17.02.2013 um 21:09 Uhr
Geschrieben von vanGaalsNase
Rasenschach (Teil 2)
Im heutigen Fußball spielt die Ballorientierung eine überragende Rolle. Dort wo der Ball ist, soll grundsätzlich eine Überzahl der eigenen Mannschaft erzeugt werden, um in der Defensive den Raum für den Gegner zu verengen und um bei eigenem Ballbesitz viele Passoptionen zu haben. Somit wird die jeweilige Kraft eines jeden Spielers um die Kräfte seiner ballnahen Mitspieler erweitert, was einen Vorteil gegenüber dem Gegner bedeutet. Dieser Kraftvorteil in Ballnähe kann nur über die Beherrschung des Raumes erreicht werden und erlaubt dadurch eine Kontrolle über das Tempo bzw. die Zeit. Daraus lässt sich ablesen, dass Quantität beinahe mit Qualität gleichgesetzt werden kann.
So wird dem Gegner ein schneller Raumgewinn erschwert und ihm fehlt die Zeit, für ihn günstige Entscheidungen treffen zu können. Auf diese Weise wirken Kraft, Raum und Zeit ebenso wie im Schach permanent zusammen und lassen Schlüsse auf die Stellung zu.
Neben der Ballorientierung gelten im Fußball noch weitere strategische Grundprinzipien, insbesondere für den Spielaufbau bzw. die Spieleröffnung. Zunächst soll wie im Schach das Zentrum beherrscht werden. Gerade dieser Punkt spielt seit Mitte der 2000er Jahre eine immanent wichtige Rolle, wobei etwa der Doppelsechs eine große Bedeutung zukam. Während es früher die Zehner waren, die dem Spiel den Stempel aufdrückten, erhielten nun die tiefspielenden zentralen Mittelfeldspieler vor der Viererkette eine immer wichtigere Rolle. Zunächst sollten sie ein dominantes Zweikampfverhalten aufweisen (Bsp.: Ballack & Frings); später wurden sie zum strategischen Mittelpunkt des Aufbauspiels (Busquets, Xavi, Schweinsteiger).
Von hinten lässt sich das Spielfeld besser überblicken und erlaubt so einen leichteren Aufbau, als es im Bereich der Mittellinie oder gar der gegnerischen Hälfte der Fall ist. Ferner bestehen - ebenso wie auf dem Schachbrett - in der Mitte des Fußballfeldes mehr Möglichkeiten, Einfluss aufs Spiel zu nehmen als außen. Denn im Zentrum gibt es vier, anstelle von nur drei Richtungen zum Spielen. Auf Außen gibt es nur die Wege nach vorne, hinten oder nach innen. Im Zentrum sind es die Wege nach vorne, hinten, links oder rechts.
Auch im Fußball ist es möglich, gewisse Spieleröffnungen durch spezielle Manöver vor Probleme zu stellen. Andererseits können diese Manöver mit passenden Gegenmaßnahmen umgangen - quasi "widerlegt" - werden: um den Spielaufbau einer Viererkette zu stören, können die IV von einer Doppelspitze unter Druck gesetzt werden, sodass der Ball nach außen gezwungen wird, wo der Raum anschließend derart zugestellt wird, dass der ballbesitzenden Mannschaft (schwarz) nur ein unkontrolliertes Wegschlagen des Spielgeräts übrig bleibt.
Ein Gegenmittel, um den Druck der Doppelspitze zu umgehen, kann der Spielaufbau mittels einer Dreierkette darstellen. Der zentrale Spieler (evtl. abkippender Sechser) fungiert als Entlastungspunkt für die beiden äußeren Verteidiger. Zudem hat er in der Mitte die Möglichkeit, zwischen die Doppelspitze hindurch nach vorne zu passen.
Die Spieler der Dreierkette bilden mit den drei hinteren ZM zwei 4-zu-1-Überzahl-situationen; die Doppelspitze ist widerlegt.
2. Strategie und Positionsspiel
Im Schach ist das sogenannte Positionsspiel ein Mittel, welches vor allem strategische Leitlinien be- und verfolgt. Das Ziel des Positionsspiels ist es, ein langfristiges Spielziel durchzubringen. Etwa, ob man das Läuferpaar behalten will; ob man vom Gegner schwach gesicherte Felder angreift oder ob man eine halboffene Linie mit einem Turm besetzt. Mittels solch langfristigen Überlegungen wird ein dauerhafter Stellungsvorteil gesucht.
Ein Positionsspiel gibt es ebenso im Fußball. Auch dort werden strategische Leitlinien festgelegt, die notwendig sind, um das eigene Spiel durchzubringen. Zunächst gilt es, das Zentrum zu beherrschen, was zwingend ein Mittelfelddreieck erfordert. Diese Dreiecksorganisation in der Mitte erlaubt variable Stellungen, durch die man situativ Überzahl am Ball erzeugen kann, womit sich die taktisch notwendigen Verhaltensweisen leichter und kontrollierter umsetzen lassen. Ein klassisches Zweiermittelfeld wie im flachen 4-4-2 kann den heutigen Anforderungen dahingehend nicht mehr gerecht werden. Ein Mittelfelddreieck erlaubt also einen dauerhaften Stellungsvorteil.
