14.06.2010 um 15:40 Uhr
Geschrieben von Voegi
WMotionen I
Paradox wie Patina
Die beste und stimmungsvollste Weltmeisterschaft des neuen Jahrzehnts bestätigt alle Vorurteile, widerlegt sämtliche Stereotype und ist damit paradox wie eh und je. Die erste Ausgabe der WMotionen treten den Beweis an:
Stereotypisch
Eine Fußball-Weltmeisterschaft als sportlicher Treffpunkt der Kulturen bietet an sich die einzigartige Gelegenheit zum Abbau internationale Vorurteile. So konnte Deutschland anno 2006 der gesamten Welt beweisen, dass Freundlich- und Fröhlichkeit entgegen gängigem Stereotyp sehr wohl zu unserem Standard-Repertoire gehören – wenn man uns nur genug Bier gibt und eine Fahne in die Hand drückt. Entsprechend ambitioniert startete Südafrika in diesem Jahr nun das Projekt "Seht her, wir sind nicht so". Was auch anfänglich ganz gut funktionierte, bis ausgerechnet Siphiwe Tshabalala (ein Name, wie eine kreuzkümmelgeschwängerte Grillsauce) das erste Tor dieser WM schoss. Und so brachen plötzlich alle Dämme der Vorurteilspflege: Afrikaner heißen wie Afrikaner. Franzosen spielen so misslaunig schlecht wie Franzosen. Und Urus treten so herzergreifend blutrünstig durch die Gegend wie Urus. Da wollten die Griechen natürlich nicht hinten anstehen und bestätigten in nur einem Spiel sämtliche Ressentiments des frustgeplagten Europas. Denn beim 0:2 gegen Südkorea blieben die Griechen nicht nur alles schuldig. Nein, ihre Darbietung kam auch einem spielerischen Offenbarungseid gleich. Das Ganze war arm, nicht mal einen Cent wert, genau genommen eine einzige Bankrotterklärung. Womit im Fußball das eingetroffen ist, was die Politik nach wie vor hartnäckig zu leugnen versucht: Griechenland hat jeden Kredit verspielt.
Paradoxymoron
Bei all der polyglotten Berichterstattung kann eine Rückbesinnung auf die deutsche Sprache nicht schaden. In dem Sinne, hier ein kleiner Germanistik-Kurs: Heute: Oxymoron! Klingt wie eine südafrikanische Zwergantilope, ist aber ein rhetorisches Stilmittel, bei der aus zwei sich (vermeintlich) widersprechenden Begrifflichkeiten eine neue Formulierung gebildet wird. Beispielhaft dafür stehen so schöne Umschreibungen wie Hassliebe, alter Jüngling oder siegender Holländer. Besonders gut funktionieren solche Widerspruchskombinationen aber mit dem Attribut "englisch", welches eben nicht nur mit "medium" unvereinbar ist. Nein, auch die Substantive "Küche", "Elfmeterschießen" und – wie wir am Samstag abermals erfahren haben – "Torhüter" stellen in Zusammenhang mit "englisch" ein offensichtliches Oxymoron dar.
Streng zu unterscheiden ist das Oxymoron übrigens vom Paradoxon, welches einen nach den Gesetzen der Logik zwar möglichen, nach menschlichem Erfahrungsschatz aber gänzlich absurden Vorgang bezeichnet. Ein Paradoxon ist demnach, wenn sich Kaiser Schnacksel-Franz für die Monogamie starkmacht. Wenn DFB-Präses Doppelzehner die Wiedereinführung der Pressefreiheit verlangt. Oder aber wenn Manual-Kicker Thierry "Le Main" Henry in einem Weltmeisterschaftskick einen Handelfmeter einfordert. Ist abwegig, absurd und damit paradox – aber eben doch möglich, siehe Uru-0:0. Im Übrigen nicht minder paradox, als wenn ein Green plötzlich rot wird, nur weil er mal wieder einen schwarzen Tag erlebt hat.
