Dunkelheit.
Er hatte die Augen geschlossen.
Diesen Moment galt es voll und ganz auszukosten.
Diesen Moment des Triumphes, des endgültigen Triumphes.
Er hatte es geschafft.
Endlich.
Er hatte es geschafft den Titel zu gewinnen.
Er hatte es geschafft, seinen Gegner zu besiegen.
Jetzt war es sein Moment.
Ein Moment, den er nie vergessen würde, nie vergessen dürfte.
Er öffnete die Augen wieder, war für einen Moment geblendet vom Licht das aus zahlreichen Scheinwerfern auf ihn gerichtet war.


Es ist angerichtet!

Das Bild schärfte sich.
Und dann erkannte er sie.
Sie waren alle gekommen.
Gekommen, um ihm zu seinem großen Sieg zu gratulieren.
Um ihn zu feiern.
Ihn, den Sieger des Supercups.
Die gesamte Community, in deren Dienst er sich so lange gestellt hatte.
Alle standen jetzt rund um ihn herum und applaudierten ihm.
Und zwar nur ihm.
Er hatte zu kämpfen, dass ihn die Rührung des Augenblicks nicht völlig aus der Fassung gerieten ließ.
Wie oft hatte er sich diesen Moment insgeheim vorgestellt, wie oft im Kopf schonmal durchgespielt...aber die Realität bewies heute ein ums andere Mal, dass man sich auf sie nicht vorbereiten konnte.
Denn es war einfach überwältigend.
Wie weggewischt war alles, was er sich eigentlich vorgenommen hatte für diesen Moment. Vergessen waren alle Varianten, die er in seiner Fantasie durchgespielt hatte.
Zu intensiv war dieses Erlebnis. Dieses Gefühl.
Langsam begann er einen Fuß vor den anderen zu setzten, in Richtung auf das Podest, das man für ihn aufgebaut hatte. Und oben, ganz oben, da stand er. Sein Supercup. Seiner, und niemandes sonst.
Sein Schritt beschleunigte sich. Er merkte es nicht. Zu überwältigt war er von dem Jubel, den er erst ganz allmählich wahrnahm als sein Gehirn die unzähligen Eindrücke und Empfindungen dieses einen Augenblicks in eine richtige Reihenfolge zu bringen versuchte.
Dann sah er sie.
Die ehemaligen Turnierteilnehmen waren gekommen um ihm Spalier auf seinem Weg zur Trohäe zu stehen.
Gekommen, um ihm die Ehre zu erweisen.
Er war ein wenig gerührt.
So viele Jahre hatte er immer und immer wieder mit ihnen zu tun gehabt, das ganze Jahr über sie beim bloggen beobachtet und mitgemacht, und jetzt sollte alles vorbei sein? Eigentlich unfassbar.
Wehmut.
Dann sah er ihn.
Ganz dort oben an der Treppe, da stand er.
Sein Gegner im Finale.
Den, den er geschlagen hatte.
Bailey!
Und jetzt hatte er auch noch dieses dämliche, gönnerhafte Lächeln drauf.
Klar, der hatte ja schon einen Titel den er sich ins Profil hängen durfte.
Bailey.
Der lebende Beweis dafür, dass die Welt alles andere als gerecht war.
Er selbst schrieb sich Woche für Woche die Finger blutig an der Alternativen Liste, von der jeder zweite User schon bei der ersten gewusst hatte dass es schonmal bessere gegeben hatte, und dieser Emporkömmling?
Rückt in den Wettbewerb nach und macht dann da einen auf Tokio Hotel.
Massentaugliche Werke abliefern aber Dank einer hauseigenen Jubelfraktion durch den Wettbewerb fräsen als würds morgen verboten.
Kein Sinn fürs künstlerische, nur für den Erfolg.
Und dann auch noch dieser respektlose Unterton...
"Ich will seinen Skalp" soll der gesagt haben.
Das hat er jetzt davon.
Verloren hat er!
Vernichtet wurde er!
In Grund und Boden gebloggt hatte er dieses Oberspätzle!
Und jetzt stand der Typ da.
Da oben.
Und streckte ihm die Hand entgegen um ihm zu gratulieren.
