Der Messias an der Säbener Straße.
Im Sommer war es so weit. Was viele im vergangenen Winter noch ins Reich der Fabel verwiesen, wurde Ende Juni zur Gewissheit. Pep Guardiola betrat nach seinem Sabbatjahr den heiligen Rasen am Münchener Trainingsgelände. Ich gebe zu, auch ich war letzten Winter von der Nachricht völlig überrascht. Man hat natürlich gehofft, dass es so kommt, wie es in den Medien schon lange spekuliert wurde. Ich dachte mir, diesen Mann, der als Spieler und Trainer alles erreicht hatte, kann sich der Verein doch nicht durch die Lappen gehen lassen.
Immer und immer wieder sagte ich, bitte lass es keine Ente der Medien sein. Vorab möchte ich aber noch betonen, dass ich allergrößten Respekt vor Jupp Heynckes und seiner Leistung beim FC-Bayern habe. Ob Heynckes nun freiwillig in seine verdiente Rente gegangen ist oder ob es der Verein ihn nahegelegt hat, spielt für mich hierbei überhaupt keine Rolle. Jupp Heynckes hat am Höhepunkt seiner Karriere und der mit Abstand besten Saison des Vereins aufgehört. So blöd es klingen mag, genau in solchen Momenten ist es an der Zeit, um etwas zu verändern. Neue Reizpunkte zu setzen, genau das, was der Verein nach Erfolgen in den letzten Jahren eben nicht gemacht hat.
14 Titel in 4 Jahren, so liest sich der Arbeitsnachweis von Pep Guardiola in Barcelona. Dieser Erfolg ist natürlich sein Verdienst, kann aber im neuen Verein auch zuweilen eine Last oder Bürde werden. Es ist klar ein Trainer mit so einer Reputation muss sich auch in München an Titeln messen lassen. Und die Fußstapfen die Heynckes hinterlassen hatte, konnten nicht größer sein. Triple-Sieger inklusive erfolgreichster Bundesligasaison. Mehr geht nicht. Pep Guardiola stellt sich dieser Aufgabe und bezeichnete eben jene als, Geschenk und Auszeichnung, für den FC-Bayern arbeiten zu dürfen. Wie ernst Guardiola seine Arbeit nimmt, konnte man bei seiner ersten Pressekonferenz hören und bestaunen. Für die Kürze seiner Lernzeit sprach er ein hervorragendes Deutsch und verblüfte manchen Journalisten.
Die Mannschaft
Trainingsauftakt, Trainingslager und Testspiele waren erste Möglichkeiten für Neutrainer Guardiola sich einen ersten Überblick über die Qualität des Kaders zu verschaffen. Das es während der Transferperiode Härtefälle geben wird war aus meiner Sicht nicht anders zu erwarten. Spieler kommen und gehen, auch wenn man es noch so sehr bedauert, wie in meinem Fall bei Mario Gomez. Es wurde viel spekuliert, warum er den Verein verlässt. Im Endeffekt ist es egal, er hat sich so entschieden und dies ist zu akzeptieren. Des Weiteren gingen Luiz Gustavo und Anatoliy Tymoshchuk. Dafür kamen andere Spieler zum Verein. Unteranderem kam ein Mario Götze vom Ligakonkurrenten aus Dortmund.
Dazu mit Thiago Alcantara ein Juwel aus Barcelona und der absolute Wunschspieler von Pep Guardiola. Wozu jener Thiago fähig ist, sah man schon vor seiner Verletzung. Götze und Thiago sind eben jene Spieler, die mit ihrer Qualität den Unterschied ausmachen können. Lange genug hat sich der Verein ja gegen Toptransfers gewehrt. Heute, auch dank Matthias Sammer weiß der Verein, um sich punktuell zu verbessern, muss man eben mal in der Bank links Richtung Festgeldkonto abbiegen, siehe letztes Jahr bei Javi Martinez.