Preise
Nun ist die WM schon bald eine halbe Woche alt und noch kein Pokal wurde vergeben. Kann nicht so bleiben. Deshalb wird an dieser Stelle die erste Auszeichnung dieser noch jungen Weltmeisterschaft verliehen. Und zwar gleichsam erwartet wie verdient an Bela Rethy, das grölende Gulaschkanönchen vom Lerchenberg, dessen metaphorisch-wertvolles wie künstlerisch-fragwürdiges Resümee des deutschen WM-Starts einfach gewürdigt werden muss. Im Sinne der journalistisch interessierte Nachwelt haben wir selbiges selbstverständlich im Wortlaut festgehalten: "Hier in Durban, einen Katzensprung vom Indischen Ozean entfernt, hat die deutsche Mannschaft den Sprung ins kalte Wasser der Weltmeisterschaft geschafft!" Für so viel bildhafte Dialektik verleihen wir dem brabbelnden Bela wahlweise das Phrasenschwein in Patina, den Hölzernen Huberty oder eben doch den allseits begehrten Goldenen Delling in Silber. Wir gratulieren und schauen dann doch lieber SKY.
Die Deutschen
Die Trefferquote dieser WM ist übrigens so erbärmlich, dass das deutsche Auftaktspiel bereits zur Halbzeitpause als "Torflut von Durban" bezeichnet wurde. Ob das 4:0 hingegen auf eigene Stärke oder gegnerische Schwäche zurückzuführen ist, sei einmal dahingestellt. Denn als Mimose aus 5 Metern die Kugel in den Winkel schädelte, sah Australiens Schwarzer doch ziemlich Green aus. Sei's drum. Wir stellen lieber fest: Jedes Mal wenn Deutschland im Auftaktspiel einer WM auf fremdem Boden vier Buden gemacht hat, wurde es später auch Weltmeister. Na also…
Comedy
Die Vorfreude auf diese Weltmeisterschaft speiste sich ja nicht zuletzt aus dem Blick auf den Spielplan, der so zungeschnalzwürdige Leckerbissen wie Honduras - Chile, Neuseeland - Slowakei oder – der Gipfel der elaborierten Spielkunst – Algerien - Slowenien für den Fußball-Feinschmecker bereithielt. Was letztgenannte Partie betrifft, stellen wir erfreut fest: Wir haben es hinter uns! Denn das 90minütige Scheingekicke war nicht nur ein evidenter Verstoß gegen den guten Geschmack, sondern verletzte quasi im Vorbeigehen auch mal eben die Haager Landkriegsordnung, das Grundgesetz und die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen, war aber immerhin mit dem Internationalen Nichtangriffspakt von Gijon vereinbar. Dass trotz vollständigen Verzichts auf Offensivspiel am Ende doch ein Tor fiel, ist indes der Vorliebe algerischen "Keepers" für englischen Fußball zu verdanken. Dazu der Hinweis: Am kommenden Freitag findet das ultrakomische Duell England - Algerien statt – SKY erwägt bereits, die Übertragung auf seinen Comedy-Kanal zu verlegen.
Öh Uh Ah
Womit bewiesen wäre, dass man sich dieser Weltmeisterschaft auch widmen kann, ohne in neurotisches Wehklagen über das kollektive Dauergetröte zu verfallen. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle aber dann doch auf die Vuvuzelas hingewiesen, diesen verstörend störenden Geräuschteppich irgendwo zwischen kastriertem Airbus-Triebwerk und alokoholintoxiniertem Hummelschwarm. Ja, keine Metapher ist in diesen Tagen abwegig genug, um das phonetische Elend angemessen zu umschreiben. So ist es für die einen das menschenunwürdigste Gebläse seit Monica Lewinskys Rückzug aus dem Oral Office und für die anderen schlicht die Flatulenz der Apokalypse. Wie man es auch nimmt, Uweseeler ist eine Zumutung. Und trotzdem kann man den südafrikanischen Hobbytrötern nicht so richtig böse sein, schließlich lenken sie uns doch ein wenig von dem akustischen Müll am Reportermikrofon ab. Denn was ist ein trommelzerreißendes Ööööööh schon gegen die enervierenden Uhs und Ahs von Wark, von Thurn und Taxis und Simon? Eben – die reinste Erholung. In dem Sinne: Bleibt heiter!
