Der letzte Marsch der Bobcats
Vor neun Jahren wurden die Charlotte Bobcats gegründet. Zwei Jahre nach dem Umzug der Hornets nach New Orleans sollten sie deren Nachfolge als starkes und beliebtes Profibasketballteam in North Carolina antreten. Heute kann man feststellen: Dieses Projekt ist gescheitert. In neun Saisons gewinnen die Bobcats nur einmal mehr als 35 Spiele, können keinen einzigen Playoffsieg feiern und schreiben 2012 Geschichte, indem sie die schlechteste Saisonbilanz der NBA aller Zeiten erreichen. Nächstes Jahr wird dieses Missverständnis beendet werden. Kader, Standort und Spielstätte bleiben zwar die selben, mit den Hornets als neuem, alten Teamnamen kehrt aber eine Identität und eine neue Hoffnung nach Charlotte zurück. Fast ganz North Carolina schaut also bereits auf das nächste Jahr. 2013/2014 muss diese Hoffnung allerdings genährt werden. Entweder das Team kann zeigen, dass man bereits wieder um die Playoffs mitspielen kann oder man sichert sich einen hohen Draft-Pick und einen damit verbundenen neuen Hoffnungsträger. Stuck in the middle wird nicht akzeptiert.
Was ist neu?
In erster Linie der Frontcourt. Im Draft wählten die Bobcats an vierter Stelle etwas überraschend den 20-jährigen Power Forward Cody Zeller, der am College in Indiana 16,5 Punkte und 8,1 Rebounds pro Spiel auflegen konnte, aus und entschieden sich damit gegen die als talentierter gehandelten Nerlens Noel, Alex Len und Ben McLemore. Nachdem ihm von Anfang an große Skepsis entgegenschlug, konnte Zeller die Fans in Charlotte mit starken Leistungen in der Summer League zumindest zeitweise etwas besänftigen. Kurz darauf gelang General Manager Rich Cho mit der Vorstellung von Al Jefferson wohl die größte Verpflichtung in der Geschichte der Bobcats. Der Wechsel Jeffersons, der als einziger NBA-Center neben Dwight Howard in den letzten sechs Saisons immer mindestens 17 Punkte und neun Rebounds auflegen konnte, nach North Carolina kam ein wenig überraschend, mit 40,5 Millionen Dollar in drei Jahren ließ sich der 28-jährige allerdings auch fürstlich entlohnen. Ebenso wie bei Zellers gingen auch bei Jeffersons Verpflichtung die Meinungen auseinander. Einige beglückwünschten die Bobcats zum wohl größten Namen in Charlotte seit Jason Richardson, andere hingegen kürten den Deal, aufgrund der verringerten Cap-Flexibilität, zum schlechtesten der gesamten Off-Season. Abgesehen von diesen beiden Personalien wird Steve Clifford mit vielen (in Charlotte) bekannten Gesichtern in die neue Saison gehen. Shooting Guard Gerald Henderson, sowie die Rollenspieler Josh McRoberts und Jannero Pargo unterzeichneten neue Verträge bei den Bobcats. Neuzugang Anthony Tolliver wird sich die Spielzeit hinter Cody Zeller mit Josh McRoberts und Jeff Adrien teilen müssen und nur wenige Minuten sehen.
Umfeld:
Mit Steve Clifford stellten die Bobcats im Mai ihren Cheftrainer für die nächste Saison vor, nachdem Mike Dunlap nach der schwachen, aber sicher nicht unerwarteten 21-61-Bilanz im Vorjahr entlassen wurde. Clifford kommt mit einer Menge Erfahrung und einem guten Ruf als Defensivfanatiker nach North Carolina. In Houston, New York und Orlando war der 52-Jährige Assistent der beiden Van Gundy-Brüder, im letzten Jahr arbeitete Clifford für die Los Angeles Lakers. Trotzdem war die Verpflichtung Cliffords nicht die größte strukteuelle Veränderung des Profi-Basketballs in Charlotte. Vor allem vor dem Draft beherrschte die Buzz City-Kampagne der Bobcats die Medien, die Rückkehr der ehemals geliebten Hornets nach North Carolina. Durch die Namensänderung der New Orleans Hornets zu den Pelicans wurde der Weg zur Rückkehr zum alten Teamnamen für Charlotte möglich. Michael Jordan und Co. hoffen durch die Namensänderung nun auf die langersehnte Imageverbesserung Charlottes.
Stärken:
Wenige. Den Bobcats fehlt es weiterhin an qualitativ hochwertigem Personal. Sollte sich Zeller allerdings relativ schnell an das NBA-Level gewöhnen, könnten er und Jefferson einen soliden Offensiv-Frontcourt bilden, der sich gut ergänzen sollte. Big Al gilt dank seiner hervorragenden Fußarbeit und einem weichen Händchen als einer der besten Lowpost-Scorer der Liga, Zeller kann durchaus gefährlich aus der Mitteldistanz agieren, wenn der Center unter dem Korb wühlt. Darüber hinaus hat man das Zeug dazu ein durchaus solides Rebounding Team zu stellen. Nachdem im Vorjahr nur Boston schlechter als Byron Mullens und Co. reboundete, sollte man sich in diesem Bereich in diesem Jahr besser schlagen. Kidd-Gilchrist (5,8) und Jefferson (9,2) gehören zu den besseren Reboundern auf ihrer Position. Zeller hat am College zumindest gezeigt, dass er willens ist das Duell unter dem Korb anzunehmen, zudem kommt mit Bismack Biyombo ein Big Man von der Bank, der im letzten Jahr bereits Verbesserungen in diesem Bereich erzielen konnte.
