27.12.2012 um 16:04 Uhr
Geschrieben von vanGaalsNase
Taktik-Jahresrückblick 2012 II
Das Ziel dabei ist es, die Vorteile des Kurzpassspiels zu neutralisieren: Mittels des ballorientierten Verteidigens wird versucht, am Ball Überzahl zu erzeugen um ihn permanent unter Druck setzen zu können, sodass der Gegner zu Fehlern und damit zu Ballverlusten gezwungen wird. Dafür muss sich die defensive Mannschaft aber ständig bewegen. Diese Bewegungen sind es jedoch, die Räume zwischen den einzelnen Gliedern der Verteidigung öffnen, die von der ballführenden Mannschaft per schnellen Kurz- und Wechselpässen genutzt werden können, um vor allem durchs Zentrum zum Abschluss zu kommen. Verbleiben die Verteidiger jedoch im Zentrum, ohne dass sie ständig Überzahl am Ball - insbesondere, wenn dieser auf außen ist - erzeugen, können kaum Lücken entstehen.
So entwickelte etwa Jose Mourinho bereits bei Inter Mailand einen Verteidigungsstil, welcher Elemente der Raumdeckung verwendete, wenn die Innenverteidiger nicht den Ball attackierten oder sich zu ihm verschoben, sondern strikt im Zentrum vor dem eigenen Strafraum verblieben. Ferner wandten die zentralen Mittelfeldspieler (häufig Cambiasso) Manndeckung an, um die in die Spitze rückenden Mittelfeld-spieler des Gegners zu verfolgen, anstatt sie, wie üblich, zu übergeben. So entstand nicht selten eine Fünferkette und eine permanente Überzahl an kopfballstarken Verteidigern (Lucio & Walter Samuel) in der Mitte. Auf diese Weise wurde eine schier undurchdringliche Mauer gebildet, an der sowohl der FC Barcelona, als auch der FC Bayern München in Halbfinale und Finale der Champions League-Saison 2009/10 scheiterten.
Der FC Chelsea unter Roberto di Matteo nutzte ähnliche Mittel gegen die beiden FCB’s und wurde damit ebenso wie Inter zwei Jahre zuvor Sieger der CL. Im 4-5-1 konnte durch ein flaches Fünfermittelfeld in der Breite viel Raum abgedeckt werden, ohne Lücken entstehen zu lassen. Dabei empfing man den Gegner tief in der eigenen Hälfte, während die Spitze (Drogba, X) kaum Bindung zur übrigen Mannschaft hatte.
Ging der Ball nach außen, attackierte nur ein ballnaher Verteidiger den Ballführer, wobei durch eventuelles Kreuzen zwischen dem ballnahen Außenverteidiger (D) und seinem Vordermann (H) die Viererkette am oder im eigenen Strafraum bestehen blieb.
In der Bundesliga schaffte es Jos Luhukay als Trainer des FC Augsburg, mit einer Manndeckung im Mittelfeldzentrum (etwa beim 0:0 gegen den BVB) den Klassen-erhalt frühzeitig zu sichern. Dank der engen Deckung des Mittelfelddreiecks, kann der Ball hier ständig unter Druck gesetzt werden, sodass der gegnerische Spiel-aufbau früh nach außen gezwungen wird. Weil die Verteidigung sich aber weiterhin aufs Zentrum konzentriert, können etwaige Flanken gut abgewehrt werden.
3. Flanken
Resultierend aus dieser Fokussierung der Deckung des zentralen Spielfeldbereichs mittels Mann- und/oder Raumdeckung und wegen der Rückkehr der Doppelspitze ist es zunehmend notwendig geworden, auch wieder über die Außen mittels Flanken zum Torerfolg zu kommen, wo vorher der Weg durchs Zentrum favorisiert wurde.
In der CL-Saison 2010/11 fielen 82 von 355 Toren nach Steilpässen aus dem Zentrum in den Strafraum (27 mehr als 2009/10). Diese Variante stellte mit 23% diejenige Torentstehungsoption dar, welche am häufigsten zum Erfolg führte. Nimmt man nur die Tore, die aus dem laufenden Spiel fielen, entsprechen diese 82 Treffer gar 30%.
Währenddessen verzeichnete das Erzielen von Toren nach Flanken einen quanti-tativen Rückschritt. Es fielen 57 nach Flanken (16% aller Tore; 20% aus dem laufenden Spiel). In der Vorsaison (2009/10) lagen die Werte noch bei 19% insgesamt und 26,5% der aus dem Spiel heraus erzielten Toren und stellten mit 63 von 320 Treffern die effektivste Torentstehungsvariante dar. Tore nach Steilpässen aus dem Zentrum fielen 2009/10 "nur" 55 mal.
