05.03.2011 um 12:48 Uhr
Geschrieben von possessionplay
ZUKUNFT: FCB, v. Gaal, BVB, BuLi
Im in 198 Ländern übertragenen Topspiel des 24.Spieltags der Bundesliga hat letzte Woche Borussia Dortmund mit einer Top-Leistung beim FC Bayern gewonnen. Sie unterbanden das Spiel des Rekordmeisters über weite Strecken und überzeugten und beeindruckten mit ihren schnellen Gegenstößen sowie ihrer Defensivleistung.
Das gleichfalls übermäßig gelobte wie diskutierte Offensivpressing der Dortmunder gab es in diesem Umfang in der Allianz-Arena selten zu sehen. Vielmehr spielten sie eine Art False-Pressing, mit dem sie Bayern ständig mit Enge und indirektem Druck konfrontierten. Bei so einem Pressing ist immer auch die psychologische Komponente entscheidend – und die konnte Dortmund gewinnbringend einsetzen und ausnutzen.
Sie provozierten bestimmte Situation, rissen die Kontrolle an sich, versuchten, die Bayern zu lenken, um dann und wann bestimmte Situationen herbeizuführen, in konstanter Weise aber ihre Gegner eben indirekt unter Druck zu setzen, sie dann zu isolieren – das alles bei genau abgestimmter Ordnung, durch präzise Vorbereitung herbeigeführt.
Dortmund isoliert Robben:
Dortmund isoliert einen ZM (Pranjic/Kroos):
Pressing der Dortmunder vor dem 0-1:
Den Raum gab es aber nicht, dafür ein Gegentor durch einen Konter (wenn auch nicht im klassischen Sinne). Dortmund spielte wirklich eher wie eine Kontermannschaft, mit Umschalten nach Ballgewinn und schnellem, vertikalem Gegenstoß, wie beim 0-1 und 1-2. Dieser Ansatz in ihrem Spiel ist aber eher reaktiver Natur.
Pro-Aktiv und reaktiv waren in den letzten 12 Monaten viel diskutierte Begriffe – und ebenso wurde über das Duell Ballbesitzfußball vs. 1-Touch-Konterfußball geredet. Auch wenn beide Ideale gegensätzlich erscheinen, sind sie nicht zwingend komplett gegensätzliche Modelle. So spielt Dortmund nicht annähernd so reaktiv wie Inter unter Mourinho.
Jedes dieser Systeme kann das jeweils andere ausschalten oder – anders gesagt – das eine System ist gegen das andere anfällig und umgekehrt.
Das Possessionplay zeigt sich anfällig gegen Ballverluste mit anschließendem Konter, gegen frühes Pressing, gegen Gegner, die die Räume verengen, sie nicht nach vorne kommen lassen, die Ballzirkulation stören und ihnen die Kontrolle über das Zentrum nicht zugestehen.
Auf der anderen Seite steht eben der Pressing-unterstützte vertikale Konterfußball, dessen Schwächen in Verlagerungen, schnellen und präzisen Kurzpass-Stafetten und eventuell auch in langen Pässen hinter die Abwehrkette liegen.
Können sich die Systeme auch gegenseitig neutralisieren? Über weite Strecken haben wir das neulich in München gesehen – als der BVB zu Gast war. Die Neutralisation bezieht sich aber auf das ballbesitzorientierte Spiel, welches kalt gestellt wird, und geht deshalb von der anderen Seite aus. Folglich steht die Waage mehr zum Vorteil des 1-Touch-Konterfußballs.
Von diesen beiden ebenso komplexen wie sensiblen Systemen ist die Münchener Possessionplay-Variante die schwierigere und anfälligere Variante. Das zeigt, warum der Dortmunder Fußball den Bayern beim 3-1 überlegen war: Der von Klopp geleitete Prozess (der natürlich auch viel an Geduld und Zeit benötigt) ist bereits weiter, da er früher begann und bisher von weniger Störfaktoren beeinflusst wurde im Vergleich zur Mission von van Gaal.
Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die Spielidee der Bayern noch sensibler sich darstellt, wirkt sich dies zu einem beträchtlichen Teil auf die derzeitige Lage der beiden Teams aus. Diese beiden Teams, die in den nächsten Jahren einen interessanten und sportlich hochwertigen Kampf in der Bundesliga ausfechten werden.
In Anbetracht der aktuellen Lage der Bayern und der neuerlichen Niederlage gegen Schalke scheint diese Voraussage lächerlich zu sein. Doch der Prozess in München hat derzeit eine kleine Delle, die nun durch 2 schlechte Spiele auch etwas übertrieben dargestellt wird. Die Ballzirkulation verläuft zu langsam, teilweise gezwungenermaßen auf Umwegen und es fehlt an Bewegung der vorderen Spieler und dem so essentiellen Raum schaffen.
