Lena Oberdorf: Das große Versprechen


Von Stefan Rommel

Eine 18-Jährige aus Ennepetal macht sich auf, die Welt zu erobern: Lena Oberdorfs ungewöhnlicher Weg soll sie schon in naher Zukunft in die absolute Weltspitze führen. Der Sieg beim NxGn-Award von Goal ist da der nächste logische Schritt.

Es begann alles wie so oft, mit dem Spiel der Männer - aber dabei sollte es nicht bleiben. Sie erinnert sich mit einem Lächeln im Gesicht an ihre ersten Begegnungen mit dem Ball, im heimischen Garten. Als ihr Vater und ihr fünf Jahre älterer Bruder kickten, sie so gerne mitspielen wollte, aber zunächst nicht durfte. Sie solle doch besser etwas anderes machen in der Zwischenzeit, hier spielten immerhin die großen und kleinen Jungs. Und manchmal auch der Hund der Familie, der in schöner Regelmäßigkeit allerdings auch jeglichen Spielfluss rigoros stoppte: Er biss einen Ball nach dem anderen kaputt.

Das sind die ersten Erinnerungen von Lena Oberdorf an das Spiel der Spiele. Jetzt ist das Mädchen von damals auf dem Papier erwachsen, vor wenigen Wochen feierte Oberdorf ihren 18. Geburtstag. Und in diesen Tagen ihre Wahl zur Gewinnerin bei Goals NxGn, als beste Nachwuchsspielerin der Welt. "Das macht mich stolz. Es ist eine tolle Motivation für mich, immer weiterzumachen." Es ist der vorläufige Höhepunkt einer an Höhepunkten reichen Karriere, die doch gerade erst beginnt.

Lena Oberdorf: Das große Versprechen


By Stefan Rommel

Eine 18-Jährige aus Ennepetal macht sich auf, die Welt zu erobern: Lena Oberdorfs ungewöhnlicher Weg soll sie schon in naher Zukunft in die absolute Weltspitze führen. Der Sieg beim NxGn-Award von Goal ist da der nächste logische Schritt.

Es begann alles wie so oft, mit dem Spiel der Männer - aber dabei sollte es nicht bleiben. Sie erinnert sich mit einem Lächeln im Gesicht an ihre ersten Begegnungen mit dem Ball, im heimischen Garten. Als ihr Vater und ihr fünf Jahre älterer Bruder kickten, sie so gerne mitspielen wollte, aber zunächst nicht durfte. Sie solle doch besser etwas anderes machen in der Zwischenzeit, hier spielten immerhin die großen und kleinen Jungs. Und manchmal auch der Hund der Familie, der in schöner Regelmäßigkeit allerdings auch jeglichen Spielfluss rigoros stoppte: Er biss einen Ball nach dem anderen kaputt.

Das sind die ersten Erinnerungen von Lena Oberdorf an das Spiel der Spiele. Jetzt ist das Mädchen von damals auf dem Papier erwachsen, vor wenigen Wochen feierte Oberdorf ihren 18. Geburtstag. Und in diesen Tagen ihre Wahl zur Gewinnerin bei Goals NxGn, als beste Nachwuchsspielerin der Welt. "Das macht mich stolz. Es ist eine tolle Motivation für mich, immer weiterzumachen." Es ist der vorläufige Höhepunkt einer an Höhepunkten reichen Karriere, die doch gerade erst beginnt.

Oberdorf ist bereits Europameisterin, beim U17-Turnier wurde sie zur besten Spielerin gewählt. Danach folgte die Berufung nicht nur in die A-Nationalmannschaft, sondern auch sofort zur WM im letzten Jahr. Und dann kam noch das Jahrhundertspiel dazu: England gegen Deutschland in Wembley, vor 78.000 Zuschauern. Sie hat Birgit Prinz abgelöst als jüngste deutsche Spielerin bei einem WM-Turnier und gilt als Teenager schon als eine der Säulen, die die deutsche Mannschaft nach der Enttäuschung von Frankreich wieder zurück in die absolute Weltspitze führen sollen.

Oberdorf hat einen bemerkenswerten Weg zurückgelegt. Anders als die meisten anderen Spielerinnen hat sie noch als 16-Jährige mit der Jungenmannschaft der TSG Sprockhövel gespielt. Eine eher ungewöhnliche Entscheidung, die sich im Nachhinein aber als goldrichtig erwiesen hat. Die Jahre mit den C- und B-jugendlichen Jungs haben sie vorbereitet auf das, was später im Damenbereich an Herausforderungen auf sie wartete.

Aus technischen, mentalen, und vor allen Dingen körperlichen Gesichtspunkten war das die beste Schule überhaupt. "Ich denke, das war der größte Faktor. Die Jungs spielten sehr hart, sehr körperbetont. Ihr Körper ist deutlich stärker als der eines Mädchens. Es war wohl eine gute Entscheidung, so lange wie nur möglich in den Jungenmannschaften zu spielen“, sagt Oberdorf im Gespräch mit Goal und DAZN.

