11.06.2010 um 19:43 Uhr
Geschrieben von Taktiker
Spielanalyse Südafrika - Mexiko
Mit dem heutigen Spiel Südafrika – Mexiko wurde die FIFA Weltmeisterschaft 2010 eröffnet. Obwohl niemand ein wirklich hochklassiges Spiel erwartet hatte, entwickelte sich besonders in der zweiten Halbzeit ein abwechslungsreicher Turnierbeginn, der auch mit einigen taktischen Besonderheiten aufwarten konnte...
Ein detaillierter Bericht zum Spielverlauf.
Grundaufstellung
Die Teams begannen in sehr unterschiedlichen Aufstellungen. Südafrikas Trainer Parreira bot ein einigermaßen klassisches 4-4-2/4-2-3-1 auf, wohingegen Mexikos Trainer Aguirre ein in Europa quasi unbekanntes 3-4-3 spielen ließ. Dieses 3-4-3 war allerdings nur in der Offensive vorhanden, in der Defensive rückten die beiden Flügelspieler zurück in die Verteidigung, und der in der Offensive als LIV spielende Marquez rückte ins defensive Mittelfeld vor. So entstand in der Defensive ein 4-1-4-1, in der Offensive entstand das genannte 3-4-3 System mit Rodriguez, Osorio und Marquez als Dreierkette, offensiven Außen und einem Dreiersturm.
Eine große Lücke bis zur ca. 65 Minute bestand bei den Mexikanern hinten links. Salcido rückte weit auf, und der dann in der Dreierkette links spielende Marquez orientierte sich eher zur Mitte, sodass teilweise 30m Platz auf der linken Seite der Mexikaner vorhanden waren. Diese Lücke hätten die Südafrikaner immer wieder nutzen können, doch mangelnde Übersicht und Genauigkeit verhinderten einen Rückstand der Mexikaner auf diese Weise.
Der Spielaufbau der Mexikaner war zweigeteilt. Zum einen versuchten sie den Ball zu behaupten und das Spiel mit Ballbesitz zu kontrollieren, dann schalteten sie aber auch blitzschnell um, gerade der agile dos Santos war ein ständiger Gefahrenherd und schaffte es immer wieder in gefährliche Zonen vorzudringen. Neben dem flachen Spielaufbau spielte Mexiko auch eine Anzahl von langen Bälle auf die Außenstürmer, die dann zusammen mit den nachrückenden "AV" eine kurzzeitige Überzahlsituation auf dem Flügel bekamen.
Bei Südafrika war besonders, dass die Außen eine sehr schwierige Aufgabe hatten, weil sowohl die Außenstürmer als auch die weit aufgerückten defensiven Flügelspieler Druck machten. So waren die Außen im Mittelfeld, Modise und Tschabalala, häufig sogar gezwungen sich in die Abwehrkette einzuordnen, so entstand vor allem in der 1. Halbzeit zeitweise eine 5er- oder sogar 6er-Kette vor dem südafrikanischem Strafraum.
Pienaar spielte überall auf dem Platz, mal holte er die Bälle tief ab und schleppte sie in die gegnerische Hälfte, mal spielte er den zweiten Stürmer oder ließ sich auf eine der Seiten fallen.
Der Spielaufbau der Südafrikaner war zu Beginn von Abspielfehlern und Unkonzentriertheiten geprägt, in der zweiten Halbzeit wurde dies dann deutlich besser und die Angriffsbemühungen der Gastgeber wurden somit druckvoller und gefährlicher. Südafrika spielte mit einer relativ hoch verteidigenden Abwehlinie, die restliche Mannschaft zog sich aber auch hinter die Mittellinie zurück, sodass ein sehr schmaler Korridor zum Kombinieren für Mexiko bestand. Dies erklärt wohl auch die vielen langen Bälle der Mexikaner, da sie mit ihren schnellen Außen so relativ einfach hinter die Abwehr gelangen konnten, was auch das eine oder andere Mal gelang.