Den Schalkern spielte nun – auch wenn von „lustlosen Bayern" geredet wird – auch einiges in die Karten. Spielverlauf, Vorbereitung und sie trafen auf einen Gegner, bei dem dies nicht so war – nach physisch und psychisch schweren Spielen.
Man kann sich sicherlich Sorgen machen, dass auch Schalke die bajuwarische Flügelzange aus dem Spiel nehmen und die Räume vor der Box sichern konnte. Aber es waren Dortmund und Schalke, die defensiv gut sind, defensiv spielten und auch dieses Spiel durchhalten konnten. Das Prinzip war ähnlich wie bei Dortmund – nur abwartender:
Raul arbeitete gut und versuchte, das Zentrum abzudecken und Bayern zu zwingen, über das hintere Trapez zu spielen. Einen freien Raum gab es für die Bayern, wo Schalke aber gut isolieren konnte. Die Doppel-8 befreite sich aber gut durch clevere Laufwege aus diesem Dilemma und auch das Mittel der angepassten Wechselpässe, mit denen eine erste Pressingwelle ausgespielt werden kann, klappte gegen Schalke.
Auch wenn die Spieler selbst bei Bayern betonen, dass die Gegner wissen, wie man zu spielen habe, so darf die derzeitige Situation als temporäres Tief gesehen werden. Mit etwas Trainingsarbeit und neuer Frische sollte dieses überwunden werden. So wie die Rivalen aus dem Ruhrpott werden viele versuchen zu spielen, aber nicht vielen wird es gelingen.
Vor den beiden Spielen war alles wunderbar und nun bezeichnet Bela Rethy den Bayern-Coach als jemanden, der „statischen Fußball spielen lasse" (und das ist eine Unterstellung), obwohl er vor 9 Monaten noch den totalen Fußball wiedererfunden hatte.
Beschönigend soll das nicht sein. Die Vorzeichen vor den Spielen gegen Dortmund und Schalke waren nicht günstig. Man hätte in beiden Spielen etwas herausholen können (auch wenn es in einem unverdient gewesen wäre) und unter anderen Vorzeichen wären die Spiele bei noch nicht einmal fortgeschrittenem Prozess anders verlaufen. Man überlege sich, was das für die Zukunft bedeutet.
Selbst Barcelona hat ein sensibles Öko-System, mit einer vor allem psychologischen Konstante. van Gaal betont, dass Fußball ein Spiel der Entscheidungen sei. Dies bringt unserem System die nötige Flexibilität, macht es stark. Das Treffen von Entscheidungen ist aufgrund der aktuellen psychologischen Probleme sowieso etwas problematisch. Wenn wegen der anderen Probleme die Situation ist, dass man nach vorne nicht mehr kommt, dann treffen die Spieler die Entscheidung, noch einmal den sicheren Zirkulationsweg zu gehen.
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Das gleichfalls übermäßig gelobte wie diskutierte Offensivpressing der Dortmunder gab es in diesem Umfang in der Allianz-Arena selten zu sehen. Vielmehr spielten sie eine Art False-Pressing, mit dem sie Bayern ständig mit Enge und indirektem Druck konfrontierten. Bei so einem Pressing ist immer auch die psychologische Komponente entscheidend – und die konnte Dortmund gewinnbringend einsetzen und ausnutzen.
Sie provozierten bestimmte Situation, rissen die Kontrolle an sich, versuchten, die Bayern zu lenken, um dann und wann bestimmte Situationen herbeizuführen, in konstanter Weise aber ihre Gegner eben indirekt unter Druck zu setzen, sie dann zu isolieren – das alles bei genau abgestimmter Ordnung, durch präzise Vorbereitung herbeigeführt.
Dortmund isoliert Robben:
Dortmund isoliert einen ZM (Pranjic/Kroos):
Pressing der Dortmunder vor dem 0-1:
Den Raum gab es aber nicht, dafür ein Gegentor durch einen Konter (wenn auch nicht im klassischen Sinne). Dortmund spielte wirklich eher wie eine Kontermannschaft, mit Umschalten nach Ballgewinn und schnellem, vertikalem Gegenstoß, wie beim 0-1 und 1-2. Dieser Ansatz in ihrem Spiel ist aber eher reaktiver Natur.
