24.06.2010 um 19:52 Uhr
Geschrieben von Voegi
WMotionen III
Kultour de France
WMotionen III. Diesmal mit manuellen Erkenntnissen, bezahlten Rechnungen, überlieferten Traditionen und der üblichen Prise Kulturkunde:
La culture francaise
Auch wenn uns das französische Temperament wohl ein ewiges Mysterium bleiben wird, so haben wir durch die letzte Weltmeisterschaft doch zumindest eines gelernt: Der Franzose an sich reagiert auf die Behauptung, Abkömmling einer professionellen Liebesdienerin zu sein, mit einem unmissverständlichen Frontalangriff. Frei nach dem Motto: Wenn man den Franzosen vor den Kopf stößt, stößt er mit selbigem zurück – und schickt einen auf die Materazzi. Bedauerlicherweise wurde jene bahnbrechende Erkenntnis über französische Lebensart dieser Tage wieder auf den Haufen geworfen. Denn Raymond Domenech, als genetische Kreuzung aus Pierre Brice und Gilbert Becaud ja so etwas wie der Bilderbuch-Franzose, beantwortete die von Nicolas Anelka aufgestellte Abstammungsvermutung samt Aufforderung zur Rektalpenetration (ab jetzt deshalb nur noch: Analka) eben nicht mit dem landesüblichen Tête-à-Tête sondern mit einer großzügigen Rückreise-Erlaubnis. Das Publikwerden des Kabineneklats veranlasste die Équipe triste-colore übrigens zu einem (v)erbitterten Trainingsstreik. Womit als Fazit bleibt: Die Franzosen haben ihre Trainingsleistungen im Spiel bestätigen können. Einzig und allein ein Verdienst von Monsieur Domenech. Bien fait, Raymond!
Devot
Apropos Raymond und französische Lebensart. Für großes Aufsehen sorgte der französische Ex-/Noch-/Nie-so-richtig-Nationaltrainer, als er nach dem Abpfiff des Südafrika-Matches seinem Kollegen Parreira den fälligen Handschlag verweigerte. Was nach einer unentschuldbaren Respektlosigkeit aussah, war jedoch in Wirklichkeit eine geradezu liebevolle Geste tiefempfundener Ehrfurcht. Schließlich gilt die Verweigerung des Handschlags in Frankreich als Ausdruck persönlicher Hochachtung. Ja, wenn der Franzose das obligatorische Shakehands ausschlägt, ist das genauso freundschaftlich devot gemeint, als wenn der Deutsche den eigenen Landsleuten zur Demonstration unverbrüchlicher Verbundenheit den ausgestreckten Mittelfinger zeigt. Oder wenn der Holländer seinem Nachbarn in ekstatischer Zuneigung Speicheldrüsensekret in die Haarpracht injiziert. Andere Länder – andere Sitten.
Handliches
Unumstrittener Topstar dieser Weltmeisterschaft ist und bleibt… Diego Maradonna, die vollbärtige Chauvinisten-Kugel mit dem sympathischen Habitus eines ausgebrannten Vorstadtzuhälters. Mara-Bomba hat es nicht nur geschafft, seine Gauchos trotz vollständiger Ignoranz der Gesetzmäßigkeiten des modernen Fußballs taktisch perfekt einzustellen. Nein, sein Geist scheint inzwischen auch Fußballer anderer südamerikanischer Staaten zu befruchten. So erinnerte Luis Fabianos handlich-praktische Vorbereitung seines Tores gegen die Elfenbeinküste unweigerlich an den legendären Auftritt des selbst ernannten Diego(tt) anno 1986. Die anschließende Aufregung über die vermeintlich so boshafte List können wir allerdings nicht teilen. Denn bei all dem unwürdigen Gekicke, das uns bei dieser WM geboten wurde, sollten wir doch über jede Aktion froh sein, die Hand und Fuß besitzt. Und vielleicht wollte Fabiano nur an„hand" des Jabulanis beispielhaft das Dilemma Afrikas illustrieren. Für beide gilt schließlich: Arm dran. Letztlich aber wäre es geradezu bigott, würden wir uns über Fabianos Handarbeit ereifern. Denn immerhin lautet das Motto dieser Reihe ja: Alles und jeden auf den Arm nehmen – wieso also nicht auch mal den Ball?
