Wer darf mitspielen?

Von Adrian Franke
23. August 201616:47
Bei den Patriots versuchen Vollmer und Kuhn ihr Glück - Böhringer hofft auf einen Vikings-Kaderplatzgetty
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In dieser Woche steht bereits Week 3 der Preseason auf dem Programm, traditionell der letzte Preseason-Auftritt für die meisten Starter. Damit sind auch die Kader-Kürzungen nicht mehr weit: SPOX schaut sich in der NFL um und erklärt, welche deutschen Spieler den Sprung in den finalen Kader schaffen - und wer bald auf der Suche nach einem neuen Team sein könnte.

Disclaimer: Zu Moritz Böhringer gibt es neben dem Überblick hier auch eine zusätzliche ausführliche Betrachtung - für alle, die wissen wollen, wie es dem Receiver täglich im Vikings-Training erging.

Am 30. August um 22 Uhr deutscher Zeit müssen die Teams ihre Kader auf 75 Spieler reduzieren, der finale Cut auf den 53-Mann-Kader findet dann am 3. September statt. Das bedeutet: Die Crunchtime für alle Spieler, die um einen Platz kämpfen, hat allerspätestens jetzt begonnen. SPOX erklärt, welche deutschen Spieler ihren Platz sicher haben - und wer wohl leer ausgeht.

Sebastian Vollmer, Offensive Tackle, New England Patriots

So lief die Vorsaison: Auch an Vollmer gingen die Verletzungsprobleme der Pats nicht spurlos vorüber - und das gleich in doppelter Hinsicht. Einerseits erwischte es Vollmer selbst, eine Knöchelverletzung sowie eine Gehirnerschütterung setzten den Tackle außer Gefecht. Insgesamt zwei Spiele verpasste er während der Regular Season.

Andererseits aber zogen das verletzungsbedingte vorzeitige Saisonaus von Nate Solder (später folgte auch noch Marcus Cannon) einen Positionswechsel nach sich, Vollmer wurde vom Right Tackle zum Left Tackle umfunktioniert. Es war eine Saison, in der die Inkonstanz die große Konstante war: Die Patriots setzten 13 verschiedene O-Line-Kombinationen ein, in der 22-jährigen Geschichte der Erfassung dieser Daten kam das noch nie vor. In den Playoffs gegen die Denver Broncos konnten die Probleme in der O-Line schließlich nicht mehr kaschiert werden.

Vollmer allerdings absolvierte 76,2 Prozent der Offense-Snaps, die vierthöchste Quote aller Patriots. Gleichzeitig aber wurden die Schwächen des Deutschen sichtbar, als er auf der linken Seite aushelfen musste. Insgesamt 53,5 Quarterback-Pressures ließ Vollmer zu.

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Die Situation im Team: Solder hat seinen Bizepsriss überwunden und ist zurück, womit Vollmer wieder auf seine rechte Seite zurückkehren kann - zumindest in der Theorie: Wie am Sonntag bekannt wurde, wird Vollmer die Saison infolge einer Schulter-OP sowie einer Hüft-Blessur mutmaßlich auf der Injured-Reserve-Liste beginnen. Das bedeutet, dass er, nachdem er schon in der Vorbereitung nicht mitwirken konnte, wohl wenigstens die ersten sechs Saisonspiele verpassen wird.

Kehrt Vollmer zurück, sollte er von einem Wechsel im Trainerstab profitieren: Der langjährige Pats-Line-Coach Dante Scarnecchia wurde zurückgeholt, um die O-Line wieder zu trainieren. Allerdings geht er in sein letztes Vertragsjahr und es ist nicht auszuschließen, dass sich die Patriots spätestens nach der Saison umorientieren und den 32-Jährigen ziehen lassen.

Der SPOX-Tipp: Vollmer ist - wenn fit - unumstritten. Die schwachen Auftritte von Backup Marcus Cannon im Vorjahr haben das nochmals bestätigt. Ist er fit, sollte er sich wieder als einer der besseren Right Tackles der Liga etablieren. Kader-Chance: 100 Prozent.

