Dennis Schröder steht vor dem nächsten Meilenstein in seiner Karriere: Für die Atlanta Hawks läuft der Point Guard erstmals als Starter auf. SPOX sprach mit dem 23-Jährigen über die neue Rolle, den Abschied von Al Horford, seine Ziele - und einen besonderen Moment mit LeBron James.
SPOX: Herr Schröder, das letzte Mal haben wir uns Mitte März in Atlanta getroffen. Seitdem hat sich Ihre Rolle entscheidend verändert. Die Hawks haben Jeff Teague nach Indiana getradet und Ihnen damit den Weg frei gemacht. Was bedeutet dieser Schritt für Sie?
Schröder: Das ist ein Riesenschritt für mich. Es bedeutet mir extrem viel, dass die Hawks und vor allem die Coaches mir auf diese Weise ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Ich habe jetzt eine sehr wichtige Saison vor mir, in der ich zeigen muss, was ich kann.
SPOX: Ihre Beharrlichkeit hat sich ausgezahlt. Wie war der Moment, als Sie davon erfahren haben, dass Jeff Teague getradet wird?
Schröder: Die Situation war ziemlich kurios. Ich war zu der Zeit gerade in Deutschland mit dem Auto unterwegs und mit den Gedanken gerade gar nicht bei den Hawks. Dann spielt auf einmal mein Handy verrückt und ich frage mich, woran das liegt. (lacht) Mir haben plötzlich alle möglichen Leute bei Facebook und Instagram geschrieben und ich hatte keine Ahnung, was los war. Dann hat mich mein Agent angerufen und mir gesagt, dass die Hawks Teague getradet haben.
Hawks-Offseason: All in für Schröder
SPOX: Und wie war Ihre erste Reaktion?
Schröder: Ich habe das am Anfang nicht geglaubt und immer wieder gesagt, das ist doch viel zu früh. Um sicher zu gehen, habe ich dann direkt auf der Homepage der Hawks nachgeschaut. Ich wollte Gewissheit haben, aber da stand es dann klar und deutlich. Ich kann das bis jetzt eigentlich immer noch nicht glauben, dass ich Starter sein werde.
SPOX: War Ihnen sofort klar, dass Sie mit dem Abgang von Teague zum Starter werden?
Schröder: Ja, das war klar. Es war immer eine Entscheidung zwischen Teague und mir.
SPOX: Spüren Sie denn schon Veränderungen? Werden Sie von den Medien oder den Fans schon anders wahrgenommen?
Schröder: In Atlanta sind die Leute, denen ich so begegnet bin, eigentlich ziemlich glücklich. Klar hatte auch Jeff viele Fans, er hat dort schließlich acht Jahre lang gespielt. Aber mein erster Eindruck war sehr positiv.
SPOX: Auf Ihre Geschicke und Fähigkeiten wird es in der kommenden Saison besonders ankommen. Haben Sie mit Coach Budenholzer schon darüber gesprochen, wie sich Ihre Rolle nun verändern wird?
Schröder: Wir haben direkt nach dem Trade telefoniert. Er hat mir gesagt, dass es eine Riesenchance für mich ist und dass er fest daran glaubt, dass ich es meistern werde. Er hat aber auch gesagt, dass das erst der Anfang ist. Ich soll nicht aufhören zu arbeiten, aber das habe ich ohnehin nicht. Ich konnte es vom Moment des Trades an kaum erwarten, nach Atlanta zurückzukehren, um dort mit dem Coach und meinem Team zu arbeiten.
SPOX: Durch diese neue Rolle wächst natürlich auch der Druck auf Ihre Person. Wie sehr beschäftigt Sie das?
Schröder: Druck? (lacht) Über solche Dinge mache ich mir keine Gedanken. Ich spiele einfach mein Spiel. Das war bisher immer mein Erfolgsrezept und daran werde ich auch jetzt nichts ändern. Dabei spielt es eigentlich keine Rolle, ob man Starter ist oder von der Bank kommt.
