Third and Long: Playoff-Predicitions und Head-Coaching-Karussell

Von Adrian Franke
02. Januar 201814:57
Die Los Angeles Rams empfangen in der Wildcard-Runde die Atlanta Falconsgetty
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Die Regular Season 2017 ist Geschichte und der Blick richtet sich endlich auf die Playoffs - zumindest für zwölf Teams. Anderorts wird bereits kräftig an der Zukunft gebastelt, insgesamt sechs Teams sind auf der Suche nach einem neuen Head Coach. In seiner wöchentlichen Kolumne beleuchtet SPOX-Redakteur Adrian Franke die Ideallösung für alle sechs vakanten Head-Coach-Posten und gibt seine Einschätzung zu den Wildcard-Partien ab. Außerdem: Ein vollgepackter Mailbag mit dem Debüt von Patrick Mahomes, den Seattle Seahawks, Jon Gruden und vielem mehr!

Rams, Falcons, Bills und Co.: Meine Wildcard-Matchups

No. 4 Kansas City Chiefs - No. 5 Tennessee Titans

Schlüsselmatchup: Tennessees Secondary gegen Alex Smith

Klartext: Die Titans stehen in den Playoffs und haben somit genügend und die richtigen Spiele gewonnen. Aber für mich ist Tennessee nur auf dem Papier ein Playoff-Team. Zu schlecht ist das offensive Coaching in nahezu jederlei Hinsicht, zu inkonstant das Run Game, weshalb Mariota große Probleme hat. Und zu anfällig ist die Pass-Defense. Tennessees große Stärke in dieser Saison ist die Run-Defense, gegen den Pass haben die Titans riesige Probleme. Ihr DVOA-Rang 24 gegen den Pass bestätigt hier die Eindrücke.

Kansas City ist auf der anderen Seite pünktlich zum Saison-Schlussspurt wieder in Fahrt gekommen. Ein starker Einsatz von Run-Pass-Options öffnet Wege im Run Game und Alex Smith hat zumindest situativ seine Aggressivität wieder gefunden. Das gilt ganz besonders, wenn Tyreek Hill Eins-gegen-Eins-Situationen hat.

Tennessee wird, so löchrig die Chiefs-Defense in dieser Saison phasenweise war, dieses Spiel nicht gewinnen, wenn KC mal eine 2-Score-Führung hat. Dafür ist das Titans-Team offensiv nicht gebaut und hat allein im Scheme viel zu große Defizite. Liefert die Pass-Defense nicht ihr bestes Saisonspiel ab, wird es für Tennessee ein wenig vergnüglicher Playoff-Auftritt.

No. 3 Jacksonville Jaguars - No. 6 Buffalo Bills

Schlüsselmatchup: Bortles gegen Buffalos Defense

Viel spricht wahrlich nicht für die Bills, umso mehr, da LeSean McCoy angeschlagen ist. Dazu kommt, dass Jacksonville, nachdem die Defense gegen den Run immer wieder undiszipliniert aufgetreten und die Gap-Kontrolle hergeschenkt hat, gegen den Run im Regular-Season-Finale in Tennessee deutliche Tendenzen nach oben offenbart hat. Und so viel ist klar: Im Passspiel werden die Bills diese Partie nicht gewinnen, Buffalos Passing-Offense gegen die Pass-Defense der Jags ist das größte Mismatch am Wildcard-Wochenende.

Aber es gibt doch einen Hoffnungsschimmer, und der lautet Blake Bortles. Nach guten bis sehr guten Auftritten gegen Indy, Seattle und Houston, wo er plötzlich auch technische Fortschritte zeigte, gab es zum Regular-Season-Abschluss gegen San Francisco und Tennessee wieder eine merkliche Regression. Bortles hat wieder mehr Probleme in der Pocket, wirft desolate Pässe in Double Coverage oder über die Mitte zu kurz beziehungsweise in den Rücken seiner Receiver.

