13.01.2013 um 20:00 Uhr
Geschrieben von Voegi
Ulis Liste
Fortsetzung von hier
Er gab sich gar keine Mühe, seine Skepsis zu verbergen: „Meinst net, des is a bisserl viel?" Das vertrauliche „Du", auf das wir uns am Vorabend beim Weißbier geeinigt hatten, verlieh seinem Argwohn eine sympathische Note, änderte aber nichts am Grundsatzdilemma: Uli verabscheute diesen „Internetschmarrn", wie er unser virtuelles Projekt regelmäßig nannte, aus tiefstem Herzen und förderte es nur, weil irgendeine innere Stimme ihm sagte, dass es eben sein müsse. Meine zehnköpfige Wunschtruppe mit den absoluten Topleuten für unseren neuen multisocialmedialen Internetauftritt überforderte ihn dann aber doch. So viele Leute für so ein obskures Projekt – das leuchtete ihm nicht ein. „Erklär mir doch mal, was die alle hier machen sollen. I verstehs net…"
„Mach ich", versuchte ich Gelassenheit vorzutäuschen und setze an, mein persönliches Schattenkabinett für die FC Bayern-Webshow zu rechtfertigen.
„Hier, die Nummer 1, Rodnox – brauchen wir unbedingt… Wollen doch auch einen FC Bayern-Blogpokal auf die Beine stellen."
„Zock-Lokal… wasn des?"
„Blog-po-kal. Zugegeben, macht keinen Sinn sein. Muss aber sein. Frag nicht wieso, is einfach so".
Uli runzelte die Stirn, um mir zu signalisieren: Eine solche Kröte würde er schlucken. Die anderen Posten müssten schon besser begründet werden.
„Weiter…Schnumbi… wozu brauchen wir den?"
„Für die Community-Flora! Und Fauna!"
„Flora? Fauna? Simma hier im Biologie-Seminar? Was hat das mit Internet zu tun?"
„Ja, wie soll ich sagen. So eine Community muss halt lebendig bleiben. Da brauchste Leute, die Alarm machen. Nörgeln viel, jammern noch mehr, aber halten das Ding am Leben. Mit Herzblut und so. Verstehste…"
Uli nickte. Diese bildhafte Erklärung schien ihm ausnahmsweise einzuleuchten. Er kaufte mir die Idee ab und ersparte es mir so, meinen sozialen Joker aus der Tasche zu ziehen. Von wegen Gehlegastheniker. Wäre mir aber eh nicht sicher gewesen, ob das geklappt hätte. Schließlich hatte ich selbst genau diesem Grund ja schon irgendwie meine Anstellung zu verdanken. Rodnox und Schnumbi waren also im Sack. Jetzt folgte eine ganz harte Nuss…
„Gartenzwerg… klingt ja sehr lustig. Wozu brauchen wir den?"
„Für die lyrische Note!"
„Für die lyrische Note!!!", wiederholte Uli meine Begründung mit all dem Zynismus, den der Sprachduktus eines Ulmer Fleischersohnes so hergab.
Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen und beharrte darauf „Ja, für die Lyrik. Du willst doch auch ein bisschen intellektuellen Anspruch. Vermisst Du doch selber immer. Und der hat’s echt drauf. Kann Dir da paar Dinger zeigen… Ganz fein".
„Na gut, Hauptsache, er ist Bayern-Fan".
„Isser", entgegnete ich selbstsicher, wohlwissend, dass die Wahrheit in diesem Moment ein denkbar schlechter Ratgeber gewesen wäre. Das würden wir dann bei dem einen oder anderen Weißbier regeln. Oder eben bei einem Holsten.
Jetzt brauchte es einen Kandidaten, den Uli problemlos abnicken würde. Eine kleine Debattierpause war jetzt einfach dringend erforderlich. Ich überblickte die Liste und sah meinen Trumpf: „Ulifan… müssen! wir! uns! holen!". Uli lächelte. Der Name war ihm verständlicherweise derart sympathisch, dass es keiner weiteren Erklärung bedurfte. Ich ging trotzdem auf Nummer sicher „Nen besseren Moderatoren, oder sagen wir Masochisten, wirst Du nicht finden. Absolut unverzichtbar."
Mit einem beifälligen Nicken goutierte er meinen Vorschlag und grinste schelmisch. Der Name „Ulifan" schien ihm doch irgendwie zu gefallen.