Mittels des Positionsspiels soll der Ball in den eigenen Reihen behauptet und durch kurze Pässe ständig in Bewegung gehalten werden. Auf diese Weise kann der Gegner mangels Ballbesitz keine Tore erzielen und wird nach und nach hinten reingedrängt. Die engmaschige Besetzung des ballnahen Raumes führt zu solchen Kraft- und Raumvorteilen, dass bei einem Ballverlust sofort ins Gegenpressing gegangen werden kann.
3. Fazit
Im Schach sind die Termini Strategie und Taktik bekannt und spielen in der Lehre eine enorm wichtige Rolle, um sich als Spieler weiterzuentwickeln. Auch im Fußball sollte eine derart theoretische Schulung einsetzen, sodass die Taktikbücher nicht mehr nur mit Verhaltensweisen von Abwehrketten gefüllt werden, sondern auch dem Spielaufbau eine größere Aufmerksamkeit entgegenbringen. Denn der eigene Ballbesitz kann durchaus theoretisch behandelt und verbalisiert werden, sodass dieser Aspekt des Fußballs zielstrebiger trainiert werden kann.
Die Besetzung des Zentrums und die Beachtung von Kraft, Raum und Zeit unter Berücksichtigung der Ballposition sollten die permanenten Grundlagen aller strategischen Überlegungen und taktischen Handlungen im Fußball darstellen, welcher dahingehend viel vom berühmtesten aller Denkspiele lernen kann. Denn im Fußball sollte sich bewusst gemacht werden, dass dies schon längst kein bloßer körperlicher Sport mehr ist. Vielmehr ist er ein Denksport geworden, wo nicht mehr die schnellsten Beine über Sieg oder Niederlage entscheiden, sondern der schnellste Kopf.
Durch langfristige Grundideen erhält man einen stetig anwachsenden Katalog von taktischen Verhaltensweisen, welcher es erlaubt, schnell in den jeweiligen Situationen reagieren zu können. Dabei sollte ein ständiger Stellungsvorteil gesucht werden, der es entweder erlaubt, den Ball zu beherrschen oder aber über Tempowechsel einen schnellen Abschluss zu erreichen.
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So wird dem Gegner ein schneller Raumgewinn erschwert und ihm fehlt die Zeit, für ihn günstige Entscheidungen treffen zu können. Auf diese Weise wirken Kraft, Raum und Zeit ebenso wie im Schach permanent zusammen und lassen Schlüsse auf die Stellung zu.
Neben der Ballorientierung gelten im Fußball noch weitere strategische Grundprinzipien, insbesondere für den Spielaufbau bzw. die Spieleröffnung. Zunächst soll wie im Schach das Zentrum beherrscht werden. Gerade dieser Punkt spielt seit Mitte der 2000er Jahre eine immanent wichtige Rolle, wobei etwa der Doppelsechs eine große Bedeutung zukam. Während es früher die Zehner waren, die dem Spiel den Stempel aufdrückten, erhielten nun die tiefspielenden zentralen Mittelfeldspieler vor der Viererkette eine immer wichtigere Rolle. Zunächst sollten sie ein dominantes Zweikampfverhalten aufweisen (Bsp.: Ballack & Frings); später wurden sie zum strategischen Mittelpunkt des Aufbauspiels (Busquets, Xavi, Schweinsteiger).
Von hinten lässt sich das Spielfeld besser überblicken und erlaubt so einen leichteren Aufbau, als es im Bereich der Mittellinie oder gar der gegnerischen Hälfte der Fall ist. Ferner bestehen - ebenso wie auf dem Schachbrett - in der Mitte des Fußballfeldes mehr Möglichkeiten, Einfluss aufs Spiel zu nehmen als außen. Denn im Zentrum gibt es vier, anstelle von nur drei Richtungen zum Spielen. Auf Außen gibt es nur die Wege nach vorne, hinten oder nach innen. Im Zentrum sind es die Wege nach vorne, hinten, links oder rechts.
Auch im Fußball ist es möglich, gewisse Spieleröffnungen durch spezielle Manöver vor Probleme zu stellen. Andererseits können diese Manöver mit passenden Gegenmaßnahmen umgangen - quasi "widerlegt" - werden: um den Spielaufbau einer Viererkette zu stören, können die IV von einer Doppelspitze unter Druck gesetzt werden, sodass der Ball nach außen gezwungen wird, wo der Raum anschließend derart zugestellt wird, dass der ballbesitzenden Mannschaft (schwarz) nur ein unkontrolliertes Wegschlagen des Spielgeräts übrig bleibt.
