Die NFL biegt auf die Zielgerade ein, dementsprechend spitzt sich auch das Playoff-Rennen zu. Welche Teams sind gerade am besten in Form? Wer schafft es in die Playoffs, wer muss zuschauen? Außerdem: Miamis neuer Ansatz, die Jaguars sind angekommen - und Zach Wilson gibt sein Comeback. Aber wie lange?
Wenn ich nach MVP-Favoriten gefragt werde, ist meine Antwort immer häufiger in eine klare Richtung eingefärbt: Wer in Woche 8, 10 oder 12 MVP-Mitfavorit ist, interessiert mich nur bedingt - wichtig ist, wer sich im letzten Saisondrittel absetzen kann. Dann entsteht der stärkste bleibende Eindruck für die Stimmberechtigten, die nach der Regular Season ihren MVP küren.
Das ist irgendwo menschlich. Ein Beispiel: Tua Tagovailoa war nach Week 10 der Nummer-3-MVP-Kandidat bei den Buchmachern - nach mehreren enttäuschenden Auftritten, mehrfach in Primetime, ist er drastisch abgefallen. Wie wäre das Narrativ, wenn Tuas beste Phase jetzt angefangen hätte? Zumindest würden wir uns eher noch mit ihm beschäftigen, als es jetzt der Fall ist, und mit dem veränderten Abstimmungsverfahren wäre die Chance zumindest auf einen zweiten Platz real.
Ein Stück weit gilt das auch für Teams, denn wir sehen dieses Phänomen fast jedes Jahr: Teams, die in der ersten Saisonhälfte wie ein Titelkandidat oder mindestens ein brandgefährliches Playoff-Team aussehen - und dann in der zweiten Saisonhälfte auf den Boden der Tatsachen geholt werden.
Die Arizona Cardinals waren das Paradebeispiel dafür im Vorjahr, 2020 würde ich die Tennessee Titans anführen, die mit 5-0 starteten, ehe die Niederlagen kamen, der Division-Titel nur mit einem dramatischen Sieg gegen ein schwaches Texans-Team am letzten Spieltag gerettet wurde und in den Playoffs war dann gleich in der Wildcard-Runde Endstation.
Das hat häufig mehrere Gründe. Eine kritische Verletzung kann ein vielleicht fragiler als gedachtes Gebilde empfindlich stören, häufig aber lässt sich beobachten, dass insbesondere im Fall einer spektakulär aufspielenden Breakout-Offense - so wie Arizona über die ersten acht Wochen letztes Jahr, oder Miami in Ansätzen dieses Jahr - Antworten gefunden werden.
Mit jeder Woche gibt es mehr Tape, mehr Gelegenheiten für die besten Defensive Coordinators in der NFL, um Schwachstellen zu erkennen, Tendenzen zu identifizieren und Datenpunkt um Datenpunkt zu sammeln, um effektive Gegenmittel zu entwerfen.
Das rückt für mich in der zweiten Saisonhälfte mehr und mehr in den Fokus, weil es der beste Indikator dafür ist, welche Teams "for real" sind, und welche vielleicht mehr ein Hoch geritten sind, aber noch den Beweis schuldig sind, dass es einen ähnlich effizienten Plan B gibt. Hier trennt sich die sprichwörtliche Spreu vom Weizen im Rahmen einer NFL-Saison.
Das macht die Eagles so eindrucksvoll. Die Eagles haben gezeigt, dass sie Spiele mit ihrem Run Game, mit ihrer Big Play Passing Offense oder auch mit ihrer Defense gewinnen können. Das ist ein enormes Pfund, und Philadelphia ist so gut in diesen Bereichen, dass, obwohl die Eagles nicht sonderlich vielseitig oder komplex sind, sie eher besser geworden sind im Laufe der zweiten Saisonhälfte.
1. Tua und die Dolphins: Alte Diskussionen, neue Antworten
Ich hatte bei Tua Tagovailoa in der Analyse vor dieser Saison den Vergleich zu Jimmy Garoppolo gewählt, vor allem mit Blick auf die Rolle in der Offense, aber auch darüber hinaus, was sein Bild in der Öffentlichkeit angeht.
Tua, dann auch in einer Variante der Shanahan Offense, hatte bereits im Vorjahr seinen schnellen Release und seine Accuracy unter viel schlechteren Umständen unter Beweis gestellt, und ich konnte ihn mir gut in der Rolle des Managers dieser Offense vorstellen - inklusive der Diskussionen darüber, wie viel Teil des Credits dem Quarterback, wie viel den Waffen und wie viel dem Design der Offense zusteht.
Zugegeben, dass es diese Dimensionen annehmen würde, qualitativ, und damit dann auch in der Bandbreite der Argumentationen - das hatte ich sicher nicht erwartet, vor allem nicht im ersten Jahr.
Ich würde diesen Vergleich nach wie vor zumindest als übergreifende Kategorie anführen, aber je mehr wir in den vergangenen Wochen gesehen haben, wie die Offense erstmals an echte Probleme gerät, würde ich den Vergleich innerhalb des ähnlichen Coaching Trees, aber doch leicht verändern.
Ich denke, dass für diesen Moment - in aller Deutlichkeit: das muss keine Prognose für den weiteren Verlauf seiner Karriere sein! - der Vergleich zu Jared Goff früh in der McVay-Ära zutreffender ist. Denn was seit dem Spiel gegen San Francisco auffiel, ist, dass Tua dazu neigt, Bälle in die "gewohnten" Fenster zu werfen - auch wenn diese Fenster gar nicht da sind. Das sind dann vor allem Würfe über die Mitte, die als Wurf in Coverage und nicht selten auch als Risiko-Pass enden, wo man sich fragt: warum hat er diesen Ball geworfen?
Tua vertraut McDaniel - manchmal fast "blind"
Das legt nahe, dass Tua der Offense und den Play-Calls von McDaniel so sehr vertraut, dass er sie in erster Linie umsetzt.
Tagovailoas Stats in unter 2,5 Sekunden im Liga-Vergleich
Saisonabschnitt | aDOT | Yards/Pass | Completions | TD |
Week 1-12 | 7,7 YDS (1) | 8,8 (1) | 73% (17) | 11 (6) |
Week 13-15 | 7,9 YDS | 7,9 | 58,9% | 3 |
Berücksichtigt sind alle Quarterbacks mit je mindestens 20 Prozent der Dropbacks. In Klammern das Ranking im Liga-Vergleich
Hier werden unweigerlich Erinnerungen an McVay und Goff wach. An die Zeit, als McVay Fragen dahingehend beantworten musste, inwieweit er selbst Quarterback "spielt", weil er Goff bis zum letzten möglichen Moment Input gibt, sodass Goff mehr "umsetzen", als tatsächlich Quarterback spielen musste.
Das klingt jetzt sehr ernüchternd und negativ, aber ein Stück weit geht es hier schlicht darum, was der Quarterback nach dem Snap lesen und verarbeiten muss. Denn hier würde ich eine klare Abgrenzung setzen: Miamis Offense wurde nicht strukturell entschlüsselt, auch wenn es ein klarer Ansatz ist, die Dolphins in der tieferen Mitte des Feldes zu limitieren.
