Die Boston Celtics hatten gehofft, ihren Rebuild in diesem Sommer zu beschleunigen oder vielleicht sogar abzuschließen. Es ließ sich jedoch kein namhafter Free Agent locken, auch die großen Trades blieben aus. Die Playoffs werden daher erneut ohne die erfolgreichste Franchise der NBA-Geschichte stattfinden - und der Abgang von Rajon Rondo scheint immer wahrscheinlicher.
"Es könnte ein Feuerwerk geben", kündigte Wyc Grousbeck im März an. Der Celtics-Besitzer und CEO war zu diesem Zeitpunkt optimistisch, im Sommer einen Superstar nach Boston locken zu können und schnell von einem Team mitten im Rebuild zu einem Contender zu werden.
Die Chancen dafür schienen nicht schlecht. GM Danny Ainge verfügte aufgrund der Deals der letzten Jahre über jede Menge Draft Picks, zudem bestand aufgrund der miesen Saison die Chance auf einen hohen Lottery Pick. Damit sollte sich doch ein attraktives Paket schnüren lassen, so die Hoffnung Grousbecks.
Diese hat sich aber nicht bestätigt: In der Lottery sprang bloß der sechste Pick heraus. Alle Versuche, einen höheren zu bekommen, scheiterten. Und dadurch - so viel steht mittlerweile fest - zerschlug sich auch die Hoffnung, Wunschspieler Kevin Love aus Minnesota loszueisen.
Ainge ließ nichts unversucht, blieb aber glücklos. Als er erkannte, dass er mit den Angeboten aus Golden State und vor allem Cleveland nicht würde mithalten können, orientierte sich der Manager anderweitig.
Geduld ist gefragt
Im Draft wurden Marcus Smart und James Young geholt, via Trade kamen Tyler Zeller, Marcus Thornton und Evan Turner. Avery Bradley wurde gehalten, Kris Humphries und Jerryd Bayless hingegen verließen Massachusetts. Ein Feuerwerk sieht anders aus.
So wie beispielsweise 2007, als Kevin Garnett und Ray Allen zum Team kamen und prompt die Meisterschaft nach Beantown brachten. "Ich weiß, wie schwer das war, und wieviel Glück wir damals hatten", blickt Ainge zurück, "ich habe das Gefühl, dass viele Leute nicht verstehen, was für eine Herausforderung solche Deals sind."
Ainge weiß, dass ein derartiger Sechser im Lotto nicht in jedem Sommer möglich ist, und blieb daher geduldig. Die müssen nun auch die Fans der Celtics aufbringen - denn kurzfristig wird mit dieser Mannschaft nicht viel zu holen sein. Der Blick richtet sich schon jetzt auf den nächsten Sommer.
Entwicklung der Talente
spoxBis dahin steht die Entwicklung der diversen jungen Spieler im Vordergrund. An erster Stelle stehen hier natürlich Smart, der kürzlich gleich mal ankündigte, er sei der kommende Rookie des Jahres, und Mit-Rookie Young. Aber auch bei Kelly Olynyk und Jared Sullinger wird genau hingesehen werden, schließlich steht das Urteil noch aus, ob die beiden Big Men Teile des Teams der Zukunft sein sollen.Um den Youngstern ordentlich Spielzeit zu verschaffen, wird wohl auch noch der eine oder andere Veteran abgegeben. Zach Lowe von "Grantland" zufolge versuchen die Kelten etwa "mit allen Mitteln", Brandon Bass noch zu traden. Auch Jeff Green hat in Boston keineswegs eine Jobgarantie.
Was wird aus Turner?
Neuzugang Turner steht derweil vor einem kritischen Jahr für seine Karriere. Der Flügelspieler überzeugte im vergangenen Jahr nur bei den desaströsen 76ers, bei den Indiana Pacers schaffte er es danach nicht einmal in die Playoff-Rotation. In Boston will und muss der 25-Jährige nun ein für allemal zeigen, dass er einem NBA-Team weiterhelfen kann.