Die beste und stimmungsvollste Weltmeisterschaft des neuen Jahrzehnts bestätigt alle Vorurteile, widerlegt sämtliche Stereotype und ist damit paradox wie eh und je. Die erste Ausgabe der WMotionen treten den Beweis an:
Stereotypisch
Eine Fußball-Weltmeisterschaft als sportlicher Treffpunkt der Kulturen bietet an sich die einzigartige Gelegenheit zum Abbau internationale Vorurteile. So konnte Deutschland anno 2006 der gesamten Welt beweisen, dass Freundlich- und Fröhlichkeit entgegen gängigem Stereotyp sehr wohl zu unserem Standard-Repertoire gehören – wenn man uns nur genug Bier gibt und eine Fahne in die Hand drückt. Entsprechend ambitioniert startete Südafrika in diesem Jahr nun das Projekt "Seht her, wir sind nicht so". Was auch anfänglich ganz gut funktionierte, bis ausgerechnet Siphiwe Tshabalala (ein Name, wie eine kreuzkümmelgeschwängerte Grillsauce) das erste Tor dieser WM schoss. Und so brachen plötzlich alle Dämme der Vorurteilspflege: Afrikaner heißen wie Afrikaner. Franzosen spielen so misslaunig schlecht wie Franzosen. Und Urus treten so herzergreifend blutrünstig durch die Gegend wie Urus. Da wollten die Griechen natürlich nicht hinten anstehen und bestätigten in nur einem Spiel sämtliche Ressentiments des frustgeplagten Europas. Denn beim 0:2 gegen Südkorea blieben die Griechen nicht nur alles schuldig. Nein, ihre Darbietung kam auch einem spielerischen Offenbarungseid gleich. Das Ganze war arm, nicht mal einen Cent wert, genau genommen eine einzige Bankrotterklärung. Womit im Fußball das eingetroffen ist, was die Politik nach wie vor hartnäckig zu leugnen versucht: Griechenland hat jeden Kredit verspielt.
Paradoxymoron
Bei all der polyglotten Berichterstattung kann eine Rückbesinnung auf die deutsche Sprache nicht schaden. In dem Sinne, hier ein kleiner Germanistik-Kurs: Heute: Oxymoron! Klingt wie eine südafrikanische Zwergantilope, ist aber ein rhetorisches Stilmittel, bei der aus zwei sich (vermeintlich) widersprechenden Begrifflichkeiten eine neue Formulierung gebildet wird. Beispielhaft dafür stehen so schöne Umschreibungen wie Hassliebe, alter Jüngling oder siegender Holländer. Besonders gut funktionieren solche Widerspruchskombinationen aber mit dem Attribut "englisch", welches eben nicht nur mit "medium" unvereinbar ist. Nein, auch die Substantive "Küche", "Elfmeterschießen" und – wie wir am Samstag abermals erfahren haben – "Torhüter" stellen in Zusammenhang mit "englisch" ein offensichtliches Oxymoron dar.
Streng zu unterscheiden ist das Oxymoron übrigens vom Paradoxon, welches einen nach den Gesetzen der Logik zwar möglichen, nach menschlichem Erfahrungsschatz aber gänzlich absurden Vorgang bezeichnet. Ein Paradoxon ist demnach, wenn sich Kaiser Schnacksel-Franz für die Monogamie starkmacht. Wenn DFB-Präses Doppelzehner die Wiedereinführung der Pressefreiheit verlangt. Oder aber wenn Manual-Kicker Thierry "Le Main" Henry in einem Weltmeisterschaftskick einen Handelfmeter einfordert. Ist abwegig, absurd und damit paradox – aber eben doch möglich, siehe Uru-0:0. Im Übrigen nicht minder paradox, als wenn ein Green plötzlich rot wird, nur weil er mal wieder einen schwarzen Tag erlebt hat.
Preise
Nun ist die WM schon bald eine halbe Woche alt und noch kein Pokal wurde vergeben. Kann nicht so bleiben. Deshalb wird an dieser Stelle die erste Auszeichnung dieser noch jungen Weltmeisterschaft verliehen. Und zwar gleichsam erwartet wie verdient an Bela Rethy, das grölende Gulaschkanönchen vom Lerchenberg, dessen metaphorisch-wertvolles wie künstlerisch-fragwürdiges Resümee des deutschen WM-Starts einfach gewürdigt werden muss. Im Sinne der journalistisch interessierte Nachwelt haben wir selbiges selbstverständlich im Wortlaut festgehalten: "Hier in Durban, einen Katzensprung vom Indischen Ozean entfernt, hat die deutsche Mannschaft den Sprung ins kalte Wasser der Weltmeisterschaft geschafft!" Für so viel bildhafte Dialektik verleihen wir dem brabbelnden Bela wahlweise das Phrasenschwein in Patina, den Hölzernen Huberty oder eben doch den allseits begehrten Goldenen Delling in Silber. Wir gratulieren und schauen dann doch lieber SKY.