Offene Receiver gab es in diesen Spielen trotzdem, Tua aber brachte den Ball nicht dorthin. Und manche Würfe wird Tua immer eher seltener nehmen als manche andere Quarterbacks, schlicht aufgrund des Armtalents. Aber häufiger sind es Pässe, bei denen ein Checkdown oder eine offene Option beim zweiten oder dritten Read da gewesen wäre.
Das heißt nicht, dass Tagovailoa dazu nicht in der Lage ist und dass er dahingehend immer limitiert sein wird. Aber für den Moment fällt es auf, insbesondere, weil Miamis Offense schon letztes Jahr stark von RPOs und simplen Reads gelebt hat, und man dementsprechend auch da von Tua nur selten gesehen hat, dass er nach dem Snap eine Defense seziert.
McDaniels Antworten gegen Buffalo
Umso spannender war für mich die Frage, welche Antworten die Dolphins finden würden - schematisch, aber eben auch, ob Tua diese Antworten umsetzen kann. Und bei Betrachtung der Dolphins-Offense am Samstag fiel mir etwas auf, das ich dann genauer charten wollte, mit einem eindeutigen Ergebnis:
Miami hatte gegen die Bills zwölf Runs, bei denen Tagovailoa Under Center stand und eine Jet Motion mit dem Run kombiniert wurde. Darunter war:
- Der 13-Yard-Run von Raheem Mostert gleich zu Beginn (14:52, erstes Viertel)
- Der 3-Yard-Run von Mostert bei Vierter-und-Eins (5:53, erstes Viertel)
- Der 67-Yard-Run von Mostert Ende des ersten Viertels (1:05, erstes Viertel)
- Der 10-Yard-Touchdown-Run von Salvon Ahmed (2:59, zweites Viertel)
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass rund vier Jahre, nachdem McVay mit Goff Wege finden musste, wie er seinen Under-Center-Plays und Play-Action-Shots bei Early Down ein Update verpassen konnte, Mike McDaniels Antwort auf die strukturellen Probleme der vergangenen Wochen unter anderem darin zu liegen scheint, dass er Tua häufiger Under Center stellt und daraus ins Run Game kommt.
Aber: Es ergibt Sinn! Miamis Offense lebt sehr davon, dass die tiefen Räume über die Mitte attackiert werden können. Mehr in Under-Center-Runs zu gehen, und dann das auch mit dem Play-Action-Passspiel zu kombinieren - am Samstag hatte zumindest ich nur einen Play-Action-Pass aus diesem Setup (Quarterback Under Center, Jet Motion) notiert, bei 5:29 auf der Uhr im dritten Viertel -, könnte es Defenses schwer machen, sich so aggressiv in diese Räume zurückfallen zu lassen, wie es San Francisco teilweise gemacht hat.
Dolphins: Mehr Zuversicht Richtung Playoffs?
Diese Herangehensweise bringt wieder andere potenzielle Probleme mit sich. Kann die Offensive Line etwa diese Herangehensweise aufrechterhalten? Die Vorstellung gegen Buffalo jedenfalls war in dieser Hinsicht überaus ermutigend.
Miamis Defense ist und bleibt ein Problem, welches in den Playoffs vermutlich eher eine Schwäche als eine Stärke sein wird. Das wiederum erhöht den Druck auf die eigene Offense, das Team zu tragen.
Obwohl Tua auch gegen die Bills kein gutes Spiel abgeliefert hat, gibt mir das, was ich in diesem Spiel gesehen habe, mehr Optimismus für die weiteren Aussichten dieser Saison. Weil dieses Spiel den Eindruck erweckte, dass die Dolphins auch mit weniger Produktivität in der Mid Range im Passspiel mithalten können.
Ob Tua und McDaniel dann auch den gleichen Karriere-Bogen haben werden wie einst Goff und McVay? Das steht natürlich noch in den Sternen. Was wir bisher gesehen haben, legt zumindest nahe, dass es an der Qualität des Head Coaches nicht scheitern soll.
2. Das Playoff-Rennen in der AFC: Wer zieht den Kürzeren?
Buffalo Bills (11-3)
Was sagt der Trend? Fünf Siege sind es mittlerweile für Buffalo, nach dem Erfolg gegen die Dolphins am Samstagabend. Dieser Sieg war gleichzeitig der dritte in aufeinanderfolgenden Spielen innerhalb der Division, Buffalo hat sein Playoff-Ticket damit in der Tasche. Auch wenn die Offense mitunter etwas wild agiert, und zu (?) sehr von Josh Allens Beinen abhängig ist, so ist der übergreifende Trend positiv. Kann die Defense ihr Championship-Kaliber auch ohne Von Miller zum Start der Playoffs finden?
Was ist die größte Problemzone? Die Offensive Line springt einen hier geradezu an. Die Verletzung von Von Miller ist unbestreitbar ein Dämpfer und macht den Pass-Rush ein wenig zahnloser, aber schlecht sind die Bills hier keineswegs aufgestellt. Buffalo hat einen Contender-Kader, auch ohne Von Miller - mit Ausnahme der Line, und das war auch in dieser Regular Season immer wieder ein auffälliges Problem, was es der Offense mitunter schwer macht, einen Floor zu entwickeln.
Prognose: Die Bills sind mit dem Sieg gegen Miami auf einem guten Kurs, die Division zu gewinnen. Das restliche Programm ist aber nicht ohne, mit insbesondere dem Bengals-Spiel als vielleicht kritischem Matchup, je nachdem, was in der AFC North noch passiert. Der Nummer-1-Seed ist weiterhin natürlich in Reichweite, aber dieses Gefühl der absoluten Dominanz, welches Buffalo über die ersten Wochen der Saison begleitet hat, ist nicht mehr da.
Restprogramm: Bears (A), Bengals (A), Patriots (H)
Kansas City Chiefs (11-3)
Was sagt der Trend? Gegen die Broncos vor zwei Wochen war etwas der Schlendrian drin, gegen Houston diese Woche erneut. Aber selbst die Niederlage gegen die Bengals lässt keine Alarmglocken was übergreifende strukturelle Probleme angeht angehen - individuelle Fehler kosteten die Chiefs dieses Spiel in erster Linie. Die Chiefs haben über die zweite Saisonhälfte untermauert, dass sie eines der gefährlichsten Teams in der NFL sind.
Was ist die größte Problemzone? Man kann über einzelne Positionen sprechen, die auch ein Grund für ein Playoff-Aus sein könnten. Die Tackle-Situation ist eine Sache, die ich weiterhin noch im Auge habe. Auch die Wide-Receiver-Qualität ist nicht auf dem Level anderer AFC-Contender, wie Buffalo oder Cincinnati. Und: Ich warte noch immer darauf, dass sich ein zweiter dominanter Pass-Rusher neben Chris Jones etabliert.
