Schweigen wäre Gold gewesen. Doch er hat geredet. Rummenigge vergreift sich mit seinen "Rassismus"-Vorwürfen im Ton. Warum Kritik an der Hispanisierung des FC Bayern falsch, aber nicht rassistisch ist.
Vorab: Dass unter Hinweis auf anonyme Zitate berichtet werden darf, hat gute Gründe. Dass der Quellenschutz manchem Subjekt von Berichterstattung ein Stachel im Fleisch ist, ist verständlich, aber auch beabsichtigt.
Warum jene Subjekte der Berichterstattung meinen, sprachlich mit gleicher Münze zurückzahlen zu müssen, erschließt sich mir nicht. Der pseudokonspirative Duktus, mit dem Rummenigge "in manchen Redaktionsstuben" eine "Kampagne" ausmacht, nervt. Ist es wirklich zu viel verlangt, in solchen Fällen das Kind beim Namen zu nennen? Ich habe grundsätzlich nichts gegen Medienkritik. Aber die Vertreter der vierten Gewalt ständig in die Nebelschwaden dunkler Verschwörungen zu hüllen, statt die Kritisierten namentlich zur Debatte aufzurufen, ist geradezu kindisch.
In der Sache ist Rummenigges Kolumne in der Vereinszeitung ein Verbalexzess erster Kajüte.
Er hat "Rassismus" gesagt! Hat er "Rassismus" gesagt?
Ja, hat er, wenn auch nicht mit so wenigen Worten. Rummenigge schreibt: "Es wird Stimmung gemacht gegen unsere spanischen Spieler [...]. Ich lese von 'spanischem Aufrüsten' und 'spanischer Invasion'. Und weiter: "Diese schäbige Kampagne steht in völligem Widerspruch zu Werten wie Respekt, Toleranz und Vielfalt, die in Deutschland gesellschaftlicher Konsens sind. DFB, UEFA und FIFA engagieren sich seit Jahren aktiv gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Rassismus." Und noch weiter: "Wir alle wollen ein weltoffenes, buntes, vielfältiges Deutschland. Doch in einige Redaktionen scheint diese Erkenntnis noch nicht vorgedrungen zu sein." Abschließend: "Jeder Ausländerfeindlichkeit und damit verbundener Polemik zeige ich die rote Karte!"
Es bedarf eines mehr als mediokren Talentes zum Rabulismus, Rummenigges Worte nicht als Kritik an einer rassistisch motivierten Kampagne zu deuten. Und dieser Vorwurf ist bayerisch gesprochen ein Schmarrn.
Rummenigge eröffnet eine Phantomdebatte. Fremdenfeindlichkeit spielt hier keine Rolle. Niemand hat kritisiert, dass Borussia Dortmund einen italienischen Stürmer oder einen japanischen Mittelfeldspieler (zurück-)geholt hat. Kein ernstzunehmender Mensch verlangt Fredi Bobics Entlassung, weil er einen Serben zugekauft hat. kein namhafter Sportjournalist meckert über den Transfer des Stürmers Choupo-Moting zu Schalke, weil er dunkelhäutig oder Kameruner ist. Warum soll in deutschen Sportredaktionsstuben die Fremdenfeindlichkeit gegenüber neuen Spielern erst südlich des Weißwurstäquators beginnen?
Des Pudels Kern
Die in semioriginelle Wortspiele gekleideten Vorwürfe zielen nicht auf die verpflichteten Spieler, ihren Pass oder gar ihre Ethnie. Sie richten sich in Wahrheit gegen Pep Guardiola, dem man mit den Scherzen vom "FC Bayern espanol" unterstellt, sich eine Hausmacht aufbauen oder schlimmer sich den Verein Untertan machen und die "Mia-san-mia"-Kultur verändern zu wollen. Wenn also "Stimmung gemacht wird", dann nicht gegen ausländische Spieler im Allgemeinen oder spanische Spieler im Besonderen, sondern gegen den Trainer des FC Bayern, und auch das nicht, weil er Spanier oder Katalane ist, sondern weil er sich bei seinen Wunschtransfers vermeintlich nur auf bewährten Pfaden bewegt.
Man möge mir einen besseren Mittelfeldspieler in seiner Altersklasse als Thiago zeigen, der zum Preis von ca. 25 Mio. zu haben gewesen wäre. Ein qualitativ hochwertigerer Kurzfristersatz als Xabi Alonso wäre mir nicht bekannt. Martinez taugt ohnehin nicht als Kronzeuge der Iberisierung, weil er ein Wunschspieler von Jupp Heynckes und bereits in München war, als Hoeneß nach New York flog. Die Transfers von Reina und Bernat halte ich auch nicht für zwingend. Aber zu unterstellen, Guardiola wolle mit einem Ersatztorwart und einem bestenfalls zum erweiterten Stamm zählenden Talent den Verein mit "seinen Leuten" durchsetzen, heißt nur, seine Unkenntnis über die Hierarchie in der Mannschaft des FC Bayern zur Schau zu stellen.