Buffalos Zone-Defense ist für solche Quarterbacks brandgefährlich. Die Bills sind in der Secondary nicht nur individuell sehr gut besetzt, das Scheme hilft auch, in solchen Situationen einen schlechten Wurf zu "finden" und abzufangen. Nicht umsonst hatten in der gerade beendeten Regular Season nur fünf Teams mehr Interceptions als die Bills (18). Das ist die größte Chance für Buffalo, um Jacksonville zu schlagen.

No. 3 Los Angeles Rams - No. 6 Atlanta Falcons

Schlüsselmatchup: Atlantas Running Backs gegen die Rams-Linebacker

War es eine Trendwende oder war es Zufall? Devonta Freeman hatte in keinem Spiel dieser Saison über fünf Receptions - bis zum Regular-Season-Finale gegen Carolina: Da waren es gleich neun, zwei weitere verzeichnete Running-Back-Kollege Tevin Coleman.

Unter Kyle Shanahan war die Rolle der Running Backs im Passing Game ein elementarer Bestandteil der Offense, sein Nachfolger Steve Sarkisian hat sich bisher erfolgreich dagegen gewehrt. Gegen die Rams hätte ein Fortsetzen dieses Trends gleich zwei positive Aspekte: Man könnte den Pass-Rush um Aaron Donald besser ausschalten, und man könnte die Rams-Linebacker in Coverage attackieren - ein Matchup, das L.A. garantiert vermeiden will und das den Falcons dabei helfen kann, in einem möglichen (und nicht unwahrscheinlichen) Shootout mitzuhalten.

No. 4 New Orleans Saints - No. 5 Carolina Panthers

Schlüsselmatchup: Carolinas Linebacker gegen das Screen-Game

New Orleans hatte in den vergangenen Wochen einige holprigere Spiele, der Kern dieses Teams ist aber noch immer klar: Der Einsatz der Running Backs als Runner und Receiver. Kein Team hat ein besser designtes Screen-Game als die Saints, New Orleans spielt hier großartig mit Play Action und verschiedenen Formationen, um Defenses unter Druck zu setzen.

Ganz besonders springt dabei ein Trend ins Auge, den man in der NFL häufiger sieht: Der Einsatz des Fullbacks als Matchup-Spieler. Gemeint ist, dass die Offense mit einem Running Back und einem Fullback aufs Feld kommt, was die Defense in den allermeisten Fällen in ihre Base-Coverage (anstatt Linebacker oder D-Liner durch Defensive Backs zu ersetzen) zwingt. Wenn eine Offense dann - Kyle Shanahan ist ein Meister darin, die Patriots nutzen das in diesem Jahr auch vermehrt - den Fullback via Pre-Snap-Motion als Receiver aufstellen und so aus einer I- in eine Spread-Formation übergehen kann, übt das riesigen Stress auf die Defense aus.

Die Panthers haben in Luke Kuechly den besten Cover-Linebacker in der NFL, mit dem Screen Game der Saints und deren kreativem Einsatz der Running Backs wartet jetzt aber eine echte Prüfung. Umso mehr, da New Orleans mit der vielleicht besten Offensive Line dieser Saison aufwarten kann und so die aggressiven Blitz-Pakete der Panthers weniger schwer ins Gewicht fallen.

Auf der anderen Seite des Balls ist klar: Carolina muss sein Standard-Run-Game (also ohne Cam Newton) ins Rollen bringen. Die Panthers sind im Passing Game isoliert betrachtet viel zu harmlos und wenn die Offense alleine von Newtons Runs abhängt, wird Carolina mit der Saints-Offense nicht Schritt halten können.

Head-Coach-Verpflichtungen die Sinn machen

Arizona Cardinals: Karten auf den Tisch: Arizona muss sich offensiv früher oder später komplett umstellen - der Rücktritt von Bruce Arians sorgt dafür, dass jetzt mutmaßlich dieser Zeitpunkt ist. Er macht weitere Rücktritte von Carson Palmer und Larry Fitzgerald deutlich wahrscheinlicher und dann ist die Offense für einen neuen Head Coach wie ein weißes Blatt. Außerhalb von David Johnson und D.J. Humphries gibt es kaum mittel- oder gar langfristige Säulen, eher solide Kräfte wie J.J. Nelson, A.Q. Shipley oder John Brown, falls er bleibt.