Prognose: Das Restprogramm ist überaus angenehm, gerade wenn man es mit den Bengals und Bills vergleicht - die unter anderem noch direkt gegeneinander spielen. Die Chiefs haben in dieser Regular Season gegen Buffalo und gegen Cincinnati verloren und haben trotzdem jetzt eine echte Chance, die Saison als Nummer-1-Seed zu beenden. Und dann ist natürlich auch ein weiterer Trip zum Super Bowl denkbar.
Restprogramm: Seahawks (H), Broncos (H), Raiders (A)
Cincinnati Bengals (10-4)
Was sagt der Trend? Die zweite Saisonhälfte der Bengals bis dato war durchaus eindrucksvoll. Dominante Siege gegen Carolina und Cleveland, die Titans geschlagen, die Chiefs geschlagen: Cincinnatis Formkurve in der zweiten Saisonhälfte zeigt klar nach oben, nicht nur was die Ergebnisse angeht, sondern eben auch was die gezeigten Leistungen angeht. Gegen Tampa Bay gab es aus Leistungsperspektive den ersten echten Dämpfer seit Wochen - doch eine irre Turnover-Show der Bucs hielt Cincinnati zumindest was den Record angeht auf Kurs.
Was ist die größte Problemzone? Ich bin gespannt, ob die Cornerback-Gruppe ohne Chidobe Awuzie doch noch ein größeres Thema wird als bislang, seit der Verletzung des Nummer-1-Cornerbacks. Nennen würde ich hier die, wenn auch im Vergleich zum Vorjahr unbestreitbar verbesserte, Offensive Line. Um das Pass-Blocking muss man immer noch eher herum arbeiten, als dass es eine echte Unterstützung wäre.
Prognose: Das Restprogramm lässt keinen Spielraum für Durchhänger. Die Bengals können die Division noch gewinnen, sie können im absoluten Best Case sogar um Nummer-1-Seed noch mitspielen. Vor allem relevant aber: Dieses Team ist gefestigt, komplett und gefährlich und sollte in den Playoffs für Furore sorgen können.
Restprogramm: Patriots (A), Bills (H), Ravens (H)
Tennessee Titans (7-7)
Was sagt der Trend? Dass die Titans froh sein dürfen, dass sie in ihrer Division bereits ein Polster angesammelt haben. Denn leistungstechnisch rutscht Tennessee ab auf das Niveau der Division: Die Auftritte gegen Philadelphia und Jacksonville waren irgendwo zwischen alarmierend und ernüchternd. Gegen die Chargers verkaufte man sich dann mal wieder sehr teuer, aber das wirkt wie ein Team, das sich der Ziellinie entgegenschleppt.
Was ist die größte Problemzone? Cornerback wäre hier denkbar, die Titans lassen viel zu viele Big Plays zu, sodass die physisch dominante Front mehr und mehr umgangen werden kann. Aber das Spiel gegen die Chargers rückte nochmals in den Fokus, wie desolat diese Offensive Line ist. Das ist für mich das erste Argument dafür, dass die Titans-Saison nicht weit gehen wird.
Prognose: Für die Division sollte es im Endeffekt reichen, auch wenn ein "Endspiel" gegen die Jaguars in Woche 18 noch nicht ausgeschlossen ist - und man kann einen klaren Case dafür machen, dass Jacksonville aktuell das entschieden gefährlichere Team ist. Die Titans haben unter Vrabel immer wieder überrascht, auch wenn es gegen bessere Gegner ging. Aber ich denke, dass auch Vrabel mit diesem Kader in der Postseason schnell an Grenzen stoßen wird.
Restprogramm: Texans (H), Cowboys (H), Jaguars (A)
Baltimore Ravens (9-5)
Was sagt der Trend? Bei den Ravens sagte der Trend vor der Pleite gegen Cleveland am Samstag vor allem, dass Baltimore Spiele hässlich gewinnen kann. 13:3 gegen die Panthers, 10:9 gegen Denver, 16:14 gegen Pittsburgh - Schönheitspreise gewinnt man damit nicht, aber Defense ist mittlerweile auf einem Level, das auch solche Siege erlaubt. Der letzte rundum überzeugende Auftritt der Offense dagegen ist schon eine Weile her, und das Spiel gegen die Browns unterstrich, wie schwach die Passing-Offense in jeder Hinsicht ist, und wie sehr sie von Lamar Jackson abhängig ist.
Was ist die größte Problemzone? Neben den mal wieder omnipräsenten Verletzungen muss man hier die Receiver, auch stellvertretend für das Passing Game insgesamt, nennen. Das zieht sich mal wieder durch eine Ravens-Saison, Baltimore hat nicht genügend Antworten in seinem Passspiel, und spätestens seit der Verletzung von Rashod Bateman auch nicht mehr die individuelle Qualität, abgesehen von Mark Andrews. Das macht die Ravens sehr (zu?) abhängig vom Run Game.
Prognose: Baltimore hat das erste Spiel gegen die Bengals gewonnen und könnte in Woche 18 den Sweep perfekt machen - vielleicht braucht es diesen Sieg am Ende auch, um die Division zu gewinnen, auch wenn Baltimore bis dahin das leichtere Programm hat. Was einen Playoff-Run angeht, bin ich bei den Ravens mittlerweile viel skeptischer als noch vor einigen Wochen. Und das, obwohl die Defense sehr gut spielt. Aber das ist einfach zu wenig im Passspiel.
Restprogramm: Falcons (H), Steelers (H), Bengals (A)
Los Angeles Chargers (8-6)
Was sagt der Trend? Ein weiterer Highlight-Wurf von Justin Herbert in Crunchtime bewahrte die Chargers vor der Overtime gegen die Titans, und damit hat L.A. jetzt drei der letzten vier Spiele gewonnen und sich in die Pole Position für ein Wildcard-Ticket gebracht. Die Offense spielt merklich besser, seit Williams und Allen zurück sind - aber auch die Defense präsentierte sich zuletzt verbessert. Der Trend sieht sehr nach Postseason-Football aus.
Was ist die größte Problemzone? Offensives Play-Calling und der Mangel an Speed in der Offense sind zwei größere Probleme, die Offensive Line aber ist ein mindestens genauso großes Problem. Die Kombination dieser Dinge führt dazu, dass Justin Herbert die Offense zu häufig tragen muss - was zuletzt immerhin machbarer war, mit Mike Williams und Keenan Allen gemeinsam auf dem Platz. Ich will die Defense sehen, wenn sie endlich mal Bosa und Khalil Mack zusammen auf dem Platz hat, das sollte den Chargers auf der Seite des Balls mehr Stabilität geben.
Prognose: Das Restprogramm ist mehr als machbar, die Chargers werden gesünder. Bosa könnte zurückkommen, selbst Rashawn Slater soll noch eine kleine Chance auf ein Comeback haben. Ich sehe L.A. in der Postseason, vielleicht sogar auf dem fünften oder sechsten Seed, und dann sind sie ein Team, das mit einem guten defensiven Game Plan und einem Top-Quarterback auch als Außenseiter in den Playoffs gewinnen kann.