Und auch die nächsten drei Personen konnten wir ohne größere Überzeugungsspielchen schnell ad acta legen. Maasster (Auslandsansichten), adriano0589 (Taktik-Guru), Stadtneurotiker (Lokalkolorit) waren direkt gebongt. Blieben also nur noch die drei Problemfälle, die ich Uli irgendwie schmackhaft machen musste…
„Jenson? Wersndes? A Formel1-Fahrer".
„Nee, Social-Media-Experte. Facebook und so".
Beim Stichwort ‚Facebook‘ wandelte sich Ulis Gesichtsbleiche schlagartig in das allseits bekannte Kirschrot, das sie für gewöhnlich nur bei äußerster Entrüstung annahm. Und tatsächlich: Uli war außer sich. „Facebook – nu reicht’s aber. Totaler Humbug. Riesenschmarrn. Kinderspielchen!"
„Ja, stimmt schon", entgegnete ich kleinlaut. „Aber denk doch nur an die vieles Likes und Klicks und den Traffic, den wir generieren. Da brauchen wir so einen Experten…"
„Likes? Klicks? Traffic?"
„Jepp, wir brauchen User, also ich meine Anwender, also Menschen quasi, die zu uns kommen. Irgendwie. Und eben auch über Facebook. Ohne geht nicht!".
„Ja, aber…"
„Ohne geht nicht!"
„Aber.."
„OHNE GEHT NICHT!"
Meine Hartnäckigkeit schien Uli zu imponieren. Er gab klein bei, so wie er immer kleinbeigab. Mit verkniffenen Lippen, einem abwertenden Blick gen Himmel und einem widerwilligen Nicken zum Abschluss, das mir unmissverständlich zu verstehen gab: Ist zwar Schwachsinn, machen wir aber trotzdem.
„Also komm, die letzten zwei… Wer ist das hier?" Uli zeigte auf den vorletzten Namen in meiner Liste.
„Achso, der GNetzer. Keine Angst: Nicht der! Ist ein erfahrenes Community-Schlachtross. War schon bei 11Freunde, SPOX, Neon, Playboy, St. Pauli-Nachrichten, Freizeit-Revue, Praline… Ist aber jetzt ganz tief gesunken. Den müssen wir aus dem Dreck ziehen. Und bei Deiner sozialen Ader, Uli, sollte Dir das eine Herzensangelegenheit sein".
„Okay, wo arbeitet der denn jetzt?"
„Ein Trauerspiel. Wie gesagt: Ganz tief gesunken… Bei der BILD".
„Oh Gott", Ulis Gesichtsausdruck verwandelte sich in eine Mischung aus Mitleid und Sorge. „Ja, da müssen wir helfen. Den holen wir da raus…"
Der gute alte Max gehörte also zum Team. Blieb nur noch der letzte Punkt. Und der würde wahrlich Schwierigkeiten bereiten. Wie sollte ich Uli das nur verklickern. War schließlich ein ziemlich ungewöhnlicher Vorschlag. Andererseits: Gegen den unumstritten größten Bayern-Fan auf Gottes Erden würde ein Uli Hoeneß nichts sagen können. Da konnte er sich nicht gegen wehren. Aber mein letzter Wunschkandidat für das Bayern-Online-Team war eben schon ein bisschen – sagen wir – vielköpfig. Und eben nicht wirklich billig. Uli stutzte denn auch, als er den letzten Punkt meiner Liste verlaß: „Wasn des… Die gesamte… SPOX-Re-dak-tion...?"
Aus „Voegi – Memoiren eines Taugenichts", München 2014, S. 38 – 40.
Fortsetzung folgt – vielleicht.
Er gab sich gar keine Mühe, seine Skepsis zu verbergen: „Meinst net, des is a bisserl viel?" Das vertrauliche „Du", auf das wir uns am Vorabend beim Weißbier geeinigt hatten, verlieh seinem Argwohn eine sympathische Note, änderte aber nichts am Grundsatzdilemma: Uli verabscheute diesen „Internetschmarrn", wie er unser virtuelles Projekt regelmäßig nannte, aus tiefstem Herzen und förderte es nur, weil irgendeine innere Stimme ihm sagte, dass es eben sein müsse. Meine zehnköpfige Wunschtruppe mit den absoluten Topleuten für unseren neuen multisocialmedialen Internetauftritt überforderte ihn dann aber doch. So viele Leute für so ein obskures Projekt – das leuchtete ihm nicht ein. „Erklär mir doch mal, was die alle hier machen sollen. I verstehs net…"
„Mach ich", versuchte ich Gelassenheit vorzutäuschen und setze an, mein persönliches Schattenkabinett für die FC Bayern-Webshow zu rechtfertigen.
