24.07.2011 um 13:53 Uhr
Geschrieben von GNetzer
Was ich am VfB mag
Der VfB Stuttgart. Reden wir nicht lange drumherum: Da gibt es viel zu erzählen. Meine erste wirkliche Begegnung mit den Schwabenkickern war Mitte der Neunziger, lag waagerecht in der Luft und erzielte einen wunderbaren Fallrückzieher. Giovane Elber machte beim Auswärtsspiel in München das 3:3 nach 0:3 Rückstand. Die Bayern gewannen zwar mit 5:3, doch es war dieser unfassbar genialische Moment Giovanes, der hängen geblieben ist (und die Aussage des beim Stand von 0:3 in der 74. Minute ausgewechselten Fredi Bobic, der unter der Dusche beim Jubel dachte, es wäre das 0:6 gefallen). Das magische Dreieck um Elber, Bobic und Balakov sozialisierte mich mit dem VfB – und faszinierte mich auf so viele unterschiedliche Arten. Allein die Frisurenkombination Mob-Vließ-Welle beschäftigte mich tagelang. Gleichzeitig wurde mir schon damals klar: Der VfB war vielleicht der Verein Deutschlands, der technisch limitierte Stürmer am besten so integrierte, das andere bereit waren viel Geld für sie zu zahlen. Siehe Bobic. Siehe Klinsmann. (Später wurde dieses Modell übrigens kopiert und ging als „Jancker"-Edition ein paar Kilometer südöstlich auf den Markt).
Überhaupt: Je länger ich überlege, umso deutlicher wird mir, dass es schon immer die Spielertypen beim VfB waren, die mein Verhältnis zu ihm besonders geprägt haben. Angefangen mit eben jenem Elber, der dafür sorgte, dass sogar auf den Fußballäckern der mittelfränkischen Provinz plötzlich weiße und später rote Fußballschuhe auftauchten. Als Kennzeichen für besondere technische Fähigkeiten und Spielwitz an den Füßen heranwachsender Sanitär- und Wasserinstallateure, Metzgerssöhnen und solchen, die auf dem Spielfeld nur so taten.
Nicht zu vergessen natürlich Jürgen Klinsmann, diesem blonden Kärcher-Strahler im VfB Sturm. Mit einer Dynamik, die gegnerische Abwehrreihen im Alleingang sprengen konnte (siehe Holland 1990) und einer Energie, die sich ihren Ausgang oft in die lustigsten Richtungen suchte. Es gab Spiele, in denen Klinsmann mit Glatze aufs Feld lief und schon zur Halbzeit wieder in gewohnter blonder Mähne zu sehen war. So energiegeladen war dieser Mensch. Dass er uns in einer Zeit zusammen mit dem rotblonden Umspannwerk Matthias Sammer zum Europameister machte, in der sich der deutsche Fußball ungefähr mit der Geschwindigkeit einer Steinflechte weiter entwickelte, ist nach wie vor sensationell.
Später wuchsen mir noch mehr VfB-Kicker ans Herz. Buffy Ettmayer, mit dem ich kurz nach meinem Abitur sogar in einer Mannschaft spielen durfte. Zugegeben, nicht mit ihm persönlich. Aber ich musste immer an Ettmayer denken, wenn unser Torhüter der zweiten Mannschaft mit dem Spitznamen „Fettel" erneut melancholisch-glasig einem Ball hinterhersah, der in unüberwindbarer Entfernung von einem Meter über die Linie seines Tores holperte. Er hätte begleitend zu diesem Blick tiefer Sehnsucht nach der nächsten Halbzeitkippe entschuldigend seine Schultern gehoben – allein, sie waren zu schwer. Wie gerne hätte ich ihm das Engagement Ettmayers (unbestätigten Gerüchten zufolge spielte er in „Indiana Jones – Tempel des Todes" den rollenden Felsstein) als Vorbild empfohlen. Leider beschränkte sich sein Wissen über den VfB darauf, dass in dem Kürzel ein F vorkommt. Mindestens eines.