Restprogramm: Colts (A), Rams (H), Broncos (A)
Miami Dolphins (8-6)
Was sagt der Trend? Ein wenig alarmierend ist der Trend in Miami. Nicht unbedingt weil es jetzt ein paar Niederlagen gegen einige Schwergewichte gesetzt hat, sondern aufgrund der Art und Weise, wie diese Niederlagen zustande kamen. Dass Defenses eben doch einen Zugriff auf die explosive Dolphins-Offense gefunden haben, welcher einen Plan B erfordert. Und es bleibt jetzt abzuwarten, ob die Dolphins diesen finden und umsetzen können.
Was ist die größte Problemzone? Hier wird deutlich, dass Miami doch noch eine Stufe von den Contendern entfernt ist - denn man könnte hier für mehrere Mannschaftsteile mit Nachdruck argumentieren. Die Offensive Line ist noch immer überaus anfällig, die Secondary ist ein Problem. Und der Quarterback? Kann Tua mehr sein als ein Game Manager, der in einer gut designten Offense "funktioniert"?
Prognose: Nach der Niederlage gegen die Bills haben die Dolphins jetzt drei Spiele in Folge verloren, zwei davon innerhalb der AFC. Miami hat sein Schicksal weiterhin selbst in der Hand, Siege gegen die Patriots und Jets garantieren ein Playoff-Ticket. Aber die Dolphins müssen aufpassen, dass sie nicht noch abgefangen werden. Mit ihrer Explosivität können die Dolphins auch in den Playoffs ein Spiel auf den Kopf stellen, in dieser Rolle sehe ich sie aber auch in erster Linie.
Restprogramm: Packers (H), Patriots (A), Jets (H)
New England Patriots (7-7)
Was sagt der Trend? Drei Pleiten in den letzten vier Spielen, mit diesem unfassbaren Debakel gegen die Raiders als absoluter Kirsche auf der Torte. Die Patriots haben eine wirklich starke Defense, aber die Offense wirkt weitestgehend nicht kompetitiv - zumindest nicht, wenn wir über Playoff-Anwärter sprechen.
Was ist die größte Problemzone? Die Passing-Offense. Und ich will es bewusst gar nicht an einer Personalie festmachen, weil hier mehrere Dinge "zusammenarbeiten", wenn man so will. Das offensive Design, das mehr und mehr einem wöchentlichen Screen-Fest gleicht, die Achterbahn einer Saison von Mac Jones, die inkonstanten Waffen, eine anfällige Offensive Line. Die Defense ist gut, sehr gut sogar. Aber wird sie reichen, um das Team zu tragen?
Prognose: Das Restprogramm könnte kaum brutaler sein. Drei starke Gegner, zwei AFC-Titelanwärter, und alle drei sind AFC-Teams, das heißt, mögliche Niederlagen belasten den Conference-Record, ein potenzieller Tie-Breaker. New Englands Defense ist fantastisch, aber der Offense traue ich schlicht nicht. Ich denke, dass die Patriots die Playoffs verpassen werden.
Restprogramm: Bengals (H), Dolphins (H), Bills (A)
New York Jets (7-7)
Was sagt der Trend? Nach dem Quarterback-Tausch hin zu Mike White war der Trend durchaus positiv. Und das lag fraglos auch daran, dass es gegen die Bears und die Vikings ging, zwei der schwächsten Defenses in der NFL aktuell. Dennoch ist es positiv zu sehen, dass die Jets mit Mike White den Ball offensiv bewegen und die Playmaker in Szene setzen können - in Kombination mit einer Top-5-Defense ist das eine gute Formel, um zumindest in jedem Matchup maximal unangenehm zu sein.
Was ist die größte Problemzone? Es ist für mich die Quarterback-Situation, als Ganzes betrachtet. Zach Wilson spielte gegen die Lions und war einigermaßen solide, inklusive eines absoluten Big Plays ganz am Ende, welches die Chance auf das Field Goal zum Ausgleich ermöglichte - hält man jetzt an Wilson fest? Bencht man ihn wieder, falls White fit ist? Was macht das mit dem Locker Room, und inwieweit kann Robert Saleh jetzt Rücksicht auf die mittel- und langfristige Perspektive mit Wilson nehmen, wenn es gleichzeitig um ein Playoff-Ticket geht?
Prognose: Ich denke, dass die Offense letztlich doch noch ein klares Limit hat, und dass dieses Limit maßgeblich dazu beitragen wird, dass die Jets nicht noch auf den siebten Seed klettern. Und dann steht eine sehr interessante Offseason in New York an, in der man sich sehr ehrlich die Quarterback-Frage stellen muss.
Restprogramm: Jaguars (H), Seahawks (A), Dolphins (A)
3. Das Playoff-Rennen in der NFC: Eine Chance für Detroit
Philadelphia Eagles (13-1)
Was sagt der Trend? Der Trend sagt zuallererst einmal, dass die Eagles bereits in der Vorwoche als erstes Team ligaweit ihr Playoff-Ticket buchen konnten. Für Philadelphia geht es einzig und allein noch um den Nummer-1-Seed - und auch der könnte zeitnah in trockenen Tüchern sein. Das Spiel gegen die Dallas Cowboys in der kommenden Woche ist nicht nur eine sehr gute Standortbestimmung vor der Postseason, sondern könnte Philly auch den vorzeitigen Nummer-1-Seed bescheren.
Was ist die größte Problemzone? Gar nicht so einfach, beim komplettesten Kader in der NFL eine klare Schwachstelle zu benennen. Vor ein paar Wochen noch wäre die Run-Defense hier der offensichtliche Ansatz gewesen, aber auch hier haben sich die Eagles, auch dank einiger Verstärkungen, stabilisiert. Run-Defense wäre immer noch am ehesten mein Ansatz, und sollte es eine Defense geben, die es schafft, Philadelphia offensiv nicht nur eindimensional zu machen, sondern Hurts zusätzlich noch unter Druck zu setzen, will ich sehen, welche Antworten sie im Passspiel finden.
Prognose: Die Eagles sind das kompletteste Team in der NFL, kein Quarterback in der NFC spielt derzeit besser als Jalen Hurts. Philly ist der klare Favorit auf den Nummer-1-Seed und die kostbare Bye, und muss dementsprechend auch als Favorit angesehen werden, um die NFC im Super Bowl zu vertreten.
Restprogramm: Cowboys (A), Saints (H), Giants (H)
Minnesota Vikings (11-3)
Was sagt der Trend? Der komplett verrückte Sieg gegen die Colts rundet einen sehr abwechslungsreichen 5-Spiele-Stretch stilecht ab: Das Debakel gegen die Cowboys, das beste NFC-Team auf Minnesotas Schedule in der zweiten Saisonhälfte, Siege gegen die Patriots und Jets, zwei sehr gute Defenses, aber auch limitierte Offenses, und die Pleite gegen die Lions. Minnesota hat sehr viele One-Score-Games in dieser Saison gewonnen - zehn, um genau zu sein -, der Record trügt fraglos ein wenig, das dürfte kaum noch jemand bestreiten. Und gleichzeitig wissen wir, was für ein Team die Vikings sind: Die Offense kann jedes Spiel interessant machen, die Defense aber jedes mühsam aufgebaute Haus wieder einreißen.