Vom TuS Ennepetal ging es nach Sprockhövel, dem Klub ihres Bruders Tim. Der war und ist eine wichtige Bezugsperson. "Mein Bruder ist mein großes Vorbild. Mit ihm kann ich über alles reden, ihn alles fragen. Wir spielen auf der selben Position, also ist es auch sehr einfach, mich mit ihm über Fußball zu unterhalten." Tim spielt mittlerweile in der Regionalliga West bei der zweiten Mannschaft von Fortuna Düsseldorf. Keine 40 Minuten dauert die Fahrt von Essen nach Düsseldorf, auch nach Ennepetal sind es nur knapp 50 Kilometer. Es sind die kurzen Wege, die sich Oberdorf bei der Wahl ihres nächsten Karriereschritts ausgesucht hat - und nicht die großen Standorte wie München oder Wolfsburg.

Bei der SGS Essen spielt sie seit rund anderthalb Jahren. Da muss die Champions League zwar noch ein bisschen warten, die Geborgenheit zu Hause wiegt aber noch deutlich schwerer als die eine oder andere sportliche Herausforderung. "Es war richtig, nach Essen zu gehen. So kann ich zu Hause bei meiner Familie bleiben. Meine Familie ist mir sehr wichtig." Ihr Leben spielt sich ab zwischen ihrem Elternhaus, der Schule und dem Trainingsgelände der SGS Essen. "Eine zweite Familie" nennt sie ihren Verein, mit ihren Mitspielerinnen ist sie auch abseits des Platzes gerne zusammen. Das Leben in der Jugend des Fünftligisten Sprockhövel, das Laute auf dem Platz inmitten der Jungs, das hat sie längst hinter sich gelassen: "Ich sammle in der Frauen-Bundesliga jede Menge Erfahrungen und es gibt tolle Trainer und Trainerinnen."

Die zwischenzeitlichen Probleme von früher sind längst ganz weit weg. "Es gab genug Jungs, die es überhaupt nicht gut fanden, dass da ein Mädchen mitspielte. Da musste ich mir schon einiges anhören, 'geh doch lieber wieder in die Küche', und so. Aber das hat mich nie wirklich interessiert." Stattdessen hat sie noch härter trainiert und diesen unbändigen Ehrgeiz entwickelt, den einige ihrer Mannschaftskameradinnen nun von Zeit zu Zeit immer mal zügeln müssen: "‘Mach doch mal ruhiger‘, sagen die dann. Aber es liegt mir im Blut, ich kann nichts dagegen machen."

Am Übergang vom Jugend- zum Erwachsenenfußball scheitern nicht nur das Gros der talentierten männlichen Spieler, sondern auch genug ihrer weiblichen Pendants. Es ist ein enormer Sprung raus aus einem Zweijahreszyklus hinein in eine Welt, in der 25-, 30-Jährige mit zahllosen Spielen an Erfahrung auf dem Buckel sagen, wo es langgeht. Die Zahl derer, die diesen Sprung nicht schaffen, ist enorm. Nur ein paar Wenige marschieren da irgendwie durch - und alle Jubeljahre gibt es die ganz spektakulären Ausnahmeerscheinungen.

Oberdorf war durch die Auftritte in den deutschen Nachwuchs-Nationalteams keine Unbekannte, wie schnell sie sich aber an den Fußball in der Bundesliga gewöhnt hatte, dürfte selbst den einen oder anderen Experten verblüfft haben. Martina Voss-Tecklenburg aber offenbar nicht. Nur ein paar Monate nach Oberdorfs Debüt in der Frauen-Bundesliga lud Deutschlands Bundestrainerin sie zur Nationalmannschaft ein. "Ich war in der Schule, als das Telefon klingelte. 'Martina ruft an', stand da", erinnert sich Oberdorf. "Aber ich konnte nicht rangehen, ich saß mitten im Unterricht. Also habe ich nach der Schule zurückgerufen und sie erklärte mir, dass sie mich einladen wolle."

Im April 2019 feierte Oberdorf beim 2:1-Sieg über Schweden ihr Debüt, nach einer Stunde wurde sie damals eingewechselt. 17 Jahre und 109 Tage war Oberdorf da jung und die erste deutsche Spielerin seit Celia Sasic 14 Jahre zuvor, die bei ihrer Premiere im DFB-Dress noch nicht volljährig war. Wenige Tage später folgte gegen Japan ihr Startelfdebüt. Oberdorf wurde zum "Dark Horse" in Voss-Tecklenburgs WM-Kader, diese eine Überraschungsnominierung, die sich der eine oder andere Trainer oder Trainerin gerne rausnimmt für so ein großes Turnier.

Für die eigentlich sehr coole Spielerin dann doch so etwas wie ein kleiner Schock. "Ich habe das nicht so richtig verstanden, bis ich tatsächlich da war, in Frankreich, bei der WM. Meine Familie war so stolz, aber sie haben mir auch gesagt: Mach dir keinen Kopf. Du bist noch so jung, du kannst noch oft genug spielen. Genieße die Erfahrung." Nur: Daraus wurde nichts. Oberdorf war nicht der WM-Tourist, so etwas wie ein Maskottchen oder das Küken, das nun mal ein bisschen reinschnuppern darf. Sie wurde sofort zu einem vollwertigen und wichtigen Teil der Mannschaft.

