11.12.2010 um 16:14 Uhr
Geschrieben von funkbarrio
Platoche, der ewige 10er
Die Mauer steht auf Höhe des 16ers. Aus Sicht des Torwarts leicht rechts versetzt. Der Torhüter platziert seine Verteidiger, weist sie vom Pfosten an. Sein Arm dirigiert nervös die Mauer. Dann bewegt er sich ins andere Eck, geht leicht in die Knie, stützt sich ab, bereit zur Parade. Der Schiedsrichter pfeift. Die Mauer springt zögerlich, der Torhüter versucht den Ball zu erahnen. Währenddessen bewegt sich der Ball steil über die Mauer in Richtung des Torwarts. Beim Scheitelpunkt dreht sich der Ball weg und senkt sich ins Netz. Neben den Pfosten, an dem der Torhüter gerade noch die Mauer stellte. Frustriert greift sich der Schlussmann an die kurze Sporthose und zieht sie nach oben. Sein Blick geht gen Himmel und er schreit seine Wut in den italienischen Himmel. Gegenüber von ihm rauscht jubelnd ein französischer Lockenkopf in Richtung Eckfahne. Mal wieder, wie immer. Auf dem Rücken des schwarzweiß-gestreiften Trikots die weiße "10". Sein Name: Michel Platini
Selten hat es ein Fußballer geschafft, zwei so unterschiedlich wahrgenommene Karrieren zu erleben und bei beiden den Thron zu besteigen. Auf der einen Seite, Platini, der Fußballspieler, Regisseur der französischen Nationalmannschaft und der "alten Dame" aus Turin. Andererseits der umstrittene UEFA-Präsident und Intimus des noch umstritteneren FIFA-Präsidenten Sepp Blatter.
Kippen, Traben, Freistöße- Platini, der Spieler
Gleich zu Beginn seiner Karriere beim unterklassigen AS Nancy beweist "Platoche" seine enorme Torgefährlichkeit und zeigt schon erste Anzeichen seiner Spezialität, dem Freistoß. Im Dezember 1975 führt er durch ein herausragendes 4:0 gegen Rumänien, die französische Olympiaauswahl zu den Spielen nach Montréal. Kurz darauf wird er für die franz. A-Elf berufen und feiert mit dem neuen Nationaltrainer, Michel Hidalgo, sein Länderspieldebüt. Während der Vorbereitung zur WM 1978 in Argentinien zaubert er im Spiel gegen Italien und schießt ein Freistoßtor gegen den legendären italienischen Schlussmann Dino Zoff. Scouts von allen namhaften italienischen Clubs werden hellhörig und er gewinnt die Aufmerksamkeit der italienischen Öffentlichkeit, dem Heimatland seiner Großeltern.
Nach dem AS Nancy sichern sich "Les Verts" aus Saint-Etienne die Dienste des Regisseurs. Die drei Jahre im Trikot der "Stéphanois" bleiben allerdings durchwachsen. Neben seiner einzigen franz. Meisterschaft und auf dem Höhepunkt seiner individuellen Stärke, kann er das ausgegebene Ziel, einen internationalen Titel, nie erreichen und ist darüber hinaus in die "Schwarzkassen"-Skandal des Präsidenten Roger Rocher, involviert. Zur Saison 1982 wechselt er zur "alten Dame" nach Turin. Das erste halbe Jahr gestaltet sich als schwierig. Im taktischen System Trapattonis hängt Platini in der Luft, findet aber im Klubbesitzer Giovanni Agnelli einen glühenden Verehrer. Nach der Systemumstellung ist der Weg frei zum Thron. Aus Platini wird in den folgenden Jahren "Le roi Michel". Zwei Meisterschaften, ein Pokalsieg, der Weltpokal, Pokalsieger-Cup und UEFA-Supercup werden von 1983 bis 1986 folgen. Auf persönlicher Ebene wird er dreimal hintereinander Torschützenkönig Italiens und Europas Fußballer des Jahres. Was Eric Cantona sein Kragen ist, das ist Platinis heraushängendes Trikot. Diese "Schlampigkeit" spiegelt sich auch in seiner Fitness wieder. Neben einigen Fettpölsterchen ist auch das Rauchen eines seiner Laster. So erwidert er seinem besorgten Chef Agnelli, der in bei einem seiner Kabinenbesuche mit einer Zigarette in der Hand antrifft, dass es wichtig sei, dass sein Mitspieler Bonini nicht rauche, denn der müsse ja laufen, er selbst könnte also rauchen. Selbst in der Halbzeitpause kommt es vor, dass er sich eine raucht.