Was ist die größte Problemzone? Diese Frage ist bei vermutlich keinem Team so einfach zu beantworten: die Defense. Nachdem Minnesota sich hier früher in der Saison noch einigermaßen solide geschlagen hat, sind die Vikings seit Woche 10 nach defensiver Success Rate und nach zugelassenen EPA pro Play im unteren Liga-Drittel zuhause. Die Defense wirkt sehr eindimensional, sehr rudimentär in ihren Coverages und die Zone-Off-Coverage wird mittlerweile regelmäßig zerpflückt. Die Vikings bräuchten keine Elite-Defense, damit man Minnesota mehr Chancen einräumen würde - aber diese Unit muss zu sehr von der eigenen Offense getragen werden.
Prognose: Das Playoff-Ticket war schon seit Wochen nicht der Diskussionspunkt rund um die Vikings, dafür war auch die Division zu schwach und Minnesotas Vorsprung wuchs und wuchs. Die gerne gestellte Frage lautete eher: "Sind die Vikings gut?" Und vermutlich sind sie das, zumindest können sie mit ihrer Offense kompetitiv sein. Aber selbst die ist zu inkonstant, um darauf zu bauen, dass sie diese Defense mitschleppen kann. Je nach Matchup würde mich eine Niederlage gleich in der ersten Runde nicht wundern. Spätestens in Runde 2 tippe ich auf das Aus.
Restprogramm: Giants (H), Packers (A), Bears (A)
San Francisco 49ers (10-4)
Was sagt der Trend? Der Sieg gegen die Seahawks hat San Francisco nicht nur den Division-Sieg beschert - es war auch der siebte Niners-Sieg in Serie. San Francisco hat über die letzten Wochen untermauert, dass die beste Defense in der NFL in der Bay Area residiert, und das trägt zum immens hohen Floor bei, den die Niners haben - bis zu dem Punkt, dass wohl kein Team eine derart hohe offensive Schlagzahl beibehalten kann, wenn auch der zweite Quarterback verletzt ausfällt. Ein Elite-Play-Caller, ein gutes Run Game, jede Menge Playmaker, ein starker Pass-Rush und eine Elite-Defense sind eine Formel, die San Francisco auch dieses Jahr weit bringen werden und die letzten Wochen haben das untermauert.
Was ist die größte Problemzone? "Problemzone" ist von der Begrifflichkeit her nicht wirklich gerecht, wenn man sieht, was Brock Purdy gezeigt hat, seit er für Jimmy Garoppolo übernommen hat. Aber in einem sehr kompletten Kader ist er die offensichtlichste, zumindest potenzielle, Schwachstelle. Fällt er irgendwann von der sprichwörtlichen Klippe? Gibt es das Siebtrunden-Rookie-Meltdown-Spiel zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt? Bei Purdy kann man diese Dinge einfach weniger ausschließen, dafür ist jegliche Sample Size viel zu klein.
Prognose: Die Niners haben eindrucksvoll gezeigt, wie stark dieses Team ist - selbst mit dem dritten Quarterback rollt die Maschinerie weiter. Das Spiel gegen Miami war vor allem, aber nicht nur defensiv eindrucksvoll. Gleiches gilt für den Auftritt gegen die Bucs. San Francisco sollte am Wildcard-Wochenende Favorit sein, und danach wird es eine Matchup-Frage sein. Aber dieses Team kann auch den Eagles zumindest einen Kampf liefern.
Restprogramm: Commanders (H), Raiders (A), Cardinals (H)
Tampa Bay Buccaneers (6-8)
Was sagt der Trend? Ganze zwei Mal haben die Buccaneers in dieser Saison zwei Mal nacheinander ein Spiel gewonnen: Gegen die Cowboys und die Saints in Woche 1 und 2, sowie gegen die Rams und Seahawks in den Wochen 9 und 10. Das Spiel gegen Seattle in München war vermutlich der beste Auftritt der Bucs vielleicht das ganze Jahr über, und die Art und Weise, wie sich die Seahawks-Defense mittlerweile präsentiert, wirft zumindest auf Tampa Bays Offense hier ebenfalls ein anders Licht im Rückblick. Gegen die Bengals präsentierten sich die Bucs für eine Halbzeit wie ausgewechselt - und standen sich dann einmal mehr eindrucksvoll selbst im Weg.
Was ist die größte Problemzone? Man könnte hier in viele Richtungen gehen, für mich ist es die Kombination aus offensivem Play-Calling und der Offensive Line. Die Bucs-Offense ist eine der unkreativsten Offenses in der NFL und verlangt nach wie vor, dass die Spieler mit größerer individueller Qualität gewinnen. Doch haben die Bucs die individuelle Qualität auf beiden Seiten des Balls nicht mehr wie in vergangenen Jahren, und insbesondere die Probleme in der Offensive Line multiplizieren die Defizite im Coaching.
Prognose: Wenn zwei Probleme sich so gegenseitig hochschaukeln wie in der Bucs-Offense, dann ist es schwer, sich vorzustellen, dass das Team im Laufe einer Saison daraus ausbrechen kann. Das erwarte ich hier auch nicht, und die Defense hat selbst zu viel Qualität verloren, um das aufzufangen. Mittlerweile würde es mich nicht einmal mehr wundern, wenn die Bucs sogar die eigene Division noch verlieren würden. Zumindest das haben sie mit noch direkten Duellen gegen Carolina und Atlanta aber maßgeblich selbst in der Hand und sollten dann trotz allem ein Playoff-Heimspiel ausrichten.
Restprogramm: Cardinals (A), Panthers (H), Falcons (A)
Dallas Cowboys (10-4)
Was sagt der Trend? Ich bin gewillt, das Spiel gegen die Texans als Ausrutscher zu verbuchen. Das wirkte wie ein Spiel, in welchem die Cowboys in der ersten Hälfte einige unnötige Fehler machten, und selbst danach noch, vielleicht angesichts des Gegners, zu wenig aufs Gaspedal traten. Dennoch bleibt ein etwas unrundes Gefühl zurück: Die Cowboys sind defensiv nach wie vor gefährlich, aber die Passing-Offense ist anfällig für Durchhänger. Der Verlust von Right Tackle Terence Steele macht das nicht leichter, und teilweise war das auch gegen Jacksonville zu beobachten.
Was ist die größte Problemzone? Dallas hat eine Top-5-Defense, und selbst die Anfälligkeiten gegen den Run sind weniger geworden. Aber haben sie auch eine High-End-Passing-Offense? Haben sie genügend Receiver-Qualität dafür? Ist Prescott konstant genug dafür? Es ist Klagen auf hohem Niveau, wir reden hier über ein Team, das vermutlich den mit Abstand besten Wildcard-Record haben wird. Aber ich könnte hier am Ende ein Defizit sehen, welches den Cowboys in der Postseason Probleme bereitet.