Spielverlauf
Die offensive Spielweise der Mexikaner, drei Stürmer, dazu sehr offensive Außen, brachte auf der einen wie auf der anderen Seite Überzahlsituationen und Kontermöglichkeiten. Besonders große Probleme hatte Südafrika zu Beginn des Spiels in der Abwehrkette, gerade die Schnittstellen zwischen IV und AV waren sehr anfällig für Steilpässe oder Lupfer.
Die Anfangsphase geriet sehr hektisch, beiden Teams unterlaufen viele Fehlpässe und Stellungsfehler, doch Mexiko erwischt den besseren Start und kommt immer wieder gefährlich vors Tor, aber den Ball bekommen sie nicht über die Linie. Südafrika befreit sich mit der Zeit mehr und mehr aus dem Klammergriff der Mexikaner, aber deren Überlegenheit bleibt bis zur Halbzeit.
In den zweiten 45 Minuten ändert sich das Bild auf dem Platz, Südafrika hat zwar (gefühlt) immer noch weniger Ballbesitz, aber sie spielen nun sicherer in der Verteidigung, und kommen außerdem zu gefährlichen Kontern. Einen dieser Konter schließt Tschabalala gekonnt ab, nachdem die Südafrikaner nach Ballgewinn schnell und über wenige Stationen nach vorne gespielt hatten.
Mexiko ist nun komplett von der Rolle, und Südafrika übernimmt nach dem Führungstor komplett die Spielkontrolle. Ihr Passspiel ist nun sicherer, sie spielen ruhig aus der Abwehr heraus und haben die mexikanischen Konter gut im Griff. Nach einem weiteren Konter der Gastgeber hätten sie darüber hinaus einen Elfmeter zugesprochen bekommen müssen.
Doch in der 79. Minute erzielt Marquez den Ausgleich für die Mittelamerikaner, nachdem nach einem mexikanischen Freistoß die Hintermannschaft der Gastgeber komplett geschlafen hatte und drei einschussbereite Mexikaner bereit standen.
Nach dem Ausgleich wissen beide Teams nicht so recht, ob sie aufmachen sollen oder das Remis halten sollen. Es entsteht eine für diese Umstände relativ ereignislose Schlussphase, lediglich Mphela kommt noch einmal zum Abschluss, er trifft in der 90. Minute nur den Pfosten.
Fazit
Insgesamt ein gerechtes Remis zweier gleichwertiger Mannschaften. Mexiko hatte die bessere Spielanlage und die besseren Einzelspieler, Südafrika wusste mit Geschlossenheit und schnellen Kontern zu überzeugen.
Auf Seiten der Gastgeber überzeugten Torschütze Tschabalala und Torhüter Khune, der mit präzisen und weiten Abschlägen immer wieder für schnelle Gegenstöße sorgte. Bei den Mexikanern überzeugte vor allem Dos Santos.
Besonders interessant an dieser WM finde ich, dass man nicht nur die für Europa typische Viererkette sieht, sondern auch Dreierketten wie von Chile oder vielleicht Argentinien, dazu spielt Norkorea wahrscheinlich mit einer Fünferkette und Griechenland mit einem Libero.
Ich bin gespannt!
Ein detaillierter Bericht zum Spielverlauf.
Grundaufstellung
Die Teams begannen in sehr unterschiedlichen Aufstellungen. Südafrikas Trainer Parreira bot ein einigermaßen klassisches 4-4-2/4-2-3-1 auf, wohingegen Mexikos Trainer Aguirre ein in Europa quasi unbekanntes 3-4-3 spielen ließ. Dieses 3-4-3 war allerdings nur in der Offensive vorhanden, in der Defensive rückten die beiden Flügelspieler zurück in die Verteidigung, und der in der Offensive als LIV spielende Marquez rückte ins defensive Mittelfeld vor. So entstand in der Defensive ein 4-1-4-1, in der Offensive entstand das genannte 3-4-3 System mit Rodriguez, Osorio und Marquez als Dreierkette, offensiven Außen und einem Dreiersturm.
