NBA Analyse - Der Vier-Team Trade zwischen den Rockets, Hawks, Timberwolves und Nuggets: Moreyball extrem

Gianluca Fraccalvieri
05. Februar 202016:38
P.J. Tucker wird in Zukunft als Center für die Rockets spielen.getty
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ZweiTagevor dem Ende der Trade-Deadline istder größte Deal seitmehrals 20 Jahre über die Bühne gegangen - vier Teams und zwölf Spieler waren beteiligt. Im Mittelpunkt stehen dabei Clint Capela und Robert Covington. SPOX blickt auf den Deal aus Sicht der beteiligten Teams.

Der Vier-Team-Trade im Detail

  • Houston bekommt: Robert Covington, Jordan Bell, Zweitrundenpick 2024 (via Golden State Warriors)
  • Atlanta bekommt: Clint Capela, Nene
  • Minnesota bekommt: Malik Beasley, Juan Hernangomez, Evan Turner, Jarred Vanderbilt, Erstrundenpick 2020 (via Brooklyn Nets, Lottery-geschützt)
  • Denver bekommt: Gerald Green, Keita Bates-Diop, Shabazz Napier, Noah Vonleh, Erstrundenpick 2020 (via Houston Rockets)

Der Trade aus der Sicht der Houston Rockets

Daryl Morey hat seinem Ruf mal wieder alle Ehre gemacht und kurz vor der Trade-Deadline einen Monster-Deal aus dem Hut gezaubert, der vielerorts für Aufsehen sorgt. Seit dem Trade, der Patrick Ewing 2000 von New York nach Seattle verschifft hat, sah die Liga in dieser Größenordnung nichts Vergleichbares mehr. Ursprünglich sollten sogar auch die Golden State Warriors in den Deal verwickelt werden, allerdings konnte man sich bezüglich D'Angelo Russell nicht einigen.

Im Mittelpunkt dieses Trades standen aber ohnehin die Rockets und ihre Absicht, Clint Capela gegen Robert Covington einzutauschen, um ihre Philosophie des Small Balls zukünftig ins Extreme zu treiben. Als Capela in den letzten eineinhalb Wochen verletzt fehlte, spielte Houston standardmäßig mit P.J. Tucker auf der Fünf. Obwohl der ehemalige Bamberger mit seinen 1,96 Meter eigentlich zu klein für die Center-Position ist, gewannen die Rox in diesem Zeitraum alle vier Spiele. Eine Tatsache, die die Verantwortlichen zu diesem drastischen Schritt bewegt haben wird.

Wie Tim MacMahon von ESPN berichtet, soll die Starting Five mit Tucker auf der Fünf auch mehr als nur eine Übergangslösung sein: "Um das klarzustellen, die Rockets suchen nicht nach einem Starting-Center. Sie spielen Small Ball mit P.J. Tucker auf der Fünf." James Harden, Russell Westbrook, Eric Gordon/Danuel House, Robert Covington und P.J. Tucker dürften somit in Zukunft starten.

Houston Rockets: Moreyball extrem mit Robert Covington

Neu ist dieses extreme Small-Ball-Lineup nicht. Die Warriors lehrten über Jahre hinweg viele Teams in den Playoffs mit der berüchtigten "Hamptons Five" das Fürchten, die Draymond Green (1,98 Meter) als Center beinhaltete. Und auch die Rockets haben Tucker schon als Center eingesetzt, beispielweise in der legendären Serie gegen die Warriors 2018, als sie nur um Haaresbreite die Finals verpassten. Warum also nicht dauerhaft so spielen?

Mit Robert Covington haben sie nun einen der besseren Three-and-D-Spieler der Liga in ihren Reihen, der im Gegensatz zu Capela in der ersten Fünf einen ganz entscheidenden Vorteil mit sich bringt: Er kann werfen (35,8 Prozent Dreier über die Karriere). Während Capela in seiner gesamten Karriere nur 4 (!!) Würfe außerhalb der Zone nahm (und einen traf), kann RoCo fröhlich in den Ecken auf den offenen Dreier warten, was dem Spacing Houstons merklich zugutekommen wird. Schön ist das nach Ansicht des durchschnittlichen NBA-Fans nicht, aber eben effizient, wenn man mit James Harden den wohl besten Iso-Scorer aller Zeiten im Team hast.

Gleichzeitig wird Mike D'Antoni wohl auch die guten alten Seven-Seconds-or-Less-Zeiten wieder aufleben lassen. Seit Russell Westbrook stellt man ohnehin schon die zweischnellste Offensive der Liga, mit einem weiteren Shooter auf dem Feld wird nicht nur Brodie in Transition mehr Platz für seine Drives zum Korb haben, sondern eben auch eine weitere Anspielstation.