Ein Gegenmittel, um den Druck der Doppelspitze zu umgehen, kann der Spielaufbau mittels einer Dreierkette darstellen. Der zentrale Spieler (evtl. abkippender Sechser) fungiert als Entlastungspunkt für die beiden äußeren Verteidiger. Zudem hat er in der Mitte die Möglichkeit, zwischen die Doppelspitze hindurch nach vorne zu passen.
2. Strategie und Positionsspiel
Im Schach ist das sogenannte Positionsspiel ein Mittel, welches vor allem strategische Leitlinien be- und verfolgt. Das Ziel des Positionsspiels ist es, ein langfristiges Spielziel durchzubringen. Etwa, ob man das Läuferpaar behalten will; ob man vom Gegner schwach gesicherte Felder angreift oder ob man eine halboffene Linie mit einem Turm besetzt. Mittels solch langfristigen Überlegungen wird ein dauerhafter Stellungsvorteil gesucht.
Ein Positionsspiel gibt es ebenso im Fußball. Auch dort werden strategische Leitlinien festgelegt, die notwendig sind, um das eigene Spiel durchzubringen. Zunächst gilt es, das Zentrum zu beherrschen, was zwingend ein Mittelfelddreieck erfordert. Diese Dreiecksorganisation in der Mitte erlaubt variable Stellungen, durch die man situativ Überzahl am Ball erzeugen kann, womit sich die taktisch notwendigen Verhaltensweisen leichter und kontrollierter umsetzen lassen. Ein klassisches Zweiermittelfeld wie im flachen 4-4-2 kann den heutigen Anforderungen dahingehend nicht mehr gerecht werden. Ein Mittelfelddreieck erlaubt also einen dauerhaften Stellungsvorteil.
Mittels des Positionsspiels soll der Ball in den eigenen Reihen behauptet und durch kurze Pässe ständig in Bewegung gehalten werden. Auf diese Weise kann der Gegner mangels Ballbesitz keine Tore erzielen und wird nach und nach hinten reingedrängt. Die engmaschige Besetzung des ballnahen Raumes führt zu solchen Kraft- und Raumvorteilen, dass bei einem Ballverlust sofort ins Gegenpressing gegangen werden kann.
3. Fazit
Im Schach sind die Termini Strategie und Taktik bekannt und spielen in der Lehre eine enorm wichtige Rolle, um sich als Spieler weiterzuentwickeln. Auch im Fußball sollte eine derart theoretische Schulung einsetzen, sodass die Taktikbücher nicht mehr nur mit Verhaltensweisen von Abwehrketten gefüllt werden, sondern auch dem Spielaufbau eine größere Aufmerksamkeit entgegenbringen. Denn der eigene Ballbesitz kann durchaus theoretisch behandelt und verbalisiert werden, sodass dieser Aspekt des Fußballs zielstrebiger trainiert werden kann.
Die Besetzung des Zentrums und die Beachtung von Kraft, Raum und Zeit unter Berücksichtigung der Ballposition sollten die permanenten Grundlagen aller strategischen Überlegungen und taktischen Handlungen im Fußball darstellen, welcher dahingehend viel vom berühmtesten aller Denkspiele lernen kann. Denn im Fußball sollte sich bewusst gemacht werden, dass dies schon längst kein bloßer körperlicher Sport mehr ist. Vielmehr ist er ein Denksport geworden, wo nicht mehr die schnellsten Beine über Sieg oder Niederlage entscheiden, sondern der schnellste Kopf.
Durch langfristige Grundideen erhält man einen stetig anwachsenden Katalog von taktischen Verhaltensweisen, welcher es erlaubt, schnell in den jeweiligen Situationen reagieren zu können. Dabei sollte ein ständiger Stellungsvorteil gesucht werden, der es entweder erlaubt, den Ball zu beherrschen oder aber über Tempowechsel einen schnellen Abschluss zu erreichen.
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Aufrufe: 13564 | Kommentare: 37 | Bewertungen: 14 | Erstellt:17.02.2013
ø 9.4
KOMMENTARE
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19.02.2013 | 19:11 Uhr
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a_moron : Ganz groß
Deine Blogs sind immer ganz groß. Eigentlich das Beste, was es auf Spox zu lesen gibt. Gibt nur ganz wenige Sachen hier, die da mithalten können und die stehen auch allesamt in der Taktikecke. Für mich als Hobbyschachspieler sehr erkenntnisreich.
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19.02.2013 | 19:09 Uhr
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19.02.2013 | 19:03 Uhr
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19.02.2013 | 18:36 Uhr
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10 Punkte natürlich
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19.02.2013 | 18:19 Uhr
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dieser gefällt mir richtig, richtig gut.
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18.02.2013 | 15:00 Uhr
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Goleo06 :
Mal wieder ein grandioser Blog von dir. Ganz großes Kino.
In den letzten Jahren merkt man doch sehr stark, dass versucht wird den zufall immer weiter zu minimieren in dem den Spielaufbau und das Angriffsspiel kontrolliert vorträgt.
Eigentlich unfassbar, das in einer so populären Sportart im Vergleich zu anderen Sportarten sehr lange z.T. ziemlich "unprofessionell" agiert wurde.
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