08.12.2011 um 07:23 Uhr
Geschrieben von vanGaalsNase
Quo vadis Frauenfußball? I
Die FIFA-WM der Frauen ist nun etwa ein halbes Jahr her. Das ist noch eine zu kurze Zeit, um wirklich sagen zu können, ob sich etwas getan hat im deutschen Lager. Schließlich dauerte es auch bei den Männern fast 10 Jahre, bis man die Maßnahmen nach der EURO 2000 vollends erkennen konnte. Doch die Spiele der deutschen Frauen in den letzten Monaten nach der WM und die entsprechenden Reaktionen darauf lassen dann doch einige Rückschlüsse auf die Arbeit des Teams um Silvia Neid zu.
Spielerische Mängel?
Zunächst stellt sich die Frage, ob es überhaupt Grund dazu gibt, etwas in der Mannschaft und im Verband zu ändern. Die Antwort auf diese Frage ist ein ganz klares „JA!". Bereits im Finale der CL 2010/11, in dem Turbine Potsdam gegen Lyon mit 0:2 verlor, war zu sehen, dass die Französinnen sowohl technisch als auch taktisch stärker waren. Die Potsdamerinnen bekamen wegen mangelhafter Raumaufteilung kaum Zugriff, hatten keine Kontrolle über den Ball und agierten häufig mit langen unpräzisen Pässen. Zumindest was Ballkontrolle und Passspiel betraf, sollte es bei der WM nicht anders sein. Deutschland schleppte sich durch die Vorrunde, ohne zu überzeugen bis schließlich im Viertelfinale gegen spielstarke Japanerinnen Schluss war.
Anstatt die spielerischen Defizite anzusprechen, versuchte man den medialen Druck, welchen man im Vorfeld allerdings selbst erzeugt hatte, für das Scheitern verantwortlich zu machen. Das veranlasste sogar M. Sammer zu einer öffentlichen Standpauke. Er warf Neid vor, nicht zu wissen, woran es lag, dass Deutschland so schlecht abschnitt. Wie sich nunmehr immer deutlicher zeigt, hatte er damit den Nagel auf den Kopf getroffen.
Die Fehler im deutschen Spiel wurden von vielen in der mangelhaften Ballarbeit gesehen: Schwaches Passspiel Marke Kick’n’Rush, überhöhter Fokus auf körperlicher Überlegenheit, fehlende und schlechte Ideen insbesondere im Zentrum. Deutschland war nie in der Lage, einen Gegner mit guter Ballarbeit zu dominieren. So war auch gar kein Konzept im Spiel mit dem Ball erkennbar. Weder ein schnelles (Kurzpass)Spiel in die Spitze, noch ein überlegter oder überlegener Spielaufbau. Man kam unweigerlich zu dem Schluss, dass ein Umdenken in der Nachwuchsarbeit einsetzen müsste, um die Technik in den Vordergrund der Ausbildung zu rücken. Das braucht natürlich Zeit. Die sollte man dem Verband auch geben.
Fehlerbehebung? Fehlanzeige!
Doch was bedeutet das für die A-Mannschaft der Gegenwart? Zunächst einmal sollte man seine bisherige Arbeit überdenken! Dabei muss man sich auch einige Personalien ansehen. Ist eine Nadine Angerer im Tor wirklich die Richtige? Ist Annike Krahn als Innenverteidigerin noch tragbar? Wie sinnvoll ist Simone Laudehr im Zentrum? Rein personell hat sich seit der WM nicht viel getan, außer dass Birgit Prinz und Kerstin Garefrekes zurückgetreten sind. Ansonsten vertraut man weiterhin den gestandenen Kräften. Ob das so richtig ist, ist mehr als fraglich. Schließlich konnte man in keinem Spiel nach der WM wirkliche Fortschritte, seien sie auch noch so klein, sehen.