Das hat Vor- und Nachteile: Die Cardinals müssen einen neuen Quarterback finden, und zwar schnell - das ist einerseits eine Aufgabe, die Angst machen kann; denn scheitert ein neuer Head Coach hieran, ist er seinen Job schnell los. Andererseits bietet es auch große Flexibilität: Wer auch immer der neue Head Coach wird, er darf versuchen, sich seinen Wunsch-Quarterback zu holen und eine Offense quasi komplett nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Deshalb rechne ich in Arizona mit einem offensiv geprägten Coach, idealerweise mit einer Quarterback-Coaching-Vergangenheit. DeFilippo sticht hier für seine Arbeit mit Carson Wentz heraus, Matt Nagy hat die Chiefs-Offense wiederbelebt und Todd Haley hat bereits als Coordinator in Arizona gearbeitet. Die Defense ist da, hier gilt es eher, Kontinuität zu wahren und Spieler schrittweise weiter zu entwickeln. Ein Verbleib von Defensive Coordinator James Bettcher wäre deshalb keine allzu große Überraschung.

SPOX-Wunschkandidaten: John DeFilippo (QB-Coach Eagles), Matt Nagy (OC Chiefs), Todd Haley (OC Steelers), Pat Shurmur (OC Vikings)

Chicago Bears: Die Bears sind gewissermaßen einen Schritt weiter als Arizona, Chicago hat durch den spektakulären Draft-Trade im Vorjahr mit Mitchell Trubisky seinen Wunsch-Quarterback schon im Team. Jetzt gilt es, den auch zu entwickeln und hier werden unweigerlich Erinnerungen an die Los Angeles Rams im Vorjahr wach.

Auch die Rams hatten einen älteren, erfahrenen Coach, der der Offense aber so gar nichts geben konnte, entlassen. Mit Sean McVay und Matt LaFleur kamen dann zwei junge, innovative Offensiv-Coaches, während parallel die Offensive Line und das Receiving-Corps verstärkt wurden. Jared Goff machte in der Folge einen riesigen Schritt nach vorne, und einen ähnlichen Weg dürften jetzt auch die Bears einschlagen.

Heißt: Coaches, die gezeigt haben, dass sie mit Quarterbacks arbeiten können. Wie DeFilippo - oder Pat Shurmur, der mit und rund um Case Keenum in dieser Saison großartige Arbeit geleistet hat.

SPOX-Wunschkandidaten: John DeFilippo (QB-Coach Eagles), Josh McDaniels (OC Patriots), Pat Shurmur (OC Vikings)

Detroit Lions: Für Detroit ist die Sache klarer: Die Lions haben einen Top-10-Quarterback, gute Receiving-Waffen und zumindest vereinzelt individuelle Qualität in der O-Line. Matt Stafford hatte unter Offensive Coordinator Jim Bob Cooter seine besten NFL-Spielzeiten, Cooter zu halten wäre also nicht die schlechteste Idee - möglicherweise indem man ihm Coaching-Unterstützung im Run Game zur Seite stellt.

Dementsprechend macht es Sinn, dass die ersten Gerüchte rund um Detroit primär defensiv geprägte Coaches mit den Lions in Verbindung bringen. Geschäftsführer Bob Quinn hat eine langjährige Vergangenheit bei den New England Patriots, insofern wäre es ebenfalls sinnvoll, würde er sich dort bedienen.

Etwa mit Matt Patricia, der seit 2004 unter Bill Belichick arbeitet und möglicherweise jetzt endlich für den nächsten Schritt bereit ist. Man kann gar nicht genug betonen, wie elementar wichtig ein gutes Zusammenspiel zwischen Head Coach und Geschäftsführer ist. Mit Patricia und Quinn hätten die Lions hierauf eine gute Chance.