Trotzdem fiel mir schnell auf, wie viele sympathische Charaktere und hervorragende Kicker der VfB immer wieder in seinen Reihen hatte. Von den Schüssen eines Karl Allgöwer könnte sich so mancher SUV-fahrende Jungprofi dieser Tage etwas abschneiden und der Ruf Guido Buchwalds wäre heute wesentlich besser, wenn er nicht auch neben dem Platz so dominant und selbstbewusst eingestiegen wäre, wie er das auf dem Rasen getan hat. Nicht zu vergessen Robert Schlienz, der vielleicht eine der schönsten Geschichten des deutschen Fußballs geschrieben hat. Sie alle gehören zum VfB. Genauso wie eine Präsidentenriege, deren Führungsstil oft nicht von dem des örtlichen Feuerwehrleutnants meiner Heimat zu unterscheiden war.
Aber auch das ist eben Teil des VfB. Auf der Tribüne sitzt ein Denkmal namens Meyer-Vorfelder, das schon von sich aus wankt und dessen Anhängsel mit wüstem Graffiti besprüht ist. Und nicht weit davon platziert sich ein Erwin Staudt, gegen den jede Büroklammer ein Pointenfeuerwerk ist. Zusammen haben sie einen Führungsstil in der Bundesliga manifestiert, der so altbacken und gutbürgerlich wirkt, als wäre er ein Relikt aus einer Zeit, in der Besuchergruppen mit roten Socken noch aus dem baden-württembergischen Landtag geschmissen wurden. Doch wenigstens bekommt der VfB im Karussell der wechselnden Bundesligavereine eine eigene Identität, die sich vielleicht so zusammenfassen lässt: Keine Experimente!
Aber auch: Bruno Labbadia.
Der VfB hat es inzwischen fast perfektioniert, solche Realitätspointen zu setzen und dafür muss man ihn einfach mögen. Denn so ein bisschen ist er einfach die Beamtenversion des 1. FC Köln. So ehrlich muss man sein dürfen.
Und wie von alleine sind wir bei einem weiteren Grund, warum einem der VfB nicht wirklich unsympathisch sein kann. Denn wie beim Effzeh mit seinen abgedreht-fanatischen Überfans tummeln sich auch in Fankreisen des VfB liebenswerte Freaks. Die VfB-Gruppe hier bei SPOX, der wunderbare Heinz Kamke, der fantastische Hirngabel, die aufopferungsvolle Madi, so mancher verblendeter Kollege bei SPOX – sie alle gehören für mich fest zum VfB und machen dessen Dauer-Anwesenheit in Deutschlands bester Fußballliga mehr als erträglich. Und jetzt mal unter uns Geeks: Ein Verein, dessen Mitglieder ein eigenes Butter-Mem bei Twitter losgetreten haben, ist schlicht beneidenswert.
Bleiben noch liebenswerte Randaspekte wie der Fakt, dass ich auf Anhieb kein vergleichbares Symbol wie den Brustring bei Bundesligavereinen ausmachen kann, das gleichermaßen schlicht, eindeutig und zurückhaltend ist. Weiter natürlich der Dialekt der meisten Fans, der ähnlich wie das Sächsische mit jeder einzelnen Silbe permanent auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert. Die Marketing-Abteilung des VfB, die mir mit so mancher Kampagne durch dürre Alternative-Listen-Zeiten geholfen hat. Und nicht zu vergessen ein Umstand, dessen Bedeutung mir erst im Verlauf der letzten Stunde so wirklich ans Herz gewachsen ist.
Es bereitet fast keinerlei Probleme, nach einer verlorenen Wette einen 1000-Wörter-Text darüber zu schreiben, was am VfB Stuttgart liebenswert ist Ein wirklich nicht zu unterschätzender Aspekt. Und ein weiterer Beweis dafür: Irgendwie braucht es den VfB Stuttgart schon in der Liga. Und trotz – oder vielleicht gerade wegen - Bruno Labbadia kann man ihm nur alles Gute wünschen.
Überhaupt: Je länger ich überlege, umso deutlicher wird mir, dass es schon immer die Spielertypen beim VfB waren, die mein Verhältnis zu ihm besonders geprägt haben. Angefangen mit eben jenem Elber, der dafür sorgte, dass sogar auf den Fußballäckern der mittelfränkischen Provinz plötzlich weiße und später rote Fußballschuhe auftauchten. Als Kennzeichen für besondere technische Fähigkeiten und Spielwitz an den Füßen heranwachsender Sanitär- und Wasserinstallateure, Metzgerssöhnen und solchen, die auf dem Spielfeld nur so taten.