Betrachtet man den Status quo, weiß man auch, warum der FC Bayern so einen qualitativ hochwertigen Kader braucht. Man muss endlich weg von den Gedanken einer ersten Stammelf. Heute ist ein Qualitätsmerkmal des Vereines, wenn er 15 -20 gleichwertige Spieler in seinen Reihen hat. Was musste man sich zu Saisonbeginn als Bayernfan anhören. "Schwächung der anderen Vereine" - "Die werden sowieso nur auf der Bank versauern". Halt die üblichen Stammtisch-Parolen. Heute sage ich, alles richtig gemacht FC-Bayern. Jeder, der beim Rekordmeister unterschreibt, weiß um die Brisanz und weiß auch, dass er mit Sicherheit nicht alle Spiele machen kann und wird. Im Vordergrund sollte das Team stehen. Wer da nicht mitzieht, wird durch Guardiolas Raster fallen, für den der Teamspirit an erster Stelle steht.
Kurzzeitige Störfeuer a´la FC Hollywood
Wenn ich aktuell auf die Tabelle schaue und manche Spiele Revue passieren lasse, muss ich immer schmunzeln. Oft muss man in der Zeitung von einer "Krise" lesen, weil man mit nur einem Tor Unterschied gewonnen hat. Mit dem IST-Zustand bin ich mehr als zufrieden. Nicht nur, dass man von Spiel zu Spiel Verbesserungen erkennen kann, nein, man steht sogar besser da als zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres. Damit habe ich persönlich nicht wirklich gerechnet. Ich dachte mir, es wird schwer werden zu Saisonbeginn und wir werden einen Holperstart über uns ergehen lassen müssen. Immerhin, neue Spieler mussten integriert werden, es gab einige verletzte zu beklagen, ein neuer Trainer mit gewissen Sprachbarrieren und andere Fußballphilosophie begann seine Arbeit in München, und - und - und. Für die Konkurrenz muss es sicherlich langweilig und ermüdend sein, denn immerhin thront der Titelverteidiger schon wieder an der Tabellenspitze. Für mich hingegen ist es im Moment die spannendste Phase des Vereins, die ich als Fan mitmache. Und ja ich kann mich noch immer an jedem Sieg der Roten erfreuen.
Man könnte der Meinung sein, es könnte nicht besser laufen und schon musste die schreibende Zunft mal wieder für Unruhe sorgen. Ein blindes unter Artenschutz stehendes Tier sollte schuld daran sein, das Erinnerungen a´la FC Hollywood wieder aufkamen. Aufstellungen und andere Mannschaftsinterna sollen nach außen gedrungen sein. Für den Trainer ist das mit Sicherheit sehr unangenehm und eine Vertrauensmissbrauch und so reagiert Pep Guardiola auch darauf. Allerdings kann man auch aus einer Mücke einen Elefanten machen. Viel befremdlicher finde ich, dass die Medien dieser Maulwurfdiskussion mehr Aufmerksamkeit schenkten als den sportlichen Dingen des Vereins.
Dinge die in dieser Saison bisher auffielen
- Der FC Bayern hatte anfangs noch mit den Neuerungen von Pep zu kämpfen. Wurde aber von Spiel zu Spiel besser. Inzwischen hat Pep auch einige seiner Wunschspieler zur Verfügung.
- Auch in München hat Guardiola mit Martinez, Thiago und Kroos ein magisches Dreieick zur Verfügung.
- Toni Kroos machte unter Guardiola die größten Fortschritte im Team. Seine Spielweise ist nicht spektakulär aber sehr wichtig für das Team.
- Ein gesunder Arjen Robben sprüht im Moment förmlich vor Selbstbewusstsein.
- Ein Verein der völlig gelassen mit der Steueraffäre ihres Präsidenten umgeht.
- Die Spielweise ist auf noch mehr Ballbesitz ausgelegt.
- Allerdings geht dies auf Kosten der Tore. Aktuell hat man hier etwas an Durchschlagskraft eingebüßt.
- Pep Guardiola zieht sein System, trotz zahlreicher Ausfälle Konsequent durch.