Björn Werner, Defensive End, Jacksonville Jaguars

So lief die Vorsaison: Kurz zusammengefasst: Der einstige Erstrunden-Draft-Pick erlebte ein schwieriges Jahr. Werner, dem die Umstellung von der 4-3-Defense im College auf die 3-4-Defense der Colts konstant zu schaffen machte, spielte nur 13 Prozent der Defense-Snaps, primär kam er im Special Team (22 Prozent) zum Einsatz.

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Dazu kamen anhaltende Verletzungssorgen, von Knieproblemen über eine Schulterverletzung bis hin zu einer Knie-OP. Im Indy Star hatte er im April 2015 zugegeben: "Seit ich in die Liga kam, war ich nicht einmal gesund." Nach dem Ende der Saison zogen die Colts dann tatsächlich den Schlussstrich: Werner, der in drei Jahren 6,5 Sacks gesammelt hatte, wurde entlassen.

Damit begann die Suche nach einem neuen Team, im Mai war es schließlich soweit: Die Jacksonville Jaguars holten Werner zurück nach Florida, wo er schon im College gespielt hatte, und geben dem Deutschen in einer runderneuerten Defense eine Chance, sich für den finalen Kader zu empfehlen.

Die Situation im Team: Jacksonvilles Defense wurde in der Offseason mal eben umgekrempelt. Im Draft kamen Defensive Back Jalen Ramsey und Linebacker Myles Jack. Auch die aus Werners Sicht wichtige Defensive Line wurde adressiert.

Über die Free Agency wurde Defensive Tackle Malik Jackson verpflichtet, zudem kehrt Defensive End Dante Fowler Jr. nach seinem Kreuzbandriss zurück und im Draft kam außerdem Yannick Ngakoue.

Es ist also vieles im Umbruch, viele neue Gesichter sollen möglichst schnell zusammen funktionieren und Head Coach Gus Bradley muss langsam Ergebnisse liefern - andernfalls könnte sein Job eher früher als später auf dem Spiel stehen. Bradleys Steckenpferd ist die Defense, die damit also nochmals deutlicher im Fokus steht.

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Die positive Nachricht für Werner: Jacksonville spielt die von Werner präferierte 4-3-Defense und sein Ziel muss es sein, sich eine Rolle als Rotationsspieler zu sichern. Kadertiefe auf den Pass-Rush-Positionen ist essentiell wichtig und Werner, der die Preseason mit der dritten Garde eröffnete, konnte sich immerhin mit einem Sack im ersten Spiel empfehlen.

Der SPOX-Tipp: Werner ist erst 25 Jahre alt und hat als Defensive End in einer 4-3-Defense ohne jeden Zweifel Potential. Fowler, Ngakoue, Jared Odrick, Tyson Alualu und Sen'Derrick Marks dürften zum jetzigen Zeitpunkt auf den DE-Posten in der internen Hackordnung vor ihm angesiedelt sein. Gleichzeitig könnte Werner gerade auf dem wichtigen Leo-Spot - der Pass-Rusher, der auf der Weak-Side eingesetzt wird - mittelfristig eine gute Rolle spielen. Kader-Chance: 50 Prozent.

Mark Nzeocha, Linebacker, Dallas Cowboys

So lief die Vorsaison: Ein im College erlittener Kreuzbandriss verhinderte ernsthafte Einsätze (lediglich zwei Partien im aktiven Kader) in seiner Rookie-Saison, Dallas hatte Nzeocha in der siebten Runde des 2015er Drafts gewählt.

Die Situation im Team: Hier ruht die große Chance für Nzeocha: Rolando McClain wird zehn Spiele gesperrt verpassen, Zweitrunden-Draft-Pick Jaylon Smith dürfte 2016 nicht mehr fit werden.

Damit ist hinter Anthony Hitchens und Sean Lee im Linebacker-Corps alles offen - umso mehr, da sich Linebacker Andrew Gachkar den Daumen gebrochen hat und wohl bis Ende August ausfällt. Außerdem ein Argument für Nzeocha: Seine Vielseitigkeit, er kann auch im Special Team spielen.

