08.10.2012 um 11:18 Uhr
Geschrieben von Voegi
Würstl mit Uli
„Na so viel Platz werden wir wohl nicht brauchen" entgegnete ich dem Kellner, der mich soeben in den im bayrischen Landhausstil gehaltenen, urigen Nebensaal des Schubeck-Restaurants geführt hatte. Eben jenen Saal, in dem mein ewiger Traum nach Jahren des Wartens endlich Wirklichkeit werden sollte. Der Saal war in der Tat viel zu groß für so ein Vis-á-vis und erschien mir dem denkwürdigen Anlass doch absolut angemessen. „Wenn Voegi sein Idol trifft, kann das Szenario gar nicht opulent genug sein", dachte ich mir und erschrak wieder mal ob meines Größenwahns, in dem ich mich selbst plötzlich in der dritten Person bezeichnete. Vielleicht war es auch einfach der Lothar Matthäus in mir, der mich so schrecklich peinliche Dinge denken ließ. Wie auch immer, ich war viel zu aufgeregt, um einen klaren Gedanken zu fassen. Womit ich immerhin wusste, wie sich ein Lothar Matthäus so fühlen musste.
Als er hereintrat, fühlte ich mich der Ohnmacht nah. Der große Uli, mein Uli, den ich in den letzten 30 Jahren immer nur aus der Ferne – mal ehrfurchtsvoll bewundernd, mal skeptisch zweifelnd – aber immer doch mit einem tiefen Gefühl der Hochachtung beobachtet hatte, stand plötzlich vor mir. Alt war er geworden, der Uli. Die ohnehin schon rare Haar"pracht" hatte sich weiter zurückgezogen, der gemütliche Bauch war umso mehr in den Vordergrund getreten – doch noch immer war es eben der der Uli. Hoeneß, wie man ihn kannte und wie ich ihn mochte.
Etwas unbeholfen wirkte er, als er mir unseren Tisch zeigte. So richtig schien er nicht zu wissen, wie man einem Rollstuhlfahrer denn nun einen Platz anbietet. Mein ironisches „Ich bleibe dann mal sitzen" ließ die Verkrampfung aber schnell weichen. Ein erleichtertes Lächeln durchfuhr sein gestresstes Gesicht und signalisierte mir allgemeine Entspannung. Einem lockeren Plausch über die großen und kleinen Dinge des Lebens stand nichts mehr im Wege.
Doch was genau sollte ich ihm nun eigentlich erzählen? Tausend kleine Sätze hatte ich mir für diesen Moment zurechtgelegt, doch auswendig gelernte Floskeln erschienen mir in diesem Augenblick völlig daneben. Ich folgte also meinem Instinkt und griff zu dem Klassiker unter den Promigesprächseröffnungen, der ultimativen Lobhudelei. „Fast nun 30 Jahre bin ich nun schon Bayern-Fan. Und Sie, Herr Hoeneß, sind für mich einfach der Inbegriff des FC Bayern. Was Sie für diesen Verein und damit auch für mich getan haben, ist einfach sensationell. Ich habe wirklich große Hochachtung vor Ihnen". Die Schleimerei war mir plötzlich unangenehm. Ich versuchte zurückzurudern „Auch wenn ich natürlich nicht alles gut gefunden habe, was Sie so gemacht haben…".
„Was denn zum Beispiel?". Mit so viel Direktheit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Zum Glück kam just in diesem Moment der Kellner an den Tisch und servierte uns beiden unser Weißbier. Was keiner von uns zwar bestellt hatte, aber bei Hoeneß-Besuchen im Platzl wohl zum guten Ton gehörte. „Erstmal Prost!", versuchte ich mir ein paar Sekunden Bedenkzeit zu verschaffen, um nach einem kräftigen Schluck des goldgelb-trüben Gesöffs neu anzusetzen. „Naja…", stammelte ich „mit Ihrer Vorliebe für die CSU kann ich ja nicht so viel anfangen". So viel Offenheit, hoffte ich, würde ihn beeindrucken. Tat es aber nicht.
