Auf dem Court war er eine Legende. Einer der besten Spieler aller Zeiten. Sogar heutzutage verehren Roger Federer, Rafael Nadal und Co. ihn noch. Doch seinen wichtigsten Sieg errang Rod Laver abseits der Tennis-Welt. Vor dem Start der Australian Open 2015 blickt SPOX auf seine denkwürdige Karriere zurück.
Federer? Mit Sicherheit. Nadal? Wahrscheinlich. McEnroe? Könnte sein. Sampras? Durchaus möglich. Wenn es darum geht, den Besten der Besten zu küren, fallen meist die Namen der üblichen Verdächtigen.
Einer wird aber oftmals übergangen. Wahrscheinlich, weil er während einer längst vergessenen Zeit das Racket geschwungen hat. In einer Zeit, als die Schläger noch aus Holz waren und die Technik Oberhand über die Kraft hatte.
Dabei taucht er jedes Jahr wieder auf. Im Januar, bei den Australian Open, wenn die Heroen der Neuzeit seinen Platz betreten. Die Rod Laver Arena.
"Vieles spricht für Rod"
Zumindest die aktuellen Stars vergessen nicht, welchen Stellenwert "The Rocket" in der Geschichte des weißen Sports einnimmt. "Meiner Meinung nach spricht viel dafür, dass Rod der Beste der Geschichte ist. Er gewann den Kalender-Grand-Slam, wechselte zu den Profis und gewann den Grand Slam nach einer langen Pause nochmals", ergreift beispielsweise Rafael Nadal Partei für den Australier.
Der Spanier spricht aber auch aus, weshalb Laver im medialen Konzert der ganz Großen anscheinend nicht in vorderster Reihe mitspielt, zumindest wenn man die blanken Zahlen sprechen lässt. Laver feierte während seiner Karriere elf Grand-Slam-Erfolge. Eine beachtliche Anzahl, aber auf den ersten Blick eben doch zu wenig, um mit Roger Federers 17 Titeln oder den 14 Triumphen Nadals mitzuhalten.
Um mehr Major-Titel zu sammeln, hatte Laver schlicht und einfach das Pech, in einer Zeit zu spielen, in der noch artig nach Amateuren und Profis getrennt wurde. Wer sich für die Pro-Tour entschied, wurde der Chance beraubt, bei den Slams abzuräumen.
Erst 1968, mit Beginn der Open Era, durften auch Profis wieder an den Big Four teilnehmen. Der Australier wechselte 1963 in den Profibereich. Fünf Jahre nahm er sich also selbst die Chance, weitere Grand-Slam-Titel zu hamstern. Denn vor seinem Wechsel dominierte Laver das Herrentennis beinahe nach Belieben.
Laver folgt Budge
Bereits 1960, mit 22 Jahren, feierte er bei den Australian Open seinen ersten Major-Titel. Ein Jahr später folgte der Triumph in Roland Garros. Doch das sollte nur als Ouvertüre dienen.
Schließlich ging das Jahr 1962 in die Tennis-Annalen ein. Laver spielte in diesen zwölf Monaten in einer eigenen Liga. Beinahe unbezwingbar. Er feierte 20 Turnier-Erfolge und holte, nach Don Budge 1939, erst als zweiter Spieler der Geschichte den Kalender-Grand-Slam. Was offensichtlich wurde: Laver war für die Amateure schlichtweg zu stark.
Es kam, was kommen musste: der Sprung zu den Pros. "Wenn er nicht Profi geworden wäre, hätte er bestimmt mehr Majors gewonnen als ich und wahrscheinlich auch als Roger", ist sich Nadal sicher. Doch was war überhaupt das Erfolgsgeheimnis des Mannes aus Rockhampton, dass er auch das Geschehen auf der Profi-Tour, unter anderem mit fünf Erfolgen bei der US Pro Championship, dominierte?
"Kleiner, dürrer Junge mit O-Beinen"
Betrachtet man Laver genauer, scheint es für den außenstehenden Betrachter nahezu ausgeschlossen, dass der Australier dem Tenniszirkus seiner Zeit den Stempel aufdrücken konnte. Rodney George Laver brachte es gerade mal auf eine Körperlänge von 173 cm und war zu seiner aktiven Zeit mit 68 kg ein Fliegengewicht.
"Ich war ein kleiner, dürrer, mit Sommersprossen übersäter und O-Beinen gesegneter, schüchterner Junge", lautet das bemerkenswerte Selbstporträt des Australiers. Nichtsdestotrotz entwickelte sich Laver zum Schwergewicht auf dem Court. Er attackierte, war schnell auf den Beinen und verfügte - trotz seiner geringen Größe - über einen passablen Aufschlag.
Auch sein früherer Coach Harry Hopman ließ sich - wie viele andere Experten - von dem Erscheinungsbild zunächst blenden. "Er dachte, ich wäre nicht stark und schnell genug. Deshalb taufte er mich ironischerweise auf den Spitznamen 'Rockhampton Rocket'", erinnert sich Laver.
