Januar: Thomas Broich
Thomas Broichs spätes Glück in Down Under - es ist eine der Geschichten, die der Sport schreibt. Kaum ein Werdegang zeigt, wie schnell es gehen kann und wie nah Erfolg und Misserfolg beinander liegen. Broich wechselt 2010 als gescheiterter und sich am Rande der Depression befindlicher Fußballer zu Brisbane nach Australien. Schade drum, sagen die einen. Was soll das denn werden, der ist doch erst 29, die anderen. Was Broich am anderen Ende der Welt widerfährt, ist Glück, rein und unverfälscht. Er gewinnt Titel und ist bald ein Superstar. Im Januar wird er als dreimaliger australischer Meister zum Spieler des Jahrzehnts gewählt und hat die Freude am Fußball wieder - und zeigt, warum er neben Lahm, Podolski und Schweinsteiger einst als Hoffnung des deutschen Fußballs ausgerufen wurde.
Februar: Rick van Beek
Triathlon 3,86 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren & 42,125 Kilometer Laufen. Der wohl anstrengendste Sport gilt als Grenzerfahrung. Tausende streben sie an, auch Rick van Beek aus Michigan, USA. Das Besondere dabei: Der 41-jährige ist nicht allein. Bei jedem seiner Rennen ist seine Tochter Maddy, 15, dabei. Nicht am Seitenrand, sondern mittendrin. Maddy leidet an Zerebralparese, sie kann weder sprechen, noch laufen. Rick van Beek zeiht seine Tochter in einem Schlauchboot hinter sich her, er zieht sie mit seinem Rad in einem Anhänger und er schiebt sie beim Marathon neben sich her. Auch im Februar. Maddy lacht dabei fast die ganze Zeit. Die Geschichte von Rick van Beek und Maddy, selten bildeten Sport und Menschlichkeit eine so wunderschöne Symbiose.
März: Anna Schaffelhuber
Achter März 2014, Paralympics in Sotschi. Anna Schaffelhuber, 21, atmet noch einmal durch und stürzt sich dann die Abfahrt herunter. Sie schießt auf ihrem Monoskibob dem Ziel entgegen. Ihre Bewegungen sind flüssig und das Tempo sieht medaillenverdächtig aus. Im Ziel die Gewissheit: Anna hat Gold! Schaffelhuber ist querschnittsgelähmt und zeigt, dass sie unschlagbar ist in diesen magischen Olympiatagen in März von Sotschi. Vier weitere Starts, vier weitere Goldmedaillen. Fünf Mal Gold, Schaffelhuber zeigt, welche Leistungen Sportler mit Behinderung vollbringen können und ist die erfolgreichste Sportlerin Deutschlands 2014, jede Auszeichnung des Jahres, Schaffelhuber hätte sie alle verdient!
April: Maryam Tousi
Maryam Tousi war immer schneller als die anderen. Sie träumte von einem Beruf, in dem sie ihr Talent ausüben könne: Das Rennen. Das Problem: Tousi ist Iranerin. Sie als leichtbekleidete Athletin? Ein Ding der Unmöglichkeit. Jahre später rennt Tousi, zu Gold über 200m bei den Asian Indoor Championchips. Sie trägt ein Kopftuch und lange Hosen und strahlt nach ihrem Triumph. Bei Olympia 2012 in London wird sie der Welt bekannt. Sie verliert mit Riesenabstand, aber das ist egal, darum geht es nicht. Maryam Tousi lebt ihren Traum, sie hat Widerstände überwunden und ist ein Vorbild. Nicht nur in Asien, sondern für Frauen auf der ganzen Welt.
Mai: Salvador Cabanas
Im Mai beendet Salvador Cabanas seine Fußballkarriere. Südamerikas Fußballer des Jahres 2007, 44 Länderspiele; auf den ersten Blick nichts Spektakuläres, auf den zweiten schon. Denn es grenzt an ein Wunder, dass Cabanas nach dem 25. Januar 2010, überhaupt noch einmal Fußball spielen konnte - und, dass er noch lebt. Denn damals schoss ihm auf einem Klubklo José Jorge Balderas in den Kopf. Cabanas überlebt schwer verletzt und steht schon im August 2011 wieder auf dem Fußballplatz. Auch wenn er nie wieder auf Topniveau spielen konnte. Danke für deine Tore, danke für deine bulligen Zweikämpfe. Danke, Salvador Cabanas!
Juni: Danny Washington
2014, Deutschland ist Europameister! Moment, wurden Götze und Co. Nicht Weltmeister? Klar, aber Washington und Co. Wurden Europameister. Die gleiche Teamenergie, die gleichen leuchtenden Gesichter in der Nacht nach dem Finalsieg. Washington, ist einer der Hauptfiguren im Wiener Ernst-Happel-Stadion, als Deutschland sich zum American Football Europameister krönt. Der Runningback hat in der EM sieben Touchdowns gesammelt. Das 30:27 über Österreich sehen in Wien 27.000 Menschen, in Deutschland reicht der Titel nicht einmal zu Randmeldungen. Schade drum, Washington und sein Team haben Großes geleistet.