Mentalität
Zum legendären Dogma des nicht minder legendären Günter Netzer (Delling hab ihn selig) gehört es, dass man an der Spielweise einer Nationalmannschaft Kultur und Mentalität des jeweiligen Landes ablesen könne. Klingt gut, ist aber absurd. So agieren die vermeintlich so heißblütigen Italiener mal wieder wie ein Eskimo in der Winterstarre. Die Holländer wirken derweil auch nicht gerade wie im Rausch. Und die Engländer spielten eine Halbzeit lang sogar ganz manierlich. Ja und selbst das sonst so prinzipientreue Nordkorea hat sich beim 0:7 gegen Portugal an der lang erprobten Staatsräson „Wir lassen keinen rein" versündigt. Womit Netzers These als Hirngespinst entlarvt wäre – wie immer nicht gerade in-delling-ent.
Tradition
Zumindest die deutsche Nationalmannschaft konnte aber einem Kontrapunkt zur allgemeinen Kulturverdrossenheit setzen und brillierte mit einem quälend-schwerfälligen Arbeitssieg, wie er so schon von unserem Grundgesetz vorgegeben wird. Jogis Jungs bewiesen jedoch nicht nur Fleiß und Verfassungstreue, sondern auch einen ausgeprägten Sinn für political correctness. Denn nicht nur dass die erfolgreiche Zusammenarbeit Müller/Özil beispielhaft für die gelungene Integration stand, auch die insgesamt eher durchwachsene Leistung machte der ganzen Welt klar, dass wir hierzulande eben nur auf gemäßigte Kräfte setzen. Dass die deutsche Mannschaft darauf verzichtete, sich in den Schlussminuten noch einen Treffer einzufangen, um so den vermeintlich schweren Gegnern aus dem Weg zu gehen, hatte mit Politik hingegen nichts zu tun. Das lag schlicht an unserem unerschütterlichen Traditionsbewusstsein. Denn England werden wir wie üblich locker und leicht aus dem Turnier kegeln – im Elfmeterschießen. Das steht zwar nicht im Grundgesetz – aber in der Bibel.
Gekauft
Korrekterweise sollte man jedoch anmerken, dass auch die Italiener ihrem Nationalmotto treu geblieben sind. So kündigte Italiens Reformminister Bossi vor dem Slowakei-Match an, man werde sich schon ins Achtelfinale kaufen, mithin auf altbewährte Art und Weise die Vorrunde überstehen. Wieso das Modell Berlusconi diesmal nicht funktionierte, wissen wir nicht, ist uns aber auch mortadella. In euphorischer Verzückung kalauern wir lieber beschwingt vor uns her: Italien versucht es mit billigen Tricks, aber die Slowakei hat sich (zu) teuer verkauft. Die italienische Abwehr schwimmt – aber eben nicht im Geld. Oder: Die Slowaken bestachen zwar durch Einsatz – waren aber doch nicht bestechlich. Hach, so ein italienisches Vorrundenaus ist einfach nicht in Geld zu bezahlen.
Bye Bye
Das größte Ärgernis dieser Tage sind aber zweifelsohne die Schiedsrichter, die zwar mitunter viel pfeifen, von Tuten und Blasen aber gleichwohl keine Ahnung haben. So sah es jedenfalls auch Nati-Trainer Hitzfeld, der die untalentierten (Un-)Parteiischen lieber am Strand pfeifen sehen würde. Und damit hat er natürlich wie immer Recht. Bei einer Weltmeisterschaft sollten nur die Leute zum Zuge kommen, die ihr Metier beherrschen. Allerdings müsste man diesen Grundsatz dann bitte auch konsequent zu Ende denken. Was denn zur Folge hätte, dass dies wohl die letzte WM war für die Herren Poschmann, Wark, Beckmann, Simon und von Thurn und Taxis. Hart, aber konsequent. Die WMotionen bleiben übrigens dennoch weiter am Ball…
WMotionen III. Diesmal mit manuellen Erkenntnissen, bezahlten Rechnungen, überlieferten Traditionen und der üblichen Prise Kulturkunde:
La culture francaise
Auch wenn uns das französische Temperament wohl ein ewiges Mysterium bleiben wird, so haben wir durch die letzte Weltmeisterschaft doch zumindest eines gelernt: Der Franzose an sich reagiert auf die Behauptung, Abkömmling einer professionellen Liebesdienerin zu sein, mit einem unmissverständlichen Frontalangriff. Frei nach dem Motto: Wenn man den Franzosen vor den Kopf stößt, stößt er mit selbigem zurück – und schickt einen auf die Materazzi. Bedauerlicherweise wurde jene bahnbrechende Erkenntnis über französische Lebensart dieser Tage wieder auf den Haufen geworfen. Denn Raymond Domenech, als genetische Kreuzung aus Pierre Brice und Gilbert Becaud ja so etwas wie der Bilderbuch-Franzose, beantwortete die von Nicolas Anelka aufgestellte Abstammungsvermutung samt Aufforderung zur Rektalpenetration (ab jetzt deshalb nur noch: Analka) eben nicht mit dem landesüblichen Tête-à-Tête sondern mit einer großzügigen Rückreise-Erlaubnis. Das Publikwerden des Kabineneklats veranlasste die Équipe triste-colore übrigens zu einem (v)erbitterten Trainingsstreik. Womit als Fazit bleibt: Die Franzosen haben ihre Trainingsleistungen im Spiel bestätigen können. Einzig und allein ein Verdienst von Monsieur Domenech. Bien fait, Raymond!
