Das Global Game in London zwischen den New York Knicks und Milwaukee Bucks bietet eine seltene Gelegenheit. NBA ganz nah. Entsprechend groß ist der Andrang, entsprechend knapp die Zeit - auch dank der Londoner Wege. SPOX gewährt einen Blick hinter die Kulissen.
Landeanflug auf London. "Wir müssen noch ein wenig kreisen", sagt der Kapitän. Starker Gegenwind in Heathrow. Grundsätzlich nicht problematisch, als der Flieger nach ein, zwei Bodenberührungen aber wieder Schub gibt, aus Landung, urplötzlich der zweite Start des Tages wird, macht sich dann doch ein wenig Unruhe breit. "Wir hatten nicht innerhalb der markierten Zone endgültig den Boden berührt, deshalb musste ich durchstarten. Sorry", beruhigt der Kapitän.
Kein Problem, also? Kein Problem! Wenig später wird sicher gelandet, noch sicherer das Gepäck geholt, um dann doch wieder ein wenig unsicher gen Innenstadt zu blicken. London bietet nun mal viele, vor allem aber weite Wege. Taxi? Tube? Oder doch den Heathrow Express? Immerhin der schnellste Weg ins Zentrum, heißt es. Schnell geht's tatsächlich, ins Zentrum fährt er auch - nur liegt das Hotel eben nicht im Zentrum, sondern unweit der O2, Schauplatz des Global Games zwischen den Knicks und Bucks.
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Einmal quer durch die Stadt, also. Am späten Nachmittag. Angesichts von drei Koffern, diversem Kameraequipment - kurz: ordentlich Gepäck - malt Londons enger Untergrund kombiniert mit der demnächst anstehenden Rush Hour da eine eher graue Nahzukunftsvision. Kaum drei Stunden nach der Landung ist das Hotel schlussendlich doch erreicht, kaum zwei Stunden später etwas zu essen organisiert - London, eben.
"Ey, let's go!"
Am Ende aber auch egal, der letzte Feinschliff muss her. Am Dienstag steht schließlich der erste Termin mit den Bucks an - dummerweise jedoch nicht in der O2. In der Nähe des Hyde-Parks wird trainiert, einmal mehr quer durch die Stadt. Natürlich macht man sich vor einem solchen Termin seine Gedanken. Jason Kidd wäre nett. Giannis Antetokounmpo sicherlich ebenfalls. Nach einem Plausch mit den NBA-Kollegen und einer kurzen Absprache mit den Bucks-Verantwortlichen wird aus Coach und Greek Freak O.J. Mayo. Auch nicht ganz übel. Zumal Nowitzkis Ex-Kollege ganz bereitwillig erzählt, wie ihm Michael Jordan einst mit Nachdruck die Nachteile des Trash Talks vor Augen führte.
O.J. Mayo im Interview: "Dachte, ich sei der Beste der Welt"
Und sonst so? Viel mehr ist nicht drin. Training. Ein wenig Shooting. Zeitdruck. "Bitte beeilt Euch", kommt die Ansage bereits vorher. Ein lautes "Ey, let's go!", beendet schließlich das Interview. Mayo muss weiter. Die Bucks müssen weiter. Was bleibt, ist ein netter Plausch und ein darauf folgender Nachmittag, dessen Essenz irgendwo zwischen Drehortsuche, Sightseeing und, richtig, langen Wegen liegt. Eine Webshow will gedreht und produziert werden.
Der Tag dauert lang, er ist ermüdend, bis spät abends wird im Hotel über Interviewfragen sinniert, der Plan für den nächsten Tag beraten. Am Ende stellt sich dennoch Zufriedenheit ein. Allzu oft bekommt man nun mal nicht die Gelegenheit, zwei NBA-Teams gleich mehrere Tage lang zu begleiten, Trainingseinheiten zu besuchen, mit Spielern zu sprechen, und das auch noch unter vier Augen - all die Dinge, die im Tagesgeschäft eigentlich den Kollegen in den USA vorbehalten sind.
Endlich ums Eck
Zudem hat nun auch die Reiserei ein Ende. Hotel und O2 trennt nur die Themse. Eiswasserfreunde könnten sich versucht fühlen, den direkten Weg zu wählen. Normalsterbliche bevorzugen die Tube. Ist eh nur eine Station. Eine einzige. In London, wo ein spontanes "lass' gleich mal treffen", meist gleichbedeutend ist mit inniger Bekanntschaft gleich mehrerer Tunnelsysteme, wo kurzfristig angesetzte Treffen mindestens 40 Minuten Vorlaufzeit benötigen, ein absoluter Luxus.