Rummenigge mag in den martialischen Metaphern eine Geschmacksverirrung sehen. Und die angebliche Hispanisierung des FC Bayern zu beklagen, ist hysterisch. Wir reden von einem Linksverteidigertalent, dem zweiten Torwart, der im Übrigen seit Jahren nur für Länderspiele nach Spanien reist, und drei Weltklassespielern, bei deren Verpflichtung die Nationalität ohnehin eine untergeordnete Rolle gespielt hat.
Die Hispanisierung ist im Übrigen logische Folge der Kräfteverhältnisse im Weltfußball. Spanien und Deutschland sind die dominierenden Fußballnationen der letzten zehn Jahre. In beiden Ländern ist in der Breite eine Qualität vorhanden wie in keinem anderen Land weltweit. Dass Topvereine in ganz Europa auf deutsche und spanische Spieler setzen, ist deshalb nur logisch.
Der eigentlich an Guardiola gerichtete Vorwurf der versuchten Einflussmaximierung ist mithin ebenfalls ein Schmarrn, aber Rassismus ist er mitnichten.
Das Problem
Rummenigges Aussagen sind in zweierlei Hinsicht problematisch:
Sie stigmatisieren Kritik an der Einkaufspolitik des FC Bayern in unzulässiger Weise. Ich halte die Befürchtung der Hispanisierung wie gezeigt auch für unbegründet, aber der Versuch, jeden, der darüber anders denkt, als Rassisten mit "dumpfer Denkweise" abzukanzeln, ist geradezu schäbig. Die viel beschworene Vielfalt ist auch eine Vielfalt der Meinungen. Missliebige Positionen rhetorisch in die rechtsextreme Ecke zu verweisen, ist ein Ablenkungsmanöver.
Zum Zweiten verharmlosen sie echten Rassismus. Den Hintergrund der am Zukauf von vier Spaniern durch einen spanischen Trainer in zwei Jahren in einen Topf mit dem wirren Gedankengut von Leuten, die bei Ballkontakten dunkelhäutiger Spieler Affenlaute von sich geben, in einen Topf zu werfen, ist derart offensichtlich unverhältnismäßig, dass es einen schaudert.
Es ist Wasser auf die Mühlen derer, die Schattenboxen gegen die angeblich aus politischer Korrektheit geschnitzte "Rassismuskeule" betreiben. Jeder Vorwurf nutzt sich ab, wenn man ihn ohne Not inflationiert. Ein paar Sportredakteuren, die die vermeintliche Selbstauslieferung des deutschen Rekordmeisters an einen sportlichen Leiter kritisieren, Ausländerfeindlichkeit zu unterstellen, erweist dem immer noch nicht gewonnenen Kampf gegen den Rassismus einen Bärendienst. Leider nicht zum ersten Mal in diesem Jahr muss man deshalb festhalten: Rummenigge hätte besser geschwiegen.
Und dann lese ich diese Rassismus Geschichte von ihm, und denke mir: Bei dem Typen denkst du, du bist schon beim Tiefpunkt angelangt und da haut er noch so ein Ding raus.
Das ist ein Schlag ins Gesicht derer, die wirklich schon mal mit Rassismus konfrontiert waren bzw. sind. Und absolut lächerlich von Kalle.
aber warum ist es denn eine diskussion? weil wir immernoch darüber reden!
also einfach mal ruhen lassen
Dann erreicht man einfach mehr Leute und der Inhalt ist ja, was zählt.
Ich denke das ist (momentan) einfach auch seine "Rolle" beim FC Bayern und er gibt den Medien damit natürlich ordentlich Futter und das ganz gewollt. Man steigert die Aufmerksamkeit in der scheingiftigen Rivalität mit dem BVB, hält sich im Gespräch und andererseits geht man aggressiv auf Kritik am eigenen Stil und der Kaderpolitik vor und profiliert sich so.
Ich persönlich finde das sehr niveaulos so eine Art, da ist mir zu viel hintergründige Strategie im Spiel, bzw. man erkennt sie ja, aber dass dann mit solchen Anschuldigungen von "Rassismus" bis zu eben diesem "pseudokonspirativen Duktus" gearbeitet wird, empfinde ich als Affront und Beleidigung gegenüber Fans, die natürlich auch nur das Beste für den Verein wollen und mit denen durchaus intelligenter und produktiver in den Dialog zu treten ist. Manipulativ und erdrückend wirkt so eine Medienpolitik und gerade beim FC Bayern sollte man vltl nachdem (mein sehr geschätzter) Herr Hoeness als voriger medialer moralischer Zeigefinger mit seiner Steuergeld-Spielsucht nenn ich es mal aufgeflogen ist, doch mal lieber etwas ruhiger sein mit Anschuldigungen und moralischer Hybris.