Nicht zu vergessen natürlich Jürgen Klinsmann, diesem blonden Kärcher-Strahler im VfB Sturm. Mit einer Dynamik, die gegnerische Abwehrreihen im Alleingang sprengen konnte (siehe Holland 1990) und einer Energie, die sich ihren Ausgang oft in die lustigsten Richtungen suchte. Es gab Spiele, in denen Klinsmann mit Glatze aufs Feld lief und schon zur Halbzeit wieder in gewohnter blonder Mähne zu sehen war. So energiegeladen war dieser Mensch. Dass er uns in einer Zeit zusammen mit dem rotblonden Umspannwerk Matthias Sammer zum Europameister machte, in der sich der deutsche Fußball ungefähr mit der Geschwindigkeit einer Steinflechte weiter entwickelte, ist nach wie vor sensationell.
Später wuchsen mir noch mehr VfB-Kicker ans Herz. Buffy Ettmayer, mit dem ich kurz nach meinem Abitur sogar in einer Mannschaft spielen durfte. Zugegeben, nicht mit ihm persönlich. Aber ich musste immer an Ettmayer denken, wenn unser Torhüter der zweiten Mannschaft mit dem Spitznamen „Fettel" erneut melancholisch-glasig einem Ball hinterhersah, der in unüberwindbarer Entfernung von einem Meter über die Linie seines Tores holperte. Er hätte begleitend zu diesem Blick tiefer Sehnsucht nach der nächsten Halbzeitkippe entschuldigend seine Schultern gehoben – allein, sie waren zu schwer. Wie gerne hätte ich ihm das Engagement Ettmayers (unbestätigten Gerüchten zufolge spielte er in „Indiana Jones – Tempel des Todes" den rollenden Felsstein) als Vorbild empfohlen. Leider beschränkte sich sein Wissen über den VfB darauf, dass in dem Kürzel ein F vorkommt. Mindestens eines.
Trotzdem fiel mir schnell auf, wie viele sympathische Charaktere und hervorragende Kicker der VfB immer wieder in seinen Reihen hatte. Von den Schüssen eines Karl Allgöwer könnte sich so mancher SUV-fahrende Jungprofi dieser Tage etwas abschneiden und der Ruf Guido Buchwalds wäre heute wesentlich besser, wenn er nicht auch neben dem Platz so dominant und selbstbewusst eingestiegen wäre, wie er das auf dem Rasen getan hat. Nicht zu vergessen Robert Schlienz, der vielleicht eine der schönsten Geschichten des deutschen Fußballs geschrieben hat. Sie alle gehören zum VfB. Genauso wie eine Präsidentenriege, deren Führungsstil oft nicht von dem des örtlichen Feuerwehrleutnants meiner Heimat zu unterscheiden war.
Aber auch das ist eben Teil des VfB. Auf der Tribüne sitzt ein Denkmal namens Meyer-Vorfelder, das schon von sich aus wankt und dessen Anhängsel mit wüstem Graffiti besprüht ist. Und nicht weit davon platziert sich ein Erwin Staudt, gegen den jede Büroklammer ein Pointenfeuerwerk ist. Zusammen haben sie einen Führungsstil in der Bundesliga manifestiert, der so altbacken und gutbürgerlich wirkt, als wäre er ein Relikt aus einer Zeit, in der Besuchergruppen mit roten Socken noch aus dem baden-württembergischen Landtag geschmissen wurden. Doch wenigstens bekommt der VfB im Karussell der wechselnden Bundesligavereine eine eigene Identität, die sich vielleicht so zusammenfassen lässt: Keine Experimente!
Aber auch: Bruno Labbadia.
Der VfB hat es inzwischen fast perfektioniert, solche Realitätspointen zu setzen und dafür muss man ihn einfach mögen. Denn so ein bisschen ist er einfach die Beamtenversion des 1. FC Köln. So ehrlich muss man sein dürfen.