SPOX-Wunschkandidaten: Matt Patricia (DC Patriots), Mike Vrabel (DC Texans)

Indianapolis Colts: Indy braucht nach jahrelangen offensiven Fragezeichen einen Trainerstab, der frischen Offensiv-Wind rein bringt. Konkret: Mehr, viel mehr Scheme-Hilfe für Andrew Luck. Das muss der Fokus in Indianapolis sein. Ist Andrew Luck fit, sind die Colts auf einen Schlag einer der attraktivsten Spots für einen neuen Head Coach. Nichts ist wichtiger als ein Franchise-Quarterback, und dem die bestmögliche Chance auf Erfolg zu geben ist die höchste Priorität in Indy.

SPOX-Wunschkandidaten: Josh McDaniels (OC Patriots), Matt Nagy (OC Chiefs)

New York Giants: Bei den Giants machen beide Szenarien (offensiv oder defensiv geprägter Head Coach) Sinn. Ich würde den defensiven Head Coach mit einem innovativen Offensive Coordinator kombinieren. Die Giants werden den Nummer-2-Pick mutmaßlich in einen Quarterback investieren, für den ist es elementar wichtig, dass die Coaching-Strukturen auf dieser Seite des Balls seine Entwicklung unterstützen. Der Receiving-Kern um Beckham, Shepard und Engram steht, auch die O-Line hat sich im Laufe der Saison gesteigert.

Angesichts der medialen Herausforderungen in New York ist ein Kandidat mit Head-Coaching-Erfahrung nicht die schlechteste Idee - Jim Schwartz bringt das mit und sollte außerdem die Defense wieder auf Kurs bringen. Außerdem traue ich es ihm zu, mit den internen Problemen und Disziplinlosigkeiten deutlich besser fertig zu werden, als das bei McAdoo der Fall war.

SPOX-Wunschkandidaten: Jim Schwartz (DC Eagles), Matt Patricia (DC Patriots)

Oakland Raiders: In Oakland scheint die Sache ja schon relativ klar - dass Jack Del Rio entlassen wurde spricht stark dafür, dass Team-Besitzer Mark Davis seinen absoluten Wunschkandidaten Jon Gruden tatsächlich aus dem Ruhestand holt. Spekulationen sind hier also eher unnötig, so viel aber sei gesagt: Oakland muss dringend einen Trainerstab zusammenstellen, der der Offense ein neues Gesicht geben und die Schwächen von Derek Carr über das Scheme besser kompensieren kann.

SPOX-Wunschkandidaten: John DeFilippo (QB-Coach Eagles), Pat Shurmur (OC Vikings)

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Gruden, Head-Coaching-Suche, Enttäuschungen, Seahawks - eure Fragen

Julian Greb: Was glaubst du kann man von Jon Gruden erwarten, wenn er tatsächlich wieder coachen will?

Ich tue mich mit Gruden extrem schwer. Die Summen, die rund um seine Rückkehr genannt werden (Jahresgehalt von etwa zehn Millionen Dollar, möglicherweise Anteile am Team) scheinen mir astronomisch für jemanden, der seit 2008 kein NFL-Team mehr trainiert hat.

Meine ehrliche Meinung: Raiders-Besitzer Mark Davis will Gruden unbedingt, weil er auf seine Strahlkraft und seine Teamführung setzt. Sportlich aber wird es für mich ganz entscheidend sein, wer seine Coordinator sind. Zumindest habe ich meine Zweifel, dass Gruden aus zehnjährigem Ruhestand zurück kommt und sich ohne Probleme an das Spiel, wie es heute ist, anpasst.

