"Kobe? Ein Elefant im Porzellanladen"

Ole Frerks
14. Oktober 201517:50
Rick Fox (r.) gewann an der Seite von Kobe Bryant (l.) und Shaquille O'Neal (M.) drei Meisterschaftengetty
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Gemeinsam mit Shaquille O'Neal und Kobe Bryant gewann Rick Fox drei Meisterschaften. SPOX traf den "Rüpel" der Lakers in Mailand zum Gespräch über den Wandel des Spiels, die stärkere Internationalisierung und seine Karriere in Boston und Los Angeles. Und: Warum er schon früh zum Schauspieler wurde.

SPOX: Rick, Sie haben in Ihrer Karriere für die beiden erfolgreichsten NBA-Franchises gespielt - die Celtics und die Lakers. Haben Sie eine Präferenz?

Rick Fox: Ich würde nicht von einer Präferenz sprechen, eher von Dankbarkeit. Ich werde immer das Gefühl haben, in der Schuld der Celtics zu stehen, weil sie etwas in mir gesehen haben und mir die Chance gaben, meine Fähigkeiten zu zeigen, als meine Karriere begann. Ich kam als Rookie und durfte von Legenden wie Larry Bird, Kevin McHale und Robert Parish lernen - was könnte besser sein? Ich dachte immer, dass ich in Boston eine Meisterschaft gewinnen würde, was leider nicht passiert ist.

SPOX: Also gingen Sie nach Los Angeles.

Fox: Ich ging nach L.A., weil sie dort dieses unglaubliche Fundament bereits hatten und weil die Lakers als einzige Franchise vom Standing her mit den Celtics mithalten konnten. Sie hatten Shaquille O'Neal, Kobe Bryant, Phil Jackson... und Jerry West sah mich als perfekte Ergänzung für diese Mannschaft. Die Jahre dort waren dann natürlich unheimlich erfolgreich und der Grund, warum ich meine Karriere mit drei Titeln beenden durfte. Wenn ich gezwungen wäre, würde ich mich daher letztendlich für die Lakers entscheiden. Meine Zeit in Boston war unglaublich schön, aber nichts schlägt dieses Gefühl, wenn du dich World Champion nennen darfst.

SPOX: Sie haben damals mehrfach auf Geld verzichtet, um in Los Angeles bleiben zu können.

Fox: Ja. Ziemlich dämlich, oder? (lacht)

SPOX: Dabei waren Sie vielleicht der wichtigste Verteidiger des Teams, weil Sie es auch mit größeren Gegenspielern aufnehmen konnten, zudem trafen Sie Ihre Dreier. Draymond Green hat kürzlich beinahe einen Maximalvertrag unterschrieben. Haben Sie Ihre Karriere zu früh beendet?

Fox: Auf jeden Fall! (lacht) Im Ernst: Ich freue mich für Draymond. Es zeigt, dass unser Spiel weiter und weiter wächst. Als ich in seinem Alter war, habe ich auch mehr verdient als Spieler in ähnlicher Rolle, die 20 Jahre vor mir aktiv waren. Heute gibt es andere Möglichkeiten, ein größeres Publikum, größere Einnahmen und daher auch mehr Geld für die Spieler. Das ist der Lauf der Dinge und eine positive Entwicklung.

SPOX: Mit seiner Rolle in den Finals als Center wurde Green zu einer Art Symbol für den Wandel des Spiels in Richtung Small-Ball. Welche Position hätte er in Ihrer Ära eingenommen?

Fox: Er wäre vermutlich ziemlich ähnlich eingesetzt worden wie ich. Als Small Forward, der gelegentlich auch Power Forwards verteidigen muss. Für ihn ist der heutige Stil perfekt, weil er so unglaublich vielseitig ist und nicht nur mehrere Positionen verteidigen, sondern auch sehr gut passen und Spielzüge am Laufen halten kann. Er ist als einer der Schlüsselspieler der Warriors Meister geworden - wer könnte also behaupten, er wäre sein Geld nicht wert?