„Was soll ich denn sonst wählen? Die Grünen etwa?". „Nee, wählen können Sie die CSU ja meinetwegen, aber so öffentlich für die Partei ergreifen, ist jetzt nicht mein Ding. Doch das sieht ja jeder anders". Ich merkte, dass Politik das ganz falsche Thema für dieses Mittagessen war, das ein befreundeter Sport-Journalist für mich mit Uli Hoeneß unter heftigem Druck auf die Tränendrüse klar gemacht hatte. Über politische Dinge zu reden, war da einfach vollkommen daneben. „Erinnern Sie sich noch an das legendäre Spiel in Köln vom Mai 1989?", lenkte ich das Gespräch wieder zurück auf den Sport. Ulis Augen fingen mit einem Schlag an zu strahlen. Der Gedanke an einen Sieg über Christoph Daum schien auch jetzt, 25 Jahre danach, noch Glückshormone in seinem Körper auszuschütten. „Und ob ich mich erinnere: Eines der wichtigsten Spiele für den FC Bayern – und für mich ganz persönlich auch".
Hoeneß‘ Lächeln hatte jetzt etwas Unverwüstliches. Der Gedanke an die gute alte Zeit schien auch ihn milde zu stimmen. Nichts war mehr zu spüren von dem grantelnden Stirnrunzeln, mit dem er meine politische Nachfrage beantwortet hatte. Nun war er ruhig, ganz gelassen, und wirkte fast euphorisch, als Alfons Schubeck persönlich, den es zwischen zwei Fernsehaufzeichnungen mal wieder ins eigene Restaurant verschlagen hatte, die riesige Wurstplatte an unseren Tisch servierte. Nürnberger Würstl, wohin das Auge nur blickte. „Greifen’s zu, der Uli hat noch genug davon", pries Schubeck den prall gefüllten Teller an. Ich wollte schlagfertig sein und entgegnete ein keckes „Ist denn auch Ingwer drin?". Doch mehr als ein läpsches „Willst a Watschn" war als Reaktion nicht drin.
Uli und ich stürzten uns nun auf die Würstchen. Mich wunderte sein ungebrochener Appetit. Er musste doch schon abertausend davon verschlungen haben. Schmeckten die ihm noch immer? Während wir also Würstl schaufelten und den einen oder anderen Bissen mit Weißbier runterspülten, kam Hoeneß zur Sache. Für ihn war unser Gespräch keineswegs ein Charity-Event, er hatte mal wieder einen Hintergedanken: „Ich habe gehört, Sie machen da etwas mit Internet und Sport." „Ja, kann man so sagen", gab ich kleinlaut zurück. „Ich halte davon ja noch immer nix. Aber irgendwie muss das ja wohl auch sein. „Muss es", erwiderte ich entschlossen.
„Bei uns läuft das ja wohl noch alles nicht optimal. Da muss sich was ändern. Wir brauchen da so einen Verrückten, einen Bayern-Fan, der schon mal was im Internet gemacht hat und das nötige Herzblut für den FC Bayern hat". Hoeneß machte eine kurze Pause, um zur entscheidenden Frage auszuholen. Ich wusste, was kommen würde. Mein Herz schlug wie ein Dampfhammer. „Wollen Sie das nicht machen, Bayern-Internet koordinieren, Community – oder wie das sich nennt – aufbauen?" „Ich???", entgegnete ich in gespielter Überraschung. „Ja, Sie". Ich wollte meine Begeisterung nicht unverhohlen zum Ausdruck bringen und suchte nach Auswegen. „Das ist natürlich eine große Ehre. Aber ich, ich bin ja nun auch für SPOX tätig…"
„Ich weiß zwar nicht, was dieses SPOX ist. Wohl so eine Internetseite, habe ich mir sagen lassen. Bei der es doch eh nur um den FC Bayern geht. Wo ist also der Unterschied?". Damit hatte er mich. Das war das Argument, das mich überzeugte. Ich nickte tiefenüberzeugt und schlug ein „So machen wir es, Uli!"…
Aus „Voegi – Memoiren eines Taugenichts", München 2014, S. 31 – 33.