Lavers Stärke: Keine Schwächen
Auch spielerisch begann mit dem Australier eine neue Ära. In der Zeit, als die Rackets noch eine kleinere Trefferfläche boten, war Laver einer der ersten, der den Topspin für sich entdeckte. "Ich schlug die Bälle mit extremem Topspin. Wenn man sich die kleinen Schläger der damaligen Zeit anschaut, musstest du die ganze Zeit die Mitte des Rackets treffen. Ansonsten sind die Bälle ins Nirgendwo gesegelt. Das war gar nicht so einfach."
Aber die wenigsten Bälle von Rod flogen ins Nirgendwo - meistens landete der gelbe Filzball maßgenau in den Ecken des Courts und brachte die Gegner reihenweise zur Weißglut.
"In den besten Jahren von Rod hatte John Newcombe den besseren Aufschlag sowie die bessere Vorhand, Ken Rosewall die stärkere Rückhand und Tony Roche das bessere Angriffsspiel. Aber jeder von ihnen hatte eine Schwäche. Lavers Stärke war, dass er keine Schwächen hatte", brachte es Budge auf den Punkt. Das Gesamtpaket stimmte schlicht beim Australier.
Zudem besaß Laver eine stoische Ruhe auf dem Platz. Während John McEnroe oder Boris Becker, zwei seiner legitimen Nachfolger, auf dem Platz explodierten und des Öfteren die Schuld beim Schiedsrichter suchten, fragte Laver in 23 Jahren genau ein einziges Mal nach, ob der Ball tatsächlich im Aus gewesen sei.
1000.Sieg! Federer gewinnt Turnier in Brisbane
"Rocket" macht sich unsterblich
Auch mit Beginn der Open Era änderte sich an der Klasse von "The Rocket" wenig, Laver schnappte sich gleich wieder die Krone auf dem heiligen Rasen von Wimbledon. 1969 gelang ihm dann - sieben Jahre nach dem ersten Coup - mit dem zweiten Kalender-Grand-Slam Historisches. Insgesamt verbuchte er 17 Turniersiege und konnte eine Jahresstatistik von 106-16 vorweisen, ein Platz im Tennis-Olymp inklusive.
Bis 1977 spielte Laver danach noch auf der Tour, weitere Major-Triumphe bleiben ihm jedoch verwehrt. Am Ende standen 184 Turniererfolge zu Buche, aber nur deren 41 werden von der ATP anerkannt. Bereits 1981 folgte dennoch der verdiente Lohn aller Mühen: die Aufnahme in die Hall of Fame.
Der wichtigste Sieg
Nach seiner aktiven Karriere genoss Rod Laver seinen wohlverdienten Ruhestand, schaute der neuen Generation über die Schulter oder spielte eine Runde Golf - bis das Schicksal 1998 grausam Einzug hielt. Während einer Interview-Aufzeichnung erlitt Laver einen Schlaganfall. Die Ärzte konnten den australischen Volksheld zwar retten, doch seine rechte Seite blieb zunächst teilweise gelähmt.
Dabei hatte Laver gar noch Glück im Unglück. Die TV-Studios befanden sich in unmittelbarer Nähe zu einem Krankenhaus. Genau das rettete ihm wohl das Leben. Trotzdem stellten sich ihm nun neue Herausforderungen in den Weg. Er, der so viele Schlachten geschlagen - und gewonnen - hatte, musste wieder laufen und sprechen lernen. Eine vollständige Genesung schlossen die Ärzte schnell aus.
Doch es kam anders. "Man hat mir gesagt, dass ich wahrscheinlich nie wieder spielen könnte, aber Tennis war eine der Ursachen, dass ich durchgekommen bin. Es war herrlich, als ich das erste mal wieder auf dem Platz stand."
Sechs Jahre nach dem Schlaganfall stand der 66-jährige bei einem Showmatch mit Andre Agassi, Tony Roche und John Newcombe tatsächlich wieder auf dem Court. Große Namen, doch der Größte war der schmächtige, dürre Junge, der es einmal mehr allen gezeigt hatte.
Treffen der Giganten
Welchen Stellenwert Laver bei den aktiven Spielern auch deswegen immer noch besitzt, erkennt man an Aussagen wie jener von Nadal. Doch meistens sind es die Gesten, die für magische Momente sorgen - wie im Januar 2014. Vor einem Showmatch zwischen Roger Federer und Jo-Wilfried Tsonga erhielt der Schweizer die Möglichkeit, mit der australischen Legende in der Rod Laver Arena ein paar Bälle zu schlagen.
"Mit Rod zu spielen, kam einem Traum gleich. Ich war ziemlich nervös, mein Schläger fühlte sich zentnerschwer an", so Federer. Ob sich an diesem Abend die beiden besten Spieler der Geschichte gegenüberstanden, bleibt offen. Aber vieles spricht dafür.
Laver hat zu dieser ganzen Thematik sowieso seine ganz eigene Sichtweise. "Ich glaube nicht, dass man die verschiedenen Epochen miteinander vergleichen kann. Du kannst der dominierende Spieler deiner Zeit sein, aber ich glaube nicht, dass einem der Titel des Besten aller Zeiten gebührt."
Die aktuelle ATP-Weltrangliste