Geschwungen und verfehlt

Ole Frerks
08. Juni 201718:43
Kyrie Irving und LeBron James legten in Spiel 3 zusammen 77 Punkte auf getty
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Die Cleveland Cavaliers haben Spiel 3 der NBA Finals auf demoralisierende Art und Weise verloren. Ihren Titel werden sie nicht verteidigen können - nun geht es darum, ob sie wenigstens ein Spiel gewinnen. Selbst dafür müsste vieles passieren.

Wie die Stimmung im Locker Room gewesen sei, wurde Tyronn Lue gefragt, als er nach Spiel 3 auf dem Podium Platz nahm. "Ich war gar nicht dort", entgegnete der Head Coach mit einem leeren Blick.

Als LeBron James wenig später die gleiche Frage gestellt bekam, sagte er nur, es sei dort nicht wirklich gesprochen worden. Kyrie Irving war kurz zuvor dran und wirkte bei jeder Antwort, als müsse er Tränen zurückhalten.

Aber was genau hätte man auch sagen können? Es gibt Niederlagen, die man abhakt - wenn man beispielsweise einfach schlechter war, wie die Cavaliers in den ersten beiden Spielen dieser Serie. Natürlich tun auch solche Niederlagen weh, sie verfolgen einen aber nicht unbedingt im Schlaf. Spiel 3 wird den Cavs dagegen noch lange in Erinnerung bleiben.

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Performance für die Ewigkeit von Irving und James

Denn bis drei Minuten vor Schluss hatten sie vieles richtig gemacht. Natürlich fiel längst nicht jeder Wurf und natürlich spielten sie nicht fehlerfrei, aber sie spielten mit dem Mut der Verzweiflung und kämpften um jeden Ball, um jeden Offensiv-Rebound. Sie zeigten den Fight und den Willen, der in den ersten beiden Spielen schmerzlich vermisst wurde.

LeBron James und vor allem Kyrie Irving trafen Würfe, die umgehend ins Museum of Modern Art verfrachtet werden sollten. Zusammen produzierte das Duo 77 Punkte, obwohl die Warriors beide von ihnen fast durchgängig mit Double- und Triple-Teams verteidigten. Beide zeigten herausragende Partien.

Trotzdem führten sie nach einem Dreier von J.R. Smith drei Minuten vor dem Ende nur mit 6 Punkten, weil da auf der Gegenseite eben ein etwas anderes Biest stand. Das erkannte auch James an: Golden State habe "wahrscheinlich die größte Firepower, gegen die ich je gespielt habe ... selbst wenn man gut spielt, reicht das nicht. Man muss eine Eins mit mehreren Sternchen abliefern", sagte James. Das gelang den Cavs am Ende nicht mehr.

Katastrophale Schlussminuten

Stephen Curry verkürzte per Layup auf 109:113, nachdem er Irving abgeschüttelt hatte. Irving selbst verfehlte einen Layup, holte sich aber den Offensiv-Rebound. Den nächsten Wurf nahm James, es war allerdings ein schwieriger Turnaround-Fadeaway und damit nicht der Wurf, den es gebraucht hätte.

Also waren wieder die Warriors dran - und sie packten die Waffe aus, die sie letztes Jahr nicht hatten. Sie gaben Kevin Durant den Ball, der sich nach einem Block von Draymond Green nicht mehr LeBron, sondern Tristan Thompson gegenüber sah. Dieses Mismatch nutzte er bereitwillig aus - 2 Punkte noch.

Nach einem anschließenden Fehlwurf von Kyle Korver schnappte sich KD den Rebound, dribbelte nach vorne und warf den Dreier zur Führung über James. Es wirkte, als wäre in diesem Moment sämtliche Energie, sämtliche Hoffnung aus der Quicken Loans Arena gewichen, obwohl es nur 1 Punkt Rückstand war.

Die nächsten Possessions der Cavs blieben kopflos. Ein Irving-Dreier ging daneben, danach wartete man bizarrerweise viel zu lange mit dem Foul, sodass Durant bei nur noch 12,9 Sekunden zwei Freiwürfe versenken konnte. Ein Dreier hätte die Partie ausgleichen können, allerdings nahm Andre Iguodala LeBron den Ball mit einer genialen Defensiv-Aktion sauber ab. Chance vertan.

Der Tank von LeBron James war leer

Nun kann - und wird, so funktioniert das schließlich - man Irving und vor allem James für ihre Entscheidungen am Ende des Spiels kritisieren, und es stimmt ja auch: Eigentlich hatten sie dieses Spiel in der Hand und hätten es gewinnen müssen. Aber gerade in James' Fall war der Revolver am Ende leer, sogar über große Teile der zweiten Halbzeit: "Man konnte es ihm Ende des dritten Viertels einfach ansehen, dass er völlig ausgepowert war", sagte Green nach der Partie bei NBA TV.

Man sah es in der Tat, dass James nicht mehr den Bounce und die Spritzigkeit von Halbzeit eins hatte, als er die Show noch fast im Alleingang schmiss. Dennoch spielte er 46 von 48 möglichen Minuten, einfach weil die Cavs ohne ihn komplett auseinanderbrachen. Sein Plus/Minus lag bei +7, in den zwei (!) Minuten ohne ihn verloren die Cavs mit 12 Punkten. Ohne James hatten die Cavs weniger Struktur als die Knicks.

Also biss er auf die Zähne, passte, scorte und verteidigte nebenher noch Durant, der über weite Strecken tatsächlich unauffällig blieb. "Ich habe alles gegeben, was ich hatte, habe so hart gespielt, wie es ging", sagte James danach. Das tat er, genau wie Irving, der auch lediglich 4 Minuten pausierte, und Love, der zwar nichts traf, dafür aber wohl die beste Defensiv-Partie seiner Karriere zeigte.

Es sollte alles nicht reichen - weil die Cavs am Ende Fehler machten, weil LeBron nicht mehr mit voller Dynamik zum Korb kam und weil man die Warriors in diesen Tagen nur dann schlägt, wenn man selbst alles richtig macht und bei ihnen einiges schiefläuft.

Spiel 3 war der Knockout

Die Cavaliers konnten sich auch nach den deutlichen Pleiten in den ersten beiden Spielen noch darauf berufen, dass es im letzten Jahr ja noch schlimmer war. Aber das dürfte nun vorbei sein - einen 0-3-Rückstand hat noch nie jemand aufgeholt. Schon gar nicht gegen das Team mit dem größten Spielraum für Fehler, das die NBA je gesehen hat. Selbst ein so starkes Team wie die Cavaliers wirkt gegen diese Warriors wie ein Fußsoldat im Duell mit einem Panzer.

Die Frage ist eher, ob die Cavs überhaupt noch ein Spiel gewinnen werden. Sicherlich wäre es möglich, dass LeBron und Kyrie noch einmal aufdrehen, wenngleich eine Gala beider Spieler im nächsten Spiel doch relativ unwahrscheinlich wäre. Allerdings wirkte es selbst in dieser Partie, in der Golden State mit Ballverlusten und Green mit Foul-Trouble kämpfte, irgendwie unausweichlich, dass die Warriors früher oder später noch einen Run starten würden.

Die Dubs sind in der Lage, Punch für Punch zu absorbieren und irgendwann härter zurückzuschlagen. Gut möglich, dass Spiel 3 der Knockout war. Der beste Schlag der Cavs dagegen verfehlte sein Ziel.

Das Playoff-Bracket im Überblick