Südamerikas Wundertüte



Chile qualifiziert sich für die WM 2010 in Südafrika. Das war nicht zu erwarten – vor allem nicht in der Manier, in der es die Chilenen in der Qualifikation vollbrachten. Nur einen Punkt hinter dem Gruppenersten Brasilien und in der Tabelle vor der Weltklassemannschaft aus Argentinien. Ein Szenario, das wohl selbst Marco Bielsa und seine Kicker so nicht erwartet hätten. Doch was kann dieses Team, das in den letzten Jahren keine nennenswerten Ergebnisse und Erfolge verbuchen konnte, bei der WM erreichen?

Mit starkem Schlussspurt zur WM

Nachdem die Chilenen einen erfolgreichen Einstieg in die Qualifikation zur WM verpassten und aus den ersten vier Spielen nur einen einzigen Sieg gegen den Gruppenletzten Peru holten, steigerten sich die Rot-Blauen daraufhin gewaltig.
Den am achten Spieltag eroberten vierten Rang, gab das Team von Marco Bielsa nicht mehr her und legte mit starken 17 Punkten und nur einer Niederlage aus den letzten 8 Spielen einen starken Endspurt hin, der dafür sorgte, dass Chile schon 2 Spieltage vor Abschluss der Qualifikation die Tickets Richtung Johannesburg buchen konnte.
In Erinnerung bleiben einem die 4:0 Fussballfeste gegen Bolivien und Kolumbien, sowie der völlig ungefährdete 2:0 Auswärtserfolg gegen den damaligen Gruppenersten Paraguay.


Konzentration auf die Offensive



Schneller Direktfussball als Rezept zum Sieg

Das Spiel der Chilenen lebt vom technisch hervorragendem Mittelfeld. Egal ob Bielsa seine drei offensiven Mittelfeldpositionen jetzt mit Beausejour, Valdivia, Fernandez, Gonzalez, Millar oder Tello besetzt, alle sechs sind sehr ballsichere Spieler, die sowohl die Ruhe haben ein Spiel aufzubauen, aber auch die Schnelligkeit um den Gegner auszukontern.
Der Dreh- und Angelpunkt des chilenischen Angriffs ist jedoch Mati Fernandez. Der erst 23-jährige Mittelfeldstar von Sporting Lissabon war in der Qualifikation bester Vorlagengeber Chiles und er bestimmt Tempo und Risiko der chilenischen Angriffe.
Bezeichnend für das Angriffsspiel Chiles sind auch die Größen der beiden Sturmspitzen Suazo und Sanchez. Beide sind mit 1,72 nicht gerade als Kopfballungeheuer bekannt und leben vor allem von ihrer Schnelligkeit und Spritzigkeit.
Die Defensive wird auch von Leverkusens Mittelfeldjuwel Arturo Vidal bestimmt, denn dieser muss immer das richtige Maß zwischen Einschalten in die Offensive und Zurückfallenlassen in die Viererkatte finden. Ein wichtiger Unterstützer dabei ist für ihn Sechser Carlos Carmona.

Das "magische Dreieck"

Die Stars Chiles spielen in der Offensive. Jeder Spieler, der in der Offensivabteilung Chiles regelmäßig zum Einsatz kommt, könnte bei einem europäischen Klub mit gehobenen Ansprüchen Fuß fassen, wie es zum Beispiel Matias Fernandez bewiesen hat.
Doch der Kern der Mannschaft, mit dem der Erfolg der Mannschaft kommt und geht, der ist das magische Dreieck in der Spitze, bestehend aus Mexiko-Bomber Humberto Suazo, Megatalent Sanchez und Spielmacher Fernandez.
Die Drei kommen zusammen auf 30 Scorerpunkte in der WM-Qualifkation. Auch wenn keiner der drei sich bisher einen Namen in Europas Topligen gemacht hat haben alle drei das Potenzial genau dies zu tun.
Humberto Suazo trifft in der mexikanischen Apertura Division, die die wohl stärkste Liga Amerikas ist, statistisch gesehen etwa alle 140 Minuten, reisst zudem viele Löcher in die gegnerische Verteidigung und besitzt das Auge für den Mitspieler.
Alexis Sanchez spielt in der Serie A für den mit Talenten nur so gespickten Verein aus Udine, Udinese Calcio. Zwar muss sich Sanchez derzeit mit einem Jokerdasein zufriedengeben, doch bei seinen Einsätzen ließ der 20-jährige schon mehrfach sein Talent aufblitzen.


Der stille Taktiker auf der Bank



Der 54-jährige Bruder des argentinischen Ex-Aussenministers ist seit 2 Jahren Trainer der chilenischen Nationalmannschaft. Nach seiner aktiven Fussballerkarriere startete er 1980 seine Trainerkarriere bei den Newells Old Boys.
1998 bekam er seine erste große Trainerstation: die Nationalmannschaft seines Heimatlandes Argentinien. Bielsa startete mit den Gauchos zwar erfolgreich, als Gruppensieger in der WM-Qualifikation 2002, schied aber überraschenderweise schon in der Vorrunde aus. Nachdem er dann 2004 mit dem zweiten Platz bei der Copá America und dem Gewinn der Goldmedaille in Athen wieder gute Ergebnisse aufweisen konnte, trat Bielsa unerwartet als Coach der Albiceleste zurück.
2007 übernahm er dann die chilenische Nationalmannschaft und ist auf einem guten Weg Chile zu südamerikas drittbesten Fussballland zu formen. Bielsa besann sich direkt auf die Stärken Chiles und richtete sein ganzes System darauf aus. So schaffte er es auch, den Rücktritt von Superstar David Pizarro zu kompensieren. Bei der Copá America 2007 schied er in der Vorrunde nur knapp hinter Mexiko und Brasilien aus und dieses Jahr brachte er Chile einen weiteren Schritt voran.

Die Sensation ist möglich

Bei der Auslosung zur WM 2010 waren die Götter den Chilenen gnädig und bescherten ihnen eine lösbare Gruppe. Neben den Spaniern, die den ersten Platz in der Gruppe fast schon sicher haben, sind die Chilenen zusammen mit den schlagbaren Teams der Schweiz und Honduras zusammen in einer Gruppe.
Das Achtelfinale ist auf jeden Fall möglich, doch dort wartet auf Chile wohl der Gruppenerste der Hammergruppe G. Wenn die Chilenen in der Gruppenphase in Form kommen und die jungen Talente einen weiteren Schritt tun, dann ist für die Chilenen viel drin, aufgrund der prekären Gruppenlage wird es aber wohl maximal das Achtelfinale.

Prognose:

1. Spanien
2. Chile
3. Schweiz
4. Honduras