Wie es weiter geht, erfahrt Ihr in der nächsten Runde Blogpokal. So ich noch dabei bin…
Als er hereintrat, fühlte ich mich der Ohnmacht nah. Der große Uli, mein Uli, den ich in den letzten 30 Jahren immer nur aus der Ferne – mal ehrfurchtsvoll bewundernd, mal skeptisch zweifelnd – aber immer doch mit einem tiefen Gefühl der Hochachtung beobachtet hatte, stand plötzlich vor mir. Alt war er geworden, der Uli. Die ohnehin schon rare Haar"pracht" hatte sich weiter zurückgezogen, der gemütliche Bauch war umso mehr in den Vordergrund getreten – doch noch immer war es eben der der Uli. Hoeneß, wie man ihn kannte und wie ich ihn mochte.
Etwas unbeholfen wirkte er, als er mir unseren Tisch zeigte. So richtig schien er nicht zu wissen, wie man einem Rollstuhlfahrer denn nun einen Platz anbietet. Mein ironisches „Ich bleibe dann mal sitzen" ließ die Verkrampfung aber schnell weichen. Ein erleichtertes Lächeln durchfuhr sein gestresstes Gesicht und signalisierte mir allgemeine Entspannung. Einem lockeren Plausch über die großen und kleinen Dinge des Lebens stand nichts mehr im Wege.
Doch was genau sollte ich ihm nun eigentlich erzählen? Tausend kleine Sätze hatte ich mir für diesen Moment zurechtgelegt, doch auswendig gelernte Floskeln erschienen mir in diesem Augenblick völlig daneben. Ich folgte also meinem Instinkt und griff zu dem Klassiker unter den Promigesprächseröffnungen, der ultimativen Lobhudelei. „Fast nun 30 Jahre bin ich nun schon Bayern-Fan. Und Sie, Herr Hoeneß, sind für mich einfach der Inbegriff des FC Bayern. Was Sie für diesen Verein und damit auch für mich getan haben, ist einfach sensationell. Ich habe wirklich große Hochachtung vor Ihnen". Die Schleimerei war mir plötzlich unangenehm. Ich versuchte zurückzurudern „Auch wenn ich natürlich nicht alles gut gefunden habe, was Sie so gemacht haben…".
„Was denn zum Beispiel?". Mit so viel Direktheit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Zum Glück kam just in diesem Moment der Kellner an den Tisch und servierte uns beiden unser Weißbier. Was keiner von uns zwar bestellt hatte, aber bei Hoeneß-Besuchen im Platzl wohl zum guten Ton gehörte. „Erstmal Prost!", versuchte ich mir ein paar Sekunden Bedenkzeit zu verschaffen, um nach einem kräftigen Schluck des goldgelb-trüben Gesöffs neu anzusetzen. „Naja…", stammelte ich „mit Ihrer Vorliebe für die CSU kann ich ja nicht so viel anfangen". So viel Offenheit, hoffte ich, würde ihn beeindrucken. Tat es aber nicht.
„Was soll ich denn sonst wählen? Die Grünen etwa?". „Nee, wählen können Sie die CSU ja meinetwegen, aber so öffentlich für die Partei ergreifen, ist jetzt nicht mein Ding. Doch das sieht ja jeder anders". Ich merkte, dass Politik das ganz falsche Thema für dieses Mittagessen war, das ein befreundeter Sport-Journalist für mich mit Uli Hoeneß unter heftigem Druck auf die Tränendrüse klar gemacht hatte. Über politische Dinge zu reden, war da einfach vollkommen daneben. „Erinnern Sie sich noch an das legendäre Spiel in Köln vom Mai 1989?", lenkte ich das Gespräch wieder zurück auf den Sport. Ulis Augen fingen mit einem Schlag an zu strahlen. Der Gedanke an einen Sieg über Christoph Daum schien auch jetzt, 25 Jahre danach, noch Glückshormone in seinem Körper auszuschütten. „Und ob ich mich erinnere: Eines der wichtigsten Spiele für den FC Bayern – und für mich ganz persönlich auch".