„Hier, die Nummer 1, Rodnox – brauchen wir unbedingt… Wollen doch auch einen FC Bayern-Blogpokal auf die Beine stellen."
„Zock-Lokal… wasn des?"
„Blog-po-kal. Zugegeben, macht keinen Sinn sein. Muss aber sein. Frag nicht wieso, is einfach so".
Uli runzelte die Stirn, um mir zu signalisieren: Eine solche Kröte würde er schlucken. Die anderen Posten müssten schon besser begründet werden.
„Weiter…Schnumbi… wozu brauchen wir den?"
„Für die Community-Flora! Und Fauna!"
„Flora? Fauna? Simma hier im Biologie-Seminar? Was hat das mit Internet zu tun?"
„Ja, wie soll ich sagen. So eine Community muss halt lebendig bleiben. Da brauchste Leute, die Alarm machen. Nörgeln viel, jammern noch mehr, aber halten das Ding am Leben. Mit Herzblut und so. Verstehste…"
Uli nickte. Diese bildhafte Erklärung schien ihm ausnahmsweise einzuleuchten. Er kaufte mir die Idee ab und ersparte es mir so, meinen sozialen Joker aus der Tasche zu ziehen. Von wegen Gehlegastheniker. Wäre mir aber eh nicht sicher gewesen, ob das geklappt hätte. Schließlich hatte ich selbst genau diesem Grund ja schon irgendwie meine Anstellung zu verdanken. Rodnox und Schnumbi waren also im Sack. Jetzt folgte eine ganz harte Nuss…
„Gartenzwerg… klingt ja sehr lustig. Wozu brauchen wir den?"
„Für die lyrische Note!"
„Für die lyrische Note!!!", wiederholte Uli meine Begründung mit all dem Zynismus, den der Sprachduktus eines Ulmer Fleischersohnes so hergab.
Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen und beharrte darauf „Ja, für die Lyrik. Du willst doch auch ein bisschen intellektuellen Anspruch. Vermisst Du doch selber immer. Und der hat’s echt drauf. Kann Dir da paar Dinger zeigen… Ganz fein".
„Na gut, Hauptsache, er ist Bayern-Fan".
„Isser", entgegnete ich selbstsicher, wohlwissend, dass die Wahrheit in diesem Moment ein denkbar schlechter Ratgeber gewesen wäre. Das würden wir dann bei dem einen oder anderen Weißbier regeln. Oder eben bei einem Holsten.
Jetzt brauchte es einen Kandidaten, den Uli problemlos abnicken würde. Eine kleine Debattierpause war jetzt einfach dringend erforderlich. Ich überblickte die Liste und sah meinen Trumpf: „Ulifan… müssen! wir! uns! holen!". Uli lächelte. Der Name war ihm verständlicherweise derart sympathisch, dass es keiner weiteren Erklärung bedurfte. Ich ging trotzdem auf Nummer sicher „Nen besseren Moderatoren, oder sagen wir Masochisten, wirst Du nicht finden. Absolut unverzichtbar."
Mit einem beifälligen Nicken goutierte er meinen Vorschlag und grinste schelmisch. Der Name „Ulifan" schien ihm doch irgendwie zu gefallen.
Und auch die nächsten drei Personen konnten wir ohne größere Überzeugungsspielchen schnell ad acta legen. Maasster (Auslandsansichten), adriano0589 (Taktik-Guru), Stadtneurotiker (Lokalkolorit) waren direkt gebongt. Blieben also nur noch die drei Problemfälle, die ich Uli irgendwie schmackhaft machen musste…
„Jenson? Wersndes? A Formel1-Fahrer".
„Nee, Social-Media-Experte. Facebook und so".
Beim Stichwort ‚Facebook‘ wandelte sich Ulis Gesichtsbleiche schlagartig in das allseits bekannte Kirschrot, das sie für gewöhnlich nur bei äußerster Entrüstung annahm. Und tatsächlich: Uli war außer sich. „Facebook – nu reicht’s aber. Totaler Humbug. Riesenschmarrn. Kinderspielchen!"
„Ja, stimmt schon", entgegnete ich kleinlaut. „Aber denk doch nur an die vieles Likes und Klicks und den Traffic, den wir generieren. Da brauchen wir so einen Experten…"
„Likes? Klicks? Traffic?"