Die gute Nachricht für Oakland ist, dass die ersten Gerüchte hier vielversprechend sind. Bengals-Defensive-Coordinator Paul Guenther und Jets-Offensive-Coordinator John Morton wären herausragende Coordinator für Gruden. Guenther würde in dem Szenario die Defense mehr oder weniger übernehmen, Morton und Gruden könnten gemeinsam West-Coast-Elemente mit den Air-Raid- und Run-and-Shoot-Elementen, die wir bei den Jets dieses Jahr gesehen haben, verbinden. Für die Entwicklung von Derek Carr möglicherweise die perfekte Mischung.

dakofla: Welche der offenen Head-Coaching-Positionen ist deiner Einschätzung nach die attraktivste?

Am Ende des Tages geht es in der NFL um den Quarterback, und dabei kommt man an den Lions und Colts nicht vorbei. Eine Franchise mit einem Quarterback wie Andrew Luck ist nicht so häufig im Coaching-Karussell dabei, während die Defense viele junge Spieler hat, die sich formen lassen. Indy muss man für mich ganz oben sehen - vorausgesetzt, Luck ist wirklich gesund. In Detroit hat Matt Stafford gerade eine sehr gute Saison gespielt, die Lions haben insgesamt im Team noch mehr Qualität als die Colts.

Man braucht in der NFL einen Quarterback, dafür muss man nur die Saison der San Francisco 49ers als Musterbeispiel verwenden. Deshalb sind diese beiden Teams für mich ganz oben. Davon abgesehen wird es dann mehr Geschmackssache. In Chicago hat man eine sehr gute Front, ein sehr gutes Running-Back-Duo - und möglicherweise einen Quarterback. Wer nach Chicago geht, für den ist es Priorität eins, zwei und drei, Trubisky zu entwickeln. Und das eher schnell, nachdem die Liga gesehen hat, was McVay mit Goff angestellt hat.

Arizona ist ein Team, dessen Attraktivität man sehr unterschiedlich sehen kann: Offensiv gibt es für mich genau zwei Bausteine für die mittelfristige Zukunft: David Johnson und D.J. Humphries, möglicherweise kurzfristig noch Fitzgerald und Palmer - falls sie weiter machen. Alles andere ist verhandelbar. Das gibt einem neuen Coach die Möglichkeit, eine Offense komplett nach den eigenen Ideen zu gestalten. Aber man muss natürlich zuallererst einen Quarterback finden, das ist der Knackpunkt.

Definitiv positive Faktoren sind die Qualität in der Defense und der Team-Besitzer. Letzteres ist beim Coach-Karussell nicht zu unterschätzen und Arizona ist hier mit Bidwill in einer glänzenden Position, was für einige Bewerber den Unterschied etwa gegen die Colts ausmachen könnte. Die Giants sehe ich relativ ähnlich wie Arizona, mit mehr vorhandenen Bausteinen in der Offense und dafür auch etwas mehr Fragezeichen in der Defense.

Die Raiders sind in meiner Kalkulation ein explosives Thema: Der bevorstehende Umzug nach Las Vegas, die deutlichen Rückschritte in der Offense inklusive bei Carr, viele offene Fragen in der Defense. Gruden als Antwort und Ablenkung dafür scheint ja aber ohnehin weit fortgeschritten.

Stefan Klüttermann: Wen siehst du als realistischen Kandidaten für den Offensive-Coordinator-Posten bei den Browns und wen als realistischen Veteran-Quarterback für die nächste Saison?

Aus Cleveland hört man, dass tatsächlich Hue Jackson - und nicht John Dorsey - den neuen Offensive Coordinator auswählen wird. So weit, so gut. Die Gerüchte, die aber durchsickern, wonach Team-Besitzer Jimmy Haslam ohne Absprache mit Dorsey verfügt hat, dass Jackson bleibt, ist schon wieder das Holzsammeln für den nächsten internen Brandherd. Was, wenn Dorsey in zehn Monaten genug von Jackson hat? Was, wenn sie sich schon im Draft uneinig sind. Der Browns-Fisch stinkt so dermaßen vom Kopf her.