1984 gewinnt er im Kreise der "Bleus" mit unglaublichen 9 Toren in nur fünf Partien die Europameisterschaft im eigenen Land und bringt Frankreich den ersten großen Titel der Geschichte. Neben dem absoluten Rekord von neun Toren beeindruckt vor allem die Ausgewogenheit: er schießt seine neun Tore mit links, rechts und mit dem Kopf. Insgesamt schießt Frankreich 14 Tore im Turnierverlauf. Ein Jahr später soll auch auf Klubebene endlich der große Wurf gelingen. Doch im größten Drama der Fußballgeschichte erlangt er traurige Berühmtheit. Das Heysel-Stadion in Brüssel ist Austragungsort des Landesmeisterpokals. Statt eines Fußballfestes provozieren sich die gegnerischen Fans und englische Hooligans "entern" den Nebenblock. Durch die Kettenreaktion entsteht eine Massenpanik in dessen Verlauf 39 Menschen sterben – live im Fernsehen. Statt einer Spielabsage wird angepfiffen, Platini schießt das entscheidende Tor und Juventus Turin gewinnt das Finale. Später wird man den Spielern ihr ausgelassenes Feiern vorwerfen. Platini, wie auch andere Spieler, entschuldigen sich und rechtfertigen sich mit der Unkenntnis über das wahre Ausmaß der Katastrophe.
Zähne, Fallrückzieher, Niederlagen - Platini und die Deutschen
Die Beziehung ist seit jeher "gestört". So scheitert Platini bei den olympischen Spielen gegen die A-Mannschaft der DDR nach höchst umstrittenen Schiedsrichterentscheidungen. Viel schlimmer wird es allerdings 1982 im Jahrhundert-Spiel. Bei der Weltmeisterschaft in Spanien trifft Frankreich auf die westdeutsche Auswahl. Frankreichs Mannschaft gilt als die vielversprechendste franz. Elf aller Zeiten und das goldene Quadrat mit Alain Giresse, Jean Tigana, Michel Platini und Bernard Genghini, zur EM 1984 ersetzt durch Luis Fernandez, nimmt endlich Form an. Doch die Halbfinalteilnahme gegen Deutschland bleibt trotz allem eine Überraschung. Der Ausgang ist jedem Fußballfan bekannt. Die gedopte Unsportlichkeit Toni Schumachers gegen Battiston, der Lattentreffer durch Amoros in der 88. Minute, die Dramatik der 4-Tore-Verlängerung und die Entscheidung im Elfmeterschießen bleiben unvergessen. Auch für Platini, der diesen schmerzhaften Ausgang als seine größte sportliche Erinnerung sieht. Vier Jahre später trifft man sich erneut im Halbfinale in Mexiko wieder. Diesmal ist Frankreich gefestigter und nach dem EM-Titel und dem Sieg gegen die favorisierten Brasilianer(aus Sicht Pélés das "Jahrhundertspiel") durchaus in der Lage "Rache für Sevilla" zu nehmen. Doch die deutsche Mannschaft macht kurzen Prozess und für Platini bleibt wieder nur die Enttäuschung. Auch auf Vereinsebene erleidet Platini eine "deutsche" Niederlage als er 1983 mit Juventus als Favorit im Finale des Landesmeisterpokals knapp am Hamburger SV scheitert.
Hier geht's weiter zum zweiten Teil
Selten hat es ein Fußballer geschafft, zwei so unterschiedlich wahrgenommene Karrieren zu erleben und bei beiden den Thron zu besteigen. Auf der einen Seite, Platini, der Fußballspieler, Regisseur der französischen Nationalmannschaft und der "alten Dame" aus Turin. Andererseits der umstrittene UEFA-Präsident und Intimus des noch umstritteneren FIFA-Präsidenten Sepp Blatter.
Kippen, Traben, Freistöße- Platini, der Spieler
Gleich zu Beginn seiner Karriere beim unterklassigen AS Nancy beweist "Platoche" seine enorme Torgefährlichkeit und zeigt schon erste Anzeichen seiner Spezialität, dem Freistoß. Im Dezember 1975 führt er durch ein herausragendes 4:0 gegen Rumänien, die französische Olympiaauswahl zu den Spielen nach Montréal. Kurz darauf wird er für die franz. A-Elf berufen und feiert mit dem neuen Nationaltrainer, Michel Hidalgo, sein Länderspieldebüt. Während der Vorbereitung zur WM 1978 in Argentinien zaubert er im Spiel gegen Italien und schießt ein Freistoßtor gegen den legendären italienischen Schlussmann Dino Zoff. Scouts von allen namhaften italienischen Clubs werden hellhörig und er gewinnt die Aufmerksamkeit der italienischen Öffentlichkeit, dem Heimatland seiner Großeltern.