Und wie von alleine sind wir bei einem weiteren Grund, warum einem der VfB nicht wirklich unsympathisch sein kann. Denn wie beim Effzeh mit seinen abgedreht-fanatischen Überfans tummeln sich auch in Fankreisen des VfB liebenswerte Freaks. Die VfB-Gruppe hier bei SPOX, der wunderbare Heinz Kamke, der fantastische Hirngabel, die aufopferungsvolle Madi, so mancher verblendeter Kollege bei SPOX – sie alle gehören für mich fest zum VfB und machen dessen Dauer-Anwesenheit in Deutschlands bester Fußballliga mehr als erträglich. Und jetzt mal unter uns Geeks: Ein Verein, dessen Mitglieder ein eigenes Butter-Mem bei Twitter losgetreten haben, ist schlicht beneidenswert.
Bleiben noch liebenswerte Randaspekte wie der Fakt, dass ich auf Anhieb kein vergleichbares Symbol wie den Brustring bei Bundesligavereinen ausmachen kann, das gleichermaßen schlicht, eindeutig und zurückhaltend ist. Weiter natürlich der Dialekt der meisten Fans, der ähnlich wie das Sächsische mit jeder einzelnen Silbe permanent auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert. Die Marketing-Abteilung des VfB, die mir mit so mancher Kampagne durch dürre Alternative-Listen-Zeiten geholfen hat. Und nicht zu vergessen ein Umstand, dessen Bedeutung mir erst im Verlauf der letzten Stunde so wirklich ans Herz gewachsen ist.
Es bereitet fast keinerlei Probleme, nach einer verlorenen Wette einen 1000-Wörter-Text darüber zu schreiben, was am VfB Stuttgart liebenswert ist Ein wirklich nicht zu unterschätzender Aspekt. Und ein weiterer Beweis dafür: Irgendwie braucht es den VfB Stuttgart schon in der Liga. Und trotz – oder vielleicht gerade wegen - Bruno Labbadia kann man ihm nur alles Gute wünschen.
Aufrufe: 1539 | Kommentare: 10 | Bewertungen: 12 | Erstellt:24.07.2011
ø 8.4
KOMMENTARE
Um bewerten und sortieren zu können, loggen Sie sich bitte ein.
26.07.2011 | 11:28 Uhr
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GNetzer :
@Bailey Ich habe nicht gegen Stefan gewettet. Das wäre wie ein Wettrennen mit einer Schildkröte.
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25.07.2011 | 18:23 Uhr
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UliFan : @ jasi
Haben wir das nicht gestern schon ausgiebig diskutiert? Du hast mir doch am Schluß sogar zugestimmt
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25.07.2011 | 10:19 Uhr
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Bailey :
Ach Max, wir mögen dich auch! edit: Um was haben Stefan und du gewettet?
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25.07.2011 | 08:56 Uhr
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heinzkamke : Solange...
...junge Leute noch erfundene Wetten vorschieben müssen, um sich zu Ihren wahren Leidenschaften zu bekennen, ist Dr. Theo Zwanzigers Mission nicht beendet.Sehr schön, Herr Netzer, wetten Sie weiter!
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24.07.2011 | 22:00 Uhr
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24.07.2011 | 21:37 Uhr
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UliFan :
Starker Text Max!Weiter natürlich der Dialekt der meisten Fans, der ähnlich wie das Sächsische mit jeder einzelnen Silbe permanent auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert.
Allein dafür 12 P
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24.07.2011 | 14:08 Uhr
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Voegi :
super blog! natürlich hätte sich jetzt die frage ergeben, warum du ausgerechnet dem vfb huldigst. aber das hast du ja aufgeklärt.in meiner persönlichen sympathieskala rangiert der vfb im oberen mittelfeld. zugegeben, das schwäbische lässt mir nach wie vor die fußnägel kräuseln. aber der verein hat schon was. eine echte konstante, die sich eben auch irgendwie treu geblieben ist. trotz gefühlter 200 trainer in 200 jahren.
die personen, die ich mit dem vfb verbinde, sind vor allem: fritz walter, karl allgöwer, carlos dunga, magisches dreieck und basualdo!
und ach ja, an das 5:3 erinnere ich mich auch - und sehr gerne. ein geiles spiel. 45 minuten passiert nicht viel. dann hat strunz das ding aus 25 meter in die maschen und der 2. hz gehts dann richtig los. und dann diese unfassbare aufholjagd gefolgt von den schlusspointen von zickler und scholl. großartig!
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24.07.2011 | 14:04 Uhr
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