Zwischen Gegenwart und Zukunft

Max Marbeiter
29. Juli 201417:32
Bryant (l.) und Nash fehlten den Lakers vergangene Saison größtenteils verletzungsbedingtgetty
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Nach einer historisch schwachen Saison planten die Los Angeles Lakers große Neuverpflichtungen, doch die besten Free Agents entschieden sich gegen L.A. Dennoch ist vieles neu. Coach Byron Scott muss ein Spagat gelingen, der Blick richtet sich allerdings bereits Richtung 2016.

Wer sich keine Ziele setzt, kann auch nichts erreichen. Nicht im Alltag. Nicht im Beruf. Und schon gar nicht im Sport. Also hängten die Los Angeles Lakers ihre Ziele für den Sommer hoch. Nach einer historisch schlechten Saison hoffte man, das Team namhaft zu verstärken. Carmelo Anthony sollte nach Tinseltown gelockt werden, vielleicht sogar LeBron James.

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Beinahe hätte es sogar geklappt. Immerhin gab Melo zu, ernsthaft über das Angebot der Lakers nachgedacht, es zeitweise sogar dem der Chicago Bulls vorgezogen zu haben. Am Ende entschied er sich jedoch für New York. LeBron ging zurück nach Cleveland.

Und die Lakers? Die hatten es wenigstens versucht, ihre Ziele am Ende aber verfehlt. Nicht selbstverständlich für Lila und Gold, diese erfolgsverwöhnte, hoch dekorierte Franchise aus der Stadt der Engel. Dabei wäre potente Unterstützung so wichtig gewesen. Schließlich hatte man soeben die schwächste Saison seit dem Umzug nach Los Angeles hinter sich gebracht. Nur 27 Siege. So wenige waren den Lakers in mittlerweile 54 Jahren L.A. noch nie gelungen.

"Wollte immer die Lakers coachen"

Zeit für Veränderungen also. Naheliegend war da natürlich die Entlassung von Mike D'Antoni. Läuft's nicht, ist der Coach nun mal das schwächste Glied. Anstatt schnell einen Nachfolger zu präsentieren, wählten die Lakers jedoch die entspannte Variante. Drei Monate ließ man sich Zeit, ehe Einigung mit Byron Scott erzielt wurde.

Der ehemalige Cavs-Coach hatte sich schnell als Favorit herauskristallisiert, wurde aber dennoch gleich drei Mal zum Interview geladen, bis sein großer Traum endlich in Erfüllung ging. "Ich wollte immer die Lakers coachen", gestand Scott am Wochenende gegenüber "KCBS-TV". "Es ist so surreal. Ich muss mich bei Mitch Kupchak, Jeanie und Jim Buss bedanken, dass sie mir diese Chance ermöglichen." Das Problem: Kurz darauf erklärten die Lakers, dass noch überhaupt keine endgültige Einigung erzielt worden sei.

Scott musste sich gedulden, die Öffentlichkeit musste sich gedulden. Bis Montag. Bis auch Mitch Kupchak seinen Stolz ausdrückte, "Byron wieder in der Lakers-Familie begrüßen zu dürften." Scott ist zurück. Zurück bei seinen Lakers. Als Spieler war er bereits Mitglied der legendären Showtime-Lakers, gewann an der Seite von Magic Johnson und James Worthy drei Meisterschaften. Er kennt die Franchise, er kennt das Umfeld - und er kennt Kobe Bryant. Sehr gut sogar.

"Während meiner Rookie-Saison war er mein Mentor", erzählt "Vino". "Während unserer gemeinsamen Jahre hatten wir eine unglaublich enge Beziehung." Kobe und Scott verbindet etwas. Etwas essentielles. "Kobe und ich verstehen, was es heißt, ein Laker zu sein", sagt Scott. Und dass ein gutes Verhältnis zu Kobe Bean Bryant in L.A. nicht zwingend schlecht sein muss, ist nicht erst seit gestern bekannt. Zumal Scott seinem Vorgänger damit etwas voraushat, zählte Mike D'Antoni doch nicht unbedingt zu den engsten Vertrauten Bryants.

Scott als Gegenentwurf zu MDA?