Prognose: Die Cowboys sind für mich das Paradeteam in der NFC, das zur richtigen Zeit heiß laufen könnte - was sie aber auch zu einer Wildcard in beide Richtungen macht. Wenn Dak Prescott und die Passing-Offense ähnlich wie Stafford und die Rams letztes Jahr in den Playoffs ihren besten Football spielen, können die Cowboys absolut einen Run hinlegen. Ich habe einige Zweifel daran, dass wir diese Konstanz von der Cowboys-Offense bekommen, aber mindestens ein Sieg in den Playoffs - mutmaßlich gegen den Sieger der NFC South - sollte Pflicht sein.
Restprogramm: Eagles (H), Titans (A), Commanders (A)
New York Giants (8-5-1)
Was sagt der Trend? Von allen Teams auf dieser Liste zeigte vor diesem Spieltag bei keinem der Pfeil so stark nach unten wie bei den Giants. Nur ein Sieg in den vorherigen sieben Spielen, bis dann der Erfolg in Washington folgte. Gegen die NFC-Konkurrenz aus Seattle und Detroit, sowie innerhalb der eigenen Division verlor man in diesem Zeitraum, abgesehen von einem Unentschieden gegen Washington, durch die Bank weg. Der Sieg gegen die Commanders am Sonntagabend könnte sich jetzt als kleiner Wendepunkt herausstellen.
Was ist die größte Problemzone? Die individuelle Qualität im Kader insgesamt - was zu erwarten ist, wenn man einen Neustart angeht. Auf den Receiver-Positionen ist das, nach mehreren Verletzungen noch im Laufe der Saison, vielleicht am schmerzhaftesten deutlich. Es limitiert die Giants merklich und trägt dazu bei, dass der Spielraum für Fehler minimal ist.
Prognose: Die Giants waren ein klarer "Overachiever" in der ersten Saisonhälfte, was auch ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass New York mit Brian Daboll als neuem Head Coach eine gute Wahl getroffen hat. Besagter Sieg im Sunday Night Game bringt die Giants nun in Position für einen überraschenden Sprung in die Playoffs, zumal die Eagles in Woche 18 schon den Top-Seed innehaben und Spieler schonen dürften. Noch ein Sieg aus den letzten drei Spielen könnte reichen, allerdings mit dem Zusatz, dass die Giants sowohl gegen die Seahawks, als auch gegen Detroit den direkten Vergleich verloren haben. Das Unentschieden könnte hier am Ende viel wert sein, die Chance auf die Playoffs ist jetzt sehr real in New York!
Restprogramm: Vikings (A), Colts (H), Eagles (A)
Washington Commanders (7-6-1)
Was sagt der Trend? Nur eine Niederlage in den letzten acht Spielen (ein Remis, sieben Siege) vor diesem Spieltag - man konnte über die Art und Weise, wie manche dieser Siege zustande gekommen sind, diskutieren, aber die reinen Ergebnisse schienen für ein Team zu sprechen, dass im Laufe der Saison die Kurve gekriegt hat und jetzt brandheiß auf Playoff-Kurs liegt. Dass das nur bedingt der Realität entspricht, zeigte die Niederlage gegen die Giants am Sonntagabend. Die Commanders haben beim Sieg gegen Philadelphia gezeigt, dass sie auch ein Stolperstein für Favoriten sein können - aber die Niederlage gegen New York untermauert, auf welch wackligen Füßen das Team insgesamt steht.
Was ist die größte Problemzone? Quarterback. Und ja, ich weiß, Taylor Heinicke ist ein sehr unterhaltsamer Spieler, der offensichtlich im Locker Room gut ankommt und der keine Angst davor hat, aggressiv zu spielen. Das gibt seinem Spiel eine gewisse Variance, doch das Problem damit ist, dass er zu häufig nicht registriert, wann er nicht aggressiv spielen sollte - oder kann. Für ein Team mit relativ wenig Spielraum für Fehler könnte das für ein schnelles Aus in der Postseason sorgen.
Prognose: Nach der Niederlage die Giants wird der Weg Richtung Playoffs wieder schwieriger, jetzt darf man sich keine Patzer mehr leisten. Doch wenn sie es in die Playoffs schaffen, stellt sich vor allem eine Frage: Bekommen sie in der Wildcard Round ein Matchup, das sie mit ihrer dominanten Defensive Line in ihre Richtung kippen lassen können? Meine Vermutung war vor diesem Spieltag, dass der Verlierer des Commanders-Giants-Spiel die Playoffs verpasst, und das ist jetzt auch meine Prognose für Washington.
Restprogramm: 49ers (A), Browns (H), Cowboys (H)
Seattle Seahawks (7-7)
Was sagt der Trend? Ähnlich wie bei den Giants, sieht man auch in Seattle zunehmend die Risse im Fundament. Nicht so drastisch wie bei den G-Men, und in anderen Mannschaftsteilen - aber das ist ein Seahawks-Team, das die meisten vor der Saison für einen Top-5-Draft-Pick auf dem Zettel hatten, und auch wenn die Seahawks, und in erster Linie Geno Smith, sehr positiv überrascht haben: Damit sind nicht alle Bedenken plötzlich vom Tisch. Die Niederlagen gegen die Panthers und Raiders, sowie der Last-Minute-Sieg gegen die Rams haben das deutlich aufgezeigt.
Was ist die größte Problemzone? Die Defense, und in erster Linie die Run-Defense. Etwa zur Saison-Mitte schien es so, als hätte Seattle hier zumindest die gröbsten Probleme in den Griff bekommen - doch seither ging es rapide bergab. Das bringt die Offense mittlerweile zu häufig in Situationen, in denen sie Shootouts gewinnen muss, da auch das eigene Run Game nicht wirklich funktioniert.
Prognose: Das Restprogramm hat es in sich, und Seattle wird vermutlich mindestens neun Siege brauchen, um sich die finale Wildcard zu sichern. Das traue ich den Seahawks weiterhin zu, allzu viel darüber hinaus allerdings nicht mehr.
Restprogramm: Chiefs (A), Jets (H), Rams (H)
Detroit Lions (7-7)
Was sagt der Trend? Der Sieg gegen Minnesota hat untermauert, dass die Lions auf Augenhöhe mit dem zweiten NFC-Tier agieren können - die deutlichen Siege gegen die Giants und die Jaguars haben gezeigt, dass Detroit sich eben nicht mehr in deren Tiers bewegt. Das Spiel gegen die Jets war ein Messen auf Augenhöhe, das ist das Tier, in dem die Lions richtig aufgehoben sind. Und das ist das Tier der Teams, die eine echte Chance auf die Postseason haben. Eine Gruppe, in welcher Detroit aktuell besser spielt als der Großteil der Konkurrenz.
