Einfach mal freuen

Analyse kommt je bekanntlich von "anal" und ist demnach in den meisten Fällen eh für den A... - aber lassen wir das. Das Spiel in St. Pauli analytisch auseinander nehmen zu wollen, wäre wohl so, als würde Dieter Bohlens Autobiografie im Literarischen Quartett besprochen. Kann man sich also schenken.

Das letzte Auswärtsspiel hatte denn auch irgendwie Pokal-Charakter, was sich auch am geradezu surrealen Endergebnis ablesen lässt. Wenngleich die Gastgeber über weite Strecken des Spiels nicht den Anschein erweckten, sich mit aller Macht gegen den (wohl unausweichlichen) Abstieg stemmen zu wollen. Mal abgesehen von den ersten fünf Minuten nach Wiederanpfiff war unsere Mannschaft haushoch überlegen und diktierte das Spielgeschen, ohne wirklich das Maximum abrufen zu müssen.

Aber eh ich mich jetzt klammheimlich doch in eine kleine Analyse hineinsteigere, stelle ich lieber fest, dass so ein feines 8:1 (im Übrigen der höchste Auswärtssieg unserer Bundesliga-Geschichte) doch eine gewisse Befriedigung verschafft nach einer Saison, die in weiten Teilen nicht so verlief, wie wir Bayern-Fans uns das wohl alle gewünscht hätten.

Die größte Freude bereitet heute aber sicher nicht das beeindruckende Ergebnis, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass wir einen Spieltag vor Schluss definitiv in der CL-Quali sind! Wer hätte vor zwei Wochen, als wir noch einen Punkt hinter Hannover lagen, gedacht, dass sich das Blatt so schnell zu unseren Gunsten wenden würde? Wenn wir uns diese Saison auch oft geärgert und gestritten haben, so dürfen wir uns heute also einfach mal freuen: Das Mindestziel ist geschafft! Und ich bin mir sicher, wir werden die Quali schaffen und nächste Saison wieder in der Champions League dabei sein. Also Zeit für ein erleichtertes Durchatmen.

Und ja, so schön dieses 8:1 für uns auch wahr, so leid können einem Paulis Fans und vor allen Dingen Holger Stanislawski an diesem Tag tun. Ich gebe es zu, ich bin kein großer Pauli-Sympathisant. Aber ich empfinde diesen Verein in seinem Dasein und seiner Außendarstellung als höchst aufrichtig. Pauli ist das, was es ist, mit all seinen Stärken und Schwächen. Pauli bleibt sich selbst treu, egal was passiert. Auch nach einem 8:1, das gerade sein scheidender Trainer so ganz sicher nicht verdient hat.

Es stellt sich natürlich die Frage, was mit der Mannschaft an diesem Samstag los war. Aus der Ferne vermag ich das nicht so recht einzuschätzen. Und wahrscheinlich steht mir als Bayern-Fan da wohl auch kein abschließendes Urteil zu. In jedem Falle machten mir die Spieler diesmal nicht den Eindruck, als würden sie das Maximum aus sich rausholen. Sie wirkten irgendwie lethargisch, verschüchtert, eben so wie man sich fühlt, wenn man nicht mehr an sich glaubt.

Das Endergebnis lässt somit auch nur bedingt Rückschlüsse auf unsere Befindlichkeit zu. St. Pauli war diesmal einfach viel zu schwach, als dass man es als Gradmesser für unser Leistungsvermögen betrachten könnte. Gleichwohl hat auch dieses Spiel wieder gezeigt, zu welch beeindruckenden Auftritten unsere nimmermüde Offensivabeteilung in der Lage ist. Und womöglich liegt hierin auch die einzige nachhaltige Lehre aus diesem Auswärtsspiel: Unsere Mannschaft ist hungrig und will immer noch einen Treffer oben drauf legen, ganz egal wie hoch man schon führt.

Das macht Hoffnung für die kommende Saison! Denn der insgesamt enttäuschende Verlauf dieser Saison dürfte bei vielen Spielern wieder Hunger auf Titel und Tore aufkommen lassen. Wenngleich letztere in Zukunft wohl nicht mehr so leicht fallen dürften wie heute.

Aber wie gesagt: Wir dürfen uns freuen über den 3. Platz! Und mit etwas Glück respektive Leverkusener Unvermögen ist sogar noch die direkte CL-Quali drin. Das Spiel gegen Stuttgart können wir in jedem Fall ganz entspannt angehen und auf einen versöhnlichen Saisonausklang hoffen. Und das stimmt doch irgendwie versöhnlich.