Pro-Aktiv und reaktiv waren in den letzten 12 Monaten viel diskutierte Begriffe – und ebenso wurde über das Duell Ballbesitzfußball vs. 1-Touch-Konterfußball geredet. Auch wenn beide Ideale gegensätzlich erscheinen, sind sie nicht zwingend komplett gegensätzliche Modelle. So spielt Dortmund nicht annähernd so reaktiv wie Inter unter Mourinho.
Jedes dieser Systeme kann das jeweils andere ausschalten oder – anders gesagt – das eine System ist gegen das andere anfällig und umgekehrt.
Das Possessionplay zeigt sich anfällig gegen Ballverluste mit anschließendem Konter, gegen frühes Pressing, gegen Gegner, die die Räume verengen, sie nicht nach vorne kommen lassen, die Ballzirkulation stören und ihnen die Kontrolle über das Zentrum nicht zugestehen.
Auf der anderen Seite steht eben der Pressing-unterstützte vertikale Konterfußball, dessen Schwächen in Verlagerungen, schnellen und präzisen Kurzpass-Stafetten und eventuell auch in langen Pässen hinter die Abwehrkette liegen.
Können sich die Systeme auch gegenseitig neutralisieren? Über weite Strecken haben wir das neulich in München gesehen – als der BVB zu Gast war. Die Neutralisation bezieht sich aber auf das ballbesitzorientierte Spiel, welches kalt gestellt wird, und geht deshalb von der anderen Seite aus. Folglich steht die Waage mehr zum Vorteil des 1-Touch-Konterfußballs.
Von diesen beiden ebenso komplexen wie sensiblen Systemen ist die Münchener Possessionplay-Variante die schwierigere und anfälligere Variante. Das zeigt, warum der Dortmunder Fußball den Bayern beim 3-1 überlegen war: Der von Klopp geleitete Prozess (der natürlich auch viel an Geduld und Zeit benötigt) ist bereits weiter, da er früher begann und bisher von weniger Störfaktoren beeinflusst wurde im Vergleich zur Mission von van Gaal.
Im Zusammenhang mit der Tatsache, dass die Spielidee der Bayern noch sensibler sich darstellt, wirkt sich dies zu einem beträchtlichen Teil auf die derzeitige Lage der beiden Teams aus. Diese beiden Teams, die in den nächsten Jahren einen interessanten und sportlich hochwertigen Kampf in der Bundesliga ausfechten werden.
In Anbetracht der aktuellen Lage der Bayern und der neuerlichen Niederlage gegen Schalke scheint diese Voraussage lächerlich zu sein. Doch der Prozess in München hat derzeit eine kleine Delle, die nun durch 2 schlechte Spiele auch etwas übertrieben dargestellt wird. Die Ballzirkulation verläuft zu langsam, teilweise gezwungenermaßen auf Umwegen und es fehlt an Bewegung der vorderen Spieler und dem so essentiellen Raum schaffen.
Den Schalkern spielte nun – auch wenn von „lustlosen Bayern" geredet wird – auch einiges in die Karten. Spielverlauf, Vorbereitung und sie trafen auf einen Gegner, bei dem dies nicht so war – nach physisch und psychisch schweren Spielen.
Man kann sich sicherlich Sorgen machen, dass auch Schalke die bajuwarische Flügelzange aus dem Spiel nehmen und die Räume vor der Box sichern konnte. Aber es waren Dortmund und Schalke, die defensiv gut sind, defensiv spielten und auch dieses Spiel durchhalten konnten. Das Prinzip war ähnlich wie bei Dortmund – nur abwartender:
Raul arbeitete gut und versuchte, das Zentrum abzudecken und Bayern zu zwingen, über das hintere Trapez zu spielen. Einen freien Raum gab es für die Bayern, wo Schalke aber gut isolieren konnte. Die Doppel-8 befreite sich aber gut durch clevere Laufwege aus diesem Dilemma und auch das Mittel der angepassten Wechselpässe, mit denen eine erste Pressingwelle ausgespielt werden kann, klappte gegen Schalke.
Auch wenn die Spieler selbst bei Bayern betonen, dass die Gegner wissen, wie man zu spielen habe, so darf die derzeitige Situation als temporäres Tief gesehen werden. Mit etwas Trainingsarbeit und neuer Frische sollte dieses überwunden werden. So wie die Rivalen aus dem Ruhrpott werden viele versuchen zu spielen, aber nicht vielen wird es gelingen.
Vor den beiden Spielen war alles wunderbar und nun bezeichnet Bela Rethy den Bayern-Coach als jemanden, der „statischen Fußball spielen lasse" (und das ist eine Unterstellung), obwohl er vor 9 Monaten noch den totalen Fußball wiedererfunden hatte.