Was ist die größte Problemzone? Jared Goff - ich hatte letzte Woche ausführlicher darüber geschrieben - ist immer noch ein Quarterback, der bestenfalls in guten Umständen funktioniert, und von dem man keine Wunderdinge erwarten kann. Aber die Umstände sind aktuell sehr gut, und Goff funktioniert! Die größte Problemzone ist weiterhin die Defense, auch wenn sich die Lions hier definitiv gesteigert haben. Doch wie viele Shootout-Siege trauen wir Detroit in der Postseason zu?
Prognose: Das Restprogramm ist definitiv angenehmer als das der Seahawks und das der Giants. Vielleicht läuft Detroit am Ende die Zeit davon, nachdem man in der ersten Saisonhälfte schlicht zu viele Spiele verloren hat. Aber ich würde argumentieren, dass aktuell keiner der NFC-Wildcard-Konkurrenten besser spielt - und mit dem Sieg gegen die Jets haben sich die Lions in eine sehr gute Situation gebracht, um noch ein Playoff-Ticket zu ergattern. Ich tippe, dass Dan Campbell es in die Postseason schafft.
Restprogramm: Panthers (A), Bears (H), Packers (A)
4. Die Jaguars schlagen Dallas: Die Richtung passt
Dass ich bei den Jaguars - und spezifisch bei Trevor Lawrence - etwas positiver bin als der Konsens, dürfte dem geneigten Leser an diesem Punkt bekannt sein. Erst letzte Woche hatte ich Lawrence in der Top 10 meines Quarterback-Rankings - und dort gehört er für mich auch nach wie vor hin.
Lawrence hat im Laufe der Saison einen Schalter umgelegt, nach einer gewissen Anlaufphase unter Doug Pederson hat man merkliche Fortschritte gesehen. Er schleppt in der öffentlichen Wahrnehmung die Bürde des riesigen Pre-Draft-Hypes - für den er selbst so gesehen natürlich nichts kann - mit sich herum, sodass man Analysen schon fast mit einem Zusatz versehen muss: "Auch wenn er dem Pre-Draft-Hype fast nie gerecht werden wird ..."
Mittlerweile weiß ich gar nicht, ob ich diesen Zusatz noch so automatisch einbauen will. Und sicher, manche haben ihm derartige Vorschusslorbeeren verpasst, dass es wirklich kaum möglich ist, dem gerecht zu werden. Ich hatte in ihm auch das beste Quarterback-Prospect mindestens der letzten fünf Jahre gesehen, mit aber auch einigen klar definierbaren Schwächen.
In dem, was dann seit seiner Ankunft in der NFL passierte, steckt eine glasklare Lektion, die man wohl kaum noch aufdröseln muss: Der Effekt einer Situation, in welche ein Quarterback kommt.
Quarterbacks: Der Landing-Spot ist so wichtig
Wir können grundsätzlich davon ausgehen, dass ein Quarterback wie Patrick Mahomes oder Lamar Jackson oder auch Josh Allen früher oder später in die Quarterback-Spitzengruppe gestürmt wäre. Aber wie schnell das geht? In welchem Ausmaß dieser Sprung kommt? Wie nachhaltig die Entwicklung ist? Und im extremeren Fall, ob eine solche Entwicklung vielleicht sogar so torpediert wird, dass es beim ursprünglichen Team nie klappt?
Das sind legitime Fragen, die vor allem im Hinterkopf bleiben sollten, wenn der nächste Draft ansteht und wenn es dann um die Quarterback-Klasse geht. Gut möglich, dass die Houston Texans Bryce Young draften, und gut möglich, dass Young der beste Quarterback der Klasse ist. Aber sehen wir das auch in Jahr 1? In Jahr 2? Wie lange dauert es, bis Houston ein kompetentes Team und einen kompetenten Trainerstab um ihn herum aufbaut?
Die Urban-Meyer-Jaguars waren so weit davon entfernt, diese Ziele zu erreichen, dass nicht wenige bereit waren, Lawrence nach dessen Rookie-Saison schon mit einem vorsichtigen Bust-Label zu versehen. Es wurde darüber diskutiert, ob Mac Jones der beste Quarterback der Klasse ist, ob Davis Mills die positive Überraschung der Klasse werden kann und der Trey-Lance-Breakout antizipiert.
Jaguars auf Augenhöhe mit den Cowboys
Wir alle kennen diese Hot-Take-Debatten, und gerade im Sommer muss man ja auch über etwas reden und diskutieren. Diese Diskussionen sehen jetzt sehr anders aus.
Dabei ist Lawrence noch nicht in der Quarterback-Spitze angekommen. Zwei kritische Fehler hatte er unbestreitbar am Sonntag: Der Fumble beim Scramble ganz spät, sowie die Interception früher im Spiel, als er Engram über die Mitte offen hatte und stattdessen die Route dahinter in Coverage anspielte.
Es war ein kompetitives Spiel, und das von beiden Seiten, was umso stärker herausstellt, wo die Jaguars aktuell stehen: Ein Team, das in der oberen Gewichtsklasse mithalten kann - und das nicht durch Zufall, nicht durch einzelne fluky Plays, sondern mit Substanz, mit einer klaren Perspektive. Dass sie es am Ende per Walkoff-Pick-Six gewinnen konnten, ist die Kirsche auf der Torte.
Das war der zentrale Takeaway aus diesem Spiel. Zu sehen, wie Jacksonvilles junge Defensive Front immer wieder Plays machen konnte. Einer dieser Sacks bereitete eine schwierige Down-and-Distance-Situation vor, und beim nächsten Play warf Prescott eine Interception. Zu sehen, welche Explosivität Travis Etienne der Offense geben kann - wenn er endlich die Fumbles abstellt.
Und eben zu sehen, was Lawrence kann, auch wenn die beiden negativen Plays noch Fehler sind, die er fraglos abstellen muss.
Jacksonville: Die Richtung ist sehr vielversprechend
Aber das beschreibt die Jaguars sehr gut. Es ist ein junges Team, das sich unter einem neuen Trainerstab noch findet, das individuell, wie auch als Team noch wachsen muss, und das selbstredend auch noch mehrere merkliche Lücken in seinem Kader hat. Der Nummer-1-Receiver etwa fehlt merklich, und ich bin sehr gespannt darauf, ob Calvin Ridley diese Rolle nächstes Jahr übernehmen kann.
Allerdings, und das ist besonders ermutigend: Es ist die Mischung aus Doug Pedersons Offense und den Qualitäten von Trevor Lawrence, die Jacksonville nach vorne befördern; und das ist letztlich der nachhaltigste Weg, um etwas aufzubauen. Und das war es auch, was Jacksonville nach einem sehr holprigen Start am Sonntag in das Spiel zurückbrachte.
Die Wheel Route zu Kirk für 30 Yards, der Play-Action-Shot auf Zay Jones zum Touchdown, der Touchdown zu Marvin Jones, der Drive zum Ausgleich - und eines seiner absoluten Top-Plays in diesem Spiel steht nur als schnöde Incompletion im Boxscore, weil Evan Engram den Touchdown nicht festhalten konnte, nachdem Lawrence spektakulär aus der Pocket entkommen war.