Schwächen:
Wo soll man anfangen? Im letzten Jahr vermied Charlotte nur um ein Haar den schlechtesten Record der Liga. Die Bobcats wiesen die schlechteste Feldwurfquote der Liga auf, ließen die höchste Dreierquote gegen sich zu und belegten sowohl in der Verteidigung, als auch beim Rebounding und den Assists pro Spiel den vorletzten Platz der NBA. Die Verbesserungen im Frontcourt könnten einige der Probleme entschärfen, allerdings nicht lösen. Trainer Steve Clifford gilt zwar als ausgewiesener Defensivexperte, ihm wird es aber schlicht und ergreifend an fähigem Personal fehlen. Die einzigen Spieler im gesamten Kader, die überhaupt das Potenzial besitzen sich zu einem starken Verteidiger zu entwickeln sind Small Forward Michael Kidd-Gilchrist, sowie Back-up-Center Bismack Biyombo. Beiden fehlt es allerdings noch an Erfahrung und Cleverness, um den Bobcats defensive Stabilität verleihen zu können.
Mit Al Jefferson hat man in diesem Jahr zwar endlich mal eine konstante erste Option in der Offensive, der Center dürfte sich aufgrund des mangelnden Floor Spacings der Cats aber durchaus schwer tun. Back-up-Shooting Guard Ben Gordon ist der einzige Spieler im Kader, der im letzten Jahr mehr als 35% seiner Dreier treffen konnte. Vor allem Michael Kidd-Gilchrists nonexistenter Distanzwurf erlaubt es Gegnern konstant Double-Teams gegen die Big Men zu spielen.
Darüber hinaus fehlt Charlotte weiterhin ein wirklicher Spielmacher. Kemba Walker belegte in der vergangenen Saison gerade mal Platz 31 im Assist-Turnover-Verhältnis unter den Point Guards der NBA, verkörpert also nicht wirkliches Starterniveau. Al Jefferson als Pick & Roll-Partner könnte Walker zwar entlasten, die Fähigkeit die gegnerische Defense zu lesen, dürfte der ehemaligen Husky allerdings nicht mal eben so über Nacht erlangen. Gerald Henderson und Michael Kidd-Gilchrist können den 23-jährigen im Ballvortrag zudem kaum unterstützen.
Spieler im Fokus: Michael Kidd-Gilchrist
Kemba Walker legte in der vergangenen Saison das höchste Player Efficiency Rating aller Bobcats auf. Es verstärkt sich jedoch der Eindruck, dass der neunte Pick des 2011er NBA-Drafts auf Dauer wohl eher als unterstützender Energizer und Scorer, womöglich von der Bank kommend, am besten aufgehoben wäre. Zu groß sind seine Defizite als Spielmacher und in der Verteidigung gegen körperlich überlegene Guards. Bismack Biyombo hatte zwar bereits das Potenzial zu einem starken Inside-Defender und Rebounder auf der Fünf andeuten können, wird sich nach den Verpflichtungen von Al Jefferson und Cody Zeller aber vorerst wieder hinten anstellen müssen.
Auch die First Round Lottery Picks Gerald Henderson und DJ Augustin konnten nie die Erwartungen an ihre Personen erfüllen. In seiner ersten NBA-Saison schien Michael Kidd-Gilchrist auf einem ähnlichen Weg wie seine Vorgänger. Der Rookie war in der Offensive nur in Ausnahmefällen eine Option, strahlte von der Dreierlinie weniger Gefahr aus als Andre Drummond bei seinen Freiwürfen und konnte sich auch nicht umgehend zu einem starken Verteidiger entwickeln. Kidd-Gilchrist spielte allerdings auch die gesamte Saison als jüngster Spieler der Liga und zeigte zumindest, dass er dank seines Reboundings, Shotblockings und seiner Härte über die Qualität verfügt sich zu einem Energizer wie Gerald Wallace es für Charlotte war, entwickeln zu können.Für Michael Kidd-Gilchrist wird es in dieser Saison vor allem darauf ankommen zu zeigen, dass er das Zeug dazu hat einer der Hoffnungsschimmer für die Zukunft Charlottes zu sein. Ob nun im nächsten Draft ein großer Hoffnungsträger zu den Hornets stößt oder nicht.
Fazit:
Die Qualität, um wirklich um einen Playoff-Einzug kämpfen zu können, haben die Bobcats nicht. Die Verpflichtung von Al Jefferson kann dem Team weiterhelfen und ihm sicherlich auch den ein oder anderen Sieg mehr bescheren, mehr als 30 Siege wären aber bereits eine große Überraschung. Inwieweit dies wirklich der Weg ist, den die Bobcats in der Tankapalooza 2013-2014 einschlagen wollen, bleibt abzuwarten. Es ist zumindest nicht unwahrscheinlich, dass spätestens nach der All Star-Break vermehrt junge Spieler eingesetzt und auch vermehrt Spiele verloren werden könnten. Al Jefferson hat mittlerweile eindrucksvoll bewiesen, dass er nicht das Zeug zum Leader einer erfolgreichen Franchise hat, ob Michael Kidd-Gilchrist sich dazu entwickeln kann, darf bereits bezweifelt werden. Das Hauptaugenmerk der Verantwortlichen und Fans in North Carolina wird also wohl auch in dieser Saison, wie schon so häufig, bereits auf dem Draft im nächsten Jahr liegen. Dann allerdings muss sich der Anspruch der Franchise an sich selbst geändert haben. Denn dann trägt man wieder die den Schriftzug der Hornets auf der Brust.