Nach der Absage des Turniers im vergangenen Jahr steht Franz Wagner mit den Michigan Wolverines vor seiner ersten March-Madness-Teilnahme. Im Interview mit SPOX und DAZN spricht der 19-Jährige über die Erwartungshaltung und die Corona-beeinträchtigte College-Saison.
Außerdem spricht Wagner über den Sommer mit seinem Bruder und Wizards-Big Moritz, den Killer-Instinkt von Coach Juwan Howard und seine mögliche Anmeldung für den NBA-Draft.
Die Wolverines starten als 1-Seed der East Region am heutigen Samstag um 20 Uhr deutscher Zeit gegen Texas Southern ins March Madness. Ausgewählte Spiele des College-Basketball-Turniers seht Ihr live auf DAZN.
Herr Wagner, im Big-Ten-Tournament hat es nicht ganz für Ihr Team gereicht, am Ende war im Halbfinale Schluss. Sie hatten nun eine Woche Zeit, wie sah beziehungsweise sieht die Vorbereitung aus?
Franz Wagner: Wir sind gleich in Indianapolis geblieben und fahren direkt am Samstag zum Spiel. Wir waren am Montag noch alle in Quarantäne, weil wir noch zwei negative PCR-Tests abliefern mussten, um überhaupt trainieren zu dürfen. Danach konnten wir dann ganz regulär trainieren.
Wie ist ansonsten die Stimmung im Team? Mit Isaiah Livers fehlt ein wichtiger Baustein, ohne ihn gab es gegen Ohio State prompt eine Niederlage ...
Wagner: Isaiah ist sehr wichtig für uns, das ist blöd gelaufen. Wir wissen nicht, wie lange er fehlen wird, aber ich denke, dass wir immer noch genügend gute Spieler und ein gutes Team haben. Jetzt kommen nur noch Do-or-Die-Spiele, da ist ohnehin alles möglich, wie die Vergangenheit bei diesem Turnier gezeigt hat. Ich bin aber trotzdem guter Dinge.
Erstmals seit der berühmten Fab Five, unter anderem mit ihrem jetzigen Coach Juwan Howard, geht Ihr Team als 1-Seed in das Turnier. Da muss das Final Four doch eigentlich das Minimalziel sein?
Wagner: Ich denke schon, dass das Final Four ein Ziel für uns sein muss. Wenn wir das auf dem Feld zeigen, zu was wir im Stande sind, dann ist für uns alles möglich. In einem solchen Turnier denken wir aber erst einmal Schritt für Schritt und konzentrieren uns auf unser Erstrundenspiel, dann sehen wir weiter.
Franz Wagner: "Die Coronapause war sehr hart für uns"
Ihr Team hat die Saison mit einer Bilanz von 20-4 abgeschlossen, dennoch war es gewissermaßen eine Achterbahnfahrt. Sie hatten einen richtigen Run, dann mussten Corona-bedingt mehrere Spiele abgesagt werden. Ist es deswegen umso bemerkenswerter, dass Michigan zu den besten Teams im Land zählt, nachdem Sie vor der Spielzeit nicht einmal gerankt waren?
Wagner: Das mit den Rankings ist immer so eine Sache. Keiner kann vor der Saison wirklich sagen, wer das beste Team ist und wer nicht. Wir mussten uns am Anfang erst ein wenig finden und richtig geklickt hat es dann nach den ersten Spielen in der Big-Ten-Conference. Wir haben guten Basketball gespielt, aber die Saison war lang mit vielen Spielen am Stück. Da gibt es auch schlechte Abende, an denen man Fehler macht oder nicht so fokussiert ist. Wir haben ein, zwei Spiele abgegeben, die wir durchaus hätten gewinnen können, aber so läuft das nun einmal im Sport. Die Coronapause war dann sehr hart für uns. Wir mussten uns erst wieder finden und in unseren Rhythmus kommen, unsere körperliche Fitness zurückerlangen. Das war nicht einfach, aber als Team haben wir das gut gemacht. Am Ende waren wir dann in einem kleinen Loch und hätten die Saison besser beenden können, aber wir haben die Spielzeit in der Big Ten trotzdem als Erster abgeschlossen. Damit können wir zufrieden sein.
In Ann Arbor wurde der Campus im Januar wegen einer Virus-Mutation komplett dicht gemacht. Wie haben Sie das erlebt?
Wagner: Alle Sportstätten wurden zugemacht, das kam für uns aus dem Nichts. Es gab keine Vorwarnung. Wir haben es erfahren, weil einer der Jungs es auf Twitter oder Instagram gesehen hatte. Das war schon ziemlich wild und irgendwie schade, weil es keinen in unserem Team betraf. Wir haben uns dann schon gefragt, warum wir nicht einfach weiterspielen können. Letztlich war es aber eine gute Entscheidung, um die Mutation in den Griff zu kriegen in Ann Arbor. Dennoch war es ärgerlich. Wir konnten überhaupt nicht trainieren und mussten für knapp zwei Wochen komplett zuhause bleiben.