Nach dem AS Nancy sichern sich "Les Verts" aus Saint-Etienne die Dienste des Regisseurs. Die drei Jahre im Trikot der "Stéphanois" bleiben allerdings durchwachsen. Neben seiner einzigen franz. Meisterschaft und auf dem Höhepunkt seiner individuellen Stärke, kann er das ausgegebene Ziel, einen internationalen Titel, nie erreichen und ist darüber hinaus in die "Schwarzkassen"-Skandal des Präsidenten Roger Rocher, involviert. Zur Saison 1982 wechselt er zur "alten Dame" nach Turin. Das erste halbe Jahr gestaltet sich als schwierig. Im taktischen System Trapattonis hängt Platini in der Luft, findet aber im Klubbesitzer Giovanni Agnelli einen glühenden Verehrer. Nach der Systemumstellung ist der Weg frei zum Thron. Aus Platini wird in den folgenden Jahren "Le roi Michel". Zwei Meisterschaften, ein Pokalsieg, der Weltpokal, Pokalsieger-Cup und UEFA-Supercup werden von 1983 bis 1986 folgen. Auf persönlicher Ebene wird er dreimal hintereinander Torschützenkönig Italiens und Europas Fußballer des Jahres. Was Eric Cantona sein Kragen ist, das ist Platinis heraushängendes Trikot. Diese "Schlampigkeit" spiegelt sich auch in seiner Fitness wieder. Neben einigen Fettpölsterchen ist auch das Rauchen eines seiner Laster. So erwidert er seinem besorgten Chef Agnelli, der in bei einem seiner Kabinenbesuche mit einer Zigarette in der Hand antrifft, dass es wichtig sei, dass sein Mitspieler Bonini nicht rauche, denn der müsse ja laufen, er selbst könnte also rauchen. Selbst in der Halbzeitpause kommt es vor, dass er sich eine raucht.
1984 gewinnt er im Kreise der "Bleus" mit unglaublichen 9 Toren in nur fünf Partien die Europameisterschaft im eigenen Land und bringt Frankreich den ersten großen Titel der Geschichte. Neben dem absoluten Rekord von neun Toren beeindruckt vor allem die Ausgewogenheit: er schießt seine neun Tore mit links, rechts und mit dem Kopf. Insgesamt schießt Frankreich 14 Tore im Turnierverlauf. Ein Jahr später soll auch auf Klubebene endlich der große Wurf gelingen. Doch im größten Drama der Fußballgeschichte erlangt er traurige Berühmtheit. Das Heysel-Stadion in Brüssel ist Austragungsort des Landesmeisterpokals. Statt eines Fußballfestes provozieren sich die gegnerischen Fans und englische Hooligans "entern" den Nebenblock. Durch die Kettenreaktion entsteht eine Massenpanik in dessen Verlauf 39 Menschen sterben – live im Fernsehen. Statt einer Spielabsage wird angepfiffen, Platini schießt das entscheidende Tor und Juventus Turin gewinnt das Finale. Später wird man den Spielern ihr ausgelassenes Feiern vorwerfen. Platini, wie auch andere Spieler, entschuldigen sich und rechtfertigen sich mit der Unkenntnis über das wahre Ausmaß der Katastrophe.
Zähne, Fallrückzieher, Niederlagen - Platini und die Deutschen
Die Beziehung ist seit jeher "gestört". So scheitert Platini bei den olympischen Spielen gegen die A-Mannschaft der DDR nach höchst umstrittenen Schiedsrichterentscheidungen. Viel schlimmer wird es allerdings 1982 im Jahrhundert-Spiel. Bei der Weltmeisterschaft in Spanien trifft Frankreich auf die westdeutsche Auswahl. Frankreichs Mannschaft gilt als die vielversprechendste franz. Elf aller Zeiten und das goldene Quadrat mit Alain Giresse, Jean Tigana, Michel Platini und Bernard Genghini, zur EM 1984 ersetzt durch Luis Fernandez, nimmt endlich Form an. Doch die Halbfinalteilnahme gegen Deutschland bleibt trotz allem eine Überraschung. Der Ausgang ist jedem Fußballfan bekannt. Die gedopte Unsportlichkeit Toni Schumachers gegen Battiston, der Lattentreffer durch Amoros in der 88. Minute, die Dramatik der 4-Tore-Verlängerung und die Entscheidung im Elfmeterschießen bleiben unvergessen. Auch für Platini, der diesen schmerzhaften Ausgang als seine größte sportliche Erinnerung sieht. Vier Jahre später trifft man sich erneut im Halbfinale in Mexiko wieder. Diesmal ist Frankreich gefestigter und nach dem EM-Titel und dem Sieg gegen die favorisierten Brasilianer(aus Sicht Pélés das "Jahrhundertspiel") durchaus in der Lage "Rache für Sevilla" zu nehmen. Doch die deutsche Mannschaft macht kurzen Prozess und für Platini bleibt wieder nur die Enttäuschung. Auch auf Vereinsebene erleidet Platini eine "deutsche" Niederlage als er 1983 mit Juventus als Favorit im Finale des Landesmeisterpokals knapp am Hamburger SV scheitert.
Hier geht's weiter zum zweiten Teil
Aufrufe: 1591 | Kommentare: 7 | Bewertungen: 1 | Erstellt:11.12.2010
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KOMMENTARE
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14.12.2010 | 12:40 Uhr
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funkbarrio :
Cool! Dank dir!
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13.12.2010 | 10:06 Uhr
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FalkLandahl : @ funkbarrio
Sehr schöner Blog! Ich hab dir mal die Verlinkungen abgenommen.
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11.12.2010 | 16:30 Uhr
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11.12.2010 | 16:19 Uhr
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