Hoeneß‘ Lächeln hatte jetzt etwas Unverwüstliches. Der Gedanke an die gute alte Zeit schien auch ihn milde zu stimmen. Nichts war mehr zu spüren von dem grantelnden Stirnrunzeln, mit dem er meine politische Nachfrage beantwortet hatte. Nun war er ruhig, ganz gelassen, und wirkte fast euphorisch, als Alfons Schubeck persönlich, den es zwischen zwei Fernsehaufzeichnungen mal wieder ins eigene Restaurant verschlagen hatte, die riesige Wurstplatte an unseren Tisch servierte. Nürnberger Würstl, wohin das Auge nur blickte. „Greifen’s zu, der Uli hat noch genug davon", pries Schubeck den prall gefüllten Teller an. Ich wollte schlagfertig sein und entgegnete ein keckes „Ist denn auch Ingwer drin?". Doch mehr als ein läpsches „Willst a Watschn" war als Reaktion nicht drin.
Uli und ich stürzten uns nun auf die Würstchen. Mich wunderte sein ungebrochener Appetit. Er musste doch schon abertausend davon verschlungen haben. Schmeckten die ihm noch immer? Während wir also Würstl schaufelten und den einen oder anderen Bissen mit Weißbier runterspülten, kam Hoeneß zur Sache. Für ihn war unser Gespräch keineswegs ein Charity-Event, er hatte mal wieder einen Hintergedanken: „Ich habe gehört, Sie machen da etwas mit Internet und Sport." „Ja, kann man so sagen", gab ich kleinlaut zurück. „Ich halte davon ja noch immer nix. Aber irgendwie muss das ja wohl auch sein. „Muss es", erwiderte ich entschlossen.
„Bei uns läuft das ja wohl noch alles nicht optimal. Da muss sich was ändern. Wir brauchen da so einen Verrückten, einen Bayern-Fan, der schon mal was im Internet gemacht hat und das nötige Herzblut für den FC Bayern hat". Hoeneß machte eine kurze Pause, um zur entscheidenden Frage auszuholen. Ich wusste, was kommen würde. Mein Herz schlug wie ein Dampfhammer. „Wollen Sie das nicht machen, Bayern-Internet koordinieren, Community – oder wie das sich nennt – aufbauen?" „Ich???", entgegnete ich in gespielter Überraschung. „Ja, Sie". Ich wollte meine Begeisterung nicht unverhohlen zum Ausdruck bringen und suchte nach Auswegen. „Das ist natürlich eine große Ehre. Aber ich, ich bin ja nun auch für SPOX tätig…"
„Ich weiß zwar nicht, was dieses SPOX ist. Wohl so eine Internetseite, habe ich mir sagen lassen. Bei der es doch eh nur um den FC Bayern geht. Wo ist also der Unterschied?". Damit hatte er mich. Das war das Argument, das mich überzeugte. Ich nickte tiefenüberzeugt und schlug ein „So machen wir es, Uli!"…
Aus „Voegi – Memoiren eines Taugenichts", München 2014, S. 31 – 33.
Wie es weiter geht, erfahrt Ihr in der nächsten Runde Blogpokal. So ich noch dabei bin…
Aufrufe: 3567 | Kommentare: 15 | Bewertungen: 5 | Erstellt:08.10.2012
ø 7.4
KOMMENTARE
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08.10.2012 | 19:30 Uhr
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Gnanag :
@schnum: Vemrutlich hast du Recht. Ich wittere da auch Schiebung, mal beim Community-Leiter melden....oh wait....
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08.10.2012 | 19:09 Uhr
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Schnumbi :
ich vermute mal der voegi hat ne freirunde erwischt. skandal sag ich dazu
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08.10.2012 | 14:35 Uhr
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Mich würde nur mal interessieren wie´s zu dem Treffen kam, wieso Uli die fixe Idee hat dass du das FCB-Internet koordinieren sollst und so...ich bin gespannt!
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08.10.2012 | 11:47 Uhr
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Schnumbi :
hehe mich hast du damit schon mal alter träumer aber mal abwarten bis der teaser blog erscheint und vor allem deine konkurrenz
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