München - Als ob Dirk Nowitzki einen Schnellkurs "Psychologie für Anfänger" besucht hätte. Schwerpunkt: "Wie verunsichere ich den kommenden Playoff-Gegner?"
Nicht zu plakativ, aber doch bestimmt sprach er bereits nach dem Erfolg über die New Orleans Hornets zum Abschluss der Regular Season davon, dass seine Dallas Mavericks froh seien, in der ersten Runde nicht auf die Los Angeles Lakers, sondern eben auf die Hornets zu treffen.
Vor der Auftaktpartie in der Nacht auf Sonntag wiederum stellte er fast schon beiläufig fest, dass man unter den besten vier Teams des Westens mit New Orleans doch den leichtesten Gegner erwischt habe. "Die Hornets sind unerfahren. Sie wissen doch gar nicht, wie groß der Druck und die Intensität in den Playoffs sind", sagt Nowitzki.
Die Mavs hingegen seien routinierter, abgezockter. Der 29-Jährige gegenüber SPOX.com: "Wir haben in den letzten zwei Wochen gezeigt, dass wir wichtige Spiele gewinnen können. Solche Erfolge geben uns Selbstbewusstsein."
Nie polemisch, auch nicht diffamierend, aber kleine Nadelstiche eben in Richtung der Hornets. Mind Games nennt man das wohl. Mind Games, für die sich Nowitzki und die Mavs früher womöglich noch zu schade waren.
Eine gewisse Durchtriebenheit
Doch die Final-Niederlage 2006 gegen die listigen Miami Heat und das Erstrunden-K.o. im Vorjahr gegen Golden State und dessen bauernschlauen Trainer Don Nelson haben Dallas eines gelehrt: Nur Talent reicht nicht, vonnöten ist auch eine gewisse Durchtriebenheit.
Dazu gehört offenbar auch, den Gegner im Unklaren zu lassen, in welchem körperlichen Zustand Nowitzki in die Playoffs geht. Coach Avery Johnson spricht wahllos von 60, 70, 80 oder 85 Prozent, die sein wichtigster Mann erreichen hätte, Nowitzki selbst belässt es bei einem: "Mein Fuß und Knie waren doch nur ein bisschen überdehnt." Eine Untertreibung vor den Herrn.
Zur Erinnerung: Keine vier Wochen ist es her, da stürzte Nowitzki gegen die Spurs nach einem Sprung derart unglücklich auf sein linkes Bein, dass selbst das Karriereende möglich schien. "Ich hatte verdammt viel Glück", sagt Nowitzki, bei dem schließlich ein stark verstauchter Knöchel und eine Kniestauchung diagnostiziert wurden.
Meister des Understatements
Anstatt jedoch wie üblich mindestens einen Monat zu pausieren, stand er bereits zehn Tage später auf dem Parkett. War ja alles "nur ein bisschen überdehnt". Tatsächlich? Denn Nowitzkis Ausführungen lassen Gegenteiliges vermuten.
"Die ersten Nächte musste ich alle zwei Stunden aufwachen, um mein Bein zu kühlen, danach haben wir eine Menge gemacht. Eine Sauerstoffkammer eingerichtet, dazu Krafttraining, Laufübungen unter Wasser, das Spinning-Rad genutzt. Das wichtigste war, dass ich schlussendlich dabei mithelfen konnte, doch noch in die Playoffs einzuziehen, nachdem es eine Zeit lang gar nicht gut aussah", so Nowitzki.
Und wie er mithalf: Anfangs quasi auf einem Bein spielend, erzielt er seit seinem Comeback 24 Punkte im Schnitt bei einer formidablen Wurfquote von jenseits der Dreierlinie (45 Prozent). Überragend seine Leistungen bei den entscheidenden Siegen in Phoenix und gegen Utah.
"Keine Ahnung, was genau in der Reha besonders geholfen hat. Hauptsache, es hat geholfen", sagt Nowitzki.
Ist der Titel drin?
Mit einem halbwegs fitten "Man of Steel" (Johnson über Nowitzki) scheint nun sogar die erste Championship der Mavs-Historie nicht mehr ganz unrealistisch - was Nowitzki jedoch nicht kommentieren wollte: "Ach, in der NBA kann man doch nichts vorhersagen. Es gehört halt eine Menge dazu, um Meister zu werden."
Zu einem "Wenn wir einen guten Lauf haben, ist alles möglich" ließ er sich aber dann doch noch hinreißen. Und das klang zur Abwechslung mal nicht nach einem Trick aus dem Psychologie-Kurs.