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"Er hat letztes Jahr aufgrund seiner Knieverletzung nicht allzu viele Chancen erhalten", betonte Coach Jason Garrett auf der Team-Website, "aber er hat hart gearbeitet. Er ist ein sehr guter Athlet und man sieht langsam die Athletik, die wir von ihm im College gesehen haben. Mark ist ein junger Spieler, der noch viel lernen muss. Aber er macht Fortschritte und wir geben ihm viele Chancen."

Aktuell stehen diese allerdings hinten an, Nzeocha fällt aufgrund einer Achillessehnenverletzung aus. Laut dem Linebacker selbst handelt es sich aber lediglich um einen "kleinen Rückschlag. Ich bin schon bald wieder fit."

Der SPOX-Tipp: Nzeocha hatte einen guten Start in die Preseason, der 26-Jährige sammelte gegen die Los Angeles Rams fünf Tackles sowie eine Interception gegen Rookie-Quarterback Jared Goff. Kader-Chance: 95 Prozent.

Markus Kuhn, Defensive Tackle, New England Patriots

So lief die Vorsaison: 10 Spiele, 20 Tackles, 0,5 Sacks - Kuhns Zahlen lassen erahnen, warum sich die New York Giants nach der vergangenen Spielzeit von dem 30-Jährigen trennten. Dazu kamen Probleme in der Run-Defense, trotzdem gaben die Pats dem Routinier im April einen Einjahresvertrag über etwas mehr als eine Million Dollar.

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Im Special Team für die Giants kam Kuhn nur vereinzelt zum Einsatz, brachte es 2015 aber auf immerhin 68 Snaps.

Die Situation im Team: Die Patriots sind im Bereich des Defensive Tackle mit Alan Branch, Malcom Brown, Terrance Knighton und Vincent Valentine, dahinter kämpft auch Frank Kearse um seinen Platz, sehr gut aufgestellt.

Kuhn stand im zweiten Preseason-Spiel der Pats zwar in der Startformation, mit Anthony Johnson spielte sich aber ein weiterer Defensive Tackle in den Vordergrund.

Dennoch auffällig: Kuhn erhielt deutlich mehr Trainingseinheiten mit dem ersten Team, als zuvor vermutet wurde und der sonst so wortkarge Head Coach Bill Belichick verriet: "Markus ist ein junger Spieler, was seine Erfahrung angeht. Er wird noch besser, arbeitet hart, ist schlau und ein guter, harter Junge."

Der SPOX-Tipp: Belichicks öffentliche lobende Worte sind ungewöhnlich, Kuhns Einsatz und Mentalität wurden auch in New York nie in Frage gestellt. Doch selbst wenn die Pats auf eine tiefe DT-Rotation setzen und mehr Tackle mit in den finalen Kader nehmen, als anzunehmen ist, wird es für Kuhn extrem schwer. Aber: Die Trainingseinheiten und Einsätze mit den Startern geben Grund zur Hoffnung. Kader-Chance: 25 Prozent.

Kasim Edebali, Defensive End, New Orleans Saints

So lief die Vorsaison: Die zweite NFL-Saison war für Edebali ein weiterer Schritt nach vorne: Der 27-Jährige kam in allen 16 Spielen zum Einsatz und aus seiner Rotations-Rolle heraus sammelte er neben 21 Tackles vor allem fünf Sacks und sorgte für vereinzelte Lichtblicke in einer sehr schwachen Saints-Defense.

Die Situation im Team: Mit Cameron Jordan auf der einen Seite geht es bei den Saints, was die Starter betrifft, um die Besetzung des zweiten Defensive-End-Posten. Die Verletzung von Hau'oli Kikaha macht den Weg hier endgültig frei für Edebali.

