Blake Griffin hat im Sommer an seinem Wurf gearbeitet. Der Forward sucht dabei noch nach der richtigen Dosierung und vernachlässigt dabei seine Stärke - zum Leidwesen der Los Angeles Clippers.
Es passiert immer wieder. Ein Spieler fügt in der Offseason seinem Spiel eine neue Facette hinzu. Dirk Nowitzki hat auf einmal den Hook-Shot im Repertoire, Chris Bosh trifft plötzlich verlässlich vom Perimeter oder LeBron James packt überraschend Olajuwon-Moves aus.
In der Preseason der aktuellen Saison war es Blake Griffin, der sein Spiel scheinbar auf eine neue Ebene gehoben hatte. Der Power Forward wurde häufig dafür kritisiert, dass er zu eindimensional agiere, dass er nur unter den Brettern effektiv sein kann.
Griffin setzt auf die Mitteldistanz
Und plötzlich war er da. Der Mid-Range-Jumper. Griffin packte ihn im Test gegen die Warriors aus. Immer und immer wieder. Sechs Mal allein im ersten Viertel - alle fanden ihren Weg durch die Reuse. Sogar ein Dreier aus der Ecke war dabei. Griffin hatte wirklich an seinem Wurf gearbeitet. Der ganze Ablauf ist flüssiger, die Bewegung schneller.
Er wollte nicht zu viel Aufsehen darum machen. "Ich versuche einfach, selbstbewusst zu sein, den Schuss zu nehmen, egal ob ich treffe oder nicht und weiter aggressiv zu bleiben", erklärte der No.1-Pick aus dem Jahr 2009.
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Keine große Sache also? Mitnichten. Dieses Selbstbewusstsein und das Selbstverständnis, diese Würfe fortan zu nehmen, transportierte Griffin in die Regular Season. Griffin hat sich geradezu in seinen neuen Wurf verliebt. Rund die Hälfte seiner Versuche (46,8 Prozent) nimmt er außerhalb der Zone, im Vorjahr waren es nur 37,4 Prozent.
Und da liegt das Problem. Natürlich ist es gut, sich so variabel wie möglich aufzustellen, doch Griffin übertreibt es. Er übertreibt es bei der Anzahl und überschätzt sich bei der Wurfauswahl. Er nimmt Pull-up-Jumper, Step-Backs, Würfe aus der Drehung und schert sich dabei wenig darum, wie schwer diese eigentlich sind.
Quote fällt ab
Die Folge ist logisch, seine Quote ist schwach wie noch nie. Nach dem Career High mit 52,8 Prozent aus dem Feld im Vorjahr, bewegt er sich aktuell auf einem Career Low (48,5 Prozent). Aus der Mitteldistanz sind es gar nur 38,2 Prozent. Die Gegner bedanken sich und lassen ihn feuern, was das Zeug hält.
Der Mitteldistanzwurf gilt generell als schlechter Wurf. Bei einigen Trainern ist er nahezu verpönt. Er killt die Effektivität. In unmittelbarer Nähe zum Korb punktet es sich nun mal leichter.
Coach Doc Rivers hat dennoch Verständnis. "Ich glaube, das passiert vielen Spielern. Sie arbeiten an etwas den ganzen Sommer und dann wollen sie es natürlich auch zeigen. Es ist wie ein neues Spielzeug. Man will damit spielen", erklärte Rivers.
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Doch Griffin beraubt sich damit seiner Stärke. Unterm Brett ist er eine Waffe. Griffin ist stark genug, um sich auch gegen bullige Center zu behaupten und so schnell, dass er sich mühelos jeden Forward vom Leib halten kann. Sein Repertoire im Post ist ohnehin breit. Dort ist er stark, dort ist er effizient.
Kritiker mundtot machen
Seine überragende Vorsaison brachte ihn den erweiterten Kreis der MVP-Kandidaten und in einen Teufelskreis. Angespornt davon, wollte er seine größte Schwäche ablegen, seine Kritiker mundtot machen. Es sollte der fehlende Schritt zum Superstar werden. Bislang steht er sich dabei aber selbst auf den Füßen.
spox"Ich muss einen besseren Job machen, mehr variieren und attackieren und mich nicht zu sehr auf den Jump Shot verlassen. Daran muss ich arbeiten. Ich muss die richtige Abstimmung noch finden. Ich hoffe, dass dies mehr Dynamik in unsere Offensive bringt", sagte Griffin vor rund einem Monat.
Diese Justierung ist noch in vollem Gang. Gute Verteidiger haben sich längst darauf eingestellt, machen die Zone dicht und laden ihn geradezu ein, diese Würfe zu nehmen. Unter dem Korb darf sich derweil Teamkollege DeAndre Jordan abrackern. Doch der Center ist eher jemand für das Grobe, die Finesse eines Griffin geht ihm gänzlich ab.
Die zeitweise Abstinenz am Brett schlägt sich zudem in Sachen Rebounds nieder. Knapp zwei Abpraller weniger pro Spiel sichert sich der Forward. In der ohnehin nicht so sattelfesten Clippers-Defense ein nicht zu unterschätzender Punkt.
Neue Nahrung für die "too soft"-Debatte
Und wie es bei nahezu allen Stars der Liga ist, läuft es nicht richtig rund, sind die Kritiker schnell zur Stelle. Das Image, zu soft zu sein, haftet Griffin seit Tag 1 in der Liga an. Zu häufig hat er sich von harten Fouls aus dem Konzept bringen lassen.
Da ist es nicht verwunderlich, dass geunkt wird, er nehme nur so viele Jumper, um den harten Attacken in der Zone aus dem Weg zu gehen. Eine Aussage, die man sicherlich getrost vergessen kann. Dafür rackert er einfach zu viel und ist zu ehrgeizig.
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Bei aller - zum Teil berechtigten - Kritik sprechen wir aber immer noch über einen der besten Power Forwards der Liga, der an einem guten Abend jedes Team zur Verzweiflung bringen kann - und dies eben nicht nur durch Scoring, sondern auch durchs Passen. Fünf Vorlagen serviert er pro Partie, nur LeBron James (7,6) toppt das in der Forward-Riege.
Der Griffin der Vorsaison ist auch nicht gänzlich verschwunden. Gegen den bemitleidenswerten Lokalrivalen legte Blake unfassbar starke Zahlen auf: 27 Punkte (9/13 aus dem Feld), 9 Rebounds, 8 Assists, 3 Steals. Griffin agierte wieder näher am Korb, nahm nur drei Würfe, die weiter als 8 Fuss vom Korb (alle daneben) entfernt waren.
Nur sind die Lakers in diesen Tagen eben kein Maßstab. In den zehn Partien zuvor lag sein Punkteschnitt bei "nur" 21 Zählern, die Trefferquote bei 46 Prozent. Begibt man sich auf Augenhöhe, sieht es in dieser Saison ganz düster aus. Nur acht von 18 Partien gegen Teams mit positiver Bilanz konnten gewonnen werden. Ein Faktor dafür ist das unausgewogene Offensivspiel - und das beginnt mit Griffins neuer Liebe.