In Brooklyn wird nach und nach der Scherbenhaufen einer großen Idee aufgekehrt. Der exzentrische Besitzer träumt weiter von Siegen, doch künftig regiert wohl die Mittelmäßigkeit. Dabei stecken die Nets dank vergangener Taten in einer unangenehmen Zwickmühle. Ein Ausweg? Nicht in Sicht.
Gut zwei Jahre ist es her, als Mikhail Prokhorov versuchte, mit lautem Gebrüll die Association in Aufruhr zu bringen. "Nach mir die Sintflut", schrie der Russe frei heraus und seine Brooklyn Nets versuchten mit aller Macht ein dickes Ausrufezeichen in die NBA-Landkarte zu setzen, als sie sich aufmachten in die Phalanx der ganz großen Teams einzubrechen.
Gut zwei Jahre ist es her, als Kevin Garnett, Paul Pierce und Jason Terry im Tausch mit fünf mehr oder weniger relevanten Rollenspielern sowie Erstrunden-Picks in den Drafts 2014, 2016 und 2018 gen Big Apple wechselten. Drei Erstrunden-Picks für ein Trio in den Mittdreißigern.
Den Trade als gewagten Zug zu bezeichnen, kam schon da einer gnadenlosen Untertreibung gleich. Dieser Schachzug musste sich rächen. Nun rächt er sich. Vielleicht sogar noch früher, als viele gedacht hätten. Willkommen in 2015, Brooklyn!
Scherbenhaufen einer großen Idee
Was ist seit der Aufrüstung passiert? Zwei Spielzeiten lang versuchte ein Team aus Spielern über dem Zenit die müden Beine durch die unerbittliche Mühle Regular Season zu tragen, um dann in den Playoffs die geballte Erfahrung spielen zu lassen und die Brooklyn Nets zum Champion zu machen.
Das Vorhaben klappte nicht einmal ansatzweise. 2014 scheiterte das Starensemble in den Conference Semifinals an den Miami Heat, ein Jahr später setzte es eine Niederlage in der ersten Runde gegen die Atlanta Hawks. Prokhorovs Projekt der "Big Five" um Williams, Johnson, Pierce, Garnett und Lopez war spätestens da endgültig Geschichte.
Zusammengespielt hat das Quintett aufgrund diverser Verletzungen sowieso nur in einem Bruchteil der Spiele. Pierce ging schon nach einem Jahr, Garnett verließ das sinkende Schiff während der abgelaufenen Saison gen Minnesota. Nun ist auch Deron Williams weg. Die Nets stehen vor dem Scherbenhaufen einer großen Idee.
Diesen Scherbenhaufen versuchte General Manager Billy King in dieser Offseason so gut es geht zu bereinigen. Mit der primären Vorgabe, den die beiden Jahre zuvor bis ins Unermessliche strapazierten Salary Cap wieder in normale Gefilde zu bewegen. Das gelang ihm.
Kings Aufräumarbeiten
Durch den Buyout von Deron Williams drückte sich Brooklyn wieder unterhalb der Luxussteuer, die Free Agents Alan Anderson und Mirza Teletovic ließ man ebenfalls ziehen. Schließlich machte King auch in der Center-Debatte Nägel mit Köpfen. Weil nur noch Platz für einen Spieler mit Start-Ambitionen war, wurde Mason Plumlee nach einer starken Saison zu den Trail Blazers geschickt, der Kontrakt mit Brook Lopez stattdessen verlängert.
Den Riesenvertrag von Joe Johnson wurde man dagegen wenig überraschend nicht los. Somit bleiben den Nets in der kommenden Saison immerhin noch zwei Fünftel des ambitionierten Quintetts. An dessen Seite wurde dafür enorm aufgefrischt. "Athletisch, jung und motiviert" stand auf der Stellenausschreibung für neue Spieler, übersieht man einmal die Verpflichtung von Andrea Bargnani.
Dank Thaddeus Young und Thomas Robinson wurde der Frontcourt verjüngt, mit Shane Larkin und Wayne Ellington stießen zudem zwei ehemalige Mavs zum Kader. Sogar im Draft durfte man in der ersten Runde ran.
Auch wenn der eigene Erstrunden-Pick selbstverständlich einem anderen Team gehörte (den Atlanta Hawks), konnten die Nets dank des Plumlee-Trades an 23. Stelle mit Rondae Hollis-Jefferson einen vermeintlichen Steal landen. Eine ähnliche Chance wird Brooklyn im nächsten Jahr wohl nicht erhalten, womit die Probleme anfangen.