Ganz nüchtern betrachtet: Großartig wäre es, wenn Cleveland einen wie John DeFilippo (Quarterbacks-Coach der Eagles) bekommen könnte. Die oberste Priorität in Cleveland muss es sein, den Rookie-Quarterback, der im Draft kommen wird, systematisch aufzubauen und nach seinem Umgang mit Kizer habe ich da bei Jackson große Zweifel. Allerdings wird DeFilippo möglicherweise Head-Coaching-Offerten bekommen, die Bears und die Cardinals zeigen in der Richtung bereits Interesse.

Generell wird man sich bei den Position-Coaches umschauen müssen - oder bei den Teams, die sich einen neuen Trainerstab zusammenbauen. Ein Name, den ich für Cleveland interessant fände: Harold Goodwin, der jahrelang unter Bruce Arians gelernt hat und infolge des Arians-Rücktritts mutmaßlich zu haben sein wird. Ein dritter Mann, mit dem sich Cleveland befassen könnte: Colts-QB-Coach Brian Schottenheimer.

Oliver Fa: Welche Mannschaft ist für dich die größte Enttäuschung der Saison? Ausgenommen die Teams, die ihren Quarterback verloren haben.

In beliebiger Reihenfolge und aus unterschiedlichsten Gründen: Giants, Browns, Buccaneers und Raiders. Bei New York war ein Rückschritt in der Defense absehbar, dass der so groß werden würde, hätte ich nicht gedacht. Vor allem aber die offensive Ideenlosigkeit gepaart mit zahlreichen internen Streitereien, dem Debakel um Eli Manning - ich habe die Giants noch nie in einem solchen Chaos erlebt. Der Umbruch mit neuem Head Coach und neuem starken Geschäftsführer war unausweichlich.

Bei Cleveland habe ich wirklich auf einen nächsten Schritt gehofft, stattdessen gab es vielerorts Stagnation, schlechte Coaching-Entscheidungen und schlechtes Play-Calling sowie die erneute Abkehr von einer langfristig angelegten Strategie. Man kann für die Browns nur hoffen, dass die positiven Trends im Run Game weitergehen, sich die Defensive Front weiter positiv entwickelt - und dass Cleveland seinen Quarterback findet und den dann auch richtig aufbaut.

Die Bucs waren für viele - auch ich hatte sie vor der Saison als Wildcard-Team getippt - eine Art Super-Bowl-Geheimtipp. Geblieben ist ein Team, das keinen Pass-Rush hatte, kein Run Game aufbauen konnte und im Passing Game statt den erhofften nächsten Schritt eher eine Regression erfahren hat. Vor allem die Entwicklung beziehungsweise die Stagnation von Jameis Winston kann Buccaneers-Fans nicht gefallen.

Bei den Raiders hatte ich defensiv nicht viel erwartet, und wurde bis zum Coordinator-Tausch doch enttäuscht. Fast wie auf Knopfdruck sieht der Pass-Rush besser aus. Dass die Offense in jederlei Hinsicht (Play-Calling, Carr, die Receiver) eine so desolate Spielzeit haben würde, hatte ich aber nicht kommen sehen.

Natürlich könnten Teams wie etwa die Broncos hier auch rein fallen - aber wenn die Teams, die ihren Quarterback verloren haben, nicht zählen, sollte man Denver, das abgesehen von drei guten Wochen von Trevor Siemian nie einen echten Quarterback hatte, ebenfalls anders bewerten.

Rasmus: Was wird jetzt mit den Seahawks passieren? Insbesondere mit den Überresten der Legion of Boom und Jimmy Graham?

Die Seahawks stehen am Scheideweg, keine Frage. Defensiv könnte tatsächlich das Ende der Ära bevorstehen - Michael Bennett hat nach Week 17 offen von seinem Abschied gesprochen, niemand weiß, ob beziehungsweise wie Chancellor, Avril und Sherman von ihren Verletzungen zurückkommen. Bei Earl Thomas gehe ich trotz allem von einem Verbleib aus, wodurch die Aufgabe sein wird, um Thomas, Bobby Wagner, K.J. Wright sowie Jarran Reed, Frank Clark und möglicherweise Sheldon Richardson herum eine neue dominante Defense aufzubauen. Nicht die schlechtesten Start-Bedingungen.