SPOX: Wo wir grade bei Druck sind: Teague hat es als Starting Point Guard der Hawks zum All-Star geschafft. Sie sind erst 23, ist es dennoch ein Ziel, das sie auf dem Radar haben?
Schröder: Das ist auf jeden Fall mein Ziel. Spätestens in drei Jahren will ich All-Star sein. Es ist mein Anspruch, einer der besten Point Guards in der NBA zu werden. Dafür werde ich alles tun.
SPOX: Vor der vierten Saison können Spieler vorzeitige Vertragsverlängerungen mit ihren Teams aushandeln. Gab es in dieser Hinsicht schon Gespräche mit den Hawks?
Schröder: Ja, da gab es schon Gespräche zwischen meinem Agenten und den Verantwortlichen der Hawks. Nach dem Trade von Teague ist es relativ wahrscheinlich, dass wir noch in diesem Jahr unterschreiben werden. Mich würde es auf jeden Fall freuen, das schon in diesem Jahr fix zu machen. Aber man kann nie wissen, was passiert.
SPOX: Sie haben in Atlanta eine Bar aufgemacht und wohnen dort seit drei Jahren. Kann man davon ausgehen, dass Sie noch lange in Atlanta bleiben werden?
Schröder: Der neue Vertrag wäre auf vier Jahre datiert und ich spiele schon seit drei Jahren in Atlanta. Solange die Hawks mit mir zufrieden sind, sehe ich keinen Grund wegzugehen. Mir gefällt es dort, ich fühle mich bei den Hawks als Teil einer Familie.
SPOX: Personell hat sich bei den Hawks allerdings einiges getan. Mit Al Horford hatten Sie auf und neben dem Court eine sehr gute Chemie. Inwiefern wird sich sein Fehlen bemerkbar machen?
Schröder: Es wird ein komplett anderes Spiel für uns werden. Horford konnte Dreier werfen oder auch zum Korb ziehen. Dwight Howard hingegen ist ein athletischer Big Man, der von Korb zu Korb sprintet. Das kommt meiner Spielweise natürlich sehr entgegen, weil ich immer Tempo machen will. Howard hilft mir dabei und macht gehörig Druck auf den Korb. So werden sich auf jeden Fall viele Optionen für unsere Werfer bieten und auch ich erhoffe mir Platz, um selbst am Korb zum Abschluss zu kommen. Klar ist: Es wird ein komplett anderer Spielstil sein.
SPOX: Konnten Sie Horfords Entscheidung verstehen, nach Boston zu wechseln? Haben Sie seitdem miteinander gesprochen?
Schröder: Das ist allein seine Entscheidung und eben das Geschäft. Aber wenn ich ganz ehrlich bin: Ich habe es nicht wirklich verstanden, warum er abhaut. Er hatte hier bei den Hawks eigentlich alles, das hat er mir in Gesprächen auch immer wieder gesagt. Insofern hat es mich schon ziemlich überrascht, dass er sich stattdessen für Boston entschieden hat.
SPOX: Das klingt, als nähmen Sie ihm seinen Abschied ein wenig übel?
Schröder: Nein, es war, wie gesagt, seine Entscheidung. Und für mich bleibt Horford ein Riesen-Typ, von dem ich viel gelernt habe. Immer wenn er die Umkleidekabine betreten hat, war sofort eine positive Energie im Raum. Er hat immer jeden einzeln begrüßt. Ich weiß, dass das die Stars bei anderen Teams nicht so machen. Die kommen oft rein, setzen sich, ohne ein Wort zu sagen und wollen ihre Ruhe. Al dagegen hat immer jeden Einzelnen mit Respekt behandelt und das ist etwas, das ich mir von ihm abgeschaut habe. Ich habe von ihm viel über den Umgang mit Menschen gelernt. Es ist auf jeden Fall ein schwerer Verlust für uns, aber wie gesagt, ich kann ihm seine Entscheidung nicht übel nehmen.