Angerer mag zwar eine gute Torhüterin sein, aber sie steht sinnbildlich für das deutsche Unvermögen am Ball. Sie macht immer und immer wieder den Ruderer (mit den Armen allen Spielerinnen anzeigen, sie sollen nach vorne gehen, um dann einen langen Ball zu schießen). Das Passspiel Deutschlands ist ohnehin schon schlecht. Warum dann einen unkontrollierbaren Pass nach vorne schlagen?!
langer Abschlag von Angerer
Die Antwort weiß wohl niemand auf Seiten der Deutschen. Aber muss hier nicht schon Frau Neid eingreifen? So wie es Löw bei Mats Hummels tat. Hummels spielte auch gerne einen weiten hohen Ball auf die Spitzen, wie er es aus Dortmund kennt. Löw missfiel das und forcierte eine andere Spielweise des Innenverteidigers.
Im Spielfeldzentrum liegen die wahren Probleme des Spiels der deutschen Frauen. Hier soll der Aufbau bei eigenem Ballbesitz stattfinden. Flache und sichere Pässe sollen dafür sorgen, dass der Ball ständig in Bewegung gehalten wird, ohne dass der Gegner ihn erobern kann. Im Endeffekt soll der Gegner dadurch zurecht gelegt werden, um mittels eines finalen Passes o.Ä. zum Torabschluss zu kommen. Allerdings ist ein solches Zentrum bei den deutschen Frauen so gar nicht denkbar. Die Sechser stehen fast immer zu weit vorne, zu weit auseinander und in der Tiefe kaum gestaffelt, sodass es kaum zum kontrollierten Raumgewinn kommen kann. Stattdessen bleibt den Innenverteidigern entweder nur der lange Schlag in die Spitze oder der Ball gelangt zu den Außenverteidigerinnen, wo der Gegner aber leicht die Räume zu stellen kann, wodurch auch hier wieder nur der lange Ball gespielt werden kann.
Doch auch dabei ist, ebenso wie bei Angerers Hang zum weiten Abschlag, die Lösung so einfach. Ein Sechser müsste mal auf die Idee kommen, sich tiefer zu positionieren, um für die Innenverteidiger anspielbar zu sein. Dadurch hat man das Spiel vor sich und könnte durch weitere Spielerinnen im Zentrum Linien für einfache Flachpässe erzeugen. Aber weil sich seit der WM auch an diesem Mangel nichts geändert hat, bleibt der Verdacht, dass Silvia Neid keine Ahnung von einem durchdachten Spielaufbau hat. Ein wesentlicher Aspekt für ein Kurz- und Flachpassspiel ist das entsprechend kurze Anbieten zum Ball, damit der Passgeber den Ball nur über höchstens 15m spielen muss. Diese Distanz lässt kaum Raum für Fehlpässe. Wenn man aber 25m und mehr auseinander steht, muss man sich nicht wundern, wenn der Ball nicht ankommt.
Selbstwahrnehmung
Auch die Analyse absolvierter Spiele ist für dieses Niveau untauglich. Bei der WM war der öffentliche Druck Hauptschuldiger an der Pleite, so der Tenor der Mannschaftverantwortlichen. Doch nach dem 17:0 gegen Aserbaidschan fand man sich einfach überragend. Auch ich habe schon Spiele mit mehr als 10 Toren Vorsprung gewonnen. Und niemals kamen meine Mitspieler und ich zu dem Schluss, dass wir einfach toll waren. Man musste eher davon ausgehen, dass der Gegner ziemlich schwach gewesen ist. Für eine ergiebige Analyse der eigenen Stärke sind solche Spiele eigentlich nicht geeignet. Für die deutschen Frauen anscheinend schon. Man fand sich großartig und hätte nun viel Selbstvertrauen getankt.