In Folge der wiederkehrenden Mann- und Raumdeckung im Zentrum waren die angreifenden Mannschaften 2011/12 gezwungen, vermehrt das Spiel über die Flügel zu suchen. Dementsprechend stiegen die Quoten für Tore nach Flanken wieder: mit 62 von 345 Toren stellten sie 18% aller Torentstehungsmöglichkeiten dar und 23% aller aus dem Spiel heraus erzielten Tore. Tore nach Pässen durchs Zentrum fielen 64 mal und damit zwei mehr als nach Flanken. Gegenüber 2010/11 bedeutete dies aber einen gravierenden Rückschritt (von 23% auf 18,5% gesamt; von 30% auf 24% aus dem Spiel heraus).
Bei der EURO 2012 fielen mit 21 von 76 Toren gar 35% aller aus dem Spiel heraus erzielten Tore nach Flanken (28% aller Tore). Mit 15 fielen knapp 20% aller Tore nach Pässen durchs Zentrum.
Gemäß dieser Angleichung der Torentstehungsvarianten werden vielseitige Anforderungen an die Außenbahnspieler gestellt. So darf etwa der inverse Flügelspieler, welcher in den vergangenen 4 Jahren einen wichtigen Trend darstellte, nicht verschwinden. Dieser sollte auch weiterhin selbst mittels Dribbling den Weg ins Zentrum suchen. Das Flanken obliegt dann stärker den (u.U. hinterlaufenden) Außenverteidigern.
Fazit 2012 und Ausblick für 2013 Während die vergangenen Jahre - bedingt durch die beispiellosen Erfolge des FC Barcelona und der spanischen Nationalmannschaft seit 2008 - davon geprägt waren, dass neue Angriffswege entwickelt wurden, zeichnete sich das Jahr 2012 auch durch eine Wiederkehr passiver Deckungstrategien aus. Das ballorientierte Verteidigen wurde um Elemente einer stärker raum- und/oder mannorientierten Deckung im Zentrum erweitert; das enge Zentrum durch Dreierketten unterstützt. Damit wird auf den Außen weniger Überzahl in Ballnähe hergestellt; die Mitte aber bleibt zu.
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So entwickelte etwa Jose Mourinho bereits bei Inter Mailand einen Verteidigungsstil, welcher Elemente der Raumdeckung verwendete, wenn die Innenverteidiger nicht den Ball attackierten oder sich zu ihm verschoben, sondern strikt im Zentrum vor dem eigenen Strafraum verblieben. Ferner wandten die zentralen Mittelfeldspieler (häufig Cambiasso) Manndeckung an, um die in die Spitze rückenden Mittelfeld-spieler des Gegners zu verfolgen, anstatt sie, wie üblich, zu übergeben. So entstand nicht selten eine Fünferkette und eine permanente Überzahl an kopfballstarken Verteidigern (Lucio & Walter Samuel) in der Mitte. Auf diese Weise wurde eine schier undurchdringliche Mauer gebildet, an der sowohl der FC Barcelona, als auch der FC Bayern München in Halbfinale und Finale der Champions League-Saison 2009/10 scheiterten.
Der FC Chelsea unter Roberto di Matteo nutzte ähnliche Mittel gegen die beiden FCB’s und wurde damit ebenso wie Inter zwei Jahre zuvor Sieger der CL. Im 4-5-1 konnte durch ein flaches Fünfermittelfeld in der Breite viel Raum abgedeckt werden, ohne Lücken entstehen zu lassen. Dabei empfing man den Gegner tief in der eigenen Hälfte, während die Spitze (Drogba, X) kaum Bindung zur übrigen Mannschaft hatte.
Ging der Ball nach außen, attackierte nur ein ballnaher Verteidiger den Ballführer, wobei durch eventuelles Kreuzen zwischen dem ballnahen Außenverteidiger (D) und seinem Vordermann (H) die Viererkette am oder im eigenen Strafraum bestehen blieb.
