27.02.2012 um 23:54 Uhr
Geschrieben von vanGaalsNase
modernes Training II
Durch die diff. LM werden neben den Vorteilen im Hinblick auf die Verbesserung der technisch-taktischen Fähigkeiten auch strukturelle, motivationale und inhaltliche Vorzüge erreicht:
1.) Abwechslungsreicheres Üben und Trainieren
2.) Ökonomisierung des Lern- und Übungsprozesses
3.) Erhöhung der Übungs- und Trainingsqualität
4.) Ergänzungsmöglichkeiten des traditionellen Techniktrainings
implizites Lernen
Jede Variation der Parameter oder Umstände in den Trainingsspielformen hat zur Folge, dass sich die Spieler auch (teilweise unbewusst) gedanklich mit dem Spiel auseinandersetzen müssen, weil sie neue und spezifische Lösungen finden müssen. Auch dabei stehen Technik und Taktik in einem nicht zu trennenden Zusammenhang. Dieser Lernprozess, der ohne explizite, also intellektuell-theoretische Vorgaben vollzogen werden soll, basiert auf der Idee des impliziten Lernens. Das implizite Lernen ist die unbewusste oder spielerische Aneignung von Fertigkeiten und Wissen in der Tätigkeit selbst.
Um Spielern eine Spielidee oder bestimmte Strategie zu vermitteln, reicht es nicht, sie theoretisch und explizit zu schulen. Die Praxis ist zu komplex, als dass jede Situation einzeln erfasst und verbal ausgewertet werden kann. Die Spieler sollen im Training vielmehr einer großen Anzahl an Spielsituationen ausgesetzt werden, um entsprechende Probleme und Herausforderungen spielnah zu lösen. Dabei obliegt es dem Trainer, die Umstände und Parameter derart zu beeinflussen, dass die gewünschte Strategie von den Spielern verinnerlicht wird. Dies sollte optimalerweise überwiegend praktisch durch implizites Lernen der Spieler stattfinden, wobei nur gelegentlich gecoacht, also explizit korrigiert wird.
Gibt man beispielsweise den kontrahierenden Trainingsmannschaften vor, sie sollen 10 Sekunden nach Ballgewinn zum Torabschluss kommen, wird damit das schnelle Spiel in die Spitze, sowie das schnelle Umschalten beider Teams forciert und damit in technischer und taktischer Hinsicht geschult. Die Begrenzung der Anzahl individueller Ballkontakte soll das Passspiel fördern. Die veränderbare Begrenzung der Spielfeldgröße soll die Intensität beeinflussen, was Auswirkungen auf die Kondition, Zweikampfverhalten und allgemeine Technik hat, weil die jeweiligen Anforderungen gerade in engen Räumen höher sind. Außerdem erhöht sich in engen Räumen der permanente Druck auf den Ball, was die Mitspieler ohne Ball lehren soll, schneller Lösungen anzubieten, während der Spieler in Ballbesitz lernen soll, Lösungen schneller zu finden. Kombiniert man mehrere Vorgaben miteinander, entsteht ein hochkomplexes und kompliziertes Spielreglement, welches auch die Konzentration der Akteure fordert und fördert.
Um entsprechend der mannschaftlichen Strategie die passenden Umstände zu schaffen, muss der Trainer ein hohes Maß an taktischem Verständnis aufweisen, um die gewünschten und notwendigen Zielsetzungen zu erreichen. Will man also ein schnelles Spiel in die Spitze erreichen, wäre es falsch, wenn alle Spieler der ballbesitzenden Mannschaft vor Torabschluss den Ball berühren sollen. Bevorzugt man hingegen einen kontrollierten Spielaufbau von hinten heraus ohne große Risiken, empfiehlt sich eine solche Vorgabe.
Viele empfinden den Fußball als zu komplex, um jede Handlung explizit erfassen zu können. Daher wird ohnehin vieles implizit erlernt und vermittelt. Doch für einen Trainer muss es das Ziel sein, (für sich selbst) möglichst viel fußballspezifisches Wissen explizit machen zu können, um den stetig anwachsenden Erkenntnissen begegnen zu können. Denn wer die einzelnen Techniken und Taktiken bewusst bewerten und verarbeiten kann, kann auch entsprechend gut vermitteln, wenn Spieler (intellektuelle und/oder theoretische) Hilfestellungen benötigen.