Eine große Lücke bis zur ca. 65 Minute bestand bei den Mexikanern hinten links. Salcido rückte weit auf, und der dann in der Dreierkette links spielende Marquez orientierte sich eher zur Mitte, sodass teilweise 30m Platz auf der linken Seite der Mexikaner vorhanden waren. Diese Lücke hätten die Südafrikaner immer wieder nutzen können, doch mangelnde Übersicht und Genauigkeit verhinderten einen Rückstand der Mexikaner auf diese Weise.
Der Spielaufbau der Mexikaner war zweigeteilt. Zum einen versuchten sie den Ball zu behaupten und das Spiel mit Ballbesitz zu kontrollieren, dann schalteten sie aber auch blitzschnell um, gerade der agile dos Santos war ein ständiger Gefahrenherd und schaffte es immer wieder in gefährliche Zonen vorzudringen. Neben dem flachen Spielaufbau spielte Mexiko auch eine Anzahl von langen Bälle auf die Außenstürmer, die dann zusammen mit den nachrückenden "AV" eine kurzzeitige Überzahlsituation auf dem Flügel bekamen.
Bei Südafrika war besonders, dass die Außen eine sehr schwierige Aufgabe hatten, weil sowohl die Außenstürmer als auch die weit aufgerückten defensiven Flügelspieler Druck machten. So waren die Außen im Mittelfeld, Modise und Tschabalala, häufig sogar gezwungen sich in die Abwehrkette einzuordnen, so entstand vor allem in der 1. Halbzeit zeitweise eine 5er- oder sogar 6er-Kette vor dem südafrikanischem Strafraum.
Pienaar spielte überall auf dem Platz, mal holte er die Bälle tief ab und schleppte sie in die gegnerische Hälfte, mal spielte er den zweiten Stürmer oder ließ sich auf eine der Seiten fallen.
Der Spielaufbau der Südafrikaner war zu Beginn von Abspielfehlern und Unkonzentriertheiten geprägt, in der zweiten Halbzeit wurde dies dann deutlich besser und die Angriffsbemühungen der Gastgeber wurden somit druckvoller und gefährlicher. Südafrika spielte mit einer relativ hoch verteidigenden Abwehlinie, die restliche Mannschaft zog sich aber auch hinter die Mittellinie zurück, sodass ein sehr schmaler Korridor zum Kombinieren für Mexiko bestand. Dies erklärt wohl auch die vielen langen Bälle der Mexikaner, da sie mit ihren schnellen Außen so relativ einfach hinter die Abwehr gelangen konnten, was auch das eine oder andere Mal gelang.
Spielverlauf
Die offensive Spielweise der Mexikaner, drei Stürmer, dazu sehr offensive Außen, brachte auf der einen wie auf der anderen Seite Überzahlsituationen und Kontermöglichkeiten. Besonders große Probleme hatte Südafrika zu Beginn des Spiels in der Abwehrkette, gerade die Schnittstellen zwischen IV und AV waren sehr anfällig für Steilpässe oder Lupfer.
Die Anfangsphase geriet sehr hektisch, beiden Teams unterlaufen viele Fehlpässe und Stellungsfehler, doch Mexiko erwischt den besseren Start und kommt immer wieder gefährlich vors Tor, aber den Ball bekommen sie nicht über die Linie. Südafrika befreit sich mit der Zeit mehr und mehr aus dem Klammergriff der Mexikaner, aber deren Überlegenheit bleibt bis zur Halbzeit.
In den zweiten 45 Minuten ändert sich das Bild auf dem Platz, Südafrika hat zwar (gefühlt) immer noch weniger Ballbesitz, aber sie spielen nun sicherer in der Verteidigung, und kommen außerdem zu gefährlichen Kontern. Einen dieser Konter schließt Tschabalala gekonnt ab, nachdem die Südafrikaner nach Ballgewinn schnell und über wenige Stationen nach vorne gespielt hatten.
Mexiko ist nun komplett von der Rolle, und Südafrika übernimmt nach dem Führungstor komplett die Spielkontrolle. Ihr Passspiel ist nun sicherer, sie spielen ruhig aus der Abwehr heraus und haben die mexikanischen Konter gut im Griff. Nach einem weiteren Konter der Gastgeber hätten sie darüber hinaus einen Elfmeter zugesprochen bekommen müssen.
