Als Kind der DDR galt mein Fan Dasein zur damaligen Zeit ganz klar den heimischen Vereinen. Natürlich verfolgte man auch via Radio und TV gespannt die Fußball-Bundesliga und spätestens seit Anfang der 80-iger galten hier meine Sympathien dem Verein aus der bayrischen Landeshauptstadt und damit meine ich natürlich nicht den TSV 1860 München. Dies verdankte ich dem Umstand, dass mein erstes Geschenk, meines Stiefvaters, ein FC Bayern München Wimpel war.
Mein erstes und richtig prägendes Spiel erlebte ich am 27.Mai 1987. Es war das Endspiel in der Königsklasse, damals noch unter dem Namen Cup der Landesmeister bekannt. Hier trafen in Wien die Bayern auf den Außenseiter vom FC Porto. Das Spiel selber verfolgte ich zu Hause am Fernseher und die Enttäuschung war für mich, als damals noch 15-Jähriger, riesen groß. Zum ersten mal verspürte ich intensiv, was es heißt, zu verlieren. Zu sehen, wie sich der Kontrahent vor Freude in den Armen lag, wie er den Pokal in den Himmel reckte. Auf der anderen Seite, die sich vor Enttäuschung in den Armen liegenden Bayernfans.
Dieses einschneidende Erlebnis sollte meinen weiteren Weg prägen. Ich war mir sicher, irgendwann werde ich dabei sein, werde ich live im Stadion verfolgen wie mein, wie unser FC Bayern den Pokal in den Himmel reckt, wie der Kontrahent niedergeschlagen am Boden kauernd um Fassung ringt. Okay, es war damals, 1987 schwer vorstellbar, immerhin lebte ich ja noch hinter dem Eisernen Vorhang und die Wende war noch nicht absehbar. Vielleicht waren es auch nur Hirngespinste eines jugendlichen Teenagers, wer weiß aber dieser Gedanke lies mich nicht mehr los.
Auf internationalem Parkett waren die nächsten Jahre geprägt von Spielen in der Europa League oder teils bitteren Niederlagen in Halbfinal-Partien der Königsklasse. Irgendwie schaffte es der Verein nicht, das Niveau, welches zweifelsohne vorhanden war, über einen längeren Zeitraum zu halten. So gingen die Jahre ins Land. Der Eiserne Vorhang wich einem grünen Band, welches quer durch Deutschland verlief und aus dem Cup der Landesmeister wurde die Champions League. Ganze 12 Jahre mussten die Fans auf den 26.Mai 1999 warten. Endlich wieder ein Finale. Ein Endspiel gegen den englischen Meister Manchester United. Viel Wasser ist, seit dem Endspiel von Wien, die Isar hinabgeflossen. Endlich, wir hatten wieder die Möglichkeit, zu zeigen, dass wir auch in Europa eine führende Rolle einnehmen können.
"Und dann kam Solskjær"
Auch in diesem Spiel wurde man lange Zeit seiner Favoritenrolle gerecht. Allerdings verspielte man wie 1987 kurz vor Ende der Partie die 1:0-Führung. Besonders bitter hierbei war, dass die beiden Gegentore in der Nachspielzeit fielen. Wieder jubelte der Gegner. Wieder zeigten die TV-Bilder wie sich jubelnde Fans des Gegners vor Freude in den Armen lagen. Enttäuschung und Frust machten sich breit ob dem, was sich gerade dort auf dem Rasen abgespielt hatte. Man stand wieder kurz vor dem größtmöglichen Triumpf im Vereinsfußball, um am Ende doch mit leeren Händen da zustehen. Auch Tränen gehören zu einer Niederlage, genauso wie immer wieder aufzustehen. Aus Niederlagen kann auch Positives gezogen werden. Keine Ahnung ob dies eine typische FC Bayern Attitüde ist aber zumindest wird es dem Verein immer nachgesagt.
"Kahn wurde zum Titan"
Auch in mir machte sich so eine "JETZT ERST RECHT" Stimmung breit. Ich dachte mir. Es muss doch möglich sein, diesen verdammten Henkelpott nach 1976 endlich mal wieder nach München zu holen. Mein Wunsch und der vieler Millionen Bayernfans blieb nicht lange ungehört. Und so kam es, wie es kommen musste. Mailand am 23.Mai 2001 irgendwann abends kurz vor Mitternacht. Kahn hielt den Letzten, seiner insgesamt Drei gehaltenen, Elfern gegen Pellegrino und der Rest ist ja bekanntlich Geschichte. Der Jubel kannte keine Grenzen. Auch wenn man nicht im Stadion vor Ort war, so waren meine Gedanken bei all denen, die dort live dabei waren. Was hätte ich gegeben, um in diesen Moment bei ihnen zu sein. Dieses Feeling einmal zu genießen. Nicht neuerlich der Verlierer zu sein. 25 Jahre, in Worten ein viertel Jahrhundert nach dem letzten Triumph hielten wir endlich wieder diesen Pokal in unseren Händen. An den Rest dieser Nacht kann ich mich leider nur noch Schemenhaft erinnern.
Während in den nächsten Jahren für den FC Bayern in aller Regelmäßigkeit im Achtel- bzw. spätestens im Viertelfinale der Königsklasse Endstation war, sollten andere, besonders die Spanischen, englischen oder italienischen Teams, hier ihre Dominanz zum Ausdruck bringen. Es dauerte erneut gefühlt eine Ewigkeit, bis der Rekordmeister wieder einmal nach der Krone im europäischen Vereinsfußball greifen konnte. Und mal ehrlich. Es war schon etwas glücklich, dass wir am 22. Mai 2010 im Madrider Estadio Santiago Bernabéu im Finale auf Inter Mailand treffen konnten. Gerade wenn man Rückblicken auf die Spiele in der K.O Runde gegen Florenz oder Manchester United, blickt. Wer erinnert sich nicht an Wolff Fuss Robbääääääään. Dieses Tor treibt mir heute nach solange Zeit noch Tränen in die Augen.