Das ist eine seiner besten Qualitäten generell: Die Fähigkeit, sich trotz seiner Größe sehr effizient in der Pocket zu bewegen und den Ball mit schnellem Release raus zu feuern. Auch das war gegen Dallas regelmäßig zu beobachten. Die Jaguars sind auf einem guten Weg und vielleicht endet der schon dieses Jahr mit einem Division-Titel. Vor allem aber wirken sie auf mich wie das klar am besten für die Zukunft aufgestellte Team in der AFC South.
5. Gibt es noch Hoffnung für Zach Wilson?
Nach den Leistungen von Mike White war ich mir zunehmend sicher, dass wir Zach Wilson in dieser Saison nicht mehr sehen würden. White spielte gut, die Jets waren - und sind - im Playoff-Rennen und es gab schlicht kein Argument, Wilson wieder rein zu werfen.
Aber manchmal läuft es eben anders als geplant, und Verletzungen können immer Pläne über den Haufen werfen, sodass Wilson deutlich früher als gedacht seine - vielleicht letzte? - Chance in New York erhielt.
Diese Chance kam in einem durchaus machbaren Matchup. Wir sprechen hier immerhin über eine Lions-Defense, die zwar zuletzt verbessert war, aber selbst wenn man nur auf die Zeit seit Woche 9 schaut, belegt Detroits Defense Platz 22 in Success Rate gegen den Pass, Platz 15 in Expected Points Added pro Dropback.
Und nicht, dass das hier aus anderer Perspektive falsch rüberkommt, aus Lions-Perspektive ist das ein Quantensprung verglichen mit der Frühphase dieser Saison. Insbesondere der Pass-Rush ist merklich verbessert. Aber es ist keine Pass-Defense, die in irgendeiner Art und Weise als Ausrede oder Rechtfertigung herhalten kann.
Das gilt umso mehr, wenn die Zeit der Ausreden vorbei ist. Zu klar war sichtbar, dass die Offense mit White besser lief, und dass mitnichten ein Leistungsunterschied zwischen White und dem ehemaligen Nummer-2-Overall-Pick zu beobachten war, der Vorschusslorbeeren für letzteren rechtfertigen würde.
Quarterback | EPA/Play Offense | Success Rate | EPA/Play QB |
Zach Wilson (Week 4-11) | -0,049 (25) | 39,5% (28) | -0,88 (35) |
Mike White (Week 12-14) | -0,013 (21) | 42,5% (19) | 0,104 (15) |
In Klammern ist das Ranking im Liga-Vergleich gelistet
Wie schlug sich Zach Wilson gegen die Lions?
Was also blieb von Wilsons Comeback-Auftritt gegen Detroit?
- Die Accuracy ist nach wie vor Hit-or-Miss. Wilson hat zu viele Würfe, bei denen er sein Target schlicht komplett verfehlt.
- Sein Pocket-Verhalten ist nicht gut. Kassierte mehrere Sacks, die auf schlechtes Pocket-Verhalten zurückzuführen sind.
- Das geht über in einen größeren Punkt: Wilson wirkt immer noch so, als würde er zu häufig an seinem primären Read festkleben - und dann mitunter auch darauf "warten", bis der offen ist, was in der Pocket selten gut ist. Seine Pocket-Awareness sowie sein Pocket-Management müssen viel besser werden.
- Das gilt auch für seine Reads. Die Interception war desaströs, Wilson achtete hier nur auf seinen Receiver und las weder die Defense, noch den Safety - und warf den Ball in der Folge direkt zum Safety.
- Wenn er den ersten Read aber hat, dann kann er auch schnell spielen und den Ball mit Zip über die Mitte servieren. Da hatte er mehrere gute Pässe, genau wie einige Plays Downfield, wie den Pass zu Wilson vor dem ersten Touchdown zu Uzomah.
- Die Total Stats zeichnen in meinen Augen ein zu positives Bild. Beim ersten Drive warf er eine Slant so weit in den Rücken seines Receivers, dass Jeff Okudah, der den Receiver verfolgte, noch dran kam. Der Shot zu Jeff Smith für 50 Yards, der das Field Goal vor der Halbzeit ermöglichte, war ziemlich unterworfen, obwohl Wilson eine saubere Pocket hatte. Das hätte auch ein Touchdown sein können.
- Sein bester Wurf war auch sein letzter Wurf: Der tiefe Pass, der die Chance auf das Field Goal zum Ausgleich erst am Leben erhielt, war ein Play außerhalb der Struktur, bei dem man seine Qualitäten in puncto Improvisation sehen konnte.
Die Jets, auch mit dieser Niederlage, wären mit noch drei Siegen in den ausstehenden drei Spielen höchstwahrscheinlich ein Playoff-Team - sofern die Patriots nicht auch alle drei Partien gewinnen. Welchem Quarterback vertrauen sie diese Aufgabe an?
Wilson war am Sonntag besser als in den Spielen vor seiner Degradierung, gleichzeitig kann man durchaus fair argumentieren, dass die Jets das Spiel mit Mike White vermutlich gewonnen hätten.
Wilson: In mehrfacher Hinsicht Nachholbedarf
Der andere Part in all diesen Diskussionen - nicht nur spezifisch bei den Jets, sondern bei Quarterback-Debatten bei jedem anderen Team - ist das empfindliche Thema der Locker-Room-Dynamik. Und auch hier ist die Position des Quarterbacks besonders exponiert.
Einige Mitspieler trugen "Mike White"-Shirts auf dem Weg zum Spiel nach Minnesota - White selbst trug eines mit Fotos von Tight End Tyler Conklin. White spielte gut gegen die Vikings, auch wenn es am Ende nicht zum Sieg reichte, stellte sich Receiver Garrett Wilson demonstrativ hinter seinen Quarterback: "Der Moment war nie zu groß für ihn. Das war cool zu sehen. Ich weiß, dass ich für den Jungen in den Krieg ziehen würde. Er hat etwas Besonderes an sich."
Ich will nicht sagen, dass es solche Aussagen braucht, aber im Kontext der Situation der Jets, und im Kontrast zu der Art und Weise, wie die Receiver mitunter während der offensiven Durstrecke unter Zach Wilson in Interviews oder auf Social Media reagiert haben, fällt es unweigerlich sehr deutlich auf.
Der Quarterback ist eben auch derjenige, der, wenn er gut spielt, nicht nur dazu beiträgt, dass das Team Spiele gewinnt, sondern ganz konkret auch Receivern ihre Yards und Stats ermöglicht. Es ist das direkteste Zusammenspiel zweier Positionen, wenn es darum geht, wie der eine davon abhängig ist, dass der andere es ihm ermöglicht, zu glänzen.
Leadership ist das eine - aber ohne sportliche Erfolge, ohne zählbare Fortschritte, die auch die Mitspieler auf dem Platz bemerken, ist es schwer zu führen. Wilson, ich denke, das ist eine faire Beobachtung, hat in beiden Bereichen signifikanten Nachholbedarf.