SPOX: Nachfolger Howard hingegen gilt ja als etwas komplizierter Typ. Wie haben Sie ihn bisher erlebt?
Schröder: Er ist auf jeden Fall ein ziemlicher Spaßvogel. Ich denke, es wird bei ihm vor allem darum gehen, die richtige Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Spaß zu finden. Er wird diese neue Herausforderung aber ernst nehmen, da bin ich mir ganz sicher. Zumal er jetzt auch wieder in seiner Heimatstadt spielt. Ich werde mit ihm natürlich auch noch mal in Ruhe sprechen. Howard ist ein Superstar, aber ich werde derjenige sein, der ihn füttert. Hauptziel muss daher sein, dass wir beide uns gut verstehen.
SPOX: Howard ist nicht der einzige Neue bei den Hawks. Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die neue Saison? Denken Sie, dass Sie trotz der Abgänge nahtlos an die letzten Jahre anknüpfen können?
Schröder: Das ist auf jeden Fall das Ziel, wir wollen ja nicht schlechter werden. In den letzten Jahren waren wir immer unter den ersten Vier und das versuchen wir natürlich auch dieses Mal wieder. Der Osten ist zwar enorm stark geworden, vor allem Indiana, aber auch wir müssen uns auf gar keinen Fall verstecken. Im Prinzip können wir jedes Spiel gewinnen. Das Wichtigste ist jetzt, dass wir in den kommenden Wochen optimal als Team zusammenfinden.
SPOX: Andere Teams haben auch mit Abgängen zu kämpfen: Nach Kobe Bryant hat mit Tim Duncan noch ein Großer des Sports seine Karriere beendet. Wie wird sich das auf die Spurs auswirken?
Schröder: Die Spurs haben mit Pau Gasol einen hervorragenden Spieler dazugeholt. Natürlich ist Gasol nicht Tim Duncan. Aber ich glaube, Coach Pop weiß schon genau, was er macht. Das hat er nun schon über Jahre hinweg gezeigt. Außerdem gibt es da immer noch Typen wie Tony Parker, Manu Ginobili oder Kawhi Leonard. Die Spurs finden immer einen Weg, oben mitzuspielen.
SPOX: Das große Thema des Sommers war aber natürlich Kevin Durant. Sind die Warriors für Sie damit das "Team to Beat" - oder doch eher die Cavaliers? Die kennen Sie ja mittlerweile bestens...
Schröder: Die Warriors haben vier All-Stars. Was willst Du mehr? (lacht) Steph Curry ist einer der besten Point Guards und zweimal hintereinander MVP geworden. Kevin Durant war auch MVP und gehört zu den besten Spielern auf der Welt. Und dann haben sie noch Klay Thompson und Draymond Green. Wie Warriors müssen eigentlich alles gewinnen. Grade der Wechsel von Durant wird jetzt aber alle anderen Teams zusätzlich motivieren, deswegen wird es auch nicht leicht für sie. Bei den Cavaliers hängt dagegen wie immer fast alles an LeBron James.
SPOX: Sie hatten nach dem Playoff-Aus gegen Cleveland einen "Moment" mit LeBron, als er Sie in den Arm nahm. Hatte er dabei eine bestimmte Botschaft für Sie?
Schröder: Er sagte mir, dass ich Geduld haben und genauso weiterspielen soll. Er hat gesagt, dass die Hawks auf jeden Fall mein Team werden. Außerdem meinte er, dass ich das Zeug zum Star habe. Und das ist natürlich der Wahnsinn, wenn das so ein Spieler zu Dir sagt. Er ist momentan der beste Spieler auf der Welt, wahrscheinlich sogar aller Zeiten, mit Michael Jordan zusammen. Sein Wort hat schon Gewicht.