Und auch sonst haben sich die Lakers für einen kleinen Gegenentwurf zum ehemaligen Coach entschieden. Zwar pflegt Scott ähnlich wie D'Antoni einen Hang zum Pick-and-Roll und Drive-and-Kick, seine Offense kommt allerdings wesentlich gemäßigter daher, als MDA's so innig geliebter Hochgeschwindigkeitsbasketball. Einen solchen Paradigmenwechsel werden gerade die älteren Herren in Tinseltown mit einigem Wohlwollen zur Kenntnis nehmen. Schließlich sind weder Kobe noch Steve Nash prädestiniert, den Court Abend für Abend rauf und runter zu rennen.

So war die Lakers-Offense vergangene Saison bei weitem nicht unter den effektivsten der Liga (Offensiv Efficiency Rating von 101,9, Rang 21) zu finden - bei weitem allerdings auch nicht L.A.'s größtes Problem. Denn in Sachen defensiver Effizienz stellten sich lediglich die Utah Jazz und Milwaukee Bucks ungeschickter an als der 16-fache Champion (107,9 Def Eff).

Defense-Probleme drohen

Und genau dort soll Scott ansetzen. Immerhin gilt der Coach of the Year von 2008 als defensiv orientierter Trainer, als einer, der zuallererst ans hintere Ende des Courts denkt. Zum Beweis stellte er sein neues Team schon mal darauf ein, "Defense zu spielen." Soweit die Theorie. Denn während seiner drei Jahre in Cleveland waren Scotts Cavs defensiv immer unter den schwächsten Teams der Liga zu finden.

Nun mag das Spielermaterial sicher eine gewisse Rolle gespielt haben, echte Defensiv-Künstler sollte Scott allerdings auch in Tinseltown nicht erwarten. Kobe ist mit bald 36 nicht mehr der Verteidiger, der er noch vor einigen Jahren war. Steve Nash gilt seit jeher als defensive Bürde. Auch um die Neuzugänge Jeremy Lin und Carlos Boozer lässt sich nur schwer eine angsteinflößende Defense aufbauen. Ganz zu schweigen von Nick Young.

Fragezeichen Kobe

Ein wenig rächt es sich nun, dass die Lakers sich mit der Wahl ihres neuen Coaches so lang Zeit ließen, ihr Roster deshalb ohne Scott zusammenstellten. Die wahrscheinlichste Starting Five stellt sich nun aus Lin, Bryant, Xavier Henry, Julius Randle und Jordan Hill zusammen. Allesamt Spieler, die sich in der jüngeren Vergangenheit mit mehr oder weniger schweren Verletzungen herumschlugen und die auch im Laufe der kommenden Saison die eine oder andere Pause benötigen könnten.

Speziell hinter Kobe stehen nach zwei schweren Verletzungen binnen eines Jahres natürlich große Fragezeichen. Niemand weiß, wie der bald 36-Jährige zurückkehren, ob er noch einmal annähernd sein altes Leistungsniveau erreichen wird.

Einen einfachen Job tritt Scott also nicht an. Andererseits erwartet auch niemand, dass er die Lakers sofort zu neuem Glanz führt - obwohl das Team mittlerweile breiter und etwas besser aufgestellt zu sein scheint. Schließlich lief während der vergangenen Wochen nicht alles schlecht.

Schnäppchen Ed Davis

Einen Ed Davis für "nur" zwei Millionen Dollar zwei Jahre an sich zu binden, darf beispielsweise als eines der Schnäppchen des Sommers verstanden werden. Denn Davis gibt den Lakers endlich etwas, das ihnen Pau Gasol und Chris Kaman, die nach Chicago beziehungsweise Portland wechselten, nicht bieten konnten: Rim-Protection. So zwingt Davis Gegner sogar zu leicht schwächeren Quoten in Korbnähe als beispielsweise ein Serge Ibaka (43,3 Prozent gegenüber 43,9 Prozent).

Natürlich musste der Power Forward in Memphis häufig gegen die zweite Garde ran, hatte so schwächere Gegenspieler und war dank geringerer Spielzeit weniger Belastungen ausgesetzt als Air Congo. Seine Leistung mindert dies jedoch nur unwesentlich. Davis wird den Lakers weiterhelfen, so viel steht fest.

Profitiert Randle von Scott?