Er hatte gar nicht gemerkt, wie schnell er die letzten Stufen des Podestes erklommen hatte. Zu schnell waren seine Gedanken zum eigentlichen Duell zurückgewandert.
Aber jetzt war er da.
Oben.
Oben auf dem Podium und dem Cup, seinem Cup ganz nahe.
Immer noch die ausgetreckte Hand vor ihm, immer noch dieses dämliche Lächeln im Gesicht.
Er ergriff die Hand.
Drückte sie.
Hörte ein flapsiges "Glückwunsch"
Der Kampf war vorbei.
Hinterher schob sich ein
"Halt meinen Cup warm"
Er lächelte zurück.
Einen anderen Spruch hatte er eigentlich auch nicht erwartet.
Aber er erwiderte nichts.
Nicht jetzt.
Nicht hier.
Er ließ die Hand wieder los.
"Starkes Duell!" enfuhr es ihm dann doch.
Mehr nicht.
Musste auch nicht.
Das sagte alles.
Es war ein starkes Duell.
Zweimal Storytelling deluxe und im Teilnehmervoting die absolute Rekordstimmenzahl von 4.
Fast so viel wie in NRW.
Was will man mehr?
Eben, nichts.
Und dann war es soweit.
Endlich war der Augenblick gekommen.
Zeremonienmeister Pramel winkte ihn hektisch zu sich herüber.
Jaja, der Zeitplan will eingehalten werden.
Und dann stand er direkt vor ihm.
Vor dem Cup.
Seinem Cup.
Und er war wunderschön.
Gleich war es soweit. Auf seiner Stirn bildeten sich die ersten Schweißtropfen, seine Hände zitterten leicht von dem Adrenalin, dass sein Körper vor Aufregung duch seine Adern jagte. Der Tunnelblick setzte ein. Nach in nach nahm er immer weniger von dem wahr, was um ihn herum stattfand.
Verschwommen drang noch ein "Oliver Kucharski!" an sein Ohr und instinktiv wusste er, dass er die Trophäe jetzt nehmen durfte.
Endlich!
Sie anfassen, sie berühren.
Er spürte das kalte Metall, das seine Finger berührten.
Er spürte das Gewicht, als er die Schale hochnahm.
Und er fühlte den unbeschreiblichen Jubel als er die Trophäe so weit es ging über den Kopf reckte um sie der Community zu zeigen.
Ihr den Cup zu zeigen.
Seinen Cup.
Er nahm sie herunter.
Hielt ihn vor sich.
Er war wunderschön.
Wie lange hatte er auf diesen Augenblick warten müssen?
Lange. Fast zu lange.
Er sah sein Gesicht, das sich in dem blankpolierten Metall spiegelte.
Die Falten um die Augen, den Drei-Tage-Bart...ja, es hatte lange gedauert.
Aber das Warten war jetzt vorbei.
Er hatte seinen Titel.
In seine Glücksgefühle mischte sich wieder dieses unbeschreibliche Gefühl von Wehmut...
Denn er wusste, nach diesem Sieg würde es mit seiner Karriere vorbei sein.
Es war für ihn an der Zeit, den nächsten Schritt zu machen.
Weiterzugehen.
Es tat ihm weh, daran zu denken.
Aber nicht auf die üble, fiese Art, nein, auf die Art, mit der man einen wohligen Abschied feiert.
Die Art, auf der man mit sich selbst im Reinen war.
Er blickte nochmal auf sein Gesicht, das sich in seinem Cup spiegelte.
Ja, stellte er tief zufrieden fest.
Ja, er hatte es geschafft.
Er würde seine Karriere mit einem Paukenschlag beenden, so, wie er es sich immer gewünscht hatte.
Wie er es sich immer erhofft hatte.
Und diesen Paukenschlag hielt er jetzt in seinen Händen.
Der alte Hund hatte es dem Jungen nochmal so richtig gezeigt.
Und er war stolz darauf.
Er trat ans Mikro.
Ein kurzes Pfeifen als es eingeschaltet wurde.
Er musste jetzt etwas sagen.
Aber was?
Das Publikum wartete ungeduldig.
Erste Rauner waren zu vernehmen.
Und dann kam ihm die Idee.
Er sagte einfach das, was jeder von ihm insgeheim erwartete.
Er feuchtete die Lippen mit der Zunge an, holte Luft, beugte sich vor bis er fast ans Mikro stieß und sprach die magischen Worte.


Stark!

Das!