Also ab. An der O2 angekommen, fühlt man sich erst einmal eher an Kreuzberg, Gärtnerplatzviertel oder Reeperbahn als an Sporthalle erinnert. Unter dem riesigen Zeltdach reiht sich Bar an Restaurant, an Souvenirshop an Bar. Erstens ist die Vergnügungsmeile mangels Fanandrang jedoch noch geschlossen, zweitens wartet ein strammes Programm.
Akkreditierung abholen, kurz einen Platz im Arbeitsraum der Journalisten suchen und los Richtung Innenraum. Dort trainieren bereits die Bucks. Rund um den Court haben sich die Kollegen aufgebaut. Es wird beobachtet, ein wenig geplauscht, neue Kontakte geknüpft. Kamerateams schießen Schnittbilder, Fotografen, ganz genau, Fotos.
Gewusel und ein wenig Boulevard
Wuselig wird es, als der offizielle Teil des Trainings beendet ist. Kaum beschließt Jason Kidd die Einheit, ist er auch schon von einer Traube an Journalisten umstellt. Mikrofone, Kameras, Diktiergeräte werden dem Coach über, unter und vor die Nase gehalten.
Gleichzeitig ist die Jagd auf die Spieler eröffnet. Jedenfalls auf all jene, die sich die Extraschicht sparen und nicht noch einige Würfe nehmen. Der Beliebtheitspreis geht im übrigen an Antetokounmpo. Giannis hier, Giannis da. Alle wollen den Greek Freak. Und der macht alles mit. Immer freundlich, immer locker.
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Mayo und Brandon Knight nehmen noch einige Würfe, Kenyon Martin genießt seine Zeit als Kurzzeit-Buck - K-Mart hat kürzlich einen Zehntagesvertrag unterschrieben -, die beinahe-Namensvetter Bayless und Dudley machen es sich am Spielfeldrand bequem. Allein bleibt kaum einer. Wann immer sich die Gelegenheit bietet, werden Fragen gestellt, kurze Interviews geführt. Chance nutzen, und so...
spoxEin wenig geruhsamer geht es wenig später bei den Knicks zu. Einzig das Stresslevel der Herren Fisher, Anthony, Stoudemire oder Calderon dürfte ein wenig ansteigen. Der Spanier unterhält sich mit seinen Landsleuten. Melo und Coach Fish spielen dasselbe Spiel wie Kollege Kidd.
"Chance ist groß, dass ich spiele"
"Für uns ist das ein Arbeitstrip", erklärt Fisher angesichts von 15 Pleiten in Serie nicht ganz unverständlich. "Klar genießen die Jungs all die Sehenswürdigkeiten, am Ende sind wir aber hier, um zu arbeiten." Melo schürt Hoffnungen, er werde gegen die Bucks trotz seiner Knieprobleme auflaufen.
"Die Chance ist groß, dass ich spiele", sagt er. "Ich habe noch genügend Zeit. Ich hatte in den letzten Tagen Gelegenheit, zu trainieren. Es fühlt sich gut an, wesentlich besser als vor zwei Wochen." Ein wenig erzählt Anthony dann auch noch von seinem Besuch bei Prinz Harry. Man habe rumgealbert und er selbst die Zusammenkunft genossen.
Diverse Fragen prasseln auf alle Beteiligten ein. Was er denn von der Monarchie im Allgemeinen halte, wird Melo gefragt. Ob er traurig sei, selbst keine Audienz beim Prinzen erhalten zu haben, soll Fisher beantworten. Mal wird es sportlich, mal ein wenig boulevardesque. Immer wieder wird ein wenig durcheinander gebrüllt, bis das Recht des Lauteren, Nachdrücklicheren greift.
Aus eins mach drei
"Last question, we have to practice!" Die Session ist vorbei. Ein letzter Interviewwunsch wird noch erfüllt, wenn auch unter Zeitdruck. Aus einer Frage werden immerhin drei. Zurück in den Arbeitsraum ein letzter Dreh, die Show beenden, den letzten Text finalisieren. Wieder dauert es lang, am Ende genießt man all das jedoch.
Zumal das Spiel selbst noch ansteht. Es mag nicht die spektakulärste Paarung sein. Doch es bleibt Basketball. Auf hohem, auf NBA-Niveau. Dafür lassen sich auch misslungene Landeanflüge oder schier endlos anmutende Ausflüge in den Londoner Untergrund nur allzu gern verschmerzen.