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Die Saints führen den Deutschen in ihrer ersten Preseason-Depth-Chart - die immer mit Vorsicht zu genießen ist - bereits als Starter und auch Rotoworld vermeldete jüngst, dass Edebali die Führung im internen Duell um den Startplatz übernommen habe. Im Training Camp war es ein offenes Duell zwischen Edebali, Davis Tull und Obum Gwacham.

Doch Edebali beeindruckte unter anderem im ersten Preseason-Spiel, als er bei 24 Snaps gegen die Patriots zwei Sacks verzeichnete. Jordan lobte anschließend laut dem New Orleans Advocate: "Ich habe es euch doch gesagt: Kasim ist talentiert."

Der erste Sack gelang ihm bereits beim dritten Play, so dass er dem Advocate erklärte: "Ich glaube, dass das war wichtig. Du musst früh klar machen, was Sache ist und das Spiel auf die richtige Art und Weise starten. Wir haben Einsatz gezeigt und mit jeder Menge Energie gespielt."

Der SPOX-Tipp: Ob es für einen Platz im finalen Kader reicht, ist bei Edebali nicht das Thema. Vielmehr muss die Frage gestellt werden: Kann er sich als Starter festbeißen? Alle Chancen dafür hat er jedenfalls und durch die Verletzung von Rookie-Defensive-Tackle Sheldon Rankins brauchen die Saints umso mehr jeden Playmaker an der Defensive Line. Kader-Chance: 100 Prozent.

Moritz Böhringer, Wide Receiver, Minnesota Vikings

So lief die Vorsaison: Bei Böhringer ist die Lage selbstverständlich etwas anders: Der Receiver, der selbst erst seit wenigen Jahren überhaupt Football spielt, hat in der German Football League mit den Schwäbisch Hall Unicorns eine herausragende Saison hingelegt - mit Blick auf seine NFL-Zukunft verrät das allerdings nicht allzu viel.

Und dennoch hat Böhringer bereits Historisches geschafft: Er ist nicht nur der erste deutsche Receiver in der NFL, der 22-Jährige, der in der sechsten Runde von den Minnesota Vikings gedraftet wurde, ist auch der erste Spieler, der ohne jemals in den USA Football gespielt zu haben, überhaupt im Draft gewählt wurde.

Die Umstellung machte Böhringer durchaus zu schaffen. So gab er etwa zu, dass ihm das Playbook Probleme bereitet, das Niveau ist in den USA selbstredend um ein Vielfaches höher und die Gegner somit entschieden stärker als noch in Deutschland. Die physischen Voraussetzungen bringt Böhringer mit, doch was das Spielverständnis und technische Feinheiten angeht, muss er in kürzester Zeit viel nachholen.

Die Situation im Team: Im Laufe des Training Camps hat sich bei den Vikes eine relativ eindeutige Hackordnung herausgebildet. Stefon Diggs und Charles Johnson gehen aller Voraussicht nach als Starting-Receiver in die Saison, gefolgt vom diesjährigen Top-Draft-Pick Laquon Treadwell und Cordarrelle Patterson, der in das letzte Jahr seines Vertrages geht und sich für einen neuen Kontrakt empfehlen will. Dazu kommt der aktuell noch verletzte Jarius Wright

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Dahinter hat sich über die letzten Wochen Adam Thielen als sehr gute Option etabliert, Thielen erhielt in den letzten Tagen des Training Camps mehrere Snaps mit den Startern und auch im Preseason-Spiel gegen Seattle am vergangenen Donnerstag hinterließ er einen guten Eindruck.

Der SPOX-Tipp: Liest man die aktuellen Vorzeichen, so wird zunehmend deutlich: Es wird für Böhringer wohl nicht reichen. Die Vikings haben zu viele Receiver-Optionen vor ihm und im Special Team, mutmaßlich seine größte Chance auf einen Kaderplatz, konnte er bisher auch nicht überzeugen. Der Idealfall für Böhringer könnte Minnesotas Practice Squad sein, wo er ein Jahr lang am Playbook und den technischen Nuancen arbeiten kann, um dann 2017 einen neuen Versuch zu starten. Kader-Chance: 5 Prozent.

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