Zusammenfassung von diff. LM und impl. Lernen
In modernen Lehrmethoden ist der Spieler nicht mehr bloß Ausführender der Anweisungen des Trainers. Dieser regt die Spieler stattdessen dauernd zum Denken an, damit sie lernen, selbst richtige Entscheidungen zu treffen. Auf diese Weise wird der Spieler unabhängiger von den Hinweisen seines Trainers. Anstatt Instruktionen zu geben, die schnell vergessen werden, erlaubt der Trainer den Spielern, eigene Erfahrungen zu sammeln, die dann auch länger im Langzeitgedächtnis gespeichert werden. Klassische Lehrmethoden haben regelmäßig einen gedächtnisbedingten Abfall der Leistung auf das ursprüngliche Ausgangsniveau zur Folge.
Das vom Trainer gesteuerte Entdecken des Fußballspiels ist nach momentanen Erkenntnissen die optimale Lehrweise. Mit ihr stimuliert und führt der Trainer die Spieler durch offene und geschlossene Fragen zur Lösung des Problems. Er gibt ihnen indirekt zu verstehen, dass der Fußball im Kopf beginnen muss, bevor die Aktion auf dem Spielfeld mit dem Fuß beendet wird. Damit wird der Spieler zum Hauptdarsteller des Lern- und Lehrprozesses, während früher der Lehrer im Mittelpunkt des Trainings stand und Lehrautorität war. Um spezifische Fragen stellen zu können, die die Spieler beantworten müssen, sollten die Trainer von jedem vereinfachten Spiel die Lern- und Lehrziele im Angriff und in der Abwehr kennen.
Implizites und diff. Lernen sind vorrangig zur Verbesserung der Bewegung und Technik des Sportlers geeignet. Theoretische und intellektuelle Korrekturen oder Vorgaben sind hierbei hindernd, da sie die Individualität des Athleten außer Acht lassen. Wie bereits beschrieben, findet jeder in einem individuellen autonomen Prozess sein eigenes Bewegungsoptimum. Taktische Zielsetzungen hingegen können und sollen auch theoretisch und explizit erfolgen, um dem oder den Sportlern eine gewisse Grundlage der geplanten Strategie zu vermitteln. Mit ihr als ungefährem Rahmen kann mit zusätzlicher Hilfe des differenziellen Lernansatzes eine dazu passende Spieltechnik entwickelt werden.
Quellen:
1. Schöllhorn, Wolfgang; Differenzielles Lehren und Lernen von Bewegung
2. Tielemann, Nele; Modifikation motorischer Lernprozesse durch Instruktionen
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1.) Abwechslungsreicheres Üben und Trainieren
2.) Ökonomisierung des Lern- und Übungsprozesses
3.) Erhöhung der Übungs- und Trainingsqualität
4.) Ergänzungsmöglichkeiten des traditionellen Techniktrainings
implizites Lernen
Jede Variation der Parameter oder Umstände in den Trainingsspielformen hat zur Folge, dass sich die Spieler auch (teilweise unbewusst) gedanklich mit dem Spiel auseinandersetzen müssen, weil sie neue und spezifische Lösungen finden müssen. Auch dabei stehen Technik und Taktik in einem nicht zu trennenden Zusammenhang. Dieser Lernprozess, der ohne explizite, also intellektuell-theoretische Vorgaben vollzogen werden soll, basiert auf der Idee des impliziten Lernens. Das implizite Lernen ist die unbewusste oder spielerische Aneignung von Fertigkeiten und Wissen in der Tätigkeit selbst.
Um Spielern eine Spielidee oder bestimmte Strategie zu vermitteln, reicht es nicht, sie theoretisch und explizit zu schulen. Die Praxis ist zu komplex, als dass jede Situation einzeln erfasst und verbal ausgewertet werden kann. Die Spieler sollen im Training vielmehr einer großen Anzahl an Spielsituationen ausgesetzt werden, um entsprechende Probleme und Herausforderungen spielnah zu lösen. Dabei obliegt es dem Trainer, die Umstände und Parameter derart zu beeinflussen, dass die gewünschte Strategie von den Spielern verinnerlicht wird. Dies sollte optimalerweise überwiegend praktisch durch implizites Lernen der Spieler stattfinden, wobei nur gelegentlich gecoacht, also explizit korrigiert wird.