Was uns erwarten könnte
Guardiola spricht zurzeit sehr oft und offen davon, es sei noch nicht seine Mannschaft, sprich sie spielen noch nicht so, wie er es sich vorstellt. Auffällig ist auch, das man in Topspielen auch Topleistungen abrufen kann. Ich frage mich aber: "Wo führt das hin, wenn es erst mal Guardioals Mannschaft ist?" Nun, ich persönlich hoffe auf eine gute Vorbereitung für die Rückrunde und das alle zurzeit verletzten mit an Bord sind. Wenn wir dann alle Ideen von Guardiola noch mehr verinnerlichen, wird es für die Konkurrenz definitiv schwer, wenn nicht sogar unmöglich uns noch abzufangen.
Blickt man dazu noch einen Schritt voraus, mit den Gedanken im Kopf, dass sich nächstes Jahr zu dem bereits Top besetzten Kader, noch Lewandowski gesellen wird, muss man schon sagen, das ist absoluter Wahnsinn. Auch wenn ich Mandzukic sehr schätze, so finde ich, dass Lewandowski der kompletteste Stürmer der Liga ist. Eben jener Spieler, der den FC-Bayern auf dieser Position noch mal ein Stück weit besser machen wird. Aus sportlicher Sicht macht die Verpflichtung natürlich absolut Sinn, allerdings schwächt man wieder einen Kontrahenten, der auf dieser Position definitiv keinen 1:1-Ersatz finden wird.
Fazit
Der FC Bayern ist für die nächsten Jahre bestens aufgestellt. Neuer (27), Rafinha (28), Boa (25), Dante (30), Alaba (21), Thiago (22), Martínez (25), Kroos (23), Müller (24), Götze (21), Robben (29), Ribery (30), Lahm (30), Shaqiri (22), Contento (23), Mandzukic (27), Lewandowski (25) und dazu noch die junge Garde die nach oben drängt.
Sportlich wird man sich in der Liga nur selber schlagen können, wenn man die Dinge nicht ernst genug nimmt und möglicherweise nur auf die Champions League schaut. International hat der Verein seine Position noch mal gestärkt und untermauert. 3 Finals in 4 Jahren sprechen eine deutliche Sprache. Da der Verein auf einem gesunden Fundament steht und in diesem Jahr erstmals die 400 Millionen Euro Marke beim Umsatz übersprungen hat, wird man auch in Zukunft in der Lage sein, sich punktuell zu verstärken, auch wenn eben jene Verstärkungen entsprechendes Geld kosten werden. Hätte der Verein schon früher diese Denkweise an den Tag gelegt, würde man heute nicht über die größte Tragödie, das Finale dahoam reden.
- Martinez, Thiago und Kroos haben bislang gegen Braunschweig und lange Zeit gegen Moskau so zusammen gespielt. Da jetzt von magischen Dreieck zu sprechen und so wieder den Vergleich mit Barcelona hervorzukramen halte ich für falsch. Lahm und Schweinsteiger können und werden auf genau diesen Positionen auch in die Mannschaft rotieren, womöglich sogar auch wieder Götze. Im Moment ist das meiner Meinung nach so nicht zu sagen, zumal wir keine Stammelf haben in dem Sinne, weil eh immer 3-5 Mann verletzt gefehlt haben.
- Eine stetige Steigerung ist nur schwer zu erkennen. Die Gala-Vorstellungen dieses Jahr waren in Manchester und auf Schalke, seitdem wars immer wieder zäh, das Ergebnis gegen den BVB ist deutlich besser als der Spielverlauf. Selbst Braunschweig konnte aufbegehren, auch davor oftmals knappe Spiele mit vogelwilder Defensive, sei es Moskau, Pilsen oder sonst wer in der Liga ...
- Ballbesitz und Spielkontrolle sind schön und gut. Wenn der Ball weg ist, hat ihn die Defensive innerhalb von 5 Sekunden wieder in 2 von 3 Fällen, im dritten Fall aber brennts dann mitunter lichterloh.