Juli: José Paca
Der Preis ist zwar schön, darum geht es aber nicht. Es geht darum Menschen zu erreichen und etwas zu bewegen, sagt José Paca, 53, aus Erfurt. Im Juli wird der Vorsitzende des Ausländerrats mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Für seine Arbeit, seinen Einsatz. Gegen Rassismus, für Menschlichkeit. In Würde zu leben, das sollte das Recht von jedem sein, sagt der gebürtige Angolaner. Wir alle sind Menschen, das lebt Paca. Gäbe es mehr wie ihn, wäre die Welt ein besserer Ort. Das aber ist sie nicht: Im August wird Paca in Erfurt attackiert. Zwei Männer bedrohen ihn mit Messer und Pistole und beschimpfen ihn als Neger. Aktionen wie diese sind es, die fassungslos machen und zeigen: Rassismus und Ausländerhass sind Teile von Deutschland. Trotz Auschwitz der Katastrophe Holocaust.
August: Yarred Shegumo
Es ging ihm schlecht, Geld fehlte an allen Ecken und Enden. Er ging nach London und nahm Hilfsjobs an, der Traum von einem Leben als Sportler war für Yarred Shegumo 2009 in weiter Ferne. 2014 holt der in Äthiopien geborene Pole Silber bei der EM in Zürich. Ich hatte einen Traum. Ich rannte, während die Kinder am Rand meinen Namen riefen, sagte Shegumo. 2014 wird der Traum Wirklichkeit. Vom mittellosen Minijobber zu Silber bei einer EM. 2:10:34 Stunden war seine Zeit in der Schweiz. Sein nächstes Ziel sollen 2:09 Stunden werden. Shegumo ist ein Kämpfer, er wird auch das schaffen.
September: Alexander Fangmann
Fangmann sprintet, ein wenig tastend, aber das Tempo ist beachtlich. Dann zieht er ab. Mit dem Vollspann. Der Ball schlägt rechts unten ein. Es ist sein siebtes Saisontor. Eine ganz normale Szene eines Hobbykickers? Nicht ganz. Fangmann ist blind. Er ist Kapitän der deutschen Nationalmannschaft und wurde nach acht Siegen aus acht Spielen mit dem MTV Stuttgart 2014 wiederholt deutscher Meister. Er ist einer der Stars des Blindenfußballs. 2014 geht es nach Tokyo. WM. Wie die Sehenden. Es ist ein Novum und macht Fangmann stolz. Als Kapitän eine EM zu erleben, dafür lebt man doch den Sport, sagt er. Im Viertelfinale ist gegen Japan Schluss. Egal, Fangmann ist stolz auf seine Jungs. Wir kommen wieder, verspricht er und strahlt dabei.
Oktober: Berlin Bruisers
Rugby ist ein harter Sport. Bärtige Männer werfen sich aufeinander und rammen sich in vollem Tempo, um das Ei zu ergattern. Die Berlin Bruisers schauen grimmig zum Gegner hinüber. Im Spiel zeigen die Berliner schöne Laufwege und unerbittliche Tacklings. Sie gewinnen am Ende verdient. Bei den Bruisers spielen ausschließlich Homosexuelle, der Rugby-Klub steht für Toleranz und ist der erste Rugby-Verein für Schwule. Fast 35 Bruisers sind es inzwischen. Es ist ein Kampf um Punkte auf dem Feld und gegen Homophobie außerhalb. Anfeindungen gehören zum Alltag, erzählt Dave, ein Ire mit Undercut und Bart. Dann lacht er schallend und sagt: Wahnsinn, was für Idioten da draußen rum laufen. Das Team boomt, Sponsoren haben sich gefunden, die Bruisers waren bei internationalen Turnieren und müssen immer wieder lachen, wenn sich Teams wundern, dass sie genau so unerbittlich spielen wie die anderen Teams.
November: Francesco Acerbi
Acerbi weint, als er die Diagnose erhält. Hodenkrebs. Das war im Juni 2013. Die Karriere als Fußballer vorbei, sagt der Doktor. Er bezwingt den Krebs, ehe er im Dezember selben Jahres zurück kehrt. Er kämpft und arbeitet hart an sich.
Am 18.11.2014 debütiert er in der italienischen Nationalmannschaft, der er als kleiner Junge zugejubelt hat. Beim 1:0 gegen Albanien grätscht der Sassuolo-Verteidiger den Ball virtuos ins Seitenaus. Er ballt die Fäuste und blickt kurz nach oben, wo auf der Tribüne seine Mutter sitzt. Die Kamer fängt sie ein, sie weint und Acerbi auch. Nach dem Spiel. Große Momente. Hierzulande kaum bemerkt. Schade, denn Tage wie diese mach den Sport zu dem, was er ist.
Dezember
Ein langes und ereignisreiches Sportjahr ist zu Ende. Der große Triumph von Rio, Sotschi. Klar, das bleibt hängen. Fernab der Scheinwerfer aber gab es viele, viele Sportler, die unbeachtet Großes leisteten. Männer und Frauen, die trotz Handicap weltklasse verkörpern. Männer und Frauen, auf die sich ein Blick lohnt. Also: 2015 raus aus dem Wohnzimmer und hinein in die Hallen und Stadien der Randsportarten und zu den stillen Protagonisten der Sportwelt.
Einfach Ü-ber-ra-gend!!! dieser Blog von Dir Broich!!!
Soviele unbekannte Geschichten. Ich finde es immer wieder bemerkenswert, wo Du diese immer hervorhollst. Vielen Dank dafür, es macht immer wieder Spaß und Freude Deine Blögge zu lesen!! Mal schauen, mit was Du uns im neuen Jahr beglückst!