Devot
Apropos Raymond und französische Lebensart. Für großes Aufsehen sorgte der französische Ex-/Noch-/Nie-so-richtig-Nationaltrainer, als er nach dem Abpfiff des Südafrika-Matches seinem Kollegen Parreira den fälligen Handschlag verweigerte. Was nach einer unentschuldbaren Respektlosigkeit aussah, war jedoch in Wirklichkeit eine geradezu liebevolle Geste tiefempfundener Ehrfurcht. Schließlich gilt die Verweigerung des Handschlags in Frankreich als Ausdruck persönlicher Hochachtung. Ja, wenn der Franzose das obligatorische Shakehands ausschlägt, ist das genauso freundschaftlich devot gemeint, als wenn der Deutsche den eigenen Landsleuten zur Demonstration unverbrüchlicher Verbundenheit den ausgestreckten Mittelfinger zeigt. Oder wenn der Holländer seinem Nachbarn in ekstatischer Zuneigung Speicheldrüsensekret in die Haarpracht injiziert. Andere Länder – andere Sitten.
Handliches
Unumstrittener Topstar dieser Weltmeisterschaft ist und bleibt… Diego Maradonna, die vollbärtige Chauvinisten-Kugel mit dem sympathischen Habitus eines ausgebrannten Vorstadtzuhälters. Mara-Bomba hat es nicht nur geschafft, seine Gauchos trotz vollständiger Ignoranz der Gesetzmäßigkeiten des modernen Fußballs taktisch perfekt einzustellen. Nein, sein Geist scheint inzwischen auch Fußballer anderer südamerikanischer Staaten zu befruchten. So erinnerte Luis Fabianos handlich-praktische Vorbereitung seines Tores gegen die Elfenbeinküste unweigerlich an den legendären Auftritt des selbst ernannten Diego(tt) anno 1986. Die anschließende Aufregung über die vermeintlich so boshafte List können wir allerdings nicht teilen. Denn bei all dem unwürdigen Gekicke, das uns bei dieser WM geboten wurde, sollten wir doch über jede Aktion froh sein, die Hand und Fuß besitzt. Und vielleicht wollte Fabiano nur an„hand" des Jabulanis beispielhaft das Dilemma Afrikas illustrieren. Für beide gilt schließlich: Arm dran. Letztlich aber wäre es geradezu bigott, würden wir uns über Fabianos Handarbeit ereifern. Denn immerhin lautet das Motto dieser Reihe ja: Alles und jeden auf den Arm nehmen – wieso also nicht auch mal den Ball?
Mentalität
Zum legendären Dogma des nicht minder legendären Günter Netzer (Delling hab ihn selig) gehört es, dass man an der Spielweise einer Nationalmannschaft Kultur und Mentalität des jeweiligen Landes ablesen könne. Klingt gut, ist aber absurd. So agieren die vermeintlich so heißblütigen Italiener mal wieder wie ein Eskimo in der Winterstarre. Die Holländer wirken derweil auch nicht gerade wie im Rausch. Und die Engländer spielten eine Halbzeit lang sogar ganz manierlich. Ja und selbst das sonst so prinzipientreue Nordkorea hat sich beim 0:7 gegen Portugal an der lang erprobten Staatsräson „Wir lassen keinen rein" versündigt. Womit Netzers These als Hirngespinst entlarvt wäre – wie immer nicht gerade in-delling-ent.