Die genannten „Analysen" führen schlichtweg an den wirklichen Gründen vorbei. Der mediale Druck war hausgemacht. Damit muss man umgehen können oder lässt es sein. Vielmehr war man offensiv einfach zu schwach. Und wenn man 17:0 gewinnt, sollte man sich nicht selbst beweihräuchern, sondern klarmachen, dass das als Test und Richtwert nicht herhalten kann. Es scheint, als wolle man sich nicht eingestehen, dass andere Pfade beschritten werden müssen.
Teil 2
Spielerische Mängel?
Zunächst stellt sich die Frage, ob es überhaupt Grund dazu gibt, etwas in der Mannschaft und im Verband zu ändern. Die Antwort auf diese Frage ist ein ganz klares „JA!". Bereits im Finale der CL 2010/11, in dem Turbine Potsdam gegen Lyon mit 0:2 verlor, war zu sehen, dass die Französinnen sowohl technisch als auch taktisch stärker waren. Die Potsdamerinnen bekamen wegen mangelhafter Raumaufteilung kaum Zugriff, hatten keine Kontrolle über den Ball und agierten häufig mit langen unpräzisen Pässen. Zumindest was Ballkontrolle und Passspiel betraf, sollte es bei der WM nicht anders sein. Deutschland schleppte sich durch die Vorrunde, ohne zu überzeugen bis schließlich im Viertelfinale gegen spielstarke Japanerinnen Schluss war.
Anstatt die spielerischen Defizite anzusprechen, versuchte man den medialen Druck, welchen man im Vorfeld allerdings selbst erzeugt hatte, für das Scheitern verantwortlich zu machen. Das veranlasste sogar M. Sammer zu einer öffentlichen Standpauke. Er warf Neid vor, nicht zu wissen, woran es lag, dass Deutschland so schlecht abschnitt. Wie sich nunmehr immer deutlicher zeigt, hatte er damit den Nagel auf den Kopf getroffen.
Die Fehler im deutschen Spiel wurden von vielen in der mangelhaften Ballarbeit gesehen: Schwaches Passspiel Marke Kick’n’Rush, überhöhter Fokus auf körperlicher Überlegenheit, fehlende und schlechte Ideen insbesondere im Zentrum. Deutschland war nie in der Lage, einen Gegner mit guter Ballarbeit zu dominieren. So war auch gar kein Konzept im Spiel mit dem Ball erkennbar. Weder ein schnelles (Kurzpass)Spiel in die Spitze, noch ein überlegter oder überlegener Spielaufbau. Man kam unweigerlich zu dem Schluss, dass ein Umdenken in der Nachwuchsarbeit einsetzen müsste, um die Technik in den Vordergrund der Ausbildung zu rücken. Das braucht natürlich Zeit. Die sollte man dem Verband auch geben.
Fehlerbehebung? Fehlanzeige!
Doch was bedeutet das für die A-Mannschaft der Gegenwart? Zunächst einmal sollte man seine bisherige Arbeit überdenken! Dabei muss man sich auch einige Personalien ansehen. Ist eine Nadine Angerer im Tor wirklich die Richtige? Ist Annike Krahn als Innenverteidigerin noch tragbar? Wie sinnvoll ist Simone Laudehr im Zentrum? Rein personell hat sich seit der WM nicht viel getan, außer dass Birgit Prinz und Kerstin Garefrekes zurückgetreten sind. Ansonsten vertraut man weiterhin den gestandenen Kräften. Ob das so richtig ist, ist mehr als fraglich. Schließlich konnte man in keinem Spiel nach der WM wirkliche Fortschritte, seien sie auch noch so klein, sehen.
Angerer mag zwar eine gute Torhüterin sein, aber sie steht sinnbildlich für das deutsche Unvermögen am Ball. Sie macht immer und immer wieder den Ruderer (mit den Armen allen Spielerinnen anzeigen, sie sollen nach vorne gehen, um dann einen langen Ball zu schießen). Das Passspiel Deutschlands ist ohnehin schon schlecht. Warum dann einen unkontrollierbaren Pass nach vorne schlagen?!
langer Abschlag von Angerer
Die Antwort weiß wohl niemand auf Seiten der Deutschen. Aber muss hier nicht schon Frau Neid eingreifen? So wie es Löw bei Mats Hummels tat. Hummels spielte auch gerne einen weiten hohen Ball auf die Spitzen, wie er es aus Dortmund kennt. Löw missfiel das und forcierte eine andere Spielweise des Innenverteidigers.