Hatten Barca oder Bayern (rotes Team) den Ball auf außen, ließ Chelsea nur einen Verteidiger gegen den Ball attackieren. Die übrigen Verteidiger standen als Block weiterhin im Zentrum. So wurde aus der Vierer- quasi eine Fünferkette, vor der eine weitere Viererkette die Mitte verengte. Die Spieler Barcas/Bayerns, die weiter vom Strafraum der Engländer entfernt standen, wurden freigelassen. Nur der Bereich unmittelbar am Strafraum wurde besetzt. Durch die Fünferkette war ein Dribbling ins Zentrum aussichtslos; eine Flanke konnte kaum erfolgreich enden. Dabei wurde der Ballführer selten unter Druck gesetzt. Lediglich der Raum und somit auch mögliche Schusswege wurden einfach verbarrikadiert.
In der Bundesliga schaffte es Jos Luhukay als Trainer des FC Augsburg, mit einer Manndeckung im Mittelfeldzentrum (etwa beim 0:0 gegen den BVB) den Klassen-erhalt frühzeitig zu sichern. Dank der engen Deckung des Mittelfelddreiecks, kann der Ball hier ständig unter Druck gesetzt werden, sodass der gegnerische Spiel-aufbau früh nach außen gezwungen wird. Weil die Verteidigung sich aber weiterhin aufs Zentrum konzentriert, können etwaige Flanken gut abgewehrt werden.
3. Flanken
Resultierend aus dieser Fokussierung der Deckung des zentralen Spielfeldbereichs mittels Mann- und/oder Raumdeckung und wegen der Rückkehr der Doppelspitze ist es zunehmend notwendig geworden, auch wieder über die Außen mittels Flanken zum Torerfolg zu kommen, wo vorher der Weg durchs Zentrum favorisiert wurde.
In der CL-Saison 2010/11 fielen 82 von 355 Toren nach Steilpässen aus dem Zentrum in den Strafraum (27 mehr als 2009/10). Diese Variante stellte mit 23% diejenige Torentstehungsoption dar, welche am häufigsten zum Erfolg führte. Nimmt man nur die Tore, die aus dem laufenden Spiel fielen, entsprechen diese 82 Treffer gar 30%.
Währenddessen verzeichnete das Erzielen von Toren nach Flanken einen quanti-tativen Rückschritt. Es fielen 57 nach Flanken (16% aller Tore; 20% aus dem laufenden Spiel). In der Vorsaison (2009/10) lagen die Werte noch bei 19% insgesamt und 26,5% der aus dem Spiel heraus erzielten Toren und stellten mit 63 von 320 Treffern die effektivste Torentstehungsvariante dar. Tore nach Steilpässen aus dem Zentrum fielen 2009/10 "nur" 55 mal.
In Folge der wiederkehrenden Mann- und Raumdeckung im Zentrum waren die angreifenden Mannschaften 2011/12 gezwungen, vermehrt das Spiel über die Flügel zu suchen. Dementsprechend stiegen die Quoten für Tore nach Flanken wieder: mit 62 von 345 Toren stellten sie 18% aller Torentstehungsmöglichkeiten dar und 23% aller aus dem Spiel heraus erzielten Tore. Tore nach Pässen durchs Zentrum fielen 64 mal und damit zwei mehr als nach Flanken. Gegenüber 2010/11 bedeutete dies aber einen gravierenden Rückschritt (von 23% auf 18,5% gesamt; von 30% auf 24% aus dem Spiel heraus).
Bei der EURO 2012 fielen mit 21 von 76 Toren gar 35% aller aus dem Spiel heraus erzielten Tore nach Flanken (28% aller Tore). Mit 15 fielen knapp 20% aller Tore nach Pässen durchs Zentrum.
Gemäß dieser Angleichung der Torentstehungsvarianten werden vielseitige Anforderungen an die Außenbahnspieler gestellt. So darf etwa der inverse Flügelspieler, welcher in den vergangenen 4 Jahren einen wichtigen Trend darstellte, nicht verschwinden. Dieser sollte auch weiterhin selbst mittels Dribbling den Weg ins Zentrum suchen. Das Flanken obliegt dann stärker den (u.U. hinterlaufenden) Außenverteidigern.
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Aufrufe: 6511 | Kommentare: 20 | Bewertungen: 17 | Erstellt:27.12.2012
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KOMMENTARE
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10.01.2013 | 18:06 Uhr
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Die Nachteile entstehen nicht aus der Grundformation (hier 3-5-2), sondern eher aus den taktischen Unzulänglichkeiten der Spieler. Es kann tatsächlich nicht jeder Dreierkette spielen. Hat unsere N11 ja gegen die Ukraine gezeigt (mal davon abgesehen, dass sie insgesamt Schwächen bei gegnerischem Ballbesitz hat). Aber die Italiener haben den Spaniern mit ihrem 3-5-2 ganz schöne Probleme bereitet. Und die haben die Dreierkette gerade deswegen genutzt, weil sie im Zentrum Überzahl wollten. Damit bewiesen sie die Vorteile einer solchen Grundformation, sofern man die taktischen Fähigkeiten mitbringt.
