den Rechner geschmissen. Pokerstars bietet diese Turniere regelmäßig an, mehrere am Abend und die Registrierungen sind meist binnen Sekunden voll. Und dann hat man nur die Warteliste. Das ist garnichtmal so unwahrscheinlich, da noch reinzukommen, aus irgend einem grund springen hunderte kurz vorher nochmal ab. Und einen dieser Plätze muss man dann versuchen zu ergattern. Und im Gegensatz zu Poker, ist das reines Glücksspiel.

Etwa 20 Minuten vor Turnierbeginn hatte ich es geschafft. DRIN! ...

Ein kurzes anpassen, an die kleinen Stakes, die veränderten Wetthöhen, die unzähligen All-In-Glücksritter ..... es ist wie ein Rennen auf dem Tron-Bike. Alle paar Sekunden ist einer raus und man muss höllisch aufpassen, dass man nicht dabei ist. Spätestens nach der 2. Pause sollte man 5 Stellen an Chips aufweisen, sonst frisst einen der Blind auf.



Wie lange ich gespielt habe, weiss ich nicht mehr. Aber es wurde schon hell draußen. Alles in allem war der Final Table eine schweißtreibende Geschichte. Wussten doch alle: Nur der erste schafft es in die nächste Qualifikationsrunde.

Ich habe die letzte Hand des Abend mit etwas Glück und einem starken Pik Ass gewonnen und ging mit dem Gefühl eines Königs zu Bett. Schlafen? Wie denn? Ich habe bestimmt 20 mal nachgesehen, wann die 2. Runde stattfindet. Donnerstag, 21.oo Uhr! Das Handy gestellt, den Wecker, ja sogar das alte Weckradio, dass sein Leben als Nacht-Uhr-Anzeige fristete wurde nochmal als Wecker programmiert.

Donnerstag, 21:00 Uhr, Ich kenne keine Freunde mehr

Am nächsten Tag dann das Zusammentreffen der Kollegen. "Ihr glaubt nicht was ich gestern geschafft habe"". Marc: "Sag nicht du hast dich auch qualifiziert?" Ich: "Wow, du auch?". Ich glaube das war das härteste High-Five, das ich je gegeben habe. Aber nun war die Situation nochmal ganz anders. Denn plötzlich wusste ich, dass da einer mit im Turnier sein würde, den ich kenne! Brrrrrrr, komischer Gedanke. Der kennt mein Spiel in- und auswendig.

Donnerstag Abend kam laaaangsam. Um pünktlich 20:20 saß ich am Rechner um zu kontrollieren, ob ich wirklich dabei bin. Tatsächlich, mein Name. Und Marc auch. Kribbeln!

Man stellt sich auf einen gediegeneren Turnieranfang ein. Schliesslich sind das ja alles Leute, die schon mindestens ein Turnier in der Größenordnung 10.000 Teilnehmer gewonnen haben! Pustekuchen. Der gleiche All-In-Regen ging wieder los. Diesmal etwas dosierter. Wieder habe ich die 2. Pause überstanden und mir einen beachtlichen Berg an Chips erspielt.

Und dann passierte es. Tischwechsel. Und wer saß mir da gegenüber? Marc! Okay .... ruhig bleiben ....

Für gefühlte Stunden habe ich keine Hand gespielt und Marc auch nicht. Zu sehr war die Gefahr sich gegenseitig rauszuschmeissen. Aber die Blinds kamen näher! Und dann wurden zum Glück die Tische neu gemischt und wir wurden wieder getrennt.

Weitere 70 zähe Minuten. Die Augen werden träge, der Geist müde und das Entscheidungsvermögen getrübt. Und doch schafft man es mit ein paar cleveren Händen sich wieder nach oben zu arbeiten. Bis dann die letzten 5 Tische zusammen kamen. Und wieder saß Marc mit an meinem. Direkt neben mir! Rechts! Shit! Marc ist ein Ass, wenn es um Positionsspiel geht!

Zu gut wusste ich, dass er anfangen musste mich zu attackieren und entschloss mich nun auch "keine Freunde mehr zu kennen". Es waren keine 5 Hände, bis ich mein Pocket Pärchen JJ für gut genug hielt, Marcs All-In-Bet anzunehmen. Er macht auf und hatte QQ. Puh!

Lange Rede kurzer Sinn, mein Abend war genau da vorbei, er holte sich den Pot und zu meinem Ärger auch das Turnier und damit die direkte Qualifikation für das Finalturnier in Las Vegas.

Ich tröstete mich mit so sinnlosen Gedanken wie: "Naja, wahrscheinlich hätten wir eh nicht gemeinsam Urlaub bekommen". Nein, es half nicht.



Darf ich? Darf ich? Bitte!

Am nächsten Tag dann zu Dienstbeginn waren seine Augen zugequollen, als hätte er die Klitschko Brüder zu einer Runde Pogo eingeladen. Keine Sekunde hatte er geschlafen!

Natürlich gratuliert man zuerst freundlich und wünscht viel Glück. Auch wenn das Turnier erst in 6 Wochen stattfindet. Dafür überschlugen sich die Ereignisse in den nächsten Tagen ein um's andere mal.

Wir wussten zwar, dass er sich qualifiziert hatte, aber nicht was das alles mit sich brachte. Natürlich zahlte Pokerstars seine 10.000$ Turniergebühr. Aber das die Jungs auch ein 5* Hotel für die 2 Wochen, die Flüge und 1000$ Freizetgeld mit übernahmen ahnte keiner. Mein Ärger über das Ausscheiden erwachte wieder!

Bis Marc mir eröffnete, dass er nicht nur eine Reservierung hatte, sondern 3 weitere Hotelbuchungen für Freunde reserviert war und er jederzeit nachbuchen konnte. Auf eigene Kosten natürlich. Meine Mutter hatte mir als Kind beigebracht: "Man bettelt nicht!" aber das war mir in dem Moment egal. "Darf ich?" .."Klar, wir wollen ja auch die 1000$ unter die Leute bringen" ... STRIKE! Der Tag war gerettet. Und nun hieß es meiner Frau beizubringen, dass ich ohne sie eine Woche in Las Vegas verbringen werde ....

Das war aber der einfachste Teil. Visa beantragen, Passport erneuern lassen, dem Chef erklären, dass wir beide 2 Wochen fehlen werden und der ganze Stress der Vorbereitung und dann war es soweit. Der Tag des Abfluges war gekommen.

Die anderen beiden Freunde Shawn und Donie kannte ich von früheren Pokerabenden, beides nette Kerle mit viel Partylaune und Durst. Die Zeit meines Lebens konnte beginnen.

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