Sein Agent David Falk ist zumindest der Ansicht, dass Boston und Turner perfekt zusammenpassen: "Brad [Stevens] bekommt einen Spieler, der Talent besitzt und der unbedingt zeigen will, dass es ein Fehler war, was in Indiana passiert ist. Ich denke, Brad wird ihm helfen und Evan daher zu einem Free-Agent-Schnäppchen werden."
Wie genau das jedoch aussehen soll, weiß wohl auch Stevens bisher nicht. Denn Turner ist - ebenso wie Rondo, Smart und mit Abstrichen Bradley - nicht gerade für seine Präzision aus der Distanz bekannt. Anhand des jetzigen Personals scheint Spacing eine massive Baustelle zu werden.
Tanking? "Lehne ich ab!"
Böse Zungen mögen unken, dass die Celtics dies bereitwillig in Kauf nehmen würden, auch wenn sich Grousbeck gegen alle Tanking-Vorwürfe - wie schon letztes Jahr - vehement wehrt: "Ich lehne das ab! Wir haben einen Coach, der sich selbst anzünden würde, um Spiele zu gewinnen, und so haben wir letztes Jahr auch gespielt."
Prinzipiell stimmt das - die Celtics spielten hart, gegen viele Gegner fehlte es jedoch einfach an Qualität. Und daran wird sich wohl auch in dieser Saison nichts ändern. Der Osten ist insgesamt stärker geworden, und so dürfte erneut eine Platzierung am unteren Tabellenende und damit die Chance auf einen Top-Pick warten.
Die Celtics verfügen in den nächsten vier Jahren über satte sieben First-Round-Picks und können sich daher den Luxus leisten, mit Geduld den Aufbau eines Contenders anzugehen. Bis es soweit ist, dürfte der jetzige Star aber wohl nicht mehr zum Team gehören.
Rondo vor dem Abschied?
Seit Jahren ranken sich die Gerüchte um einen möglichen Trade Rajon Rondos - es ist die unendliche Geschichte in Boston. In dieser Saison wird sie aber so oder so zu Ende gehen, da der Point Guard in sein letztes Vertragsjahr geht.
Dass er bei den Celtics bleibt, kann man sich mittlerweile nur noch schwer vorstellen, auch wenn er sich demgegenüber offiziell nicht abgeneigt gibt. Grousbeck sagte kürzlich, es habe "keine Gespräche" über eine Vertragsverlängerung gegeben.
Den Einser der Zukunft soll wohl Smart geben. Experten zufolge ist der Plan in Boston, den wiedergenesenen Rondo bis zur Trading Deadline im Februar ins Schaufenster zu stellen, um dann noch einen angemessenen Gegenwert für ihn zu bekommen. Blickt man auf den Kurs von Ainge, wäre dies die logische Konsequenz aus den Moves dieser Offseason.
"White Mamba" ist zurück
Dieser Kurs schreibt gewissermaßen vor, geduldig zu bleiben, nichts zu erzwingen und den Rebuild als Marathon, nicht als Sprint zu sehen. Die Fans mag das teilweise frustrieren, aber derzeit hat Ainge wohl keine bessere Option. Es kann nicht das Ziel sein, ins Liga-Mittelfeld zu rücken, und mehr wäre derzeit nicht möglich.
Die Fans können sich immerhin über die Rückkehr eines ihrer Lieblinge freuen. Brian Scalabrine wird einer der Team-Kommentatoren, wie er in seiner herrlichen LeBron-Parodie "I'm coming home" mit so viel Pathos wie möglich selbst verkündete. Vielleicht kann der Humor der "White Mamba" die Saison etwas erträglicher machen, wenn die Spiele erwartungsgemäß wenig Anlass zur Freude bieten.
Im Hintergrund wird Danny Ainge weiter nach Möglichkeiten suchen, die Celtics wieder nach oben zu führen. Mit jeder Menge Geduld. Oder, wenn sich die Chance ergibt, auch mit einem Feuerwerk.