"Ein Schreck Namens Diego Milito"
Im Finale gegen Inter Mailand war man dann leider chancenlos. Trotzdem war es eine geile Saison, gerade weil man auf so dramatischer Art und Weise ins Finale gekommen ist. Natürlich schmerzen Niederlagen aber auch hier konnte man viele positive Dinge mitnehmen. In der Niederlage Größe zeigen. Dem verdienten Sieger gratulieren. Sich auf die Fahne schreiben, gewisse Dinge in den nächsten Jahren besser zu machen. Diese Niederlage war erst der Anfang von etwas Großem. Zwar schied man im darauf folgenden Jahr mal wieder auf brutale Art und Weise gegen jenes Inter Mailand bereits im Achtelfinale aus aber:
"Wir waren gekommen um zu bleiben"
Das Spiel der Spiele aus Bayernfan Sicht sollte dann am 19.Mai 2012 folgen. Das Finale dahoam wie es so schön tituliert wurde stand auf dem Programm. Es elektrisierte ganz Fußball-Deutschland und insbesondere für die Fußballfans aus München war es das Nonplusultra. Ein Finale im eigenen Wohnzimmer. Leider konnte ich wie so oft keine Karte für dieses Finale ergattern und so machte ich es mir mit Freunden zu Hause bequem. Dass Fußball oft sehr schmerzlich und brutal sein konnte, zeigte sich an diesem Abend in seiner ganzen Deutlichkeit.
Das Grauen hatte einen Namen. Didier Drogba hieß an jenem lauschigen Mai-Abend der Partykiller. Stark ersatzgeschwächt gingen die Teams vom FC Bayern und Chelsea in dieses Finale. Unser Team war Herr im eigenen Hause aber versäumte es leider den Sack rechtzeitig zuzumachen. Müller und Drogba waren in der regulären Spielzeit die Torschützen. An Spannung und Dramatik war diese Partie nicht zu überbieten. Nun kam das, was wohl keiner haben wollte. Das Elfmeterschießen musste herhalten, um den Sieger zu ermitteln. Leider versagten Olic und Schweinsteiger an jenem Abend die Nerven. Es war die wohl bitterste Niederlage in der aktuell 115-jährigen Vereinsgeschichte. Es war unfassbar, was für Szenen sich nach Spielende im Stadion oder in München abspielten. Bitter für den Verein, seine Spieler und insbesondere für seine Fans. So eine Chance, eine Finale im eigenen Stadion zu bekommen, wird diese Spielergeneration wohl nicht mehr so schnell bekommen.
Aus dieser Finalniederlage und auch aus der verlorenen Meisterschaft zog der Verein diesmal die richtigen Lehren. Im darauf folgenden Jahr schaffte man erneut den Sprung ins Finale der Königsklasse. Das 3.Finale innerhalb von 4 Jahren. Und was soll ich sagen. Ich hatte Glück und durfte im Wembley Stadion live dabei sein. Mein erstes Finale. Ihr erinnert euch an den Anfang dieses Textes? Ein lang gehegter Wunsch wurde Wirklichkeit. Ich, der als Teenager zu DDR Zeiten davon träumte einmal dabei zu sein, hat es geschafft. Gegner war kein geringerer als der BVB. Kein leichtes Spiel für meinen Verein. Viele Gedanken schossen mir durch den Kopf. Bringt es Glück, das ich dabei bin? Was wenn wir verlieren? Letzteren Gedanken versuchte ich komplett, zu verdrängen. Das Schlimme war das Warten. Und mit jedem Tag, welches das Finale näher rückte, wurde es noch schlimmer. Dann war er da dieser ominöse Tag. Mein erster Blick ins Stadioninnere war Gänsehautfeeling pur. Ich war Teil einer wunderbaren Choreografie unserer Fans. Dann dieses atemberaubende Spiel. Der Rest ist ja bekanntlich Geschichte und kein anderer als Arjen Robben schrieb sie zu ende. Komischerweise war ich so gefangen in meinen Emotionen. Ich wusste nicht so recht wo hin damit.
Wild fremde Menschen lagen sich in den Armen. Alles war so anders als vor dem TV-Gerät. Alles in allem war es natürlich mein ganz persönlicher Höhepunkt in der langen Zeit meines Fan Daseins. Am nächsten Morgen ging zurück in die Heimat. Das Gefühl, welches mich an diesem Abend übermannte, verflog mit der Zeit, die Erinnerungen hingegen werden immer bleiben und wecken gleichzeitig die Sehnsucht nach mehr. Eine Woche später waren wir Triple-Sieger und das als erster deutscher Verein. Danke Jupp. Und hier schließt sich wieder der Kreis zum Anfang meines Textes. Solche Erlebnisse prägen dich. Sie machen Lust auf mehr aber gleichzeitig überkommt dich der Gedanke, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Man sollte es als Privileg sehen so etwas zu erleben. Es steckt harte Arbeit hinter solchen Erfolgen und trotzdem ist jene eben manchmal nicht genug um den Thron im Vereinsfußball zu erklimmen.
Der FC Bayern, meine Verein, ist gut aufgestellt. Er hat die besten Fans der Welt, die ein Gespür dafür haben, wann der Verein sie am meisten braucht. Und genau aus diesem Grund bin ich mir auch sicher, dass wir noch viele magische Nächte erleben werden, denn:
"Wir sind gekommen um zu bleiben"
Hatte Gänsehaut beim lesen!