Ganz zentral wird es aber sein, endlich wieder eine offensive Identität zu entwickeln. Weg davon, dass Russell Wilson die Offense alleine trägt, es muss den Seahawks gelingen, Wilsons Improvisationsfähigkeiten in eine bessere Struktur zu packen. Denn aktuell steht die Offense häufig verloren da, wenn Wilson keinen Sahnetag hat.

Seattle braucht hier eine Basis, etwas, auf das man zurückgreifen kann, wenn Wilson mal einen schlechten Tag hat. Ein konstantes Run Game wäre hier ein sehr guter Anfang, daher denke ich, dass Jimmy Graham eher nicht gehalten wird..

Richard Turkowitsch und Andale: Deine Einschätzung zu Patrick Mahomes? Ist es gerechtfertigt, wie das Chiefs-Kingdom gerade durchdreht?

Sehr viel Positives für die Chiefs in Mahomes' Debüt, und viel davon, was sein College-Tape gezeigt hat. Was dabei immer wieder ins Auge springt ist sein spektakulärer Arm: Mahomes bringt hier so viel Power mit, dass er Bälle aus unmöglichsten Winkeln und ohne Hilfe seiner Beine präzise das Feld runter feuern kann. Eine Qualität, die man in der Form eigentlich nur von Aaron Rodgers kennt.

Das führt auch zu einigen großartigen Momenten gegen Pressure, wobei es ihm auch einige Male große Probleme bereitete, wenn Denvers Defense Druck brachte. In puncto Reads profitierte er sehr von der Chiefs-Offense, die mit ihren Run-Pass-Options und den Route-Kombinationen dem Quarterback vergleichsweise klare Reads gibt. Gleichzeitig aber glänzte er mehrfach mit tollem Ball-Placement.

Hier wird Mahomes noch viel lernen und sich an das NFL-Tempo gewöhnen müssen, aber dafür ist Zeit. Auch Fehler wie bei der Interception - entweder ein Kommunikationsfehler oder ein böser Overthrow - muss er abstellen, dafür gilt es dann, an der Beinarbeit und den technischen Dingen zu arbeiten. Optimismus ist also gerechtfertigt, Geduld trotzdem angebracht.

Paul: Ich befürchte du wirst uns aus aktuellem Anlass den Spielzug "Spider 2 Y Banana" nochmal genauer erklären müssen.

Sehr gerne! Wer es nicht kennt: "Spider 2 Y Banana" ist eines der Lieblings-Plays von Jon Gruden, das er über die Jahre immer wieder während einer ESPN-Übertragung angebracht hat und ganz aufgeregt war, wenn eine Offense den Spielzug tatsächlich nutzte. Da er mutmaßlich in etwa einer Woche als neuer Head Coach der Raiders vorgestellt wird - hier ist das Play:

Grudens West-Coast-Prägung kommt hier voll durch: "Spider 2" bezeichnet das Protection-Scheme, "Y Banana" die Route des Tight Ends, welche diesem Spielzug den Namen gibt - "Y" beschreibt in den meisten Offenses den Tight End, "Banana" kommt daher, weil die Route aufgezeichnet der Form einer Banane ähnelt.

Es ist ein Levels-Konzept, also wird eine Seite der Defense gezielt auf mehreren Ebenen überladen. Der Quarterback liest zunächst die Flat-Route des Fullbacks, dann die Route des Tight Ends und schließlich die Crossing-Route des Receivers, während der Running Back nach einem Play-Action-Fake blockt. Sollte Gruden tatsächlich die Raiders übernehmen, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, wann wir "Spider 2 Y Banana" bewundern dürfen.