Die Träumerei in die Zukunft ist schön, da bin ich bei dir, dass man früher schon mal teurer hätte einkaufen müssen - ja, stimmt schon, der Kader war dünn 2012 in der Spitze. Aber dieses Finale, bei dem ich bittere Tränen vergossen habe 15 Reihen hinter Manuel Neuer, das hätten wir auch mit dem jetzigen Team nicht gewonnen. Dieses Spiel sollten wir scheinbar einfach nicht gewinnen, so nah wie wir da schon oft dran waren ... Aber 12 Monate später hat sich ja doch noch alles zum Guten gewendet ;)
Kleine Anmerkung: Ich weiß ja dass Schweini gerade verletzt ist und er wird echt kämpfen müssen um gegen Kroos / Javi / Götze / Thiago Chancen zu haben, aber in deiner Aufzählung am Ende fehlt er mir trotzdem
Was mich dieses Jahr beim FC Bayern am meisten beeindruckt: Wenn es mal nicht so richtig läuft, ist man jederzeit in der Lage Taktik und System umzustellen. Das macht es den Gegnern noch schwieriger sich auf den FC B einzustellen.
Ich hoffe auch, dass mehr Wert auf die Jugendarbeit gelegt wird. Das Thema ist beim FCB leider inzwischen einbisschen vernachlässigt worden. In den U-Mannschaften müssten definitiv mehr Spieler vom FCB sein, dass dieses nicht so ist, unterscheidet uns leider noch sehr von Barcelona. Eine gute Jugenarbeit ist wirtschaftlich sinnvoller, als immer diese teuren Transfers.
Edit: Aber ich finde es auch ein wenig erschreckend, dass, wenn ich mir im Kicker die Kader der U-Nationalmannschaften durchlese, maximal ein bis zwei Bayern-Spieler insgesamt in allen Jugenden von U-15 bis U-21 dabei sind.
Bei der Jugend meinte ich auch weniger die Durchlässigkeit, als vielmehr die Arbeit an sich.
Finde, dass es einem deutschen Rekordmeister und Triple-Sieger zuzumuten ist, in einer der von drei (!) A-Jugend-Bundesliga-Staffeln höher als im unteren Tabellenmittelfeld angesiedelt zu sein. Eigentlich unnötig zu erwähnen, dass es schon komisch anmutet - bei allem Respekt für deren herausragende Jugendarbeit - dass man gegen Hansa Rostock in den Playoffs ausscheidet. Auch in der Youth League läuft da ja nicht viel zusammen.
Darüberhinaus schafft man es nicht mehr, junge Spieler für den FC Bayern begeistern: Brandt und Öztunali gingen zu Bayer, Sarr zu Dortmund etc. Und wir schauen regelmäßig in die Röhre.
Das meinte ich, aber ist eigentlich ja hier OT.
Zur Jugend. Nun ja der Sprung von der 4. in die 1. Liga ist schon enorm. Wenn die Amatuere aufsteigen und ggf der ein oder andere Luft per Leihe in der 2. Liga schnupper könnte wäre beiden Parteien sehr geholfen.
Ob man spielerisch schlechter ist weiß ich nicht. Man spielt heute anders, weil anderes System das ist klar. Man hat noch mehr Ballbesitz, schießt aber gleichzeitig weniger Tore. Ist für mich auch etwas dem Kader geschuldet. 14 verschiedene Startaufstellung in 14 Ligaspielen ist schon eine Aussage, sprich durch Verletzungen stand auch nie der komplette Kader zur Verfügung. Des Weiteren hat man das Gefühl das Pep noch für jeden Spieler die beste Position sucht.
Thiago ist Wunschspieler von Pep, dazu Kroos zurzeit in der Form seines Lebens und nicht wegzudenken. Martinez sehe ich im Paket am stärksten als 6er und den Vergleich mit Barcelona habe ich bewusst nicht geschrieben
bzgl. Finale 2012 sage ich, dass wir es mit der heutigen Bank gewonnen hätten. Der damalige Kader war Top allerdings nur in der Spitze und nicht in der Breite wie heute. Was konnte man denn 2012 einwechseln???
Recht gebe ich dir hingegen, dass noch lang nicht alles Gold ist was glänzt. Allerdings wegen Braunschweig sich aufregen ?? Für mich war das ein normaler und erwarteter Spielverlauf. Dortmund und Moskau in den Knochen, wenig Regenerationszeit und kaum Ersatzspieler. Die Jungs waren einfach platt.
Was mich sehr positiv stimmt, dass man in den wichtigen Topspielen auch Topleistungen abruft.