Die Deutschen
Die Trefferquote dieser WM ist übrigens so erbärmlich, dass das deutsche Auftaktspiel bereits zur Halbzeitpause als "Torflut von Durban" bezeichnet wurde. Ob das 4:0 hingegen auf eigene Stärke oder gegnerische Schwäche zurückzuführen ist, sei einmal dahingestellt. Denn als Mimose aus 5 Metern die Kugel in den Winkel schädelte, sah Australiens Schwarzer doch ziemlich Green aus. Sei's drum. Wir stellen lieber fest: Jedes Mal wenn Deutschland im Auftaktspiel einer WM auf fremdem Boden vier Buden gemacht hat, wurde es später auch Weltmeister. Na also…
Comedy
Die Vorfreude auf diese Weltmeisterschaft speiste sich ja nicht zuletzt aus dem Blick auf den Spielplan, der so zungeschnalzwürdige Leckerbissen wie Honduras - Chile, Neuseeland - Slowakei oder – der Gipfel der elaborierten Spielkunst – Algerien - Slowenien für den Fußball-Feinschmecker bereithielt. Was letztgenannte Partie betrifft, stellen wir erfreut fest: Wir haben es hinter uns! Denn das 90minütige Scheingekicke war nicht nur ein evidenter Verstoß gegen den guten Geschmack, sondern verletzte quasi im Vorbeigehen auch mal eben die Haager Landkriegsordnung, das Grundgesetz und die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen, war aber immerhin mit dem Internationalen Nichtangriffspakt von Gijon vereinbar. Dass trotz vollständigen Verzichts auf Offensivspiel am Ende doch ein Tor fiel, ist indes der Vorliebe algerischen "Keepers" für englischen Fußball zu verdanken. Dazu der Hinweis: Am kommenden Freitag findet das ultrakomische Duell England - Algerien statt – SKY erwägt bereits, die Übertragung auf seinen Comedy-Kanal zu verlegen.
Öh Uh Ah
Womit bewiesen wäre, dass man sich dieser Weltmeisterschaft auch widmen kann, ohne in neurotisches Wehklagen über das kollektive Dauergetröte zu verfallen. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle aber dann doch auf die Vuvuzelas hingewiesen, diesen verstörend störenden Geräuschteppich irgendwo zwischen kastriertem Airbus-Triebwerk und alokoholintoxiniertem Hummelschwarm. Ja, keine Metapher ist in diesen Tagen abwegig genug, um das phonetische Elend angemessen zu umschreiben. So ist es für die einen das menschenunwürdigste Gebläse seit Monica Lewinskys Rückzug aus dem Oral Office und für die anderen schlicht die Flatulenz der Apokalypse. Wie man es auch nimmt, Uweseeler ist eine Zumutung. Und trotzdem kann man den südafrikanischen Hobbytrötern nicht so richtig böse sein, schließlich lenken sie uns doch ein wenig von dem akustischen Müll am Reportermikrofon ab. Denn was ist ein trommelzerreißendes Ööööööh schon gegen die enervierenden Uhs und Ahs von Wark, von Thurn und Taxis und Simon? Eben – die reinste Erholung. In dem Sinne: Bleibt heiter!
Aufrufe: 4605 | Kommentare: 26 | Bewertungen: 47 | Erstellt:14.06.2010
ø 8.8
KOMMENTARE
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14.06.2010 | 15:53 Uhr
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GNetzer :
Maxi? Hörma, Bailey...
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14.06.2010 | 15:51 Uhr
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Bailey :
Erster Kommentar: "Klasse!"Erste Bewertung: 1P
Ganz großes Kino mal wieder
Aber im Ernst: Schließe mich dem Maxi an. 10P
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14.06.2010 | 15:50 Uhr
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Famos :
hey voegi darauf habe ich doch von dir gewartet.
paar schmunzler waren dabei aber noch luft nach oben!
7 points!
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