SPOX: Welcher Stil gefällt Ihnen persönlich denn besser - der heutige Small-Ball oder das Inside-lastigere Spiel Ihrer Zeit?

Fox: Wenn es nach mir geht, würde ich Inside-Out sagen, ich hatte mit Shaq und Kobe aber natürlich auch das vielleicht tödlichste Inside-Out-Duo aller Zeiten an meiner Seite. Heute gibt es nicht mehr so viele physisch dominante Big Men. Das hat aber auch seine Vorteile: Das Spiel ist schneller geworden, durch den stärkeren Fokus auf Flügelspieler teilweise deutlich spektakulärer. Auch die Big Men operieren nun am Perimeter und eignen sich Skills an, die wir früher Guards zugeordnet hätten.

SPOX: Eine Auswirkung der stärkeren Internationalisierung des Spiels?

Fox: Vieles kam aus Europa, gerade wenn man aufs Spacing blickt. Dirk Nowitzki etwa hat das Spiel nachhaltig verändert, weil er unabhängig von Größe oder Gewicht alle Fähigkeiten eines Basketball-Spielers beherrscht. Blicken wir heute auf Kevin Durant: Er ist beinahe ein Seven-Footer, traditionell hätte man ihn in die Zone geschickt, um mit dem Rücken zum Korb zu spielen. Tatsächlich agiert er aber eher wie ein Shooting Guard. Das ist eine neue Ära und vor allem auf den europäischen Einfluss zurückzuführen.

SPOX: Kommen wir nochmal auf Ihre Karriere zurück. Der frühere Lakers-Beatwriter Howard Beck sagte kürzlich, Sie seien damals das "gute Gewissen" des Teams gewesen. Dabei waren Sie vielen Fans verhasst. Warum diese unterschiedliche Wahrnehmung?

Fox: Komisch, nicht wahr? Der hübsche Typ ist normalerweise nicht der Rüpel. (lacht) Bei uns war es aber so, dass Shaq und Kobe unter keinen Umständen in Foul-Trouble oder anderen Ärger geraten konnten. Ich wurde daher sozusagen unser Enforcer, weil mich meine Zeit in Boston darauf vorbereitet hatte.

Shaquille O'Neal: Ein gewaltiger Kindskopf

SPOX: Wie meinen Sie das?

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Fox: Ich sah damals Tag für Tag, wie sich Bird auf jedes Spiel vorbereitet hat, wie intensiv er und McHale als mehrfache Champions immer noch an sich arbeiteten. Leider haben ihre Körper sie verraten, sodass sie aufhören mussten und wir innerhalb weniger Jahre vom Contender zu einer richtig miesen Truppe wurden. Wir haben in einem Jahr ganze 15 Spiele gewonnen. Ich habe damals gelernt, was Niederlagen mit dir anstellen und was ein Team nicht tun sollte, das gewisse Ziele verfolgt. Dadurch habe ich mir einen gewissen Radar für Probleme angeeignet.

SPOX: Den konnten Sie in Los Angeles sicherlich oft gebrauchen...

Fox: Das ist richtig, es gab so oft kleine Streitereien. Es war meine Rolle, in solchen Situationen sofort lautstark einzugreifen. Ich war dabei sicherlich nicht immer taktvoll, aber ich konnte einfach keine weitere Chance auf Erfolg verschwinden sehen wie damals in Boston. Das konnte ich nicht zulassen. Das hat sich dann öfters eben auch aufs Spiel und meine Gegenspieler übertragen. (lacht) So wurde ich dann zum Rüpel auf dem Court, obwohl ich nicht wie einer aussah.

SPOX: Sie waren einer der Leader des Teams, als Kobe gerade seine ersten Jahre in der Liga absolvierte. Können Sie ein wenig beschreiben, wie er damals war?