Gibt man beispielsweise den kontrahierenden Trainingsmannschaften vor, sie sollen 10 Sekunden nach Ballgewinn zum Torabschluss kommen, wird damit das schnelle Spiel in die Spitze, sowie das schnelle Umschalten beider Teams forciert und damit in technischer und taktischer Hinsicht geschult. Die Begrenzung der Anzahl individueller Ballkontakte soll das Passspiel fördern. Die veränderbare Begrenzung der Spielfeldgröße soll die Intensität beeinflussen, was Auswirkungen auf die Kondition, Zweikampfverhalten und allgemeine Technik hat, weil die jeweiligen Anforderungen gerade in engen Räumen höher sind. Außerdem erhöht sich in engen Räumen der permanente Druck auf den Ball, was die Mitspieler ohne Ball lehren soll, schneller Lösungen anzubieten, während der Spieler in Ballbesitz lernen soll, Lösungen schneller zu finden. Kombiniert man mehrere Vorgaben miteinander, entsteht ein hochkomplexes und kompliziertes Spielreglement, welches auch die Konzentration der Akteure fordert und fördert.
Um entsprechend der mannschaftlichen Strategie die passenden Umstände zu schaffen, muss der Trainer ein hohes Maß an taktischem Verständnis aufweisen, um die gewünschten und notwendigen Zielsetzungen zu erreichen. Will man also ein schnelles Spiel in die Spitze erreichen, wäre es falsch, wenn alle Spieler der ballbesitzenden Mannschaft vor Torabschluss den Ball berühren sollen. Bevorzugt man hingegen einen kontrollierten Spielaufbau von hinten heraus ohne große Risiken, empfiehlt sich eine solche Vorgabe.
Viele empfinden den Fußball als zu komplex, um jede Handlung explizit erfassen zu können. Daher wird ohnehin vieles implizit erlernt und vermittelt. Doch für einen Trainer muss es das Ziel sein, (für sich selbst) möglichst viel fußballspezifisches Wissen explizit machen zu können, um den stetig anwachsenden Erkenntnissen begegnen zu können. Denn wer die einzelnen Techniken und Taktiken bewusst bewerten und verarbeiten kann, kann auch entsprechend gut vermitteln, wenn Spieler (intellektuelle und/oder theoretische) Hilfestellungen benötigen.
Zusammenfassung von diff. LM und impl. Lernen
In modernen Lehrmethoden ist der Spieler nicht mehr bloß Ausführender der Anweisungen des Trainers. Dieser regt die Spieler stattdessen dauernd zum Denken an, damit sie lernen, selbst richtige Entscheidungen zu treffen. Auf diese Weise wird der Spieler unabhängiger von den Hinweisen seines Trainers. Anstatt Instruktionen zu geben, die schnell vergessen werden, erlaubt der Trainer den Spielern, eigene Erfahrungen zu sammeln, die dann auch länger im Langzeitgedächtnis gespeichert werden. Klassische Lehrmethoden haben regelmäßig einen gedächtnisbedingten Abfall der Leistung auf das ursprüngliche Ausgangsniveau zur Folge.
Das vom Trainer gesteuerte Entdecken des Fußballspiels ist nach momentanen Erkenntnissen die optimale Lehrweise. Mit ihr stimuliert und führt der Trainer die Spieler durch offene und geschlossene Fragen zur Lösung des Problems. Er gibt ihnen indirekt zu verstehen, dass der Fußball im Kopf beginnen muss, bevor die Aktion auf dem Spielfeld mit dem Fuß beendet wird. Damit wird der Spieler zum Hauptdarsteller des Lern- und Lehrprozesses, während früher der Lehrer im Mittelpunkt des Trainings stand und Lehrautorität war. Um spezifische Fragen stellen zu können, die die Spieler beantworten müssen, sollten die Trainer von jedem vereinfachten Spiel die Lern- und Lehrziele im Angriff und in der Abwehr kennen.
Implizites und diff. Lernen sind vorrangig zur Verbesserung der Bewegung und Technik des Sportlers geeignet. Theoretische und intellektuelle Korrekturen oder Vorgaben sind hierbei hindernd, da sie die Individualität des Athleten außer Acht lassen. Wie bereits beschrieben, findet jeder in einem individuellen autonomen Prozess sein eigenes Bewegungsoptimum. Taktische Zielsetzungen hingegen können und sollen auch theoretisch und explizit erfolgen, um dem oder den Sportlern eine gewisse Grundlage der geplanten Strategie zu vermitteln. Mit ihr als ungefährem Rahmen kann mit zusätzlicher Hilfe des differenziellen Lernansatzes eine dazu passende Spieltechnik entwickelt werden.