Irgendwann, das ist zumindest wahrscheinlich, wird es Julius Randle seinem Front-Court-Kollegen gleichtun. Dass der Rookie überhaupt in L.A. landete, ist angesichts des siebten Picks der Lakers der nächste Glücksmoment. Noch vor einem Jahr galt Randle schließlich als einer der besten Spieler des Drafts. Als potentieller Top-3-Pick. Nun haben die Lakers einen vielversprechenden Power Forward in ihren Reihen - und dazu einen Coach, der weiß, wie er mit jungen Spielern umzugehen hat.

Klar stagnierte Kyrie Irving unter Scott etwas, Chris Paul, der in New Orleans unter dem ehemaligen Point Guard reifte, ist jedoch voll des Lobes über die Kommunikationsfähigkeiten seines ehemaligen Trainers: "Indem er uns Spielern vertraut hat" erzählte CP3 einst, "hat der Coach einen großartigen Job gemacht. Wenn er uns vertraut, macht er es uns auch leichter, ihm zu vertrauen. Wir kommunizieren einfach immer; wir sprechen immer miteinander."

Scotts Disziplin und Wesen werden Randle guttun. Jeremy Lins Zuspiele wahrscheinlich ebenfalls. Der ehemalige Rocket ist sicher nicht der klassische Playmaker, mit seinen Stärken im Pick-and-Roll und Drive passt er jedoch gut zum neuen Offensivsystem der Lakers. Zudem sollten seine Assist-Werte als Starter nach einem schweren Jahr auf Houstons Bank wieder nach oben gehen (4,1 vergangene Saison; 6,2 Karriereschnitt).

"Haben viel Arbeit vor uns"

Schwer könnte sich dagegen das Zusammenspiel mit seinem neuen Backcourt-Partner gestalten. Immerhin brauchen sowohl Lin als auch Kobe Bryant den Ball in den Händen. Man muss sich zunächst aneinander gewöhnen. Dessen sind sich beide bewusst. "Die eine Sache, die er mir gesagt hat, ist, dass wir viel Arbeit vor uns haben", berichtet Lin von einem Gespräch mit Kobe, "und ich denke, das stimmt zu hundert Prozent. So lange wir die Einstellung haben, dass wir arbeiten und uns alles verdienen müssen, wird alles gut."

Richtig gut wird es allerdings wohl nicht werden. Nach den Enttäuschungen der vergangenen Saison und der Free Agency haben die Lakers viel getan, um nicht ein ähnliches Desaster wie im Vorjahr zu erleben. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Zu tanken, Kobe Bryant damit die vielleicht finalen Jahre seiner Karriere um Lottery-Plätze spielen zu lassen, passt einfach nicht zum Selbstverständnis eines 16-fachen Champions.

Dabei riskieren die Lakers, ihren ersten Pick für den kommenden Draft zu verlieren. Landet der nicht in den Top 5, wandert er nämlich zu den Phoenix Suns. Ein wahrscheinliches Szenario. Denn Melo und LeBron entschieden sich zwar gegen L.A., schlechter als im vergangenen Jahr stehen die Lakers jedoch sicherlich nicht da. Ein Top-5-Pick erscheint deshalb - Stand jetzt - utopisch.

Blick auf 2016

Der erhoffte Sprung allerdings ebenfalls. So ging es darum, ein halbwegs schlagkräftiges Team aufzubauen, sich gleichzeitig aber nicht seiner Flexibilität zu berauben. Die dicken Verträge von Nick Young und Jordan Hill passen da zunächst nichts ins Bild. Dafür hat man mit Lin und Boozer nicht nur zwei auslaufende Verträge, sondern auch zwei durchaus brauchbare Rotationsspieler gewonnen. Die Chancen stehen dennoch gut, dass die Playoffs erstmals seit den Jahren 1975 und 76 zwei Mal in Folge ohne die Lakers stattfinden.

Traurig, ja. Doch keinesfalls tragisch. Denn der Fokus liegt ohnehin auf den kommenden Sommern, wenn erneut hochkarätige Free Agents hofiert werden wollen. Wenn 2016 beispielsweise Kevin Durant von den Vorzügen des Lebens in Los Angeles überzeugt werden will. Spätestens dann werden die Lakers ihre Ziele erneut hoch hängen.

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