Fox: Es war schon witzig, wir hatten ja noch keine Ahnung, dass er einer der besten Spieler aller Zeiten werden würde. Er war wie ein Elefant im Porzellanladen, sowohl als Typ als auch als Spieler. Wir haben ihn daher wie andere Teenager behandelt und teilweise darüber gelacht, wie er alles von Anfang an perfekt beherrschen wollte. Trotzdem konnte man sein Talent und seine unglaubliche Einstellung damals schon erahnen. In den ersten beiden Jahren haben wir Veteranen noch viel auf ihn eingeredet, nach einer Weile waren es dann aber wir, die ihm folgten, und nicht mehr anders herum.

Seite 1: Fox über Boston, die Lakers und seine Rolle als Rüpel

Seite 2: Fox über Kobe und Shaq und seine härtesten Gegenspieler

SPOX: Kobe und Shaq haben sich vor einigen Wochen nun öffentlich vertragen. Ein bisschen spät dran, oder?

Fox: Sie hätten zusammen noch mindestens vier Meisterschaften gewinnen können, also kann man das wohl so sagen! (lacht) Ich will aber nicht kleinreden, was sie zusammen erreicht haben. Sie haben drei Titel geholt und hatten die Chance auf einen vierten - das ist für sich schon episch. Wäre mehr drin gewesen? Keine Frage. Auch wenn ja beide noch unabhängig vom anderen Meisterschaften gewonnen haben, freut es mich, dass sie jetzt auch öffentlich anerkennen, wie wichtig sie füreinander waren. Ich wusste, dass sie sich irgendwann vertragen würden. Je älter man wird, desto mehr verändert sich auch die Perspektive auf Mitspieler, besondere Teams und sogar Gegenspieler, die man früher mal gehasst hat.

SPOX: Kobe steht nun möglicherweise selbst vor seiner letzten Saison. Endet mit ihm die Ära von Superstars, die noch sämtliche 82 Spiele der Regular Season absolviert haben? Heute sind Auszeiten gang und gäbe.

Fox: Das ist gut möglich. Die heutigen Spieler sind in der Hinsicht klüger. Sie wissen, dass sie damit durchkommen, ein paar Spiele auszusetzen oder nicht im Vollgas-Modus zu spielen. Das war in meiner Zeit anders. Damals wollte jeder Spieler um jeden Preis immer auf dem Court stehen, das hatte aber auch seine Folgen. Jordan hat 13 Jahre gespielt, Bird hat 13 Jahre gespielt. Es gab nicht diese Langlebigkeit von über 20 Jahren, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen. Heute gibt es bessere medizinische Versorgung. Gregg Popovich hat es zudem zur Mode gemacht, Spieler draußen zu lassen oder nach Verletzungen etwas länger als nötig pausieren zu lassen. Früher hätten wir befürchtet, dass uns dadurch die Spielzeit verloren geht, und spielten daher auch mit Verletzungen.

SPOX: Bird wirkte wie einer, der um jeden Preis spielen wollte, selbst wenn das medizinisch sehr riskant war. Hätte er mit dem heutigen Wissen auch Pausen genommen?

Fox: Larry? Nein. Er hätte eher aufgehört, bevor er "angeschlagen" eine Partie verpasst hätte. Und so kam es ja leider auch. Ich habe ihm dabei zugesehen, wie er seinen Rücken komplett ruiniert hat. Er hatte am Ende vermutlich noch einen intakten Rückenwirbel und hat sich trotzdem für jedes Spiel so vorbereitet wie in seiner Rookie-Saison. Er nahm Tausende von Würfen, stemmte Gewichte, drehte Extra-Runden. Er spielte mit einer schweren und hinderlichen Rückenbandage, die er hasste, weil er nicht aufhören wollte. Bis sein Körper ihn dazu zwang. Ich habe ihn bewundert, ich würde es aber keinem nahelegen, sich so zu zerstören wie Larry.