Wenig Spielaufbau, wenig Defense
Besitzer Mikhail Prokhorov betonte sichtlich zufrieden mit der eigenen Offseason: "Ohne großes Aufsehen haben wir viel geschafft." Damit hat der Russe auch nicht Unrecht. Die Nets haben alten Ballast abgeworfen und größtenteils junge Spieler hinzugeholt. Doch was genau bringt das?
Die Hände reiben sich vor allem die Boston Celtics angesichts der Rechte am Draft-Pick 2016, denn die Nets tendieren trotz einer vermeintlich schwachen Eastern Conference weitaus eher zur Lottery denn zu den Playoffs.
Durch den Abgang von Deron Williams wird zwar Geld gespart, doch große Sprünge konnten sich die Nets nicht leisten, folglich hat sich die Point-Guard-Rotation arg ausgedünnt. Mit Jarrett Jack und Neuzugang Larkin stehen nun nur noch zwei Spieler im Kader, die sich ansatzweise als Aufbau betiteln können. Große Spielmacher, die ihre Mitspieler besser machen, sind sie aber nicht.
Noch düsterer sieht es für die Defensive der Nets aus. Schon letzte Saison gehörte Brooklyn zu den schwächeren Teams in der Verteidigung. Das wird sich durch die Verpflichtung von Bargnani, Ellington oder Larkin nicht großartig geändert haben.
Zwickmühle Mittelmaß
Ein großer Teil der Verantwortung liegt nun auf den Schultern von Brook Lopez, einem der zweifellos besten Offensiv-Center der Association, der aber enorm fragil ist. Lediglich in seinen ersten drei Spielzeiten stand der Big Man in allen Spielen auf dem Feld, seitdem plagt er sich mit chronischen Fußproblemen herum. Gleichzeitig stellt er aber die Hoffnung auf eine gute Saison in Brooklyn dar.
Lopez scheint bereit für die Führungsrolle und offenbarte bereits, dass es für ihn nun an erster Stelle stehe, ein Anführer auf dem Feld zu sein und ein Beispiel abseits des Feldes abzugeben. Doch sollte der Center wieder verletzt ausfallen, steht nach dem Abgang von Plumlee als Vertretung lediglich Andrea Bargnani bereit. Bezüglich dessen NBA-Tauglichkeit sollte man mal beim Nachbarn aus dem Madison Square Garden nachfragen.
Trotz der dünnen Rotation auf zwei absoluten Schlüsselpositionen und trotz des Aderlasses in den letzten Jahren gab sich Owner Prokhorov kämpferisch und meinte: "Wir sind hier, um zu gewinnen und werden alles dafür geben."
Genau an dieser Stelle liegt das Dilemma in Brooklyn. Den Nets bleibt gar keine andere Option als auf Sieg zu spielen. In der Lottery warten dank der vergebenen Picks keine Geschenke, doch für obere Regionen reicht es aufgrund der fehlenden Qualität und Breite im Kader bei Weitem nicht. So stecken die Nets in der Zwickmühle Mittelmaß fest.
spoxImmerhin Spektakel
Die Aussichten auf ein schnelles Ende der Situation stehen schlecht. So wird man in Brooklyn darauf hoffen, dass einige der Neuverpflichtungen zünden. Power Forward Thomas Robinson, immerhin der fünfte Pick im Draft 2012, ist so ein Kandidat, dem der endgültige Durchbruch noch immer zuzutrauen ist.
Auch Shane Larkin oder Bojan Bogdanovic stehen noch nicht am Ende ihrer Entwicklung und könnten angeführt von den erfahrenen Veteranen im Team einen Sprung machen. Die Ansätze von Rookie Hollis-Jefferson sind gerade in der Defensive sehr vielversprechend.
So dürfte den Fans in Brooklyn nach dem eher mauen Tempo der letzten Jahre wieder schnellerer, erfrischender Basketball geboten werden, wenn auch mit etwas weniger Erfolg. Vielleicht tröstet sie jene attraktivere Spielweise schließlich darüber hinweg, dass der Traum von einer Meisterschaft vorerst in sehr weite Ferne gerückt ist.
Die Sintflut ist über Brooklyn hereingebrochen. Nun müssen die Nets versuchen mit dem Leben danach zurechtzukommen. Dafür war die Offseason ein erster Schritt. Die Mittelmäßigkeit kennt man ja noch aus grauen Vorzeiten in New Jersey.