Franz Wagner: "Habe das Beste aus der Situation gemacht"
Was hatten Sie denn für ein Zimmer? Wohnen Sie noch klassisch in einem der Wohnheime?
Wagner: Im vergangenen Jahr war ich noch im Studentenwohnheim, wo ich mir ein Zimmer mit einem anderen Studenten geteilt habe. Du lernst dort jede Menge Leute kennen, die nicht alle Basketball spielen. In diesem Jahr lebe ich aber in einem Haus, das nicht auf dem Campus, dafür aber nah an der Trainingshalle ist, sodass ich immer gemütlich hinspazieren kann. So ist es auch gut, endlich wieder ein eigenes Zimmer und etwas Privatsphäre zu haben. Trotzdem will ich das Jahr im Wohnheim nicht missen, das war schon ein schönes Erlebnis.
Diese Kontakte sind nun ja gewissermaßen weggebrochen ...
Wagner: Richtig, alles geschieht über Zoom, natürlich auch die Vorlesungen. Das ist schon schade, weil man dort seine Freunde gesehen und ein wenig Abwechslung vom Basketball-Alltag bekommen hat. Es ist eben eine Pandemie und da ist nichts normal.
Wie bitter ist das für Sie? Neben den sportlichen Aspekten war der College-Lifestyle doch auch einer der Faktoren, warum Sie den Sprung in die USA gemacht haben?
Wagner: Ich habe da nicht wirklich drüber nachgedacht. Ich bin trotzdem zufrieden, wie alles gelaufen ist. Natürlich ist niemand glücklich über Corona, aber wie ich mich entwickelt habe, auch abseits des Feldes, glaube ich, dass ich das Beste aus der Situation gemacht habe. Deswegen bereue ich das auch gar nicht und habe bisher eine sehr gute Zeit in Michigan gehabt.
Bleiben wir doch bei Ihrer Entwicklung. In Ihrem zweiten Jahr haben Sie auch sportlich einen großen Sprung gemacht. Wie sehr hat es dabei geholfen, dass Sie den Sommer komplett mit Ihrem Bruder Moritz verbracht haben?
Wagner: Wir waren den ganzen Sommer in Washington D.C. Er hat ein richtig schönes Appartment, das deutlich größer ist als bei mir. Es war zunächst mal schön, da zu chillen. Wir haben viel Zeit aufgeholt, weil wir uns während der Saison kaum gesehen haben. Die ersten zwei Wochen haben wir nur rumgegammelt, aber das wurde mit der Zeit dann auch langweilig. Wir haben dann Workouts gemacht, uns Gewichte gekauft. Das hat mir sehr geholfen, physisch habe ich einiges draufgepackt, bin stärker geworden. Darauf konnte ich definitv aufbauen, als ich dann auf den Campus zurückgekehrt bin.
Lange war ja gar nicht klar, ob und wann die College-Saison starten würde. Wie sind Sie mit dieser Ungewissheit umgegangen? Zugang zu einem Court gab es vermutlich auch nicht.
Wagner: Nach einer Weile ging das schon, wir haben dann eine Halle gefunden und einfach an unserem Spiel gearbeitet. Wir haben die Zeit gut genutzt, weil man immer etwas verbessern kann. Da ist es egal, wann denn nun wieder gespielt wird. Ich kenne ja meine Schwächen und woran ich arbeiten kann.
Was waren denn die Dinge, die Sie in der Offseason verbessern wollten, und wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen?
Wagner: Neben dem physischen Aspekt standen bei mir Ballhandling und der Wurf im Fokus. Da ging es gar nicht mal um reines Catch-and-Shoot, sondern vor allem um den Wurf aus der Bewegung, aus dem Dribbling. Ich wollte mit dem Ball mehr machen, damit ich mehr kreieren kann - für mich und auch die anderen auf dem Feld. Ich denke, dass man das auch sehen kann, nicht nur an den Stats. Ich fühle mich viel besser mit dem Ball, meine Dreierquote ist ein bisschen nach oben gegangen. Das hat dann natürlich auch etwas mit Selbstvertrauen zu tun, aber es ist schon ersichtlich, dass ich im Sommer nicht nur gechillt habe.
Franz Wagner über Wolverines-Coach Juwan Howard
Inwieweit spielt Coach Juwan Howard eine Rolle? Er war schließlich über Jahre ein gestandener NBA-Spieler und auch im Staff der Miami Heat. Was zeichnet ihn aus, wie ist er im Umgang mit der Mannschaft?