Juve zeigt mit dem 3-5-2 auch immer wieder gute Spiele. Bin echt gespannt, wie sie sich weiterhin in der CL schlagen.
@ CaptainAhab: Für eine Dreierkette empfehlen sich technisch solide Spieler, die taktisch auf einem sehr hohen Niveau sein müssen. Im Prinzip müssen sie sowohl die Position des Innenverteidigers einer Viererkette beherrschen, als auch die Sechserposition. Khedira, Pique, Lahm, Busquets und evtl. Schweinsteiger wären solche Spieler. Zwar habe ich Lahm noch nie als IV gesehen, aber als Sechser ist er wahrlich nicht schlecht.
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10.01.2013 | 17:23 Uhr
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Vallasan :
Ich wollte nicht pauschalisieren, dass jeder IV genannte Schwächen hat, doch ist es zumindest aktuell so, dass quasi jeder Außenspieler (sei es offensiv oder defensiv) kleiner und quirliger ist, als der Durchschnitts-IV.Desweiteren will ich eigentlich nicht von einer 1vs1-Situation ausgehen, weil ich ein großer Verfechter eines sehr intensiven Pressings bin, bei dem immer mindestens gedoppelt wird.
Doch wenn du sagst, dass alle Zentrumsspieler bei einem modernen 3-5-2 ihre Position relativ stark halten sollten, ergibt sich für den Außenspieler genau diese Situation.
Ich bin leider schon in den "Genuss" gekommen, sämtliche Positionen, sowohl in einer Dreier- als auch in einer Viererkette bekleidet zu haben. Und meiner Erfahrung nach ist die Dreierkette genau dann ein Problem, wenn die gegnerische Mannschaft das Spiel macht, somit die eigene tief steht. Dann ist es nämlich oftmals so, dass sich auf wenigen qm 6-10 Spieler befinden, was eine Zuordnung, vor allem bei Flanken (die eben m. M. n. bei einem 3-5-2 häufiger eingesetzt werden), deutlich erschwert.
Selbstverständlich besitzen Profis ganz andere taktische und fußballerische Fähigkeiten, dennoch ist eine Dreierkette in der Hinsicht gegenüber einer Viererkette im Nachteil.
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08.01.2013 | 21:06 Uhr
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Ich bin nicht damit einverstanden, wenn du sagst, IV seien unbeweglich und hätten Schwächen im Spielaufbau. Das ist nämlich immer seltener der Fall. Außerdem gehst du zu oft von direkten 1-gegen-1-Situationen aus. Dabei sind es häufig Mehrkämpfe, die Spieler wie Ribery bestreiten müssen. Es mag ja sein, dass die Bayern gegen Juve Vorteile auf den Außen haben würden; aber dafür ist das Zentrum umso enger und schwieriger zu bespielen.
Mehr Spieler = mehr Unordnung? Ein ganz klares "NEIN!" von mir. Ich glaube, du hast selbst noch nie die Erfahrung gemacht, in einer Mannschaft zu spielen, die ballorientiert verteidigt. Denn da geht es immer darum, sich primär nach dem Ball zu richten. Wenn man das beherrscht, verfällt man so gut wie nie in Unordnung.
Lies dir mal die jüngsten Artikel zur Mann- und Raumdeckung der Seite spielverlagerung.de und mein Blog zur Viererkette durch.
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08.01.2013 | 20:36 Uhr
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Vallasan :
Danke für die Information mit den Statistiken, werde ich mir in Zukunft öfter mal zu Gemüte führen.Ja, so war die Frage gemeint, auch, ob du letztendlich eine Dreier- oder eine Viererkette bevorzugen würdest.
Das Problem mit 3 Innenverteidigern ist in meinen Augen, dass schnell und unter Druck die Laufwege von 3 Spielern in einem kleinen Feld koordiniert werden müssen. Ich weiß nicht recht, wie ich das ausdrücken soll. Irgendwie nach dem Motto: Mehr Spieler -> größere Unordnung.