Bei vielen wird jetzt aber zurecht die Frage aufkommen, was aus dem heißgeliebten Pick-and-Roll der Rockets wird. Schließlich war nur das Duo Lillard-Nurkic (1,05 Punkte pro Possession bei min. 1500 Versuchen) über die letzten vier Jahre seit Capela gedraftet wurde effizienter (1,04 Punkte). Wirft man einen Blick auf die reinen Zahlen, ist dieser Trade dann vielleicht doch nicht mehr so überraschend.

Während 2016/17 noch unglaubliche 41,2 Prozent aller Plays der Rockets P&Rs zwischen Harden und Capela waren, sind es in dieser Saison nur noch 18,1 Prozent gewesen - Tendenz sinkend. Vor allem zwischen dem Schweizer und Westbrook lief das Pick'n'Roll überhaupt nicht, 0,83 Punkte pro Spiel bedeutet ligaweit Platz 100 von 107 (min. 200 P&Rs). Folglich spross eine klare Erkenntnis: Hardens Isolations und Westbrooks Drives in Transition sind die besten Plays der Rockets - Moreyball extrem kann man das wohl nennen.

Houston Rockets: Nur noch Small-Ball?

Das größte Problem, was dieser Deal jedoch mit sich bringt, ist die Frage der Defensive. Wen wollen die Rockets in den Playoffs gegen Nikola Jokic oder Anthony Davis spielen lassen? Das muss die Denkweise der Rockets sein, schließlich wollen sie jetzt gewinnen. Das Titelfenster von Harden und Westbrook ist nicht ewig geöffnet und besonders rosig sieht die weitere Zukunft in Anbetracht der zahlreichen abgegebenen Draft-Picks nicht aus.

Tucker ist zweifelsohne eine der besten Verteidiger der Liga, ein Anthony Davis dürfte ihn aber im Post schlichtweg auffressen. Selbiges gilt für Jordan Bell, der sich nicht einmal in Minnesota endgültig durchsetzen konnte. Die bisherigen Minuten mit Tucker auf der Fünf geben schon einen guten Eindruck davon, was uns in den nächsten Wochen und Monaten erwarten wird. Laut Cleaning the Glass hat Tucker bisher 32 Prozent seiner Spielzeit auf der Fünf gespielt, was dem Offensivrating (118,9) einen großen Schub gegeben hat (109,3 als PF).

Gleichzeitig litt die Defensive jedoch gewaltig darunter, 114,5 Punkte pro 100 Possessions kassierten die Rockets mit Tucker auf der Fünf - das wäre das drittschlechteste Ligarating, noch hinter den Hawks! Verschweigen darf man dabei jedoch nicht, dass Capela zwar ein guter, aber kein überragender Verteidiger ist. Mit ihm auf den Court standen die Rockets im Defensivrating bei 107,4, ohne ihn bei 108,8. Offensiv verändert sich das Rating dahingegen um 4,8 Punkte - nach oben (115,8). Das Problem des fehlenden Big Man (wortwörtlich) bleibt dennoch, sind Isaiah Hartenstein und Tyson Chandler nur bedingt zu gebrauchen für die Ansprüche der Rockets.

Wenig verwunderlich ist also, dass die Rockets laut MacMahon weiterhin "aggressiv" auf der Suche nach einem Center sind, via Trade oder Buyout-Markt. Wie Adrian Wojnarowski(ESPN) betont, haben die Rockets dabei die Möglichkeit, bis zu 12 Millionen Dollar aufzunehmen und 5,8 davon zu reinvestieren, ohne über die Luxussteuergrenze zu fallen.

Der Trade aus der Sicht der Atlanta Hawks

Auf den ersten Blick sehen die Hawks wie einer der großen Profiteure dieses Deals aus. Für Evan Turner, die Rechte am Erstrundenpick der Nets 2020 und einen Zweitrundenpick 2024 (via Warriors) hat die Franchise aus Georgia ihre große Schwachstelle auf der Center-Position geschlossen. Augenscheinlich sind die Hawks nicht von der Free Agency Class 2020 für Bigs überzeugt, deswegen der Move für Capela.

Mit dem Eidgenossen kommt einer der besten Rebounder der Liga, mit einem einigermaßen moderaten Gehalt (66 Mio. bis 2023) und einer Menge Playoff-Erfahrung, ohne einen übermäßigen Gegenwert zu investieren. Die bis dato wohl schlechteste Fünfer-Rotation der Association (Alex Len, Bruno Fernando) sieht auf einmal echt vernünftig aus.

Gleichzeitig räumt man auch ein weiteres Problem aus dem Weg, das sich um Youngster John Collins dreht. Der 22-Jährige pendelte bisher immer zwischen der Vier und Fünf, wobei ihm die Forward-Position augenscheinlich deutlich besser liegt. Wie der offensive Fit mit ihm und Capela aussehen wird, muss man abwarten.