Quellen:
1. Schöllhorn, Wolfgang; Differenzielles Lehren und Lernen von Bewegung
2. Tielemann, Nele; Modifikation motorischer Lernprozesse durch Instruktionen
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Aufrufe: 7735 | Kommentare: 16 | Bewertungen: 14 | Erstellt:27.02.2012
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KOMMENTARE
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28.02.2012 | 15:53 Uhr
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28.02.2012 | 14:56 Uhr
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Taktiker :
Super danke, da gibt es ja gerade bei Google Books viele interessante Arbeiten zu dem Thema, genau so etwas habe ich gesucht.Ich finde die Richtung des Artikels ziemlich interessant, da die Trainingslehre in den deutschen Medien praktisch totgeschwiegen wird, und eine umfassende Informierung in diesem Bereich in Eigenregie sehr, sehr zeitaufwändig, kostenintensiv und häufig auch frustrierend ist (ich spreche da aus Erfahrung). Von daher wäre ich sehr froh über weitere Artikel in dieser Richtung, gerne auch mit Übungsempfehlungen.. Ich könnte mir vorstellen, dass es dafür ein großes Interesse auf dieser Plattform gibt, vor allem, wenn die Texte noch ein wenig praxisorientierter angelegt wären.
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28.02.2012 | 11:43 Uhr
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Ich habe ja unten zwei Quellen angegeben. Bei der über Schöllhorn (der ist Professor in Mainz und ist so etwas wie ein Pionier auf diesem Gebiet) findest du entsprechende Studien. Da hat er nämlich nachweisen können, dass Mannschaften, die mit der diff. LM üben: 1.) schneller lernen, 2.) größere Fortschritte in der gleichen Zeit erreichen und 3.) wird das auch viel länger im Kopf behalten. Einmal hat er das mit Torschussübungen getestet und einmal im Kugelstoßen.
Also alles, was man an Nachweisen über die Thesen wissen muss, ist dort zu finden. Musst nur den Titel seiner Arbeit eingeben und schon kommen ein paar Seiten mit noch tiefgründigeren Erklärungen.
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28.02.2012 | 11:15 Uhr
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Gnanag :
Vielen Dank für diesen hochinteressanten Beitrag. Ist mal ein Bereich, der sonst nur wenig beleuchtet wird. Habe ich mit größtem Interesse gelesen!
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28.02.2012 | 11:05 Uhr
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Taktiker :
Vorweg erstmal von mir ein riesen Kompliment für den sehr interessanten, hochkomplexen, Beitrag.Allerdings hätte ich noch einige Fragen zu den von dir aufgestellten Thesen: Gibt es die Studien online oder wie hast du Zugang dazu bekommen? Gelten die daraus gewonnenen Erkenntnisse für alle Alertsklassen oder nehmen die Autoren eine Differenzierung vor?
Fände ich interessant zu erfahren, ansonsten muss ich noch bemerken, dass die anscheinend auch von dir bevorzugte differenzielle Lehrmethode natürlich gerade im Kinder- und Jugendfußball Vorrang haben sollte, eben weil die Kinder spielerisch die Techniken lernen anstatt sie in endlosen Wiederholungen einzuschleifen.
Dennoch würde ich gerne wissen, wie die Autoren der Studien zu ihrem Ergebnis bezüglich der höheren Effektivität kommen, da ich aus dem Kopf ziemlich sicher bin, dass auch die traditionellen Lehrmethoden bei großer Trainingszeit zu guten Ergebnissen führen, auch wenn sie natürlich für den wöchentlichen Trainingsbetrieb nicht zu empfehlen sind.
Wenn man die Studien kostenlos bekommen kann wäre ich daran sehr interessiert und freue mich auf deine Rückmeldung, darüber hinaus natürlich auch über eine hoffentlich interessante Diskussion unter diesem Beitrag!
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Gut, deine Formulierungen sind manchmal etwas (zu) trocken und klingen teilweise wie ein "Oberlehrer" (naja, zu negative Bezeichnung), aber inhaltlich ist das natürlich herausragend. Nicht nur herausragend bezüglich der Qualität, sondern auch, dass es sowohl enorm kompakt dargestellt ist als auch nichts wirklich vergisst. Von daher ein großes Lob von meiner Seite, kann da eigentlich nur zustimmen.
Fluider und intellektueller Fußball ist im Kommen, was Spiel und Training betrifft.