Kritik gibt es außerdem von den Guardiolakritikern (von denen ich einer bin) nur zum Teil wegen der Einkaufspolitik, bzw das wollte man verhindern, jetzt ist es eh schon so und man versucht das Beste draus zu machen - es sind die vielen Umstellungen, die entgegen der Aussage Guardiolas (ich werde nicht viel verändern..) zustandegekommen sind und welche mMn eben zu den Klatschen gegen Real und den BVB geführt haben zb. Da ist man eben besorgt... dann einfach "Rassist" entgegengeworfen zu bekommen ist schlicht saumässig primitiv und dumm.
Es bleibt aber leider unerwähnt das KHR sich schon seit einiger Zeit wie ein Geisteskranker aufführt und solche entgleisungen nicht überraschen.
Im Ernst, es ist doch völlig absurd, eine Debatte über die Nationalitäten der Spieler zu führen, gab es das jemals davor?
Ich frage mich schon die ganze Zeit, woher diese absurde Spanier-Diskussion kommt. Bei der Eintracht steht in der Wunschelf momentan in Trapp nur ein Deutscher und keinen stört's - mit Recht natürlich. Aber dann regt man sich auf, dass sechs spanische Spieler beim FCB unter Vertrag stehen. Wieso?
Ist man mal unter bestimmten Spox-Artikeln bezüglich der Seleccion oder Barca unterwegs merkt man schon - gelinde gesagt - eine gewisse latente Abneigung dem spanischen Fussball gegenüber. Da hat sich anscheinend das Bild von den arroganten Querschiebern manifestiert und das wälzt man jetzt auf den FCB ab - passt ja auch ins verquere Weltbild.
Ich finde diese ganze Diskussion auf eine ungute Weise bizarr. Und insofern finde ich es nicht falsch, dass Kalle da mal den Finger in die Wunde legt. Wenngleich eine andere Wortwahl gewiss angebracht gewesen wäre.
Es muss doch letztlich jedem klar sein, dass der Glaube, dass man da eine Mannschaft aus elf bayerischen Burschen a la '70-'78 schustert, die dann doch bitte auch noch um die höchsten nationalen und internationalen Weihen mitspielen soll, heutzutage nichts als eine romantische Illusion ist. Das ist aber auch schon seit gut und gerne 30 Jahren so. Dass man jetzt plötzlich, wo zufällig (!) 6 Spanier plus einige spanische Trainer unter Vertrag stehen, in Panik ausbricht und bisweilen unter der Gürtellinie austeilt, ist einfach bedenklich. Das hat dann mMn auch nichts mehr mit Geschmack und subjektivem Empfinden zu tun. Das ist einfach primitiv und dämlich.
So leid es mir tut und so oft diese "Rassismuskeule" geschwungen wird, aber in diesem Fall hat Rummenigge einfach nur recht. Hier werden Spieler, Trainer, Analysten etc. einfach nur aufgrund Ihrer Nationalität betrachtet unabhängig von ihren Eigenschaften oder Fähigkeiten (die dann im Beruf münden, z.B. Fußballspieler oder Trainer etc.) Per Definition ist das dann Rassismus. Wenn Ihr das nicht so seht ist das euer gutes Recht, aber per Definition liegt Rummenigge einfach nur richtig!
Zum Beitrag: Naja liest sich für mich, als hätte ichs vor einigen Jahren geschrieben, sprich mit 18-20 Jahren. Beudeutet heute für mich: Viel zu hochgestochen, ein Hauch Verzweiflung, wie die der Text noch intellektueller darzustellen sein könnte, ist herauszulesen. Teilweise werden ungerechtfertigte Verallgemeinerungen durch den (eventuell sogar bewussten) Gebrauch von Fremdwörtern getätigt. Das ist sehr fragwürdig (Siehe Stigmatisierung der Einkaufspolitik, es wird nur die Kritik an dem aktuellen Thema der Nationalität der Spieler stigmatisiert und nicht die Kritik generell an der Einkaufspolitik!) Zum Inhalt: Nur weil kein schwarzer Spieler mit Affenlauten oder ein Kagawa sonst wie beleidigt wird, bedeutet das nicht, dass es kein Rassismus ist. Ein Schnitzel ist, genau wie Lachs, auch Nahrung. Dass ich letzteres nicht esse, bedeutet nicht, dass ich keine Nahrung zu mir nehme. Rassismus gibt es in vielen Formen. Nur weil nicht alle Formen in diesem Fall gleichmäßig auftreten bedeutet das nicht automatisch, dass hier kein Rassismus vorliegt.