Beides sind gute Pick-and-Roller, vor allem Trae Young wird sich dabei auf einen weiteren Lob-Empfänger freuen. Allerdings könnte sich das Spacing zu einem Problem entwickeln, da Capela offensiv praktisch nur Pässe stopfen kann. Collins hat zwar einen passablen Dreier (35 Prozent über die Karriere), allerdings kann er seine Fähigkeiten in der Zone deutlich besser entfalten. Für genauere Fragen können die Hawks bei den Kollegen aus Indiana nachhaken, die mit Myles Turner und Domantas Sabonis ein ganz ähnliches "Problem" haben.

Clint Capela läuft in Zukunft für die Atlanta Hawks auf.getty

Atlanta Hawks: Clint Capela soll John Collins entlasten

Vor allem defensiv dürfte Capela dem jungen Team aber entscheidend weiterhelfen. Collins wirkte als Verteidiger auf der Fünf oft überfordert und schlichtweg unfähig, die gesamte Defensivlast der Hawks alleine zu schultern - alleine wegen seiner Maße und Größe.

Laut Cleaning the Glass spielte Collins in dieser Saison 50 Prozent auf der Fünf, dabei ist das Defensivrating der Hawks (113,6) 5 Punkte schlechter, als wenn er als PF aufläuft (108,6). Seine großen Stärke als Shotbocker (1,8 Blocks pro Spiel) dürfte auch noch besser zum Tragen kommen, wenn er einen gestandenen Rim-Protector an seine Seite weiß und mehr von der Helpside agieren kann.

Und das Beste aus Hawks-Sicht: Sie haben nichts zu verlieren. Unabhängig davon, dass die Playoffs in dieser Saison ohnehin außer Reichweite sind (-9 Siege auf Platz acht), bleiben Collins und Capela über diese Spielzeit hinaus wertvolle Assets für etwaige Trades in der Zukunft.

Der Trade aus der Sicht der Minnesota Timberwolves

Zwei Erstrundenpicks wollten die Wolves für Robert Covington haben, diese haben sie bekommen, auch wenn der eine direkt nach Denver weiter verschifft wurde. Hinzu kommen mit Malik Beasley, Juan Hernangomez, Evan Turner und Jarred Vanderbilt einige ziemlich passable Rollenspieler.

Vor allem mit dem dringend benötigten Shooting (33 Prozent als Team, Platz 29) dürften die Neuzugänge Abhilfe schaffen, Beasley (38 Prozent über die Karriere) und Hernangomez (35 Prozent) können immer einen offenen Wurf treffen, genau das ist die Philosophie des neuen GMs Gersson Rosas, ein früherer Assistent von Morey. Da beide werden im Sommer Restricted Free Agents werden, hat Minny zudem die Chance, sie zu moderaten Preisen über Saisonende hinaus zu halten.

Ob die Wolves mit dem Deal das Maximum herausgeholt haben, ist aber fraglich. Covingtons Vertrag und seine Fähigkeiten waren in der gesamten Liga bekannt und geschätzt. In Anbetracht dessen wirken vier Rollenspieler und zwei mittelmäßige Picks etwas mau.

Erschwerend hinzu kommt, dass Franchise-Player Karl-Anthony Towns erneut wenig begeistert sein dürfte. Erst kürzlich gab dieser zu Protokoll, dass RoCo sein bester Freund im Team sei. Zugleich rückt der erhoffte Trade für D'Angelo Russell (ein weiterer bester Freund von KAT) damit in noch weitere Ferne.

Der Trade aus der Sicht der Denver Nuggets

Dass die Nuggets in diesen Deal intergiert sein würden, kam etwas überraschend. Zwar geisterten in den vergangenen Tagen Gerüchte umher, dass Denver Malik Beasley abgeben würde, in Anbetracht der großen Verletzungssorgen in dieser Saison war damit aber nicht unbedingt zu rechnen, spielten die beiden diese Nacht doch noch kombinierte 52 (!) Minuten.

Jedoch muss man auch sagen, dass beide für die weitere Planung der Nuggets keine große Rolle gespielt hätten. Mit Michael Porter Jr., Torrey Craig und Mason Plumlee stehen die wichtigsten Backups für die Playoffs bereit, für die Regular Season hat man mit Shabazz Napier und Noah Vonleh zudem zwei vernünftige Ersatzleute mitgeliefert bekommen. Dies in Verbindung mit dem Erstrundenpick der Rockets in diesem Jahr klingt ziemlich vernünftig.

Schwierigkeiten könnte es erst im Sommer geben, wenn gleich vier Rollenspieler Free Agents werden und in diesem Fall ein Beasley oder Hernangomez für kleines Geld eine gute Abhilfe gewesen sein könnte. Damit dürfte man in Denver aber fertig werden.