SPOX: In der kommenden Saison werden Sie ja auch wieder ein paarmal auf Dirk Nowitzki treffen. Haben Sie mit ihm mal über seinen neuen Deal bei den Mavericks gesprochen?
Schröder: Wir haben direkt danach einmal getextet. Ich hab einfach nur geschrieben, 'wie lange spielst Du eigentlich noch?' (lacht)
SPOX: Und was hat er zurückgeschrieben?
Schröder: Er hat geschrieben: 'Mein Junge, solange die Knochen noch mitmachen.' (lacht)
SPOX: Zur neuen Saison hat noch ein weiterer Deutscher den Sprung in die NBA geschafft. Wie bewerten Sie die Chancen von Paul Zipser bei den Bulls? Sie kennen sich ja auch schon ein bisschen, stehen Sie momentan in Kontakt?
Schröder: Ich habe gegen Ende der Regular Season in Denver mit ihm geredet. Er hat mir damals alle Kontakte von der Nationalmannschaft gegeben, weil ich mich vor der EM-Quali bei jedem Einzelnen melden wollte. Da wusste ich noch nicht, dass das mit Teague passieren würde. Paul war natürlich ein bisschen aufgeregt und nervös wegen des Drafts. Ich hab ihm einfach gesagt, dass alles gut werden wird.
SPOX: Wie sehen Sie seine Chancen bei den Bulls?
Schröder: Das erste Jahr ist immer schwer, das war bei mir auch so. Er darf auf keinen Fall aufhören zu arbeiten, auch wenn er vielleicht in die D-League muss. Das wird ihm nur gut tun. Man darf sich nicht mit Spielern wie Andrew Wiggins, LeBron James oder Karl-Anthony Towns vergleichen. Die hatten vorher schon einen Namen und spielen deshalb auch sofort. Man muss es sich richtig erarbeiten, wenn man als junger Spieler aus Europa rüberkommt. Aber ich denke, das weiß Paul auch.
SPOX: Im Sommer haben Sie wie immer viel trainiert. Welche Schwerpunkte haben Sie sich gesetzt? Wo haben Sie noch akuten Verbesserungsbedarf?
Schröder: Überall! Ich möchte immer besser werden. Dieses Jahr habe ich aber viel an meinem Wurf und an meinem Körper gearbeitet. Ich muss noch robuster werden, vor allem im Rumpfbereich. Ich bin gespannt, wie ich davon jetzt in der neuen Saison profitieren werde.
SPOX: Um sich bestmöglich auf Ihre erste NBA-Saison als Starter vorzubereiten, haben Sie auch die EM-Quali mit der Nationalmannschaft abgesagt. Wie schwer ist Ihnen diese Entscheidung gefallen?
Schröder: Das ist mir natürlich nicht leicht gefallen. Ich hatte im Vorfeld das ganze Team kontaktiert und mich sehr auf die Spiele mit der Nationalmannschaft gefreut. Ich wollte das Team auf unser großes Ziel Tokio einschwören. Nach wie vor bin ich überzeugt, dass wir das schaffen werden. Leider musste ich dann für die EM-Quali absagen, weil ich in der kommenden Saison einen All-Star ersetzen muss. Da muss man perfekt vorbereitet sein. Die Zeit wird auch sehr wichtig sein, um die Integration von Howard und den anderen Neuen optimal voranzutreiben. Deshalb musste ich mich letztlich gegen eine Teilnahme entscheiden.
SPOX: Zu guter Letzt: Was können wir in der nächsten Saison von Dennis Schröder erwarten? Welche Ziele haben Sie sich persönlich gesetzt?
Schröder: Ich möchte einfach gesund bleiben und eine gute Saison mit dem Team spielen. Wir müssen eine richtige Einheit werden, damit wir in die Playoffs kommen. Das ist das erste Ziel und dann kann jeder jeden schlagen. Ich werde auf jeden Fall alles geben, damit wir nach 2015 erneut die Conference Finals erreichen.