Im Spielfeldzentrum liegen die wahren Probleme des Spiels der deutschen Frauen. Hier soll der Aufbau bei eigenem Ballbesitz stattfinden. Flache und sichere Pässe sollen dafür sorgen, dass der Ball ständig in Bewegung gehalten wird, ohne dass der Gegner ihn erobern kann. Im Endeffekt soll der Gegner dadurch zurecht gelegt werden, um mittels eines finalen Passes o.Ä. zum Torabschluss zu kommen. Allerdings ist ein solches Zentrum bei den deutschen Frauen so gar nicht denkbar. Die Sechser stehen fast immer zu weit vorne, zu weit auseinander und in der Tiefe kaum gestaffelt, sodass es kaum zum kontrollierten Raumgewinn kommen kann. Stattdessen bleibt den Innenverteidigern entweder nur der lange Schlag in die Spitze oder der Ball gelangt zu den Außenverteidigerinnen, wo der Gegner aber leicht die Räume zu stellen kann, wodurch auch hier wieder nur der lange Ball gespielt werden kann.
Doch auch dabei ist, ebenso wie bei Angerers Hang zum weiten Abschlag, die Lösung so einfach. Ein Sechser müsste mal auf die Idee kommen, sich tiefer zu positionieren, um für die Innenverteidiger anspielbar zu sein. Dadurch hat man das Spiel vor sich und könnte durch weitere Spielerinnen im Zentrum Linien für einfache Flachpässe erzeugen. Aber weil sich seit der WM auch an diesem Mangel nichts geändert hat, bleibt der Verdacht, dass Silvia Neid keine Ahnung von einem durchdachten Spielaufbau hat. Ein wesentlicher Aspekt für ein Kurz- und Flachpassspiel ist das entsprechend kurze Anbieten zum Ball, damit der Passgeber den Ball nur über höchstens 15m spielen muss. Diese Distanz lässt kaum Raum für Fehlpässe. Wenn man aber 25m und mehr auseinander steht, muss man sich nicht wundern, wenn der Ball nicht ankommt.
Selbstwahrnehmung
Auch die Analyse absolvierter Spiele ist für dieses Niveau untauglich. Bei der WM war der öffentliche Druck Hauptschuldiger an der Pleite, so der Tenor der Mannschaftverantwortlichen. Doch nach dem 17:0 gegen Aserbaidschan fand man sich einfach überragend. Auch ich habe schon Spiele mit mehr als 10 Toren Vorsprung gewonnen. Und niemals kamen meine Mitspieler und ich zu dem Schluss, dass wir einfach toll waren. Man musste eher davon ausgehen, dass der Gegner ziemlich schwach gewesen ist. Für eine ergiebige Analyse der eigenen Stärke sind solche Spiele eigentlich nicht geeignet. Für die deutschen Frauen anscheinend schon. Man fand sich großartig und hätte nun viel Selbstvertrauen getankt.
Die genannten „Analysen" führen schlichtweg an den wirklichen Gründen vorbei. Der mediale Druck war hausgemacht. Damit muss man umgehen können oder lässt es sein. Vielmehr war man offensiv einfach zu schwach. Und wenn man 17:0 gewinnt, sollte man sich nicht selbst beweihräuchern, sondern klarmachen, dass das als Test und Richtwert nicht herhalten kann. Es scheint, als wolle man sich nicht eingestehen, dass andere Pfade beschritten werden müssen.
Teil 2
Aufrufe: 3285 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 3 | Erstellt:08.12.2011
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