Tradition
Zumindest die deutsche Nationalmannschaft konnte aber einem Kontrapunkt zur allgemeinen Kulturverdrossenheit setzen und brillierte mit einem quälend-schwerfälligen Arbeitssieg, wie er so schon von unserem Grundgesetz vorgegeben wird. Jogis Jungs bewiesen jedoch nicht nur Fleiß und Verfassungstreue, sondern auch einen ausgeprägten Sinn für political correctness. Denn nicht nur dass die erfolgreiche Zusammenarbeit Müller/Özil beispielhaft für die gelungene Integration stand, auch die insgesamt eher durchwachsene Leistung machte der ganzen Welt klar, dass wir hierzulande eben nur auf gemäßigte Kräfte setzen. Dass die deutsche Mannschaft darauf verzichtete, sich in den Schlussminuten noch einen Treffer einzufangen, um so den vermeintlich schweren Gegnern aus dem Weg zu gehen, hatte mit Politik hingegen nichts zu tun. Das lag schlicht an unserem unerschütterlichen Traditionsbewusstsein. Denn England werden wir wie üblich locker und leicht aus dem Turnier kegeln – im Elfmeterschießen. Das steht zwar nicht im Grundgesetz – aber in der Bibel.
Gekauft
Korrekterweise sollte man jedoch anmerken, dass auch die Italiener ihrem Nationalmotto treu geblieben sind. So kündigte Italiens Reformminister Bossi vor dem Slowakei-Match an, man werde sich schon ins Achtelfinale kaufen, mithin auf altbewährte Art und Weise die Vorrunde überstehen. Wieso das Modell Berlusconi diesmal nicht funktionierte, wissen wir nicht, ist uns aber auch mortadella. In euphorischer Verzückung kalauern wir lieber beschwingt vor uns her: Italien versucht es mit billigen Tricks, aber die Slowakei hat sich (zu) teuer verkauft. Die italienische Abwehr schwimmt – aber eben nicht im Geld. Oder: Die Slowaken bestachen zwar durch Einsatz – waren aber doch nicht bestechlich. Hach, so ein italienisches Vorrundenaus ist einfach nicht in Geld zu bezahlen.
Bye Bye
Das größte Ärgernis dieser Tage sind aber zweifelsohne die Schiedsrichter, die zwar mitunter viel pfeifen, von Tuten und Blasen aber gleichwohl keine Ahnung haben. So sah es jedenfalls auch Nati-Trainer Hitzfeld, der die untalentierten (Un-)Parteiischen lieber am Strand pfeifen sehen würde. Und damit hat er natürlich wie immer Recht. Bei einer Weltmeisterschaft sollten nur die Leute zum Zuge kommen, die ihr Metier beherrschen. Allerdings müsste man diesen Grundsatz dann bitte auch konsequent zu Ende denken. Was denn zur Folge hätte, dass dies wohl die letzte WM war für die Herren Poschmann, Wark, Beckmann, Simon und von Thurn und Taxis. Hart, aber konsequent. Die WMotionen bleiben übrigens dennoch weiter am Ball…
Aufrufe: 3843 | Kommentare: 26 | Bewertungen: 30 | Erstellt:24.06.2010
ø 8.7
KOMMENTARE
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24.06.2010 | 20:20 Uhr
0
Dr_D :
Da der Uli dir einen Punkt abzieht kriegst du von mir 11 Punkte. Mindestens. Weil es mit 94 völlig wurscht war das Baggio verschossen hat ( die Brasilianer in der Kneipe haben einen ausgegeben ) und obwohl ich die Küche Italiens mag und soweit ich es beurteilen kann auch Land und Leute. Das Ausscheiden der N11 von Italien war irgendwie logisch.
2
24.06.2010 | 20:14 Uhr
0
Rolando :
Ich fand es diesmal nicht ganz so gut wie sonst. Waren einige gute Sprachjonglierungen bei, aber wenn ich bei denvorherigen 10 gegeben habe, sind das leider nur 8.
Bin ja nicht die FIFA und messe mit zweierlei Maß!
Grüße
1
24.06.2010 | 20:11 Uhr
-3
UliFan :
Ich mag Land, Leute, Sprache, Essen und den italienischen Fußball habe ich seit Baggio nach dem Elfmeter-Schießen 94 geheult hat auch irgendwie ins Herz geschlossenSo wirklich rational erklären kann ich´s nicht^^
Mal ganz davon abgesehen das mich das Favoritensterben bei dieser WM nervt
Ein AF Holland gegen Italien find ich mal spannender als gegen die Slowaken
2
24.06.2010 | 19:58 Uhr
-3
UliFan :
Jetzt hätte ich dir beinah die obligatorischen 10 P gegeben aber fürHach, so ein italienisches Vorrundenaus ist einfach nicht in Geld zu bezahlen.
gibt´s 1 P Abzug^^
Bin traurig
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