Verliebt in den Stromstoß

Haruka Gruber
20. November 200917:38
Rodrigue Beaubois in dieser Saison: 7,6 Punkte, 1,1 Assists, 45,5 Prozent DreierquoteGetty
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Dallas jubelt und Dirk Nowitzki ist begeistert: Mit dem jungen Franzosen Rodrigue Beaubois gelang den Mavericks endlich ein Draft-Coup. Der Point Guard ist eine neue Waffe - und könnte dennoch von Coach Rick Carlisle "abgeschoben" werden.

Ein Hauch von Paranoia schwang mit, als die Verantwortlichen der Dallas Mavericks vor dem Draft dieses Jahres eine Unterhaltung mit Rodrigue Beaubois führten, nachdem dieser an einem Probetraining beim Nowitzki-Klub teilgenommen hatte.

So schlugen die besorgten Mavs vor, Beaubois solle in etwaigen weiteren Bewerbungsgesprächen den Eindruck erwecken, als ob er nur unzureichend Englisch spreche.

Sie hatten sich längst in das Talent des 21-Jährigen verliebt und wollten unter allen Umständen verhindern, dass auch die Konkurrenz auf den unbekannten Point Guard aus Frankreich aufmerksam wird.

Nowitzki von Beaubois beeindruckt

Nach den Eindrücken des ersten NBA-Monats zu urteilen, kann man Dallas nur Recht geben: Die Verfolgungsangst war in der Tat berechtigt.

Mittlerweile steht der auf Guadeloupe geborene Beaubois als Vertreter des verletzten Josh Howard seit vier Spielen in Folge in der ersten Fünf und sorgt für Verwunderung ob seiner hervorragenden Leistungen. Als Starter erzielte er in nur 17,8 Minuten pro Spiel 10,4 Punkte bei einer grandiosen Trefferquote von 61 Prozent.

Der Draft-Jahrgang 2009 brachte mit Brandon Jennings (Milwaukee), Tyreke Evans (Sacramento) oder Ty Lawson (Denver) eine Phalanx an hochtalentierten Spielmachern hervor - und Beaubois ist einer von ihnen.

"Ich bin wirklich beeindruckt von unserem Rookie", sagt etwa Dirk Nowitzki. "Vor allem davon, wie er zu Beginn des Spiels und zu Beginn der zweiten Hälfte punktet."

Starthilfe für stotternde Mavs

Bei seinem Debüt in der Anfangsformation in New Orleans und in Minnesota erzielte Beaubois die ersten 9 beziehungsweise 7 Zähler der Mavs, in Detroit gelangen ihm in den ersten sieben Minuten acht Punkte.

Beaubois ähnelt einer Starthilfe für einen Motor, der einfach nicht anspringen will. Er liefert kraft seiner Explosivität und seiner jugendlichen Sorglosigkeit den nötigen Stromstoß, der die Mavericks-Maschinerie erst ins Laufen bringt.

Man hätte es den Mavs nach all den Draft-Busts der letzten Jahre (Shan Foster, Nick Fazekas, Maurice Ager) nicht zugetraut, doch sie bewiesen ein gutes Gespür, als sie am Draft-Tag den 24. Pick B.J. Mullens nach Oklakoma City schickten und im Gegenzug den eine Position hinter Mullens gezogenen Beaubois und einen zukünftigen Zweitrunden-Pick erhielten.

Nicht nur schnell, sondern auch vielseitig

Erstaunlich, über welch umfangreiches Arsenal an Point-Guard-Skills Beaubois verfügt. Dass er sofort zu den schnellsten Spielern der NBA gehören würde, konnte man erwarten. Nicht jedoch, dass er neben dem Zug zum Korb auch über einen respektablen Wurf verfügt (45,5 Prozent Dreier), eine unfassbare Sprungkraft besitzt und ordentlich verteidigt.

"Wir haben ihn unglaublich detailliert gescoutet, daher wussten wir, was er kann. Er kann beliebig in die Zone ziehen, er verteidigt, und er ist ein guter Passer und Werfer", sagt Mavs-Besitzer Mark Cuban, der jedoch einschränkt: "Roddy muss noch eine Menge lernen."

Was fehlt: die Erfahrung

Die Position des Point Guards ist die schwierigste für einen Liga-Neuling, weil diese derart anspruchsvoll und komplex ist. Ein Spielmacher muss selbst scoren, gleichzeitig aber auch die Mitspieler dirigieren, die Systeme ansagen - und vor allem immer Herr der Lage sein.

Ein Jobprofil, das Beaubois phasenweise überfordert, was er damit zu übertünchen versucht, indem er in einer vermeintlich auswegslosen Situation das Hirn ausschaltet und einfach zum Korb zieht, egal wie sinnlos die Aktion für den Außenstehenden erscheinen mag.

"Das Gute ist aber, dass er mit Jason Kidd einen Lehrer hat, von dem er sich alles abschauen kann. Es gibt wohl keinen besseren Lehrmeister als Jason", sagt Cuban. Nowitzki ergänzt: "Es ist optimal für Roddy, dass J-Kidd in unserem Team ist. Er macht es für jeden um ihn einfacher."

Carlisle bremst Euphorie

Coach Rick Carlisle hat seine eigene Methode, um Beaubois zu erziehen. Trotz guter Leistungen nahm er ihn bisher spätestens nach 19 Einsatz-Minuten vom Parkett. Einerseits, um Beaubois zu schonen. Andererseits, um Beaubois zu zeigen, welch weiter Weg noch vor ihm liegt.

Womöglich wird er während der Saison auch für einige Spiele nach Albuquerque ausgeliehen, dem Farmteam der Mavs in der D-League, um weiter Erfahrung zu sammeln.

"Bisher entwickelt er sich an der Seite von Jason Kidd sehr gut, aber man weiß nie. Vielleicht macht es irgendwann Sinn, dass er mehr Spielpraxis bekommt und auch mal in den entscheidenden Situationen einer Partie den Ball in der Hand hat", sagt Carlisle.

"Das alles gehört dazu, um in der Liga groß zu werden. Du spielst nicht mehr auf Guadeloupe, in Nizza oder Monaco. Du spielst gegen richtige Teams in richtigen NBA-Städten und gegen Typen, die dir jede Nacht den Hintern versohlen wollen."

Das sind die neuen Mavs: Exzentrisch, talentiert und faul