Und selbst wenn das einwandfrei funktionieren sollte, steht zwangsläufig irgendwo anders ein Mann weniger zur Verfügung, sei es in der Defensive oder für einen möglichen Konter.
Und zum letzten Punkt: Das sehe ich nicht ganz so. Nehmen wir an, Bayern spielt gegen Juventus. Dann hieße das "Duell" Alaba & Ribery gegen Lichtsteiner. Erstgenannte sind äußerst offensivstark, während Lichtsteiner sowieso das gesamte Spiel über ein höheres Laufpensum absolvieren muss. Ohne Unterstützung aus dem ZM wird sehr schnell Ribery im Strafraum einem IV (die naturgemäß eher unbeweglich sind) im 1vs1 gegenüberstehen. Ich gehe eher davon aus, dass einer der ohnehin laufstarken Mittelfeldspieler Lichtsteiner unterstützen wird/muss, was zu einer Überzahl in der Zentrale VOR den Innenverteidigern führt.
Also - um beim Beispiel zu bleiben - wird sehr schnell die Seite gewechselt, wo Asamoah 2 Bayern vor sich hat.
Sollte dann tatsächlich mal Juve den Ball erobern, kann nicht gekontert werden, weil so 8 Feldspieler in der Defensive gebunden sind, während es bei einem 4-2-3-1 meist auf beiden Seiten und in der Mitte Anspielstationen gibt.
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08.01.2013 | 16:31 Uhr
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Was meinst du mit Meinung? Ob ich bestimmte taktische Mittel und Ausrichtungen favorisiere? Ich bevorzuge ein aktives Spiel: Ballbesitzorientiertes Positionsspiel und aggressives Pressing. Allerdings kann ich mich an sämtlichen taktischen Mitteln erfreuen, sofern sie auf einem ansprechenden Niveau betrieben werden. So mag ich zwar Dortmunds Verhalten bei gegnerischem Ballbesitz, bin aber nicht mit ihrem Offensivspiel einverstanden, weil ich es taktisch primitiv finde. Ähnlich ist es mit Chelsea und Inter: Inter hat 2010 einen verdammt guten Job gemacht. Chelsea hingegen war 2012 eine reine Zumutung; sowohl bei eigenem, als auch bei gegnerischem Ballbesitz.
Die UEFA veröffentlicht zu jeder CL-Saison einen Technischen Bericht. Darin werden die wichtigsten Trends angegeben und Statistiken, die diese belegen. Allerdings muss man auch vorsichtig sein. Gerade bei den Pässen kommt die UEFA auf Zahlen, die unmöglich stimmen können. Denn das habe ich tatsächlich selbst geprüft. Auf bundesliga.de gibt es auch Passstatistiken. Die sind durchaus korrekt.
Nur weil drei IV gegen zwei ST verteidigen, heißt es noch lange nicht, dass eine Zuordnung fehlt. Dieser Gedanke erschließt sich mir nicht. Ganz im Gegenteil: zwei der drei IV gehen in Manndeckung, der dritte verteidigt im Raum. Häufig sind es auch zwei IV gegen einen ST. Da mangelt es doch auch nicht gleich an der Zuordnung. Sofern man im Zentrum Überzahl hat (hinzu kommt auch noch der Torhüter), kann der Gegner nur schwer zum Torerfolg - vor allem nach Flanken - kommen. Das ist das Prinzip des heutigen Verteidigens: dort, wo es gefährlich werden kann (das ist meistens in der Mitte der Fall), muss Überzahl bestehen. Und das lässt sich mit Dreierketten wunderbar umsetzen.
Ferner muss auch keiner der drei ZM nach außen, wenn einer der äußeren MFS nach hinten geht. Das ist ja häufig so gewollt: die Mitte bleibt zu, sodass der Gegner nur über außen gehen kann.
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08.01.2013 | 15:46 Uhr
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Vallasan :
Wenn zweitens bspw. der rechte MF mit nach hinten geht, muss einer der 3 Zentralen nach Außen. Dadurch entsteht aber (gegen 3 andere ZM in einem 4-2-3-1) eine Unterzahl vor der eigenen Abwehr, was gegen schussstarke Mannschaften tödlich sein kann.Sehr interessant sind auch deine Ausführungen über das Inter von 09/10 und das Chelsea der letzten Saison. Ich habe bisher kaum wahrgenommen, wie wenig die IVs aus dem Zentrum rücken, und wie sehr im DM das Mittel der Manndeckung gebraucht wird! Aber das ist von dir absolut richtig dargestellt, wenn man sich einige Spiele noch mal vor Augen führt.
