Als mein Sohn im Herbst 2013 auf die Welt kam, hieß unser Trainer ganz frisch: Peter Stöger.
Als mein Sohn seinen ersten Geburtstag feierte, hieß unser Trainer: Peter Stöger. Bei seinem zweiten, dritten und vierten Geburtstag auch. Als mein Sohn Laufen lernte oder Fahrradfahren, Krabbeln, Sprechen und seine Persönlichkeit begann, sich zu entfalten, hieß unser Trainer: Peter Stöger. Mein Sohn ruft immer erfreut: "Der Stögi!", sobald dessen Konterfei im Fernsehen zu sehen ist, doch nun, nun heißt unser Trainer leider nicht mehr so.
Ich konnte also bis heute mit Fug und Recht behaupten, dass Peter Stöger schon das ganze Leben meines Kindes Trainer des FC gewesen ist. Das war so ähnlich wie mit Helmut Kohl seinerzeit. Obwohl ich in der Schmidt-Ära geboren wurde, war mein erster Bundeskanzler, den ich bewusst erlebte, Kohl und sollte es auch bleiben, bis ich 20 Jahre alt war.
Das war damals für mich persönlich eher ein guter Tag, als diese Ära zu Ende ging, anders als das heute, das schmerzt. Und ich weiß auch nicht, wie und wann ich jemals wieder eine solche Bindung und eine solche Identifikation mit einem FC-Übungsleiter entwickeln soll.
Und auch was meine Gefühle für diesen momentan so sonderbaren Verein betrifft, frage ich mich, wie da die Leidenschaft zurückkommen bzw. die dritte Silbe zurück in ihr Wort finden soll, denn aktuell verursacht der FC mir nur Leiden. Und teilweise leider auch wieder Scham. Und Wut. Das habe ich lange nicht mehr gespürt, was wurden wir zuletzt verwöhnt. Doch dieser Verein, der auf dem Weg war, sich ein seriöses Fundament aufzubauen, ist gerade implodiert. Nachdem der Sportchef einfach so in den Sack gehauen hat, hat die verbliebene Führung des Clubs komplett den Überblick verloren, wie mir scheint. Die Posse um Heldt war schon nervenzerreißend peinlich, wurde aber heute ebenfalls noch einmal an Absurdität überboten, als tatsächlich Spinner und Wehrle die PK nutzen, auf der es eigentlich nur um die herausragende Leistung unseres soeben geschassten Trainers hätte gehen sollen, um pikante, überflüssige und in dieser Form völlig unangebrachte, weil von jeder Diskretion befreite Details zu den Verhandlungen mit dem Beinahe-Schmadtke-Nachfolger preiszugeben. Wer wann wen wieso zuerst angerufen haben soll. Meine Güte. Als würde das gerade irgendjemanden interessieren.
Geschämt habe ich mich da, dabei hätten die handelnden Personen hinter der Mattscheibe diese Scham empfinden sollen. Nicht nur solche Patzer, auch die unglaublich unangemessene "hinterher ist man immer klüger"-Antwort unseres Präsidenten auf die berechtigte Frage, wieso ausgerechnet jetzt ein guter Zeitpunkt gewesen sein soll, die Trainerikone abzuschießen und nicht zu viel näherliegenden Zeitpunkten, oder eben einfach gar nicht, hat in mir etwas zerspringen lassen, nachdem ich mich immer wieder selbst fragen musste: "hat er das wirklich gerade gesagt?" - wahrscheinlich hatte ich gehofft, in einem bizarren Paralleluniversum angekommen zu sein, in dem man immer nur Blödsinn erzählen kann, ohne für seine eigenen Worte geradestehen zu müssen. Oder als Wehrle betonte "das wäre nicht seriös", als die komplett verständliche Frage kam, wieso man bitteschön nach der langen Herumeierei keine feste Lösung präsentieren kann, wenn man schon die Trennung vollzieht. Wie bitte? Seriös? Sollte das hier ein Parameter sein? Das hätte man vielleicht vorher mal beherzigen können. Vielleicht auch bei der Thematisierung der feinen Idee, man hätte ja mit Stöger auch in die Zweite Liga gehen können, wie von Journalistenseite gefragt wurde. Darauf der Geschäftsführer: Stöger hätte für die zweite Liga keinen Vertrag, das sei Fakt. Geht dann also nicht. Oh mein Gott, an dieser Stelle hätte ich lieber an mir selbst eine Wurzelbehandlung durchgeführt, als diesem Schauerspiel weiter beiwohnen zu müssen.
Mein Herz ist gerissen und weiß nicht, wie es wieder zusammenwachsen soll. Und damit meine ich nicht nur meine Trauer darüber, dass Peter Stöger nicht mehr unser Trainer ist, sondern eben auch mein Entsetzen über die Begleiterscheinungen, die unser Ex-Trainer auf seiner denkwürdigen PK am Donnerstag bereits anprangerte und deren roter Faden, das verloren gegangene Wertesystem (Zitat Stöger: "von Werten trennt sich nicht der Verein. Von Werten trennen sich Menschen"), bei der peinlichen PK von Spinner und Wehrle mit einem fetten Tusch unterstrichen wurde. Selten gab es so eine große Diskrepanz zwischen einerseits der Würde eines kurz vor seiner Entlassung stehenden Trainers und andererseits der Würde des Vereins dahinter. Das ist das wirklich Schlimme an den aktuellen Entwicklungen, denn: Von diesen beiden genannten Parteien bleibt uns nach der Trennung nun leider die, die in Sachen Werteorientierung, Rückgrat und Standfestigkeit deutlich der anderen hinterherhinkte und ihren Kompass komplett verloren hat.