Beschönigend soll das nicht sein. Die Vorzeichen vor den Spielen gegen Dortmund und Schalke waren nicht günstig. Man hätte in beiden Spielen etwas herausholen können (auch wenn es in einem unverdient gewesen wäre) und unter anderen Vorzeichen wären die Spiele bei noch nicht einmal fortgeschrittenem Prozess anders verlaufen. Man überlege sich, was das für die Zukunft bedeutet.
Selbst Barcelona hat ein sensibles Öko-System, mit einer vor allem psychologischen Konstante. van Gaal betont, dass Fußball ein Spiel der Entscheidungen sei. Dies bringt unserem System die nötige Flexibilität, macht es stark. Das Treffen von Entscheidungen ist aufgrund der aktuellen psychologischen Probleme sowieso etwas problematisch. Wenn wegen der anderen Probleme die Situation ist, dass man nach vorne nicht mehr kommt, dann treffen die Spieler die Entscheidung, noch einmal den sicheren Zirkulationsweg zu gehen.
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Aufrufe: 5902 | Kommentare: 23 | Bewertungen: 13 | Erstellt:05.03.2011
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05.03.2011 | 13:43 Uhr
-2
possessionplay : @robie
1. Lies mal den entsprechenden Guardian-Artikel von Wilson: Da wirst du feststellen, dass niemand geringeres als Lobanovsky höchstpersönlich diesen Term geprägt hat...2. Habe ich das?
Welcher war dann besser? Von den Letzten kann es wohl keiner gewesen sein, oder?
1
05.03.2011 | 13:34 Uhr
-2
super Analyse und Super Graphiken !!
Ein Punkt ist mir aber abseits der Taktik noch
aufgefallen unsere Aufstellung ist insgesamt
sehr kleinwüchsig bis auf Gomez und dem
2. IV neben Tymo ist keine richtige Kante mehr
auf dem Platz .
Gegen Teams wie Dortmund und
Schalke die bei Standartsituationen mehrere
große Leute in den gegnerischen Strafraum
schicken haben wir derzeit da richtige Probleme
und können uns auch offensiv kaum durchsetzen .
0
05.03.2011 | 13:13 Uhr
-2
xxlhonk :
Endlich ein Blog in dem nicht gejammert wird, wie schlecht die (Bayern-)Welt ist.Sondern ein Blog in dem man wirklich anschaulich erklärt warum das so ist.
Stark
Auch die Grafiken sind super!
Echt Klasse!
2
05.03.2011 | 12:51 Uhr
-2
possessionplay : ANHANG
Genau hier liegt das Dilemma: Diese Freiheit der Spieler kann ungeheure Genialität und Kreativität erzeugen. Aber wenn das System hakt, dann ist es selber Gift, weil es die Spieler in gewisser Weise einzwängt. Die Stärke als Schwäche. Etwas, das in Barcas Grundgerüst auch steckt, und das wir auch haben. Ein Lob für Louis? Ja. Die Grundlage, die Ordnung, das Verständnis des Systems sind absolut vorhanden. Dass der Ball zirkuliert wird, wenn man nicht durchkommt, wenn es keine Lücke gibt, zeugt überhaupt nicht von fehlender Kreativität. Die Spieler haben das System verstanden. Zur guten Umsetzung fehlt dann nicht viel. Aber eine kleine Störung hat einen viel größeren Effekt.van Gaal ist absolut der richtige Trainer für den FC Bayern. Die Mannschaft ist auf einem guten Weg. In naher Zukunft wird vor allem auch das psychologische Moment von Belang sein, in ferner Zukunft können wir uns dann auf 2 Giganten in der Liga (und international) freuen, auf ein Duell zwischen dem Ballbesitz- und dem 1-Touch-Konterfußball, was wohl einiges bereithalten wird...
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Dortmund spielt sicher nicht jedes Spiel auf Konter. Aber die reaktiven Tendenzen sind dort jedenfalls zu erkennen. Vor allem eben gegen Bayern - und wenn so ein Duell in den nächsten Jahren eintritt (vllt. ähnlich wie Real gegen Barca; ohne dort die Spielstile vergleichen zu wollen), dann werden vor allem die direkten Spiele entscheiden.
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@Büchsenjunge
Hast du gut von Gaal aufgeschnappt.Stark
Dortmund ist ja auch so viel größer mit Götze Barrios Bender Sahin Schmelzer.
Bayern hat mit Gomez mit Luis Gustavo mit Breno (wenn er denn spielt) mit Badstuber mit Mueller 5 Spieler über 1.85 das ist weit mehr als der europäische Durchschnitt.
Aber klar wir sollten schnell Jaap Stam reaktivieren damit er die hohen Bälle wegschlägt dann läufts bei Bayern wieder :D