Larry Bird: Ein Großmeister auf dem Court

SPOX: Dennoch stört es Fans, wenn sie den vollen Preis bezahlen, um dann beispielsweise LeBron James oder Dwyane Wade gar nicht vor Augen zu bekommen. Sollte die Saison verkürzt werden?

Fox: Das würde nur passieren, wenn der Gehaltsscheck dadurch nicht beeinträchtigt wird. Ich bin aber ohnehin der Meinung, dass dem Spiel dadurch ein Teil seiner Historie verloren ginge, Spieler aus früheren Zeiten wären dadurch ja noch weniger vergleichbar. Ich bin daher nicht dafür. Vielleicht kann man die Spieler dazu bringen, nur dann auszusetzen, wenn es wirklich nötig ist. Der heutige Stil macht das eigentlich leichter.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Fox: Es ist einfach so viel weniger physisch als früher. Ich wurde damals verprügelt, ich habe aber auch selbst Prügel ausgeteilt. Ich nutzte meine Ellbogen als Waffen, deswegen komme ich bis heute nicht mit der Hand an meine Schultern. Ich bearbeitete meine Gegenspieler wie ein Holzfäller. Das gibt es heute nicht mehr.

SPOX: Gibt es heute Spieler, die Sie zumindest ein wenig an diese Zeit erinnern?

Fox: Nein, die könnten auch kein einziges Spiel bis zum Ende bestreiten! (lacht) Das Spiel wird immer noch emotional betrieben, ist aber deutlich freundlicher geworden. Wir waren früher nicht nur physisch, sondern auch verbal nicht jugendfrei unterwegs. Das war gelegentlich vielleicht etwas unterhaltsamer für die Zuschauer, aber es ist besser, wie sich die Spieler heute benehmen.

SPOX: Sie haben sich Zeit Ihrer Karriere über die Defense definiert. Wer waren Ihre härtesten Gegenspieler?

Fox: Es gab damals so viele. Reggie Miller, Clyde Drexler, Dominique Wilkins... ich musste im Training Bird verteidigen, das war auch nicht gerade einfach. Aber zwei Spieler überstrahlten für mich alle anderen. Zum einen Charles Barkley: Er war nicht zu kontrollieren, weil er viel breiter war als ich und trotzdem aus der Halle springen konnte. Er war schnell wie ein Guard und stark wie ein Center, unglaublich. Und dann natürlich Michael Jordan, der sowieso auf seinem eigenen Level war. Als Verteidiger fühlte man sich, als säße man auf einem wilden Stier und müsste sich irgendwie festhalten, um nicht aufgespießt zu werden. (lacht)

Charles Barkley: Gefangen auf der Schwarzen Liste

SPOX: Wie haben Sie es bei all diesen Aufgaben eigentlich geschafft, gleichzeitig NBA-Spieler und Schauspieler zu sein?

Fox: Ganz ehrlich: Angst war ein starker Faktor. (lacht) Ich hatte im Hinterkopf, dass es mit der NBA-Karriere schlagartig vorbei sein könnte. Als Rookie wird dir gesagt, dass der durchschnittliche Spieler sich drei Jahre lang in der NBA hält. Ich habe schon am College erste Schritte in diese Richtung unternommen und wusste früh, dass ich irgendwann in Richtung Entertainment gehen würde. Es ging dann schneller als gedacht, schon in meinen ersten beiden Jahren in der Liga habe ich erste Rollen übernommen, obwohl ich letzten Endes dann doch 13 Jahre lang gespielt habe.

SPOX: Welcher Beruf kommt bei Ihnen denn an erster Stelle?

Fox: Beides hat seine Vorzüge, zumal du auch am Set Teil eines Teams sein kannst und zusammen etwas erreichst, was mir sehr viel Spaß macht. Aber nichts ist schöner, als auf dem Court den Wettkampf anzunehmen. Ich wünschte, mein Körper wäre dazu noch in der Lage. Ich liebe das Spiel immer noch, schaue jeden Tag Basketball und versuche mich sogar bei Fantasy-Games als Manager. Nichts schlägt Basketball.

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