Doch in der 79. Minute erzielt Marquez den Ausgleich für die Mittelamerikaner, nachdem nach einem mexikanischen Freistoß die Hintermannschaft der Gastgeber komplett geschlafen hatte und drei einschussbereite Mexikaner bereit standen.
Nach dem Ausgleich wissen beide Teams nicht so recht, ob sie aufmachen sollen oder das Remis halten sollen. Es entsteht eine für diese Umstände relativ ereignislose Schlussphase, lediglich Mphela kommt noch einmal zum Abschluss, er trifft in der 90. Minute nur den Pfosten.
Fazit
Insgesamt ein gerechtes Remis zweier gleichwertiger Mannschaften. Mexiko hatte die bessere Spielanlage und die besseren Einzelspieler, Südafrika wusste mit Geschlossenheit und schnellen Kontern zu überzeugen.
Auf Seiten der Gastgeber überzeugten Torschütze Tschabalala und Torhüter Khune, der mit präzisen und weiten Abschlägen immer wieder für schnelle Gegenstöße sorgte. Bei den Mexikanern überzeugte vor allem Dos Santos.
Besonders interessant an dieser WM finde ich, dass man nicht nur die für Europa typische Viererkette sieht, sondern auch Dreierketten wie von Chile oder vielleicht Argentinien, dazu spielt Norkorea wahrscheinlich mit einer Fünferkette und Griechenland mit einem Libero.
Ich bin gespannt!
Aufrufe: 6001 | Kommentare: 11 | Bewertungen: 12 | Erstellt:11.06.2010
ø 6.8
KOMMENTARE
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12.06.2010 | 18:33 Uhr
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La_Pulga :
@Taktiker: Gutes Ding!Mexicos Taktik hat mich sehr überrascht, war doch sehr ungewöhnlich... Vor allem weil Mexico in der zweiten HZ mit einer 4er Kette angefangen hat. Die Grenzen waren gar nicht so deutlich zu ziehen, war sehr verschwommen!
Auch in der Offensive war das ungewöhnlich, die drei Spitzen standen sehr weit innen, dadruch war Mexico sehr beweglich...
Bei SA wie Du sagst das schnelle umschalten sehr beeindruckend!
Eins bleibt festzuhalten: Defensiv war das bei beiden Teams nicht berauschend, gegen stärkere Gegner geht das in die Hose!
10 Points!
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12.06.2010 | 18:26 Uhr
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Taktiker :
@BlechbroetchenNatürlich war er auch auf der Linie top, die Abschläge waren nur eine Besonderheit in seinem Spiel, deswegen habe ich sie extra dazugeschrieben.
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12.06.2010 | 18:14 Uhr
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"Auf Seiten der Gastgeber überzeugten Torschütze Tschabalala und Torhüter Khune, der mit präzisen und weiten Abschlägen immer wieder für schnelle Gegenstöße sorgte. Bei den Mexikanern überzeugte vor allem Dos Santos."
Hierzu will ich sagen, dass Khune nicht bloß durch seine Abschläge positiv überrascht hat, sondern auch durch eine mehr als nur solide Torhüterleistung.
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12.06.2010 | 12:36 Uhr
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amicaro :
ganz großes tennis. mMn eine sehr sehr gute ergänzung zum spox spielbericht. danke, bitte mehr davon!
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12.06.2010 | 11:35 Uhr
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Antilell :
Armes Südafrika hätte ihnen den Sieg so gegönnt.
hätten sie meiner Meinung nach auch verdient gehabt obwohl sie zwar weniger vom Spiel hatten aber richtig gekämpft haben und dann kam durch den nichtgegebenen Elfmeter und den Pfostenschuss noch Pech hinzu :(
aber so ist es halt
Bafana Bafana!
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11.06.2010 | 21:19 Uhr
-1
Taktiker :
@pramelNein, um Gottes Willen!
Nur wenn ich Bock habe, wenn mir was auffällt oder wenn es nen besonders wichtiges Spiel ist denke ich.
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Statistik
Ist mir auch das ganze Spiel über aufgefallen, hat micht echt gewundert, dass das nicht genutzt wurde, starke Analyse, mehr davon!