Das klingt jetzt nach Personenkult, und vielleicht ist da auch was dran. Aber leider hat zusätzlich auch noch diese diametrale Entwicklung stattgefunden, eben auch in meinem Herzen. Je mehr ich Stögers Auftreten in den Tiefen der Krise bewundernswerter fand, desto peinlicher wurde es beim Rest des geißböckischen Schützenfests.
Was nun bleibt, ist der tiefempfundene Dank an Peter Stöger für eine tolle Zeit. Ich hätte Dir ein schöneres Ende gewünscht. Ich hätte Dir gewünscht, dass Du derjenige gewesen wärst, der diese Beziehung eines Tages beendet. Wobei: Eigentlich warst Du es ja, als Du der Führung am Donnerstag den Spiegel vorhieltest und sie daraufhin vor lauter Schreck zur unkreativsten aller möglichen Lösungen griff. Schade drum. Spürbar anders für die Tonne. Aber Du kannst nun auch froh sein, das hinter Dir gelassen zu haben. Sollen die anderen doch mit den Bausteinen eines vernünftig getragenen Vereins jonglieren wie mit faulen Zitronen.
Vielen Dank für alles, lieber Peter. So schön wie mit Dir wird es erst einmal nicht mehr.
@taneu: Dich halt leider nicht. Vermutlich war Eure Polizeieskorte Schuld ...
@donluka: Mein Belgrad-Trip ist fast schon wieder einen eigenen Blog wert. Vielleicht schreibe ich ja mal wieder einen Reisebericht für Blogs@SPOX - wie damals im Jahr 2013: Ein Urlaubsbericht
Zum einen ist es wunderbar, mal wieder einen Blog von Dir hier zu lesen.
Genauso vertraut wie in alten Blogpokaltagen.
Zum Anderen echt tragisch, was dem Inhalt angeht.
Wünsche Euch das Beste!
Und dem Peter S. auch!
Edith vergibt natürlich 10 Punkte und wünsche allen Auswärtsfahrern nach B. viel Spaß und den Sieg!
Du weißt, wie sehr ich Deine Kommentare mag. Früher, genauso wie heute.
Und in Zeiten, in denen man sich hier auf spox ernsthaft mit derart künstlichen Dingen wie Red Bull beschäftigen muss, sind Deine authentischen Worte mehr als wohltuend.
Aber....
Aus meiner Sicht hätte sich Stöger dieser Maschinerie spätestens nach dem Hoffenheim-Spiel selbst entziehen müssen. Dass er es nicht getan hat, hat für mich schon ein gewisses - monetäres - Geschmäckle. Fakt ist, er hat es in dieser Saison nicht geschafft, mit dieser Mannschaft mehr als 3(!) Punkte zu holen. Und anstatt nun auf den Effzeh einzuprügeln wäre es vielleicht auch lobenswert zu erwähnen, dass Stöger erst jetzt rausgeflogen ist.
Stöger bin ich für das Geleistete auf ewig dankbar. Aber die Glorifizierung seiner Arbeit geht mir aktuell etwas zu weit.
Ich bin tatsächlich etwas verwirrt. Bin ich jetzt schadenfroh, weil die Kölner gerade im Begriff sind, in alte Zeiten zurückzufallen oder tut es mir leid um die, die ja nun mal gar nix dafür können, aber mit dem Herzen trotzdem tausend Prozent dabei sind? Hab soviele FC-Fans im Bekanntenkreis, die tun mir irgendwie leid.
See you in Beograd, gero?
Meine Entscheidung lautete aber meine Gedanken nicht als Blog niederzuschreiben und auszuformulieren, sondern erst einmal nach Belgrad zu reisen und dort Peter Stögers verdienten Einzug in die K.O.-Runde des Europapokals zu feiern ...
Hm es fällt mir echt schwer das Geschehene der letzten Monate zu analysieren. Es bleibt dabei, dass der Verein (Trainer, Mannschaft, Offizielle) sehenden Auges in die Krise maschiert sind. Die Trennung von Stöger hätte viel viel früher (nach Borisov vor Bremen) vollzogen werden müssen. Einfach damit der Verein und die Mannschaft den Ernst der Lage realisiert. Das ist nicht passiert. Stattdessen dümpelt der Verein, ohne wettbewerbsfähig zu sein, von Pleite zu Pleite und von Verletzung zu Verletzung.
Alle betonen immer wie toll man sich versteht und wie gut die Stimmung ist. Ich habe in den letzten Wochen auf dem Platz, neben dem Platz von Trainer oder Spielern oder auch von Verantworlichen des Vereins nicht einmal(!) das Gefühl gehabt, dass man die Lage an sich wirklich begriffen hat.
Die Krise hat so viele und zum Teil auch so offensichtliche Faktoren. Wir haben die Spiele ja schon reihenweise verloren bevor es überhaupt Verletzte gab. Wir haben in der Vorbereitung kein Spiel gewonnen, obwohl wir sogar mehrmals gegen Regionalligisten gespielt haben. Die Verplfichtungen von Schmadtke waren vollkommen skurril etc. Ich könnte sehr wahrscheinlich Stunden so weiter machen.
Es ist schade, dass wir jetzt vor einem kompletten Scherbenhaufen stehen. Aber so ist das nunmal.