Alles in allem ein sensationeller Blog, toll geschrieben. Man merkt, wie umfassend deine Kenntnisse von und dein Interesse an dieser Thematik sind.
Man sollte sich mehrere Accounts machen und mit jedem 10 Punkte geben.
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08.01.2013 | 15:46 Uhr
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Vallasan :
1. Würde mich mal deine ganz persönliche Meinung zu alledem interessieren, mit der hältst du dich immer relativ stark zurück.2. Woher beziehst du die ganzen Daten im Punkt 3? Hast du dir etwa die Mühe gemacht, die selbst herauszuarbeiten?
3. Wäre es ganz gut, wenn du deinen Abbildungen Bezeichnungen geben würdest, damit man über eine bestimmte diskutieren könnte.
Jetzt zum Inhalt:
Beim FC Barcelona hat man das Experiment wieder weitestgehend aufgegeben. Warum?
Zum Einen natürlich die starke personelle Besetzung auf den AV-Positionen mit Alves, Montoya, Alba, Adriano und Abidal. Zum Anderen, weil die Viererkette (m.E.) einfach besser ist.
Wie von dir aufgeführt spielt Barca in Person von Busquets mit einem abkippenden 6er.
Die IVs, die sowieso allesamt Schwächen im Spielaufbau haben, ziehen 2 Offensive des Gegners nach außen, um Räume für Xavi und Co. zu schaffen. Die Außenverteidiger gehen währenddessen in die Spitze, wobei der auf der ballnahen Seite nicht ganz so offensiv steht, während beide Stürmer in die Mitte ziehen, Messi sich fallen lässt.
Soweit, so gut. Das Problem ist jedoch, dass Busquets bei einer Dreierkette nicht mit aufrücken könnte, somit also die (neben Pedro) wichtigste Person in Barcas (Gegen-)Pressing fehlt.
Ein weiterer Faktor ist die größere Anfälligkeit für Flanken (nicht belegt, das ist nur mein Empfinden). Wie von dir beschrieben, wird bei einer modernen Dreierkette, die in der Defensive zu einer Art Fünferkette wird, ohne Manndeckung gespielt. Wenn jetzt eine Flanke in die Mitte kommt, decken grob gesagt 3 IVs 2 Stürmer. Das Problem ist, dass es ohne Manndeckung keine Zuordnung gibt. Selbst bei einer funktionierenden Viererkette ist ganz klar, welcher IV zu welchem Stürmer geht.
Des Weiteren ist es ganz einfach so, dass bei einer Dreierkette die Außen mehr laufen müssen, somit auch erstens nicht in dem Maße pressen können, wie einige Teams wollen.
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07.01.2013 | 20:11 Uhr
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Das mit den Flanken fällt mir auch persönlich am meisten bei Bayern auf, Heynckes fordert nahezu nach jedem Spiel, dass mehr geflankt werden müsse, wenn man sich mit dem Kurzpassspiel nicht durchkombinieren kann.
20 hochverdiente Punkte.
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31.12.2012 | 13:48 Uhr
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Schnumbi :
Großartig auch auch für Taktik Laien wie micg gut verständlich.
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Statistik
Ich vermute, dass sich Pep erst in 1-2 Jahren an der Dreierkette mit den Bayern versuchen wird. Dann hat die Mannschaft seine Vorstellungen komplett verinnerlicht und wurde u.U. punktuell in seinem Sinne personell verstärkt. Beim jetzigen Kader, der trotzdem eine enorme Qualität hat, wären Experimente mit Dreierkette unangebracht.
Man sollte Dreierketten jetzt auch nicht überbewerten. Das Problem in Dtl. ist nur leider, dass in der Nachwuchsförderung ausschließlich die Viererkette vermittelt wird. Dadurch bekommen die Spieler Probleme, wenn der Gegner mit einer Doppelspitze spielt (siehe EM-Halbfinale gegen Italien) oder wenn man mal selbst Neues ausprobieren will (siehe Dreierkette gegen die Ukraine). Das sind nämlich zwei Dinge, die von der Norm des 4-2-3-1 abweichen und somit bei dt. Spielern zu Problemen führen.
Diese Mängel in der Ausbildung gilt es nun abzustellen. Das sind alles nur Kleinigkeiten, führt aber dazu, dass wir solch große Probleme gegen Spanien und auch gegen die Italiener haben, die wir seit etlichen Jahren nicht schlagen können.