Wagner: Coach Howard ist ein richtig geiler Typ. Es ist sehr einfach, mit ihm zu reden. Er weiß immer, wie wir uns fühlen, weil er eben auch selbst für Michigan gespielt hat. Das hilft und erleichtert die Arbeit mit ihm. Er hat enorme Erfahrung aus seinen Jahren in der NBA als Spieler und Coach und weiß deswegen, was es braucht, um auf das nächste Level zu kommen, und wie es ist, ein Profi zu sein. Ich habe mir einiges abgeschaut und gelernt.
Erläutern Sie doch kurz seine Philosophie!
Wagner: Er will sehr schnell spielen und wir praktizieren eher eine NBA-Offense im Gegensatz zu den meisten anderen Teams in der NCAA. Das kommt bei der Mannschaft an, weil schließlich jeder von uns mal Profi werden will. Das ist ein guter Vorgeschmack auf das, was vielleicht mal kommen wird. Und dann ist da noch seine Einstellung. Er hat diesen Killer-Instinkt, der in den USA vielleicht ein wenig gängiger ist als in Europa, wo es mehr um Team-Basketball, Passen und Fundamentals geht. Für Coach Howard geht es dagegen vor allem darum, in jedem Spiel ein Killer zu sein und dieses Gefühl versucht er uns zu vermitteln.
Vor ein paar Tagen wurde Coach Howard des Feldes verwiesen, als er dem Maryland-Coach scheinbar an die Wäsche wollte. Wie erlebt man so etwas als Spieler? Reißt einen das mit oder ist das nur ein Nebenkriegsschauplatz?
Wagner: So ist er eben und es zeigt ganz gut, wie Coach Howard so drauf ist. In der Szene hat er etwas überreagiert, aber das weiß er auch selber. Er denkt nicht zweimal darüber nach, ob er seine Spieler verteidigen will, sondern er macht es einfach. Wir haben nach diesem Vorfall auch gut reagiert und das Spiel souverän gewonnen. Bei ihm weiß man immer, wo man steht. Er ist einfach real. Er sagt, was er machen wird und das sieht man als Spieler gerne.
Hilft er Ihnen auch dabei, wie Sie vielleicht mal später Erfolg in der NBA haben können?
Wagner: Zunächst einmal geht es darum, für das Team im Hier und Jetzt so gut es geht zu spielen. Ich habe ja schon gesagt, dass wir eher wie ein NBA-Team auftreten und da macht man fast schon automatisch Fortschritte, die wichtig sind für das nächste Level. Für mich funktioniert das gut, aber wir sind nie zufrieden und wollen immer besser werden. Wir schauen jede Menge Film, um auch Nuancen herauszufiltern, da macht der Coaching Staff schon einen richtig guten Job.
Franz Wagner: Sprung in die NBA? "Das kommt von ganz allein"
Ihr Bruder sprach häufig davon, dass er seine Nische in der NBA finden wolle. Wo sehen Sie ihre Nische?
Wagner: Ich probiere einfach, mein Spiel durchzuziehen. Ich glaube, dass ich viele Sachen mache, die auf dem Court wichtig sind. Dazu macht es mir Spaß, an Sachen zu arbeiten, die ich noch nicht so gut kann und dann merke, wie ich Stück für Stück besser werde. Darauf liegt mein Fokus, aber natürlich ist es auch wichtig zu wissen, dass man ein guter Spieler ist und in viele verschiedene Situationen hereinpasst. Ich finde, dass dies auf mich zutrifft und dann kann ich nur hoffen, dass alles so eintritt, wie ich mir das wünsche.
Impliziert dieser Wunsch auch eine mögliche Anmeldung für den NBA-Draft in diesem Jahr? In einigen Mock Drafts werden Sie sogar als möglicher Lottery Pick gesehen.
Wagner: Dazu kann ich zu diesem Zeitpunkt nichts sagen. Mein kompletter Fokus liegt auf Samstag und unserem Erstrundenspiel. Alles andere kommt von ganz alleine, das habe ich über die Jahre so gelernt. Ich will die Zeit jetzt mit dem Team genießen, weil ich nie weiß, wann es vorbei ist.
Aber es ist sicher Ihr Ziel, zumindest einen Pick höher gezogen zu werden als Ihr Bruder, oder nicht?
Wagner: Das auf jeden Fall und natürlich ein Sieg mehr bei March Madness.
Die College-Statistiken von Franz Wagner für die Michigan Wolverines
Saison | Spiele / Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% |
2019/20 | 27 / 30,8 | 11,6 | 5,6 | 1,0 | 45,2 | 31,1 |
2020/21 | 24 / 31,3 | 12,8 | 6,2 | 2,9 | 49,3 | 38,4 |
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