„Jepp, wir brauchen User, also ich meine Anwender, also Menschen quasi, die zu uns kommen. Irgendwie. Und eben auch über Facebook. Ohne geht nicht!".
„Ja, aber…"
„Ohne geht nicht!"
„Aber.."
„OHNE GEHT NICHT!"
Meine Hartnäckigkeit schien Uli zu imponieren. Er gab klein bei, so wie er immer kleinbeigab. Mit verkniffenen Lippen, einem abwertenden Blick gen Himmel und einem widerwilligen Nicken zum Abschluss, das mir unmissverständlich zu verstehen gab: Ist zwar Schwachsinn, machen wir aber trotzdem.
„Also komm, die letzten zwei… Wer ist das hier?" Uli zeigte auf den vorletzten Namen in meiner Liste.
„Achso, der GNetzer. Keine Angst: Nicht der! Ist ein erfahrenes Community-Schlachtross. War schon bei 11Freunde, SPOX, Neon, Playboy, St. Pauli-Nachrichten, Freizeit-Revue, Praline… Ist aber jetzt ganz tief gesunken. Den müssen wir aus dem Dreck ziehen. Und bei Deiner sozialen Ader, Uli, sollte Dir das eine Herzensangelegenheit sein".
„Okay, wo arbeitet der denn jetzt?"
„Ein Trauerspiel. Wie gesagt: Ganz tief gesunken… Bei der BILD".
„Oh Gott", Ulis Gesichtsausdruck verwandelte sich in eine Mischung aus Mitleid und Sorge. „Ja, da müssen wir helfen. Den holen wir da raus…"
Der gute alte Max gehörte also zum Team. Blieb nur noch der letzte Punkt. Und der würde wahrlich Schwierigkeiten bereiten. Wie sollte ich Uli das nur verklickern. War schließlich ein ziemlich ungewöhnlicher Vorschlag. Andererseits: Gegen den unumstritten größten Bayern-Fan auf Gottes Erden würde ein Uli Hoeneß nichts sagen können. Da konnte er sich nicht gegen wehren. Aber mein letzter Wunschkandidat für das Bayern-Online-Team war eben schon ein bisschen – sagen wir – vielköpfig. Und eben nicht wirklich billig. Uli stutzte denn auch, als er den letzten Punkt meiner Liste verlaß: „Wasn des… Die gesamte… SPOX-Re-dak-tion...?"
Aus „Voegi – Memoiren eines Taugenichts", München 2014, S. 38 – 40.
Fortsetzung folgt – vielleicht.
Aufrufe: 5343 | Kommentare: 24 | Bewertungen: 2 | Erstellt:13.01.2013
ø 9.5
KOMMENTARE
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14.01.2013 | 11:10 Uhr
0
Ich meine damit die Eingängigkeit deiner Werke !!!
0
14.01.2013 | 11:08 Uhr
0
UliFan :
Ich lese eigentlich auch keinen BP mehr aber max arbeitet bei Bild??? Als was denn? Seite 1 Girl?Und danke für den Masochist
0
14.01.2013 | 11:05 Uhr
-1
Ich hau Dir gleich mal ne Gasse in Deine Futterluke!
Danach kannst Du mich dann am A*** intellekten.
1
14.01.2013 | 10:49 Uhr
0
was hat Zwergs Lyrik eigentlich mit Intellekt zu tun ?
Das sind doch Gassenhauer !
1
14.01.2013 | 10:36 Uhr
0
Schnumbi :
@ Gero: der ist noch nicht online. darfst aber gerne in den teaser schauen.also 2 von 4 sind on fire
0
14.01.2013 | 10:29 Uhr
0
gerosimo :
Ja ... doch ... hat was ... irgendwie ... ich halte es da so wie gartenzwerg ... also mit den Mehrteilern ... den Zwerg selbst halte ich gar nicht ... und wenn ich da mal quer zu donluka schaue, dann ist der vorne mit seinem zweiten Teil ... aber das Voegelchen muss ja nur so hoch fliegen wie bayerische Schrottflinten aus dem Jahre 1899 nicht kommen ... oder so ... besser als Seite 31-33 ... aber immer noch mit Luft zum Epilog ... was ich sagen wollte ... wo ist der Blog Deines Gegners?
0
14.01.2013 | 07:36 Uhr
0
Hab ich schon mal gesagt, dass ich Mehrteiler im BP eher so naja finde?
0
14.01.2013 | 07:35 Uhr
0
Muss man sich denn vor jedem Karren spannen lassen?
Uli wer?
FC was?
Voegi ich brauch Holsten!
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