Gleich im ersten Spiel gegen China warf Voss-Tecklenburg sie ins kalte Wasser, wechselte sie zur Halbzeit im schweren Eröffnungsspiel gegen die robusten und teils überhart spielenden Chinesinnen ein. "Mit ihr wollten wir unsere physische Präsenz stärken", sagte die Bundestrainerin nach dem Spiel, das Deutschland mit 1:0 gewann. "Und wenn wir so ein Thema mit unserer jüngsten Spielerin angehen können, sagt das wohl einiges über Lena aus." Oberdorf war jetzt voll drin im Turnier, startete gegen Spanien und wurde in den beiden K.o.-Spielen jeweils eingewechselt. Das jähe Ende im Viertelfinale gegen die Schwedinnen war ein Schock, aber soll gleichzeitig auch als Chance für eine neue Generation verstanden werden.

"Nach der WM saßen wir zusammen und besprachen, was in Zukunft besser werden muss und was unsere nächsten Ziele sind", sagt Oberdorf. Die Qualifikation für die Euro 2021 wird das erste davon sein. Mir Lena Oberdorf in einer Schlüsselrolle. Ihre Vielseitigkeit ist ein überragendes Element. Oberdorf kann in der Innenverteidigung oder im zentralen defensiven Mittelfeld eingesetzt werden. Auch auf der Zehn kann sie einer Mannschaft unheimlich viel geben. Im Prinzip spiele sie, wo sie halt gebraucht werde.

"Ich habe schon überall gespielt - sogar im Tor", sagt sie und erklärt dann, warum sie sich so schnell an neuen Umgebungen und Gegebenheiten anpassen kann. "Bei den Jungs war ich Sechser oder Zehner. Jetzt bei den Frauen spiele ich in der Abwehr und das unterscheidet sich gar nicht so sehr von der Sechserposition. Ich spiele da, wo mich das Team am meisten braucht und wo es das Spiel eben erfordert."

Gleich im ersten Spiel gegen China warf Voss-Tecklenburg sie ins kalte Wasser, wechselte sie zur Halbzeit im schweren Eröffnungsspiel gegen die robusten und teils überhart spielenden Chinesinnen ein. "Mit ihr wollten wir unsere physische Präsenz stärken", sagte die Bundestrainerin nach dem Spiel, das Deutschland mit 1:0 gewann. "Und wenn wir so ein Thema mit unserer jüngsten Spielerin angehen können, sagt das wohl einiges über Lena aus."

Oberdorf war jetzt voll drin im Turnier, startete gegen Spanien und wurde in den beiden K.o.-Spielen jeweils eingewechselt. Das jähe Ende im Viertelfinale gegen die Schwedinnen war ein Schock, aber soll gleichzeitig auch als Chance für eine neue Generation verstanden werden.

"Nach der WM saßen wir zusammen und besprachen, was in Zukunft besser werden muss und was unsere nächsten Ziele sind", sagt Oberdorf. Die Qualifikation für die Euro 2021 wird das erste davon sein. Mir Lena Oberdorf in einer Schlüsselrolle. Ihre Vielseitigkeit ist ein überragendes Element. Oberdorf kann in der Innenverteidigung oder im zentralen defensiven Mittelfeld eingesetzt werden. Auch auf der Zehn kann sie einer Mannschaft unheimlich viel geben. Im Prinzip spiele sie, wo sie halt gebraucht werde.

"Ich habe schon überall gespielt - sogar im Tor", sagt sie und erklärt dann, warum sie sich so schnell an neuen Umgebungen und Gegebenheiten anpassen kann. "Bei den Jungs war ich Sechser oder Zehner. Jetzt bei den Frauen spiele ich in der Abwehr und das unterscheidet sich gar nicht so sehr von der Sechserposition. Ich spiele da, wo mich das Team am meisten braucht und wo es das Spiel eben erfordert."

Die Hingabe für das Team, den übergeordneten Erfolgsgedanken, ihre mentale und körperliche Stärke und ihr Wille, sich permanent zu verbessern, lassen ihre Zukunftsaussichten besonders rosig erscheinen. "In Deutschland kann man sich gut entwickeln. Und ich denke es kommt dabei gar nicht sehr darauf an, wo man spielt. Der Klub macht die Herausforderung aus. Wenn du zum Beispiel für Bayern München oder den VfL Wolfsburg spielst, ist das eine ganz andere Ausgangslage als in Essen. Hier sind wir immer die Underdogs, wir müssen kämpfen."

Diese Umgebung passt wohl ganz gut zu einer 18-Jährigen, die es gewohnt ist, zu kämpfen und sich durchzubeißen. Lena Oberdorf ist das große Versprechen des deutschen Frauen-Fußballs. Diei Auszeichnung bei NxGn ist dabei nur der logische nächste Schritt.


Photos credit: Michael Gehrmann